Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise ist auch heute, 225 Jahre nach seiner Fertigstellung, noch immer eines der meistgespielten deutschen Dramen. Der Nathan wird in der gegenwärtigen Forschungsliteratur immer neu interpretiert, auf den Bühnen neu inszeniert und ist nicht zuletzt auch fester Bestandteil des Deutschunterrichts an Schulen. Oft vernachlässigt wird dabei die Tatsache, dass Lessing schon dreißig Jahre vor seinem letzen dramatischen Werk mit dem Einakter Die Juden eine Komödie verfasste, die eine sehr ähnliche Thematik behandelt. Zwar stellen Die Juden einen formalen Kontrast zum Nathan dar, doch wird der Einakter in der Lessing-Forschung als dessen Vorläufer, ja sogar als „Meilenstein auf dem Weg zum Nathan“ 1 bezeichnet. Doch trotz der inhaltlichen Verknüpfung ist Lessings frühe Komödie größtenteils in Vergessenheit geraten und wird aufgrund seines simplen dramatischen Aufbaus bestenfalls als originelles Experiment 2 angesehen, welches weder in Form noch Inhalt an das Spätwerk heranreicht. Diese Arbeit soll die u nterschiedliche Bearbeitung der Problematik der sozialen und religiösen Intoleranz im interkonfessionellen Miteinander betrachten und Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Juden und des Nathan aufzeigen. Zu diesem Zweck werden nach einer kurzen Inhaltsangabe der Werke jeweils die Hauptcharaktere untersucht. Daran anschließend soll der Versuch einer literaturgeschichtlichen Einordnung anhand ausgewählter Vertreter der Dramenliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts unternommen und die unerlässliche Analyse der Lessingschen Gattungstheorie geführt werden.
Darauf aufbauend soll die Frage geklärt werden, ob die Juden nur unbeholfene „poetische Übungen“ 3 eines jungen Schriftstellers sind, die wenig Beachtung fanden und finden, und erst der Nathan die eigentlich dramenästhetische und thematische Revolution darstellte. Mit dem Fokus auf der Rezeption von Lessings Zeitgenossen und der Nachwelt wird untersucht, welche Wirkung die Dramen erzielen konnten und ob diese mit der von Lessing angestrebten übereinstimmt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Inhaltsangaben
- 2.1. Die Juden
- 2.2. Nathan der Weise
- 3. Die Personen
- 3.1. Die Juden
- 3.1.1. Der Reisende
- 3.1.2. Der Baron
- 3.1.3. Das Fräulein
- 3.2. Nathan der Weise
- 3.2.1. Nathan
- 3.2.2. Saladin
- 3.2.3. Recha
- 3.2.4. Der Tempelherr
- 3.1. Die Juden
- 4. Lessing und die dramenästhetischen Einflüsse seiner Zeit
- 4.1. Die Komödie im 18. Jahrhundert und die Sonderstellung von Lessings Die Juden
- 4.1.1. Die sächsische Typenkomödie und das rührende Lustspiel
- 4.1.2. Die Komödientheorie Lessings
- 4.1.3. Die Juden – mehr als nur ein „harmloses Jugendlustspiel“
- 4.2. Nathan im Zuge der Tragödienentwicklung
- 4.2.1. Aristoteles als Grundlage der Tragödientheorie
- 4.2.2. Lessing und die tragédie française
- 4.2.3. Die Tragödientheorie Lessings und ihre Umsetzung im Nathan
- 4.1. Die Komödie im 18. Jahrhundert und die Sonderstellung von Lessings Die Juden
- 5. Die Juden und Nathan der Weise Werke mit ähnlicher Intention, doch unterschiedlicher Wirkung
- 5.1. Die Juden und Nathan der Weise im Vergleich
- 5.2. Lessings Lehrstücke in der Rezeption von Mit- und Nachwelt
- 6. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Lessings Die Juden und Nathan der Weise, um die unterschiedliche Bearbeitung der sozialen und religiösen Intoleranz im interkonfessionellen Miteinander zu beleuchten und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede beider Werke aufzuzeigen. Es wird die literaturgeschichtliche Einordnung der Stücke im Kontext der Dramenliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts analysiert, sowie Lessings Gattungstheorie untersucht.
- Vergleich der Thematik sozialer und religiöser Intoleranz in Die Juden und Nathan der Weise
- Analyse der dramenästhetischen Einflüsse auf Lessing
- Untersuchung der Gattungstheorie Lessings und deren Umsetzung in beiden Werken
- Bewertung der Rezeption beider Dramen durch Zeitgenossen und Nachwelt
- Klärung der Frage, ob Die Juden als Vorläufer zu Nathan der Weise betrachtet werden kann.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und betont die anhaltende Relevanz von Lessings Nathan der Weise. Sie hebt die oft vernachlässigte Bedeutung von Die Juden hervor, das als Vorläufer des bekannten Dramas gesehen wird, und formuliert die Zielsetzung der Arbeit: einen Vergleich beider Werke hinsichtlich ihrer Behandlung von sozialer und religiöser Intoleranz.
2. Inhaltsangaben: Dieser Abschnitt bietet knappe Inhaltszusammenfassungen von Die Juden und Nathan der Weise. Bei Die Juden wird der Fokus auf die Handlung gelegt, die den Versuch eines Anschlags auf den Baron zeigt und wie dieser durch einen reisenden Juden verhindert wird. Die Geschichte unterstreicht dabei die latente Intoleranz, und wie diese schließlich durch den Juden aufgedeckt und überwunden wird. Die Zusammenfassung von Nathan der Weise skizziert die Handlung um Nathan, Recha und den Tempelherrn, und deutet die zentrale Frage nach der "wahren" Religion an.
3. Die Personen: Dieser Teil präsentiert detaillierte Charakteranalysen der Hauptfiguren beider Dramen. Für Die Juden werden der Reisende, der Baron, und das Fräulein beleuchtet, und deren Rolle im Kontext der Intoleranz und des Zusammenlebens verschiedener Glaubensrichtungen untersucht. Die Analyse der Figuren aus Nathan der Weise (Nathan, Saladin, Recha, und der Tempelherr) fokussiert auf ihre Beziehungen zueinander und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Handlung und der zentralen Thematik der Toleranz.
4. Lessing und die dramenästhetischen Einflüsse seiner Zeit: Dieses Kapitel untersucht die dramenästhetischen Einflüsse auf Lessing und deren Auswirkungen auf seine Werke. Es vergleicht Lessings Komödie Die Juden mit den komödiantischen Strömungen des 18. Jahrhunderts, analysiert seine Komödientheorie und bewertet, inwieweit Die Juden über ein einfaches Lustspiel hinausgeht. Weiterhin wird die Tragödientheorie Lessings im Kontext der Entwicklung der Tragödie, insbesondere bezogen auf Aristoteles und die französische Tragödie, erörtert und deren Umsetzung in Nathan der Weise beleuchtet.
5. Die Juden und Nathan der Weise Werke mit ähnlicher Intention, doch unterschiedlicher Wirkung: Dieses Kapitel vergleicht Die Juden und Nathan der Weise hinsichtlich ihrer Intentionen und ihrer Wirkung auf das Publikum. Es untersucht die Rezeption der Dramen durch Zeitgenossen und Nachwelt, um zu analysieren, wie diese die von Lessing intendierte Botschaft aufnehmen und interpretieren.
Schlüsselwörter
Gotthold Ephraim Lessing, Die Juden, Nathan der Weise, Aufklärung, Toleranz, Religion, Interkonfessionalität, Dramenästhetik, Komödie, Tragödie, soziale Intoleranz, religiöse Intoleranz, Gattungstheorie, Rezeption.
Häufig gestellte Fragen zu Lessings "Die Juden" und "Nathan der Weise"
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit vergleicht und analysiert Gotthold Ephraim Lessings Dramen "Die Juden" und "Nathan der Weise". Der Fokus liegt auf der Darstellung sozialer und religiöser Intoleranz in beiden Werken, ihren literaturgeschichtlichen Einordnungen und Lessings Dramentheorie.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Themen wie soziale und religiöse Intoleranz, die Dramenästhetik des 17./18. Jahrhunderts, Lessings Gattungstheorie (Komödie und Tragödie), die Rezeption beider Dramen und den Vergleich der Intention und Wirkung beider Stücke. Es wird die Frage untersucht, ob "Die Juden" als Vorläufer zu "Nathan der Weise" betrachtet werden kann.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert: Einleitung, Inhaltsangaben beider Dramen, Charakteranalysen der Hauptfiguren, Analyse der dramenästhetischen Einflüsse auf Lessing und deren Umsetzung in den Dramen, Vergleich der Intention und Wirkung beider Stücke und abschließende Schlussbemerkungen. Jedes Kapitel wird zusammengefasst.
Welche Figuren werden analysiert?
Die Figuren-Analysen umfassen den Reisenden, den Baron und das Fräulein aus "Die Juden" sowie Nathan, Saladin, Recha und den Tempelherrn aus "Nathan der Weise". Der Fokus liegt auf ihren Rollen im Kontext der Intoleranz und der Entwicklung der Handlung.
Welche dramenästhetischen Einflüsse werden untersucht?
Die Arbeit untersucht Lessings Komödientheorie im Kontext der sächsischen Typenkomödie und des rührenden Lustspiels und bewertet "Die Juden" darüber hinaus. Die Tragödientheorie Lessings wird im Kontext von Aristoteles und der französischen Tragödie analysiert und auf "Nathan der Weise" angewendet.
Wie werden "Die Juden" und "Nathan der Weise" verglichen?
Der Vergleich konzentriert sich auf die ähnliche Intention – die Darstellung und Überwindung von Intoleranz – und die unterschiedliche Wirkung beider Dramen. Die Rezeption durch Zeitgenossen und Nachwelt wird analysiert, um die Interpretation der Botschaft Lessings zu beleuchten.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die unterschiedliche Bearbeitung von sozialer und religiöser Intoleranz in "Die Juden" und "Nathan der Weise" zu beleuchten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen, die literaturgeschichtliche Einordnung im Kontext der Dramenliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts zu analysieren und Lessings Gattungstheorie zu untersuchen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Gotthold Ephraim Lessing, Die Juden, Nathan der Weise, Aufklärung, Toleranz, Religion, Interkonfessionalität, Dramenästhetik, Komödie, Tragödie, soziale Intoleranz, religiöse Intoleranz, Gattungstheorie, Rezeption.
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- Jasmin Ostermeyer (Author), 2004, Lessings "Die Juden" und "Nathan der Weise" - Auflösung der traditionellen literarischen Gattungen zugunsten eines aufklärerischen Erziehungsmodells, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/24119