Die Oper Parsifal ist Wagners spätestes Werk. Während seiner Arbeit an den Opernstücken Tannhäuser und Die Meistersinger von Nürnberg beschäftigte er sich 1845 in Marienbad erstmals mit dem Parzival-Stoff. Vierzig Jahre später, und damit nur ein Jahr vor seinem Tod, wurde das sogenannte „Bühnenweihfestspiel“ 1882 in Bayreuth urauf-geführt. Der dreißigjährigen Schutzfrist folgend durfte das „Bühnenweihfestspiel“ nur dort aufgeführt werden. Jedoch fand 1903 an der New Yorker Met eine nicht autorisier-te Aufführung statt und ist als „Gralsraub“ in die Geschichte eingegangen. Lange Zeit, und zum Teil auch noch heute, galt während und nach den Aufführungen ein Applausverbot aufgrund des religiösen Charakters. Jedoch hatte sich Wagner nie ausdrücklich gegen das Applaudieren ausgesprochen.
Inhaltsverzeichnis
1 Entstehung und Rezeption
2 Das Verhältnis von Kunst und Religion
3 Der Unsagbarkeitstopos
4 Abendmahlszene
5 Das Siechtum des Amfortas
6 Mitleiden, Erlösung und Abwendung der Erotik
7 Raum und Zeit
1 Entstehung und Rezeption
Die Oper Parsifal ist Wagners spätestes Werk. Während seiner Arbeit an den Opernstü- cken Tannhäuser und Die Meistersinger von Nürnberg beschäftigte er sich 1845 in Ma- rienbad erstmals mit dem Parzival-Stoff. Vierzig Jahre später, und damit nur ein Jahr vor seinem Tod, wurde das sogenannte „Bühnenweihfestspiel“ 1882 in Bayreuth urauf- geführt. Der dreißigjährigen Schutzfrist folgend durfte das „Bühnenweihfestspiel“ nur dort aufgeführt werden. Jedoch fand 1903 an der New Yorker Met eine nicht autorisier- te Aufführung statt und ist als „Gralsraub“ in die Geschichte eingegangen. Lange Zeit, und zum Teil auch noch heute, galt während und nach den Aufführungen ein Applausverbot aufgrund des religiösen Charakters. Jedoch hatte sich Wagner nie aus- drücklich gegen das Applaudieren ausgesprochen.
Wagner behauptete am Karfreitag des Jahres 1857 im Garten des Zürcher „Asyls“ eine spirituelle Eingebung für die Komposition gehabt zu haben. Jedoch gestand er laut Co- simas Tagebuch zu einem späteren Zeitpunkt ein, dass er die sogenannte „Karfreitags- legende“ zum Zweck der Selbstmythologisierung erfunden hatte. Darüber hinaus hatte Wagner ein Datum angegeben, welches nicht auf einen Karfreitag fällt. Während seiner Arbeit an Parsifal beschäftigte er sich lange Zeit parallel mit dem Pro- jekt eine Oper über Jesus von Nazareth zu komponieren. Schließlich gab er dieses Vor- haben aus Respekt vor der Hauptgestalt auf, denn die für Exzentrik und Sinnlosigkeit stehende Oper ist wenig zur Darstellung religiöser Themen geeignet. Als Vorlage diente Wolfram von Eschenbachs mittelalterliches Versepos Parzival. Wagners änderte für sein Werk die Schreibweise um. Sprachhistorisch geht der Name auf ein verbales Rektionskompositum zurück.[1] Wagner verweist jedoch, sich auf Jopseph von Görres Interpretation von 1813 berufend, auf die angeblich altpersische Schreibweise fal parsi („reiner Tor“). So spricht Kundry im zweiten Aufzug: „Dich nannt ich, tör'ger Reiner: Fal-parsi - Dich reinen Toren: Parsifal.“[2] Auffallend ist hin- sichtlich dieser Änderung, dass die Oper immer wieder zu der Grundtonart As-Dur zu- rückfindet.
Die Gattungsbezeichnung „Bühnenweihfestspiel“ deutet auf die zentrale Bedeutung der liturgischen Szenen, wie die Zeremonie des Abendmahls, der Karfreitag, die Salbung und die Fußwarschung Parsifals sowie die Taufe Kundrys, hin. Auch der Speer und der
Gral gehören zu dem christlichen Reliquienkult. Da das letzte Kompositum im Deut-
schen prägend für die Gesamtbedeutung ist, liegt der Schwerpunkt auf Spiel. Spiele sind künstlich-künstlerischer Natur. Feste, wie beispielsweise das Oster- oder Weihnachts- fest, bezeichnen eine sakrale Feier. Aus diesem Grund wurde nicht der profane Begriff Feier verwendet. Es ist anzunehmen, dass der Ausdruck Bühnenweih dem Wort Kirch- weih nachgebildet wurde.
Parsifal enthält neben diesen sakralen und säkularen Elementen auch buddhistische Einflüsse. Dies ist auf den Einfluss Schopenhauers zurückzuführen. So steht das Mitleiden im Zentrum, und auch der aus unwissender Grausamkeit getötete Schwan kann mit einer Jataka-Erzählung in Verbindung gebracht werden.[3]
Friedrich Nietzsche, bekennender Antichrist und einstiger Wagnerfreund, wurde zu ei- nem der bösesten Kritiker. Grund für seine Entfremdung war die Hinwendung Wagners zur Mitleidsethik und zum Religiösen. Er beschrieb Wagner als ein „in Wahrheit ein morsch gewordener verzweifelnder décadent“, welcher „hilflos und zerbrochen, vor dem christlichen Kreuze nieder[sank]“[4]. In seiner Schrift Der Fall Wagner äußerte er sich folgendermaßen:
Wagner hat über nichts so tief wie über die Erlösung nachgedacht: seine Oper ist die Oper der Erlösung. Irgendwer will bei ihm immer erlöst sein: bald ein Männlein, bald ein Fräulein - dies ist sein Problem.
2 Das Verhältnis von Kunst und Religion
Wagner lebte zur Goethezeit, welche die Jahre 1770 bis 1830 umfasst. Goethes Schaf- fen steht dem der christlichen Schriftsteller gegenüber. Literatur wird zu einer Ersatzre- ligion, indem das herkömmliche Glaubenssystem als kollektives System abgewertet (vgl. Tannhäuser) und stattdessen die Kunst befürwortet wird. Jedoch schließen Kunst und Religion sich nicht gegenseitig aus; vielmehr ist die Religion das Programm der Kunst, indem sie über religiöse Qualitäten verfügt und deren Aufgaben erledigt, wie beispielsweise in Form von Infragestellungen durch das Mittel der Ironie.
Wagner stellt in seinem Aufsatz Religion und Kunst von 1880 seine Weltanschauung und sein Verhältnis zur Religion dar. Seiner Auffassung tritt die Kunst die Nachfolge der christlichen Religion an. Riten, Kulte und Mythen haben für jede Religion eine im-mense Bedeutung.
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[1] Das aus dem Französischen stammende Wort Perceval bedeutet „durchdringe das Tal“. Als Vergleich kann perce-neige, „Schneeglöckchen“, bzw. „durchdringe den Schnee“ herangezogen werden.
[2] Lutzeier, Peter Rolf: Lexikologie/Lexicology. Ein Internationales Handbuch Zur Natur und Struktur von wörtern und Wortschätzen. Berlin: De Gryuter 2002. S. 1348.
[3] Suneson, Carl: Richard Wagner und die indisches Geisteswelt. Leiden: E. J. Brill. S. 86.
[4] Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. Hrsg. von. Karl Schlechta. München: Hanser 1954. S. 1054- 1056.
- Quote paper
- Saskia Guckenburg (Author), 2011, Richard Wagners "Parsifal" - eine Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/191989