Im Allgemeinen benötigt jede Gesellschaft Institutionen, welche ihre biologische und soziale Reproduktion miteinander verbinden. Die wichtigste Institution ist dabei die Familie. Durch sie werden die elementaren biologischen Tatschen und Prozesse des Lebens eingefügt in das System der wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und kulturellen Tätigkeiten einer Gesellschaft. Kontinuität und Wandel sozialer Systeme vollziehen sich vor allem über die Familie.1 Aber auch die Familie erweist sich als ein sehr dynamisches soziales Gebilde.2 Als Vorläufer-modell der modernen Familie hatte sich die bürgerliche Familie entwickelt. Sie zeichnete sich durch ein verheiratetes Paar, seinen Kindern und die Trennung von Familien- und Erwerbsleben aus. In diesem Zusammenhang wurde sie als einen privatisierten und vor allem auf emotionale Funktionen spezialisierten Bereich dargestellt.3 Diese Familienform verfestigte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts und besaß gegen Ende des Jahrhunderts nach Schwab (1975) eine tendenzielle Allgemeingültigkeit.4 Obwohl die Souveränität eines Staates durch die Analogie mit dem Status der Familie definiert wird, sind familienpolitische Aktivitäten auf diese Institution vergleichsweise spät entstanden.5 Erstmals markierte der Erste Weltkrieg in familienpolitischer Hinsicht einen Wendepunkt, denn war vorher die Familie kaum Gegenstand fördernder Politik gewesen, so änderte sich dies unter dem Einfluss der enormen Menschenverluste durch den Krieg und der damit gleichzeitig rasch sinkenden Geburtenrate.6 Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, markiert durch das Kaiserreich, war eine Epoche, in der der Staat nur in den Privatraum Familie eingriff, wenn Verwahrlosung vorlag und die Eltern oder die alleinerziehenden Mütter ihren Aufgaben und Pflichten nicht gerecht wurden.7 Familien-dienliche Maßnahmen waren im Kaiserreich politisch nicht vorgesehen. Erst die Weimarer Republik hat die Dringlichkeit erkannt, eine familienpolitische Konzeption für die Familie zu entwickeln. Im Rahmen dieser Arbeit soll sich daher näher mit der Familie und den familien-politischen Maßnahmen seitens des Staates beschäftigt werden. Schwerpunkt bilden dabei die Epochen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Es soll herausgestellt werden, warum sich der Staat im Kaiserreich jedes staatlichen und gesellschaftlichen Eingriffs in Bezug auf die Familie entzog und erst die Weimarer Republik die Wichtigkeit feststellte eine zerrissene Gesellschaft wieder zu integriert.8
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ein Zugang zur Thematik der Familie und Familienpolitik
- Der Familienbegriff
- Der Gegenstand der Familienpolitik
- Familienpolitik als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe
- Historische Grundzüge der Familienpolitik
- Die Familie im Kaiserreich
- Die bürgerliche Familie im Kaiserreich
- Die rechtliche Grundlage von Ehe und Familie
- Familienpolitische Ansätze im Kaiserreich
- Die Familie im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik
- Familie und Erster Weltkrieg: Die erträumte Familie und ihre Wirklichkeit
- Die Aufnahme der Familie in den Schutzbereich der Weimarer Verfassung
- Familienpolitische Maßnahmen im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik
- Familienpolitische Maßnahmen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik - Ein Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Familie und die familienpolitischen Maßnahmen des Staates im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Dabei werden die Veränderungen des Familienbegriffs und die Rolle des Staates in der Familienpolitik beleuchtet. Es geht darum herauszufinden, wie sich die Familie in diesen Epochen entwickelt hat und wie der Staat seine Rolle in Bezug auf die Familie definiert hat.
- Die Entwicklung des Familienbegriffs im Kaiserreich und der Weimarer Republik
- Die rechtliche Grundlage von Ehe und Familie
- Familienpolitische Maßnahmen in den beiden Epochen
- Die Rolle des Staates in der Familienpolitik
- Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Familie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und erklärt die Bedeutung der Familie als Institution für die gesellschaftliche Reproduktion. Sie stellt die Entwicklung der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert dar und beschreibt die Rolle des Staates in der Familienpolitik vor dem Ersten Weltkrieg. Das zweite Kapitel widmet sich dem Familienbegriff und der Familienpolitik im Allgemeinen. Es beleuchtet die historische Entwicklung des Familienbegriffs und definiert das Handlungsfeld der Familienpolitik. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Familie im Kaiserreich, insbesondere mit der bürgerlichen Familie. Es werden die rechtlichen Grundlagen von Ehe und Familie sowie die familienpolitischen Ansätze im Kaiserreich dargestellt. Im vierten Kapitel wird die Familie im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik betrachtet. Es werden die Auswirkungen des Krieges auf die Familie sowie die Aufnahme der Familie in den Schutzbereich der Weimarer Verfassung beleuchtet. Darüber hinaus werden die familienpolitischen Maßnahmen in dieser Zeit untersucht. Das fünfte Kapitel fasst die familienpolitischen Maßnahmen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zusammen und zieht ein Fazit.
Schlüsselwörter
Familienpolitik, Familie, Kaiserreich, Weimarer Republik, Bürgerliche Familie, Rechtliche Grundlage, Familienpolitische Maßnahmen, Erster Weltkrieg, Sozialpolitik.
- Quote paper
- Carolin Bengelsdorf (Author), 2012, Familie im Kaiserreich und der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/190603