Zu Beginn der Weimarer Republik waren die Juden in Deutschland weitgehend emanzipiert. Die meisten Juden gehörten der Mittelschicht an, jegliche gesetzliche Diskriminierung war aufgehoben. Jüdische Intellektuelle gehörten vielfach zur kulturellen Elite. Im Jahr 1939 verfasste Martin Buber einen Aufsatz mit dem Titel „Das Ende der deutsch-jüdischen Symbiose“. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden vor 1933 sei demnach ein Zustand gewesen, den er als „produktiv“, „echt“ und „naturhaft“ beschreibt.
Die reflektierte Betrachtung der Verhältnisse in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, führte in den 60er Jahren zu einer Debatte über die tatsächliche Existenz einer solchen „deutsch-jüdischen“ Symbiose in der Weimarer Republik, die ausgelöst worden war durch eine Kontroverse zwischen Gerschom Scholem und dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmeier. Scholem bezeichnete die von Gerstenmeier in einer Rede vor dem Jüdischen Weltkongress im Jahr 1966 erneut zitierte deutsch-jüdische Symbiose als einen „zurückprojizierten Wunschtraum“. 1946 prägte Hannah Ahrendt den Begriff der „negativen Symbiose“, der von Dan Diner in seinem Aufsatz „Negative Symbiose – Deutsche und Juden nach Auschwitz“ aufgegriffen wurde. 1983 verfasste Diner dann einen Aufsatz „Fragmente von Unterwegs“, in dem er die Probleme deutscher Juden bei der eigenen Identitätsfindung im Kontext des deutsch-jüdischen Verhältnisses beschreibt.
Diese Arbeit fasst zunächst die Kernaspekte der Debatte um die deutsch-jüdische Symbiose zusammen. Anschließend werden die oben genannten Texte von Dan Diner untersucht. Seine zentrale These besagt, dass weder Juden noch Deutsche, eine wirkliche Verarbeitung ihrer Geschichte vollzogen haben, da beide der Erinnerung an die Vergangenheit fortwährend ausweichen. Sowohl Juden als auch Deutsche würden das Verhältnis zu sich selbst und zueinander durch den Holocaust definieren und daher in einem negativen symbiotischen Verhältnis leben, das insbesondere für deutsche Juden eine Identitätsbildung erschwert. Das Problem der Bildung einer Identität in Deutschland soll ferner durch die Erfahrungsberichte von zwei Jüdinnen in Deutschland in einem Exkurs verdeutlicht werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung Negative Symbiose.
- 2. Eine Symbiose während der Weimarer Republik?
- 3. Dan Diner: Die Negative Symbiose
- 4. Identitätsbildung deutscher Juden angesichts der „Nähe des Erlebten“.
- Exkurs: Erfahrungen von Juden in Deutschland
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der komplexen Frage des deutsch-jüdischen Verhältnisses im Kontext der Weimarer Republik und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie analysiert die Debatte um die Existenz einer „deutsch-jüdischen Symbiose“ und hinterfragt die Gültigkeit dieser Annahme. Darüber hinaus wird der Begriff der „negativen Symbiose“, geprägt von Hannah Arendt und weiterentwickelt von Dan Diner, in den Fokus genommen.
- Analyse der Debatte um die „deutsch-jüdische Symbiose“ in der Weimarer Republik
- Untersuchung des Begriffs der „negativen Symbiose“ und seiner Relevanz für das deutsch-jüdische Verhältnis
- Erörterung der Identitätsbildung deutscher Juden im Kontext des deutsch-jüdischen Verhältnisses
- Analyse der Texte von Dan Diner und deren Bedeutung für das Verständnis des deutsch-jüdischen Verhältnisses
- Bedeutung der Erfahrungen von Juden in Deutschland für die Identitätsbildung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der „negativen Symbiose“ ein und erläutert die historische Entwicklung des deutsch-jüdischen Verhältnisses. Kapitel 2 befasst sich mit der Debatte um die Existenz einer „deutsch-jüdischen Symbiose“ in der Weimarer Republik und beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven von Gerschom Scholem und Eugen Gerstenmeier. Kapitel 3 analysiert die Texte von Dan Diner, der den Begriff der „negativen Symbiose“ aufgreift und dessen Auswirkungen auf die Identitätsbildung deutscher Juden untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Kernaspekte des deutsch-jüdischen Verhältnisses im 20. Jahrhundert. Wichtige Schlüsselwörter sind: „deutsch-jüdische Symbiose“, „negative Symbiose“, „Identitätsbildung“, „Weimarer Republik“, „Holocaust“, „Assimilation“, „Antisemitismus“, „Erinnerungskultur“.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2002, Die Negative Symbiose - Eine Reflexion über das deutsch-jüdische Verhältnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/18231