Migration ist kein neues Phänomen und hat die Menschheitsgeschichte schon immer begleitet. Deutschland gilt seit langem als klassisches Einwanderungsland und zählt damit zu den Spitzenreitern in der Europäischen Union (Eurostat, 20101; Haase/Jugl, 2008). Seit ein paar Monaten steht in Deutschland aber ein ganz neuer Aspekt der Migration im Vordergrund: Die öffentliche, kontroverse Diskussion um den Fachkräftemangel. Durch quantitative sowie qualitative Veränderungen auf Seiten der deutschen Arbeitnehmer sehen sich Unternehmen häufig mit dem Problem konfrontiert, dass ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte in Deutschland eine knappe Ressource darstellen. Diese Veränderungen sind bedingt durch den demographischen Wandel, qualitative Defizite sowie durch die Abwanderung hochqualifizierter deutscher Staatsbürger aus Deutschland. Das Bewusstsein über die Dimension und der Aufwand, der betrieben werden muss, um den Trends entgegenzuwirken, ist jedoch erst seit kurzem wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Schlagzeilen wie „Zuwanderer dringend gesucht“ (Preuß, 2010), „Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus“ (Dettmer, 2010), „Migration nützt Deutschland“ (Frommberg/Kaelble, 2010) oder „Wir brauchen eine Menge heller Köpfe“ (Heinsohn, 2010) belegen die Aktualität dieses Themas.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Grundlegung
2. Nutzung weltweiter Humanressourcen
2.1. Qualitative und quantitative Veränderungen der deutschen Erwerbsbevölkerung
2.1.1. Demographische Entwicklung
2.1.2. Defizite bei der Qualifikationsstruktur
2.1.3. Wanderbewegungen in Deutschland
2.1.4. Fachkräftemangel
2.2. Internationalisierung der deutschen Unternehmen
2.2.1. Begriffsdefinitionvon Internationalisierung
2.2.2. Messung der Internationalisierung
2.2.3. Phasen der Internationalisierung
2.2.4. Personalstrategien im Zuge der Internationalisierung
3. E-Recruiting auf der Unternehmenshomepage
3.1. Begriffsdefinitionvon E-Recruiting
3.2. Aufbau einer Homepage für Nachwuchskräfte aus dem Ausland
3.2.1. Akquisitionvon Bewerbern
3.2.2. InformationderBewerber
3.2.3. Interaktion mit den Bewerbern
3.2.4. Datenbank für Bewerber
3.3. Internationales Personalmarketing
3.3.1. Begriffsdefinitionvon Personalmarketing
3.3.2. Internationale Ansprache akademischer Nachwuchskräfte
4. Empirischen Analyse von Unternehmenshomepages
4.1. Forschungsdesign
4.2. Auswertung der Ergebnisse
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung der Erwerbsbevölkerung in Industrie- und Entwicklungsländern
Abbildung 2: ExpansionsbedarfnachQualifikationsstufen
Abbildung 3: Systematisierungvon Internationalisierungsstrategien
Abbildung 4: StufenmodellderInternationalisierung
Abbildung 5: Markteintrittsformen und deren potentielle kulturelle Risiken
Abbildung 6: Beweggründe,internationalzurekrutieren
Abbildung 7: InternetauftrittderIkeaGmbH&Co.KG
Abbildung 8: Prozessmodell des Personalmarketing
Abbildung 9: Internetauftritt der Brose GmbH & Co. KG
Abbildung 10: Internetauftritt der Bosch GmbH
Abbildung 11: Karriereangebot für Nachwuchskräfte
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Internationale Rekrutierung von akademischen Nachwuchskräften
- eine empirische Analyse der Internetauftritte von deutschen
Unternehmen aus dem Mittelstand
Aus Gründen der Einfachheit und der besseren Lesbarkeit wird in der nachfolgenden Bachelorarbeit die männliche Form verwendet, Personen weiblichen Geschlechts sind natürlich gleichermaßen eingeschlossen.
1. Grundlegung
Migration ist kein neues Phänomen und hat die Menschheitsgeschichte schon immer begleitet. Deutschland gilt seit langem als klassisches Einwanderungsland und zählt damit zu den Spitzenreitern in der Europäischen Union (Eurostat, 2010[1] ; Haase/Jugl, 2008). Seit ein paar Monaten steht in Deutschland aber ein ganz neuer Aspekt der Migration im Vordergrund: Die öffentliche, kontroverse Diskussion um den Fachkräftemangel. Durch quantitative sowie qualitative Veränderungen auf Seiten der deutschen Arbeitnehmer sehen sich Unternehmen häufig mit dem Problem konfrontiert, dass ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte in Deutschland eine knappe Ressource darstellen. Diese Veränderungen sind bedingt durch den demographischen Wandel, qualitative Defizite sowie durch die Abwanderung hochqualifizierter deutscher Staatsbürger aus Deutschland. Das Bewusstsein über die Dimension und der Aufwand, der betrieben werden muss, um den Trends entgegenzuwirken, ist jedoch erst seit kurzem wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Schlagzeilen wie „Zuwanderer dringend gesucht" (Preuß, 2010), „Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus" (Dettmer, 2010), „Migration nützt Deutschland" (Frommberg/ Kaelble, 2010) oder „Wir brauchen eine Menge heller Köpfe" (Heinsohn, 2010) belegen die Aktualität dieses Themas.
Die Meinungen bewegen sich zwischen den Befürwortern einer gesteuerten Migration um den Problemen, auf die Deutschland zusteuert, entgegenzuwirken und den Gegnern, die in der Migration eine Gefahr für inländische Arbeitskräfte sehen. Bestes Beispiel hierfür sind die unterschiedlichen Haltungen der Parteien. Die CSU sieht in Deutschland kein Einwanderungsland, befürwortet jedoch die Zuwanderung von Hochqualifizierten. Den Fachkräftemangel will die Union allerdings in erster Linie durch Aus- und Weiterbildung im Inland bekämpfen. Die FDP hingegen fordert ein Punktesystem, das den Zuzug von qualifizierten Kräften erleichtert (o.V., 2010; Szymanski, 2010; Haselberger, 2010; Peters, 2010). Doch finden tatsächlich solch einschneidende Veränderungen der deutschen Wirtschaft statt, die derartig kontroverse Diskussionen rechtfertigen?
Im Zuge der Globalisierung und Vernetzung der Welt sieht sich die Arbeitgeberseite ebenso mit gravierenden Veränderungen konfrontiert. Die Unternehmen müssen ihre Denk- und Handlungsweise verstärkt international ausrichten. Dafür benötigen sie Mitarbeiter, die über sogenannte internationale Skills verfügen, welche im Unternehmensalltag inzwischen unabdingbar sind. Des Weiteren treiben die im Rahmen der Globalisierung und der Entwicklung zur Wissensgesellschaft aufkommenden neuen Technologien die Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitskräften zusätzlich an, da sich von ihnen positive Impulse und neue Ideen im Bereich der Forschung und Entwicklung erhofft werden. In dieser sich wandelnden Gesellschaft wird eine erfolgreiche Rekrutierung zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Aber welche praktikablen Möglichkeiten, um die Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, bieten sich für die Unternehmen überhaupt an? Werden diese von deutschen Unternehmen bereits umgesetzt? Inwieweit dabei insbesondere die Gewinnung ausländischer akademischer Nachwuchskräfte erstrebenswert ist, soll die Grundlage der vorliegenden Arbeit bilden.
In Bezug auf die zu rekrutierenden ausländischen Kräfte soll im Folgenden eine Eingrenzung vorgenommen werden. Im Verlauf dieser Arbeit stehen akademische Nachwuchskräfte im Mittelpunkt der Betrachtung. Hierunter verstehen die Autoren solche ohne einschlägige Berufserfahrung beziehungsweise mit einer nicht mehr als zweijährigen. Von diesen erhofft man sich das größte Innovationspotential und damit positive Multiplikatoreneffekte auf die ganze Volkswirtschaft (Oelsnitz/Stein/ Hahmann, 2007, S. 19).
Werden die akademischen Nachwuchskräfte aus dem Ausland gewonnen, so zeichnen sie sich durch die Merkmale aus, die vom Institut zur Zukunft der Arbeit für ausländische Hochqualifizierte definiert wurden. Danach besitzen sie weder die deutsche Staatsbürgerschaft, noch haben sie ihren Hochschulabschluss in Deutschland erworben. Diese Definition weicht von anderen ab, die alleine die Staatsbürgerschaft als Kriterium für einen ausländischen Arbeitnehmer heranziehen. Jedoch erscheint dies nicht sehr sinnvoll, da Ausländer aus Arbeitsmarktsicht kaum von Einheimischen zu unterscheiden sind (Winkelmann et al., 2001, S. 22). Es soll allerdings eine internationale Rekrutierungsstrategie verfolgt werden, um neues Humankapital aus anderen Volkswirtschaften schöpfen zu können. Daher stehen akademische Nachwuchskräfte ohne deutsche Staatsbürgerschaft und mit einem außerdeutschen Hochschulabschluss im Fokus derArbeit.
In einem ersten Schritt wird unter dem Punkt „Nutzung weltweiter Humanressourcen" zunächst aufgezeigt, welche Veränderungen seitens der Arbeitnehmer stattfinden und welche Problemfelder sich daraus ergeben. Im Anschluss wird ein Überblick über den Prozess der Internationalisierung Aufschluss über die Veränderungen deutscher Unternehmen und deren Rekrutierungsstrategien geben. Im Rahmen dessen wird dargestellt, ob die internationale Rekrutierung akademischer Nachwuchskräfte einerseits den arbeitnehmerseitigen Entwicklungen entgegensteuern und andererseits den Unternehmen sogar behilflich sein kann, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im nachfolgenden Kapitel „E-Recruiting auf der Unternehmenshomepage" wird die Fragestellung, auf welche Art und Weise deutsche Unternehmen akademische Nachwuchskräfte aus dem Ausland rekrutieren und insbesondere direkt ansprechen können, erörtert. Die anschließende Analyse von Unternehmenshomepages soll dazu dienen, empirische Erkenntnisse über den aktuellen Stand der Rekrutierung in Deutschland zu gewinnen. Betrachtet wurden dabei 35 Internetauftritte deutscher Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 320 und 350 Millionen und einer Mitarbeiterzahl zwischen 300 und 3000. Zusammengefasst geht es also darum zu klären, ob die internationale Rekrutierung akademischer Nachwuchskräfte die aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt positiv beeinflussen kann und inwieweit diese Denkweise bereits zu den Personalabteilungen in Deutschland vorgedrungen ist. Abschließend folgen im letzten Kapitel ein Fazit und ein Ausblick.
2. Nutzung weltweiter Humanressourcen
Die bereits angesprochenen quantitativen und qualitativen Veränderungen der Erwerbsbevölkerung sollen nun näher erläutert werden. Im ersten Abschnitt wird aufgezeigt, welche Veränderungen tatsächlich stattfinden. Im darauffolgenden Teil steht die zunehmende Internationalisierung deutscher Unternehmen im Fokus. Hierbei soll untersucht werden, inwieweit akademische Nachwuchskräfte aus dem Ausland mögliche Problemfelder lösen können und welche notwendigen Fähigkeiten sich die Unternehmen von dieser speziellen Zielgruppe erhoffen.
2.1 Qualitative und quantitative Veränderungen der deutschen Erwerbsbevölkerung
Betrachtet man die Erwerbsbevölkerung in Deutschland, so fällt auf, dass die bedeutendsten Veränderungen aus quantitativer Sicht auf die demographische Entwicklung zurückzuführen sind. Qualitative Veränderungen ergeben sich hingegen aus dem Phänomen des Brain Drains, also der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Deutschland und den Defiziten bei Aus- und Weiterbildungen der Inländer. Daraus resultieren ein qualifikatorisches Mismatch sowie der vieldiskutierte Fachkräftemangel. Neben der Darstellung dieser Veränderungen soll vor allem die internationale Rekrutierung akademischer Nachwuchskräfte als eine Möglichkeit zur Hemmung dieser Entwicklungen betrachtet werden.
2.1.1 Demographische Entwicklung
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis 2050 weiter anwachsen. In den meisten europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, zeigt sich hingegen ein gänzlich anderes Bild (Walter, 2009, S. 1; Blom/Meier, 2004, S. 16; Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 59). In der Bundesrepublik wird die Bevölkerungszahl nach einer Prognose des Statistischen Bundesamtes bis zu diesem Zeitpunkt von zurzeit 82 auf circa 70 Millionen sinken (Statistisches Bundesamt, 2009, S. 12; Kracht, 2007, S. 267). Es wird spätestens ab 2015 eine unmittelbare quantitative Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt spürbar sein, die viele Unternehmen bereits heute wahrnehmen (Walter, 2009, S. 2; Schlick/Mütze-Niewöhner/Köttendorf, 2009, S. 44; Frieling/Fölsch/Schäfer, 2009, S. 466; Reinberg/Hummel, 2003, S. 3; Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 3; Heß/Sauer, 2007, S. 7). Zu diesem Zeitpunkt scheiden die Babyboomer, also Menschen, die zwischen 1950 und 1970 geboren wurden, aus dem Arbeitsmarkt aus, wodurch es zu einer deutlichen Verknappung des Erwerbspotentials kommen wird (Deller et al., 2008, S. 2; Kracht, 2007, S. 267; Langhoff, 2009, S. 262; WEF, 2010, S. 17; Wagner, 2008, S. 35).
Laut einer Studie des World Economic Forums zählt Deutschland sogar zu den am stärksten von einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung betroffenen Ländern. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Bundesrepublik sich diesbezüglich in die Reihe der anderen Industrieländer einfügt, wohingegen die Erwerbsbevölkerung in den Entwicklungsländern - mit Ausnahme Chinas - weiterhin deutlich wachsen wird (WEF, 2010, S. 16 ff.; Blom/Meier, 2004, S. 16).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung de' Erwerbsbevölkerung in Industrie- und Entwicklnngsländern (Quelle: in Anlehnung an WEF, 20 IC. S. 16]
Der Anteil älterer Menschen nimmt gemessen an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich zu, da zu wenig Kinder geboren werden und gleichzeitig die durchschnittliche Lebenserwartung steigt (Deller et al., 2008, S. 2; Stewart/Clark/Clark, 2007, S. 1; Walter, 2009, S. 1; Kracht, 2007, S. 267; Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 2 f.; Hönekopp/ Menck/Straubhaar, 2001, S. 6; Boswell/Straubhaar, 2005, S. 3; Schlick/Mütze- Niewöhner/Köttendorf, 2009, S. 45). Schon heute zählt Deutschland mit einem Medianalter von 42,1 Jahren zu den zehn ältesten Gesellschaften (Walter, 2009, S. 1), sodass jede dritte Erwerbsperson 2020 älter als 50 Jahre alt sein wird (Schlick/ Mütze-Niewöhner/Köttendorf, 2009, S. 44). Der Anteil der 20- bis 24-Jährigen wird dagegen bis zum Jahre 2020 um 20% schrumpfen, so stark wie in kaum einem anderen der reichen Industrienationen (Müller, 2009, S. 107). Diese Prognosen sind besonders besorgniserregend, da gerade die Gruppe betroffen ist, in der das aktuelle Wissenskapital steckt und von der gleichzeitig die größten innovativen Impulse zu erwarten sind (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 69). Am Anfang des beruflichen Lebenszyklus zeigt sich ebenso ein qualitatives Problem, welches durch das fehlende Angebot an qualifizierten Arbeitskräften entsteht, das heißt, es fehlt an Nachwuchs, der aktuelle Kenntnisse aus dem Studium mitbringt (Jäger, 2009, S. 16; Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 3).
An dieser Stelle sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Maßnahmen zur Qualifizierung der inländischen Bevölkerung dringend notwendig sind, um diese Entwicklung abzumildern. Jedoch werden diese allein das Problem nicht lösen können. Eine gesteuerte Zuwanderung von Nachwuchskräften ist daher unablässig, da diese genau die schwach besetzte junge Bevölkerungsschicht um neues Humankapital erweitern würde.
Bedenklich ist auch die Fruchtbarkeitsrate oder Fertilitätsrate, also die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro gebärfähiger Frau (Walter, 2009, S. 1 f.; Blom/Meier, 2004, S. 19). Der provokative Slogan „Kinder statt Inder" als die Lösung gegen eine Überalterung der Bevölkerung (Walter, 2009, S. 1) ist - wenn überhaupt - eine Strategie für die Verbesserung des Arbeitsmarktes ab 2030. Jede Frau müsste laut Statistik im Schnitt 2,1 Kinder bekommen, um ausgehend von einer Situation ohne Zuwanderung eine konstante Bevölkerungszahl zu erhalten. Zurzeit liegt die Fruchtbarkeitsrate bei 1,3 Kindern, wobei diese Zahl seit 30 Jahren beständig ist. Selbst wenn über Nacht der unrealistische Fall eines Anstiegs der Geburtenrate auf 2,1 Kinder eintreten würde, wäre dies frühestens ab 2025 als Stabilisierung der Zahl der Erwerbstätigen spürbar (Walter, 2009, S. 1 f.; Kracht, 2007, S. 267; Blom/Meier, 2004, S. 19).
Die Zuwanderung von Migranten ist ein wichtiges Mittel, den beschriebenen Entwicklungen in ihrer Schnelligkeit entgegenzuwirken, da sie sofort verfügbar sind (Blom/Meier, 2004, S. 16). Ferner ergibt sich daraus die Chance, dass junge Migranten in Deutschland ansässig werden, selbst eine Familie gründen und somit zur Erhöhung der Geburtenrate beitragen.
Da sich dieser Trend fortsetzen wird, scheint der demographische Wandel für die Unternehmen immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor zu werden (Langhoff, 2009, S. 5; Walter, 2009, S. 1; Schlick/Mütze-Niewöhner/Köttendorf, 2009, S. 45; Frieling/Fölsch/Schäfer, 2009, S. 465). Dabei hält sich der Handlungsdruck heute noch in Maßen und die Entwicklung geht vielmehr weitestgehend unbemerkt vor sich. Eine wesentliche Aufgabe von zukunftsorientierten und gut organisierten Unternehmen ist deshalb die genaue Beobachtung der demographischen Veränderungen (Frieling/Fölsch/Schäfer, 2009, S. 465 f.). Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, müssen sich die Unternehmen fragen, wie sie ihre notwendigen Humanressourcen zukünftig beschaffen können und ob die internationale Rekrutierung für sie ein adäquates und umsetzbares Mittel ist (Ivanova/Hauke, 2006, S. 351; Brewster/Sparrow/Harris, 2005, S. 949; Bonin et al., 2007, S. 170; Winkelmann et al., 2001, S. 12; Reinberg/Hummel, 2003, S. 7; Kracht, 2007, S. 270).
2.1.2 Defizite bei der Qualifikationsstruktur
Betrachtet man die Veränderungen seitens der Erwerbsbevölkerung in Deutschland, so dürfen auch die Defizite bei der Qualität des Humankapitals hierzulande nicht außer acht gelassen werden (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 5). Die in Deutschland vorhandene Qualifikationsstruktur des Erwerbspersonenpotentials stimmt nicht mit den sich wandelnden Anforderungen, die durch den wirtschaftlichen Strukturwandel und die Globalisierung hervorgerufen werden, überein. Man spricht daher auch vom qualifikatorischen Mismatch und von einer Bildungsstagnation (Heß/Sauer, 2007, S. 6; Reinberg/Hummel, 2003, S. 4).
Nach einer Untersuchung des Instituts zur Zukunft der Arbeit wird der Bedarf nach hochqualifiziertem Personal und insbesondere nach Hoch- bzw. Fachhochschulabsolventen auch zukünftig weiter wachsen wie Abbildung 2 verdeutlicht (Bonin et al., 2007, S. 16, S. 28, S. 81).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Qualifikationsniveau der Erwerbsbevölkerung kann im Vergleich zu anderen Ländern zwar in der Breite als gut bezeichnet werden, jedoch ergibt sich bei den Spitzenqualifikationen ein anderes Bild. Auch im Hinblick auf den Bildungsstand der jüngeren Generationen findet sich Deutschland sowohl im Bereich der schulischen Leistungen als auch gemessen am Anteil von Hochschulabsolventen eines Jahrgangs auf den hinteren Plätzen wieder (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 5; Oelsnitz/Stein/ Hahmann, 2007, S. 132 f.). In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass nur ungefähr jeder fünfte eines Jahrgangs überhaupt ein Hochschulstudium abschließt (VDI/IW, 2007, S. 27). Des Weiteren sind Defizite im Bereich der beruflichen Weiterbildung zu finden. Diese ist im Vergleich zu anderen Ländern wesentlich stärker auf höher qualifizierte und besonders auf jüngere Arbeitskräfte beschränkt, wodurch eventuelles Potential verschenkt wird (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 5; Boswell/
Straubhaar, 2005, S. 1). Die internationale Rekrutierung von hochqualifizierten Nachwuchskräften trägt auch hier maßgeblich zur Verbesserung der Situation bei. Es muss jedoch beachtet werden, dass ausländische Kräfte aufgrund fehlender Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse häufig nicht angestellt werden. Dies ist eine Tatsache, die zum sogenannten Brain Waste führen kann, da viele Talente aus dem Ausland so unfreiwillig arbeitslos werden (Engelmann/Müller, 2007, S. 18 f., S. 26). Um die wertvollen interkulturellen Fähigkeiten, die diese High Potentials mitbringen, nicht ungenutzt zu lassen, gilt es seitens der Unternehmen und der Politik dies zu vermeiden.
2.1.3 Wanderbewegungen in Deutschland
Um die Rekrutierung auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu rechtfertigen, führen Heß/Sauer ferner die zunehmende Tendenz deutscher Fachkräfte ins Ausland zu gehen an (Heß/Sauer, 2007, S. 7). Ein gutes Beispiel sind deutsche Mediziner, die in großer Zahl in Länder wie Norwegen oder Großbritannien auswandern. Mit ihnen - und auch mit allen anderen qualifizierten Kräften, die aus Deutschland wegziehen - verlässt auch Know-how unser Land (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 92 f.). Zahlreiche Autoren sprechen hierbei im negativen Sinne von Brain Drain, also kurz gesagt, derAbwanderung von Spitzenkräften aus ihrem Heimatland (Grisolla, 2003, S. 1; Heß, 2009, S. 13; Beine/Docquier/Rapoport, 2008, S. 631; Bilecen, 2009, S. 4; Glävan, 2008, S. 719; Baruch/Budhwar/Khatri, 2007, S. 99). Die Zahl der in die Bundesrepublik zurückkehrenden Deutschen bleibt in den letzten Jahren relativ konstant, während die Anzahl der Fortzüge von Deutschen kontinuierlich steigt, wodurch sich der Wanderungsverlust seit dem Jahre 2001 stetig vergrößert (BAMF, 2008, S. 8; Müller, 2009, S. 107). 2009 lag die Zahl der Abwanderungen aus Deutschland bei 734.000 Personen (Statistisches Bundesamt, 2010). Dieser Statistik können jedoch keine Informationen entnommen werden, die das Qualifikationsniveau der deutschen Abwanderer betreffen, d.h. es lässt sich nicht feststellen, wie viele hochqualifizierte Deutsche auf Dauer oder temporär aus Deutschland fortziehen (BAMF, 2008, S. 171; Heß/Sauer, 2007, S. 7; Kuntz-Brunner, 2006, S. 4). Als interessant erweist sich auch ein Blick auf die Abwanderung nach Altersgruppen. Hierbei zeigt sich, dass über die Hälfte der Deutschen (54,1%), die im Jahr 2008 aus Deutschland fortzogen, zwischen 25 und 50 Jahre alt waren (BAMF, 2008, S. 174) und damit die Gruppe schwächt, die am dringendsten benötigt wird, weil sie über das größte Wissens- und Humankapital verfügt (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 97; Müller, 2009, S. 107).
Betrachtet man die Berufsfelder, die besonders von der Abwanderung betroffen sind, so lassen sich in diesem Zusammenhang drei von besonderer Bedeutung nennen: Dienstleistungstätigkeiten in Vertrieb und Management, Tätigkeiten im pharmazeutischen Bereich sowie technisch-wissenschaftliche Tätigkeiten, insbesondere im Maschinenbau. Bei diesen Gruppen handelt es sich zudem um Segmente, in denen eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit herrscht und viele freie Stellen vorhanden sind, die aus qualitativer und quantitativer Sicht nicht allein mit Deutschen besetzt werden können. Als kurzfristige Lösung kommt in diesem Fall nur eine gezielte Zuwanderung in Frage (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 98 f.).
Deutschland konnte zwar 2009 721.000 Zuwanderer[2] verzeichnen (Statistisches Bundesamt, 2010), jedoch weist die Bundesrepublik im internationalen Vergleich auffällig häufig Zuwanderer auf, die aus entwicklungsschwachen Volkswirtschaften stammen und unterqualifiziert sind. Infolgedessen sind sie häufig gar nicht oder unterbeschäftigt und können keinen volkswirtschaftlichen Beitrag erzielen (Kracht, 2007, S. 267; Reinberg/Hummel, 2003, S. 7; Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 112). Dies liegt unter anderem daran, dass in Deutschland eine gesteuerte Zuwanderung fehlt und diese statt zielgerichtet weitestgehend ungesteuert erfolgt (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 6; Kober, 2010, S. 1; Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 113).
Aus den 721.000 Zuwanderungen und den 734.000 Abwanderungen im Jahre 2009 ergibt sich ein negativer Wanderungssaldo (Statistisches Bundesamt, 2010). Für Deutschland ist es aus diesem Grund immens wichtig, die ökonomische Komponente in der Zuwanderung stärker zu betonen und die Zuwanderung insbesondere für junge hochqualifizierte Arbeitskräfte erheblich zu erleichtern (Oelsnitz/Stein/ Hahmann, 2007, S. 113 f.).
2.1.4 Fachkräftemangel
Die Verschiebung der Qualifikationsstruktur in Deutschland weiter in Richtung Höherqualifizierung sowie der technologische Wandel, verbunden mit einem erhöhten Bedarf an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern, belegen die Entwicklung Deutschlands zur Wissensgesellschaft (Bonin et al., 2007, S. 20, S. 80; Winkelmann et al., 2001, S. 12; Langhoff, 2009, S. 262; Reinberg/Hummel, 2003, S. 3; VDI/IW, 2007, S. 6 f.; Heß/Sauer, 2008, S. 8). In beinahe „allen Teilen unserer Wirtschaft hat sich ein Wandel von der einfachen Handarbeit zur vernetzten Kopfarbeit vollzogen" (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 31). Natürlich gibt es auch noch einfache, geringqualifizierte Arbeit, jedoch wird diese meist automatisiert oder in Schwellen- und Entwicklungsländer ausgelagert (Oelsnitz/Stein/Hahmann, 2007, S. 31). Insbesondere wird die Fähigkeit verlangt, aufgenommene Informationen in Wissen zu verwandeln. Personen, die diese Fähigkeit besitzen, werden in den Wirtschaftswissenschaften vereinfachend mit dem Schlagwort Humankapital bezeichnet. Dieses sogenannte Humankapital gewinnt aufgrund seiner relativen Knappheit im Vergleich zum Sachkapital an Bedeutung und der Umgang mit Wissen nimmt einen immer größeren Anteil an der Wertschöpfung ein. High Potentials, die diese Fähigkeit besitzen gelten als knappe Ressource (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 3).
Aufgrund der Geschwindigkeit des technologischen Wandels und des damit verbundenen zunehmenden Wettbewerbs wird es für Unternehmen immer wichtiger, sich den Zugang zu fortschrittlichen Schlüsseltechnologien zu sichern (Winkelmann, 2001, S. 12). Im Ganzen gesehen ist die Innovation die treibende Kraft hinter diesen Prozessen (Boswell/Straubhaar, 2005, S. 3; Aretz/Hansen, 2002, S. 88). Aus diesem Grund sind internationale qualifizierte Arbeitskräfte sehr begehrt, da sie mit Fähigkeiten in beziehungsweise Erfahrung mit neuen Schlüsseltechnologien den angestrebten Know-how Transfer vorantreiben können (Winkelmann et al., 2001, S. 12; Boswell/Straubhaar, 2005, S. 4). Diese Chance des gegenseitig voneinander Lernens ermöglicht den Abbau von produktivitätshemmender nationaler Segmentierung und sollte daher nicht vergeben werden. Vor allem durch die Förderung von selektiver Einwanderung, welche insbesondere Junge und Leistungswillige anzieht, lässt sich die Innovationsfähigkeit alternder Länder verbessern, die über Rückkopplungseffekte positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben kann (Walter, 2009, S. 5 f.; Köppel/Sandner, 2008, S. 12; Aretz/Hansen, 2002, S. 76).
Besonders in den sogenannten MINT-Branchen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) herrscht ein enormer Mangel an geeigneten Bewerbern (Biesalski/Haberbosch/Hurst, 2009, S. 145; VDI/IW, 2007, S. 27; Hönekopp/Menck/ Straubhaar, 2001, S. 3), der besonders deutlich im Bereich der Ingenieure spürbar ist (Deller et al., 2008, S. 2, S. 16; Langhoff, 2009, S. 262; Jochmann, 2009, S. 91; Kracht, 2007, S. 271; VDI/IW, 2007, S. 5), in welchem laut dem Verband deutscher Ingenieure im September 2010 eine bundesweite Ingenieurlücke von 40.900 Personen zu verzeichnen war (VDI/IW, 2010, S. 10). Dieser Mangel liegt angebotsseitig insbesondere in der rückläufigen Zahl der Absolventen in den MINT-Studiengängen (VDI/IW, 2007, S. 27). Diesem Mangel kann natürlich auch in erster Linien wieder durch Maßnahmen im Inland wie Weiterentwicklung bereits bestehender Mitarbeiter, Hochschulmarketing, Steigerung der Frauenquote etc. begegnet werden (Reinberg/ Hummel, 2003, S. 6; VDI/IW, 2007, S. 24).
Der Fachkräftemangel resultiert aus dem Zusammenspiel der oben genannten Problemfelder. Werden die demographische Entwicklung, die Defizite in der Qualifikationsstruktur oder die Abwanderung bekämpft, so wirkt sich dies gleichermaßen positiv auf den Fachkräftemangel aus. Bei allen quantitativen und qualitativen Defiziten kristallisiert sich die internationale Rekrutierung akademischer Nachwuchskräfte als das erfolgversprechendste Instrumentheraus.
Insgesamt betrachtet soll jedoch keine unkontrollierte Zuwanderung, sondern vielmehr eine gesteuerte und zielorientierte Bemühung um hochqualifizierte Fachkräfte angestrebt werden. Man kann hier auch von targeted recruiting sprechen, also der zielgerichteten Ansprache der gewünschten Gruppe (Newman/Lyon, 2009, S. 299). Doch gerade in Deutschland ist das Fehlen einer gesteuerten Zuwanderung ein gravierendes Problem. Man hat sich in der Vergangenheit im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht systematisch beteiligt (Bertelsmann Stiftung, o.J., S. 6; Kober, 2010, S. 1). Gesucht werden sollten Migranten mit einem hohen Bildungsniveau beziehungsweise einem gewissen Entwicklungspotential, womit insbesondere internationale akademische Nachwuchskräfte gemeint sind. Nur dann wird dem Fachkräftemangel entgegengesteuert sowie nötige neue Impulse für die Entwicklung der Wirtschaft gegeben. Das Ziel muss dabei sein, Einwanderung mit dem Fokus auf ökonomische Gesichtspunkte zu steuern (Walter, 2009, S. 6 f.).
2.2 Internationalisierung der deutschen Unternehmen
Die international rekrutierten akademischen Nachwuchskräfte sollen nicht nur einen Gewinn für die Bekämpfung des Fachkräftemangels und den vorgelagerten negativen Entwicklungen bringen, sondern auch im Zuge der Internationalisierung deutsche Unternehmen mit ihren interkulturellen Fähigkeiten im internationalen Wettbewerb unterstützen. Auf Seiten der Unternehmen stellt die Globalisierung und damit auch die zunehmende Internationalisierung in Deutschland sowohl für Großkonzerne als auch für den Mittelstand eine gravierende Entwicklung dar (Kreikebaum/Gilbert/ Reinhardt, 2002, S. 1 f., S. 93; Böcker, 2007, S. 18; Stumpf, 2005, S. 115; Strunz/ Dorsch, 2001, S. 26; Köppel/Sandner, 2008, S. 6; Aretz/Hansen, 2002, S. 9; Richardson, 2005, S. 24; Blom/Meier, 2004, S. 2).
Im Folgenden soll deshalb zunächst eine Definition des Begriffs der internationalen Unternehmung vorgenommen werden. Im Anschluss daran werden Möglichkeiten dargestellt, wie der Grad der Internationalisierung gemessen werden kann und die verschiedenen Phasen einer internationalen Unternehmung erläutert. Schlussendlich soll verdeutlicht werden, welche Personalstrategien sich aus der Internationalisierung der Unternehmen ableiten lassen und inwieweit die internationale Rekrutierung akademischer Nachwuchskräfte in diesem Prozess von Bedeutung ist.
2.2.1 Begriffsdefinitionvon Internationalisierung
Der Begriff Globalisierung beschreibt laut Koch den dynamischen Prozess, der die wirtschaftliche Bedeutung von Grenzen verringert und dadurch eine Intensivierung des internationalen Wettbewerbs auslöst. Die sich daraus ergebende Möglichkeit der internationalen Arbeitsteilung verbessert den weltweiten Ressourceneinsatz (Koch, 2000, S. 5). Die stetige Zunahme internationaler Verflechtungen umfasst die Bereiche Wirtschaft, Politik, Umwelt, Kultur und beeinflusst sogar die individuelle Lebensplanung (Speiser, 2008, S. 37). Als Ursache der wirtschaftlichen Globalisierung sind der technische Fortschritt, hierbei insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Mobilität sowie die wirtschaftspolitische Liberalisierung zu nennen. Die Begegnung und Auseinandersetzung mit Menschen aus der ganzen Welt wird durch die Globalisierung ermöglicht und gleichermaßen erzwungen (Speiser, 2008, S. 37; Odell/Spielmann, 2009, S. 23 f.). Zur Verdeutlichung der Ausmaße der Globalisierung wird in der Literatur auch der Begriff der Welt als global village verwendet (Mohn, 2003, S. 7; McLean/Lewis, 2010, S. 30).
Zur Beschreibung beziehungsweise Abgrenzung internationalisierter Unternehmen von nicht-internationalisierten (Perlitz, 2004, S. 9; Walsworth, 2007, S. 1418 f.) stößt man in der Literatur auf den institutionellen Ansatz, welcher den Begriff Internationalisierung mit den Unternehmen in Verbindung setzt. Nach diesem Ansatz kann sich ein Unternehmen als international bezeichnen, sofern es im Ausland Aktivitäten durchführt (Perlitz, 2004, S. 9). Auch Lilienthal, von dem eine der ersten Definitionen stammt, beschreibt diese als „corporations - which have their home in one country but which operate and live under the laws and customs of other countries as well" (Lilienthal, 1985, S. 119). Dieser Standpunkt bezieht sich nicht auf bestimmte Funktionsbereiche und die Klassifikation internationaler Unternehmen erfolgt unabhängig von der Form der Auslandstätigkeit (Perlitz, 2004, S. 9 f.). Da gemäß dieser Definitionen keine Aussage über die Anzahl und Art der Aktivitäten getroffen wird, sondern die Charakterisierung über das Merkmal Auslandstätigkeit schlechthin erfolgt (Kutschker/Schmid, 2008, S. 244), wird auch im Folgenden auf eine allgemeine Sichtweise von Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt zurückgegriffen, wonach „Unter einem international tätigen Unternehmen [...] eine Institution verstanden (wird), die Wertschöpfungsaktivitäten in mehr als einer nationalen Volkswirtschaft organisiert, steuert und überwacht" (Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt, 2002, S. 6). Auch Krystek und Zur vertreten eine ähnlich weite Anschauung und setzen Internationalisierung mit „nachhaltiger und für das Unternehmen insgesamt bedeutsamer Auslandstätigkeit" gleich (Krystek/Zur, 2002, S. 5). Festgehalten werden sollte jedoch auch, dass die Frage, ab wann eine Unternehmung als international bezeichnet werden kann, nicht eindeutig zu beantworten ist. Dies liegt zum einen daran, dass es unterschiedliche Auffassungen zur Messung gibt und zum anderen am Fehlen eines Schwellenwertes, ab dem ein Unternehmen mit dem Attribut international bezeichnet werden kann (Müller/Kornmeier, 2001, S. 15).
In der Literatur werden weiterhin auch Begriffe wie global, transnational oder multinational verwendet. Hierbei handelt es sich um weitere mögliche Strukturen und Strategien beziehungsweise Typen international orientierter Unternehmungen (Fuchs/Apfelthaler, 2009, S. 252; Müller/Kornmeier, 2001, S. 15; Devinney/Midgley/ Venaik, 2000, S. 678). Wie Abbildung 3 zeigt, erfolgt die Einteilung hier anhand der Höhe der Globalisierungs- bzw. Standardisierungsvorteile sowie der Lokalisierungs- bzw. Differenzierungsvorteile (Meffert, 1990, S. 98 ff.; Welge/Holtbrügge, 2006, S.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die internationale Strategie wird auf Perlmutter zurückgehend auch als ethnozentrische Strategie bzw. Exportstrategie bezeichnet (Perlmutter, 1969, S. 11; Welge/Holtbrügge, 2006, S. 138). Das größte Anliegen der internationalen Unternehmen ist es, ihr inländisches Potential zu wahren. Daher betreiben sie zwar erfolgversprechende Auslandstätigkeiten, richten ihre Strategien jedoch lediglich am Wettbewerb des Stammlandes aus und übertragen Prozesse, Systeme und Ressourcen (Müller/Kornmeier, 2001, S. 15; Welge/Holtbrügge, 2006, S. 138). Zudem können die Auslandstätigkeiten nur selektiv betrieben werden, da die Unternehmensressourcen die Möglichkeiten weltweit zu agieren einschränken (Müller/Kornmeier, 2001, S. 15).
Ein globales Unternehmen charakterisiert sich durch die Bündelung der Entscheidungskompetenz in der Muttergesellschaft, um somit Standardisierungsvorteile zu sichern (Welge/Holtbrügge, 2006, S. 140). In der Praxis erfolgt dies durch einen umfangreichen Technologietransfer und die Integration der gesamten Wertschöpfungsprozesse in ein Gesamtsystem zur Herstellung internationaler Produkte, ohne nationale Besonderheiten beziehungsweise Bedürfnisse zu berück-sichtigen. Es findet also eine Ausrichtung am globalen Wettbewerb statt (Müller/ Kornmeier, 2001, S. 16; Welge/Holtbrügge, 2006, S. 140). Kennzeichnend ist dabei, dass die Muttergesellschaft sich nicht mehr als heimatlandverwurzeltes Unternehmen mit ausländischem Engagement sieht, sondern vielmehr als Weltunternehmen (Welge/ Holtbrügge, 2006, S. 140).
Multinationale Unternehmen (auch multidomestic) handeln nach Perlmutter polyzentrisch beziehungsweise verfolgen eine Strategie nationaler Anpassung. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass sie Bedingungen des jeweiligen Gastlandes berücksichtigen und sich weitestgehend daran anpassen (Welge/Holtbrügge, 2006, S. 139). Durch überwiegend dezentrale Führung sind die Niederlassungen in der Lage, das Angebot an spezifische Erfordernisse für den jeweiligen Markt auszurichten (Müller/Kornmeier, 2001, S. 16). In der Praxis ergibt sich dadurch das Bild, dass multinationale Unternehmen auf einer Vielzahl von Märkten durch ihre ausländischen Tochtergesellschaften und Produktionsstätten ihre Interessen verfolgen (Müller/Kornmeier, 2001, S. 16).
Zentrales Kennzeichen der transnationalen Strategie ist die gleichzeitige Ausnutzung nationaler Unterschiede, Skaleneffekte und Verbundvorteile. Weiterhin werden Wertaktivitäten grenzüberschreitend konfiguriert. Dadurch entstehen intensive Leistungs- und Lieferverflechtungen zwischen den weltweit ansässigen
Unternehmenseinheiten und es kommt zu simultanen Markteintritten (Welge/ Holtbrügge, 2006, S. 140 f.).
2.2.2 Messung der Internationalisierung
Um internationale von nicht-internationalen Unternehmen abzugrenzen, kann der Internationalisierungsgrad herangezogen werden. Eine allgemein gültige Definition für diesen Begriff gibt es nicht, da die Internationalität je nach Auffassung anhand verschiedenster qualitativer sowie quantitativer Merkmale festgemacht wird (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257; Oesterle/Richta, 2009, S. 70 f.).
Zieht man quantitative Merkmale heran, um das Ausmaß der Internationalisierung von Unternehmen zu messen, besteht die Möglichkeit auf verschiedene Kennzahlen zurückzugreifen. Diese Maßzahlen ermöglichen eine Unterscheidung zwischen national und international tätigen Unternehmen sowie Angaben zum Ausmaß der Internationalisierung eines Unternehmens. Dabei lässt sich zwischen einer quantitativ-absoluten und einer quantitativ-relativen Betrachtung unterscheiden (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257).
In der Literatur werden eine Reihe möglicher quantitativ-absoluter Kennzahlen genannt, anhand derer sich der Grad der Internationalisierung messen lässt (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257). Da eine unglaublich große Zahl unterschiedlicher Auffassungen über diese Kennzahlen vorhanden ist, soll im Folgenden eine Auswahl der am häufigsten genannten aufgeführt werden. Der Grad der Internationalisierung lässt sich demnach unter anderem messen anhand der
- Anzahl der Länder, in denen Niederlassungen, Betriebsstätten, Repräsentanzen, Filialen, Tochtergesellschaften existieren beziehungsweise weitere Geschäftsaktivitäten wie Export oder Lizenzierung erfolgen (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257; Perlitz, 2004, S. 10; Krystek/Zur, 2002, S. 5; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 6).
- Anzahl der Auslandsstandorte (Betriebsstätten, Niederlassungen, Filialen, Repräsentanzen oder Tochtergesellschaften), der im Ausland abgeschlossenen Marktbearbeitungsverträge und -abkommen (Joint-Venture, Lizenzabkommen) sowie des Umfangs der direkt oder indirekt gehaltenen Beteiligungen im Ausland (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 6).
- Höhe des im Ausland vorhanden Vermögens (Anlage- und Umlaufvermögen) und des existierenden Kapitals (Eigen- und Fremdkapital) (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257).
- Höhe der im Ausland erbrachten Umsätze bzw. der Wertschöpfung (Krystek/Zur, 2002, S. 5).
- Zahl der Beschäftigten im Ausland, unter Umständen unterteilt in Führungskräfte, Angestellte und Arbeiter (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257; Krystek/Zur, 2002, S. 5).
- Anzahl der ausländischen Mitglieder im Top-Management (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257; Krystek/Zur, 2002, S. 5; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 6) sowie Anzahl der inländischen Mitglieder im Top-Management, die über ausgedehnte Auslandserfahrung verfügen (Kutschker/Schmid, 2008, S. 257).
Die zweite Möglichkeit der quantitativen Betrachtung besteht in der Heranziehung eines quantitativ-relativen Merkmals, wobei die Auslandsquote hierbei das bekannteste darstellt. Sie kann prinzipiell für jedes der oben aufgeführten quantitativ-absoluten Merkmale bestimmt werden, entweder gemessen an den absoluten Zahlen im Inland oder alternativ an den absoluten Zahlen des Gesamtunternehmens. Die Auslandsquote misst somit anhand des Vergleichsmerkmals, wie verbunden ein Unternehmen mit dem Ausland ist (Kutschker/Schmid, 2008, S. 262). Das am weitesten verbreitete Internationalisierungsmaß überhaupt ist allerdings das Verhältnis des im Ausland erzielten Umsatzes zum Gesamtumsatz (Foreign Sales to Total Sales) (Oesterle/Richta, 2009, S. 71; Walsworth, 2007, S. 1420). Für Unternehmen besteht weiterhin die Möglichkeit sich in Vergleich mit Konkurrenten zu setzen (Kutschker/Schmid, 2008, S. 275).
[...]
[1] Die Tabelle „Einwanderung im europäischen Vergleich" befindet sich im Anhang (S. XX)
[2] Von den 721.000 Zugezogenen weisen 115.000 Personen eine deutsche Staatsbürgerschaft auf und können somit als Rückwanderer bezeichnet werden. 606.000 Personen besitzen eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft (Statistisches Bundesamt, 2010).
- Arbeit zitieren
- Kerstin Meyer (Autor:in), Agnes Ebert (Autor:in), 2011, Internationale Rekrutierung von akademischen Nachwuchskräften – eine empirische Analyse der Internetauftritte von deutschen Unternehmen aus dem Mittelstand, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/195184