„Der Mensch ist, was er ißt“ formulierte Ludwig Feuerbach 1850 in seiner Besprechung einer Schrift des niederländischen Arztes und Physiologen Jakob Moleschott. Wird dieser berühmt gewordene Ausspruch heute zitiert, dann meist nicht um Feuerbach darin zuzustimmen, dass der Mensch nur aus dem bestehe, was er über die Nahrung zu sich nimmt. Vielmehr soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass Nahrung in die meisten Dimensionen menschlichen Lebens hineinwirkt: körperlich, psychisch, sozial, wirtschaftlich und auch politisch.
Die letzten drei dieser Dimensionen machen bewusst, dass sich Fragen des Essens und Trinkens auch auf die Gestaltung einer ganzen Gesellschaft auswirken können. Jede Gesellschaft, jede Kultur hat ihre eigenen Vorstellungen über die Genießbarkeit verschiedener Lebensmittel, deren Zubereitung, über Nahrungsmitteltabus, Rituale, Tischsitten et cetera, die über Generationen weitergegeben werden. Deshalb wandelte die Soziologin Dr. Eva Balösius den bekannten Satz Feuerbachs zu „Gesellschaften sind so, wie sie essen“ ab.
In den meisten Sozial- und Kulturwissenschaften repräsentiert „Essen“ nur ein Randthema, dessen psychische, kulturelle und soziale Qualitäten erst seit einigen Jahrzehnten untersucht werden. Doch die Betrachtung dieser Aspekte ist meiner Auffassung nach – in Anlehnung an Barlösius‘ Aussage – auch für ein umfassenderes Verständnis historischer Gegebenheiten, insbesondere der Sozialgeschichte, unabdingbar. Gerade Gesellschaften und Kulturen, die uns historisch fern liegen, können durch ihre Ess- und Trinkgewohnheiten in anderer Qualität erfasst und verstanden werden, als dies die Fixierung auf politische Ereignisse zu leisten vermag. Diese Arbeit widmet sich deshalb der Thematik des Essens und Trinkens im Mittelalter. Nach einer kurzen Betrachtung der Inhalte des Begriffs der „Esskultur“ werden zu diesem Zweck Genese, Bestimmungsfaktoren, wichtige Lebensmittel sowie Tischsitten und die Bedeutung gemeinsamen Essens als Ausdruck der Teilhabe eines Individuums an der Gemeinschaft dieses Zeitraumes dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Der Untersuchungsgegenstand
- Was ist Esskultur?
- Genese der mittelalterlichen Esskultur
- Christliche Einflüsse als Bestimmungsfaktoren der mittelalterlichen Esskultur
- Hunger und Mangel im Mittelalter
- Nahrungsmittelknappheit
- Hungersnöte
- Ernährung und Medizin
- Mittelalterliche Kochbücher
- Die mittelalterliche Küche
- Mittelalterliche Kochstellen
- Köche und Küchenhilfen
- Nahrungsmittel im Mittelalter
- Getreide und Brot
- Gemüse, Obst und Nüsse
- Fleisch
- Milch und Milchprodukte
- Fisch und Schalentiere
- Salz
- Kräuter und Gewürze
- Zucker und Honig
- Wasser
- Wein
- Bier
- Essen und Trinken in der Lebensordnung
- Mahlzeiten
- Tischsitten
- Essen und Trinken als Ausdruck von Rechtsordnungen
- Das Gastmahl als Gemeinschaftsversicherung
- Gesellschaften sind so, wie sie essen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Esskultur des Mittelalters. Ziel ist es, die Genese und die bestimmenden Faktoren der mittelalterlichen Esskultur zu beleuchten, wichtige Nahrungsmittel zu beschreiben und die Tischsitten sowie die Bedeutung des gemeinsamen Essens als Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe darzustellen.
- Entwicklung der mittelalterlichen Esskultur
- Einfluss christlicher Werte auf die Ernährung
- Hunger und Nahrungsmittelknappheit im Mittelalter
- Mittelalterliche Kochtechniken und Nahrungsmittel
- Essen und Trinken als soziale und kulturelle Praxis
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 definiert den Untersuchungsgegenstand und die Bedeutung von Essen für das Verständnis gesellschaftlicher Strukturen. Kapitel 2 beleuchtet den Begriff der Esskultur. Kapitel 3 behandelt die Genese der mittelalterlichen Esskultur und die Entwicklung des Begriffs "Mittelalter" selbst. Kapitel 4 analysiert die christlichen Einflüsse auf die Esskultur. Kapitel 5 beschreibt Hunger und Mangel im Mittelalter, unterteilt in Nahrungsmittelknappheit und Hungersnöte. Kapitel 6 widmet sich dem Zusammenhang von Ernährung und Medizin. Kapitel 7 befasst sich mit mittelalterlichen Kochbüchern. Kapitel 8 beschreibt die mittelalterliche Küche, inklusive Kochstellen und Personal. Kapitel 9 bietet eine detaillierte Betrachtung verschiedener Nahrungsmittel des Mittelalters. Kapitel 10 untersucht Essen und Trinken im Kontext der Lebensordnung, inklusive Mahlzeiten, Tischsitten und der Bedeutung von Essen als Ausdruck von Rechtsordnungen und Gemeinschaft. Kapitel 11 betont die Aussage "Gesellschaften sind so, wie sie essen".
Schlüsselwörter
Esskultur, Mittelalter, Ernährung, Nahrungsmittel, Hunger, Christentum, Kochkunst, Tischsitten, Gesellschaft, Sozialgeschichte.
- Quote paper
- Eva-Maria Burger (Author), 2010, Esskultur im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/182163