Der Aphorismus ist eine der wenigen literarischen Gattungen, die in ihrer gesamten Breite schwierig zu fassen ist. Die literaturwissenschaftliche Forschung konnte bis heute weder den Umfang der Erzeugnisse noch eine einheitliche Definition eindeutig festmachen. Die Aphoristiker selbst haben immer wieder versucht, den Kern und die Bedeutung dieser kleinen Textsorte in eben solchen Gedankensplittern selbstreflexiv zu verfassen, so auch der Schriftsteller Martin Kessel: „Aphorismen in die Welt senden heißt nach einem Nicken des Einverständnisses fahnden."
Aufgrund der für sie charakteristischen Kürze und Konzision sowie der Subjektivität ist der Rezipient fragmentarischer Texte gezwungen, das Gesagte weiterzudenken und durch eigenes Wissen und individuelle Erfahrung zu überprüfen. In kurzen, pointierten Sprüchen äußerten sich Aphoristiker wie Georg Christoph Lichtenberg, der mit seinen tagebuchartigen Sudelbuch-Eintragungen die ersten idealtypischen Aphorismen schuf.
Auf Twitter, einem Online-Kurznachrichtendienst, entstehen zur Zeit ähnliche Erzeugnisse. Dort verbreiten Twitter-Nutzer mit Pseudonymen wie „HappySchnitzel‟ und „assenassenov‟ kurze Sprüche, die ihren Alltag widerspiegeln: „Wir fragen nicht, wie’s uns geht, sondern nur, woran’s liegt.“ und „Morgen ist auch noch ein Alltag.‟ sind zwei von tausenden Beispielen. Twitter bietet dabei seinen Nutzern eine besondere Herausforderung: In dem Eingabefeld ist nur Platz für 140 Zeichen. Dabei experimentieren sie mit Worten und sehen die Begrenzung auf 140 Zeichen als Herausforderung, Persönliches, Kurioses, Witziges und Nachdenkliches konzis zu formulieren. Darin steckt ein Potenzial für die Literatur, das die Literaturwissenschaft noch nicht erkannt hat.
Aufgrund ihrer formellen und inhaltlichen Ähnlichkeit zu Aphorismen soll die Arbeit der Frage nachgehen, ob neue digitale Kurztexte zu dieser literarischen Gattung hinzugezählt werden können und welche Bedeutung sie vor dem Hintergrund der Gattungsgeschichte des Aphorismus und der Mediengeschichte des Internets einnehmen. Die literarische Gattung „Aphorismus“ könnte vielleicht durch das Internet auf eine neue Ebene des Austausches zwischen Verfasser und Leser gehoben werden kann. Twitterer könnten damit den Aphorismus in neuer Form wiederbeleben. Ist Twitter gar das Sudelbuch der Digital Natives? In der Analyse heißt deshalb die zentrale Frage: Können Tweets Aphorismen sein?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Begriffe: Aphorismus, Web 2.0 und Twitter
- 1.1. Der Aphorismus: Eine umstrittene Gattung
- 1.1.1. Definitionskonzepte
- 1.1.2. Wortgeschichte
- 1.1.3. Gattungsgeschichte des literarischen Aphorismus
- 1.2. Web 2.0: Vom Konsumenten zum Produzenten
- 1.2.1. Vom World Wide Web zum Web 2.0
- 1.2.2. Der Autor im Web 2.0
- 1.3. Twitter: Das Mikroblog-Netzwerk
- 1.3.1. Wie funktioniert Twitter?
- 1.3.2. Gründungsgeschichte
- 1.1. Der Aphorismus: Eine umstrittene Gattung
- 2. Aphorismen und Twitter
- 2.1. Twitter und Literatur: Der Mikroblogger als literarischer Autor
- 2.1.1. Beispiele für die Verbreitung von digitalen Kurztexten
- 2.2. Können Mikroblog-Texte Aphorismen sein? Eine Analyse anhand von Merkmalen des Aphorismus
- 2.2.1. Kürze und Konzision
- 2.2.2. Prosaform und Nichtfiktionalität
- 2.2.3. Kotextuelle Isolation
- 2.2.4. Themendiversität
- 2.2.5. Autorintention
- 2.2.6. Aktive Rezeption
- 2.3. Fazit
- 2.1. Twitter und Literatur: Der Mikroblogger als literarischer Autor
- 3. Ausblick: Die Bedeutung von Twitter für die Literatur und den Aphorismus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Aphorismen und Twitter-Kurznachrichten. Ziel ist es, herauszufinden, ob digitale Kurztexte auf Twitter als Aphorismen betrachtet werden können und welche Bedeutung sie im Kontext der Gattungs- und Mediengeschichte haben. Die Arbeit analysiert die formalen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen traditionellen Aphorismen und Tweets.
- Definition und Gattungsgeschichte des Aphorismus
- Entwicklung des Web 2.0 und die Rolle des Autors
- Twitter als Mikroblogging-Plattform und seine Funktionsweise
- Analyse von Twitter-Nachrichten hinsichtlich ihrer aphorischen Merkmale
- Bedeutung von Twitter für die Literatur und den Aphorismus im Ausblick
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Schwierigkeiten, den Aphorismus als literarische Gattung eindeutig zu definieren. Sie stellt den Vergleich zwischen traditionellen Aphorismen und modernen Kurznachrichten auf Twitter her und skizziert die Forschungslücke bezüglich des literarischen Potenzials von Mikroblogging-Plattformen. Die zentrale Forschungsfrage wird formuliert: Können Tweets als Aphorismen betrachtet werden?
1. Begriffe: Aphorismus, Web 2.0 und Twitter: Dieses Kapitel liefert grundlegende Definitionen und historische Einordnungen. Es behandelt verschiedene Definitionsansätze des Aphorismus, beleuchtet seine Wort- und Gattungsgeschichte und beschreibt den Wandel der Autorschaft im Kontext von Web 2.0. Twitter wird als Mikroblogging-Plattform detailliert erklärt, inklusive seiner Funktionsweise und seiner Entwicklung. Das Kapitel schafft die notwendige Grundlage für die spätere Analyse.
2. Aphorismen und Twitter: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit und analysiert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Aphorismen und Twitter-Nachrichten. Es untersucht Kriterien wie Kürze, Konzision, Prosaform, Kotextuelle Isolation, Themenvielfalt, Autorintention und aktive Rezeption im Hinblick auf ihre Anwendung auf beide Textsorten. Durch die detaillierte Analyse wird die Frage nach der Einordnung von Tweets als Aphorismen systematisch untersucht.
Schlüsselwörter
Aphorismus, Twitter, Mikroblogging, Web 2.0, Digitale Kurztexte, Gattungsgeschichte, Mediengeschichte, Literaturwissenschaft, Kurznachrichten, Autor, Rezeption, Konzision, Kürze.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Aphorismen und Twitter-Kurznachrichten
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Aphorismen und kurzen Nachrichten auf der Social-Media-Plattform Twitter. Die zentrale Frage ist, ob Tweets als Aphorismen betrachtet werden können.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptkapitel: Einleitung, "Begriffe: Aphorismus, Web 2.0 und Twitter" und "Aphorismen und Twitter". Zusätzlich gibt es eine Zusammenfassung der Kapitel, eine Einleitung mit Zielsetzung und Themenschwerpunkten, sowie ein Schlusskapitel mit Ausblick.
Was wird im Kapitel "Begriffe: Aphorismus, Web 2.0 und Twitter" behandelt?
Dieses Kapitel legt die Grundlagen für die Analyse. Es bietet Definitionen und historische Einordnungen des Aphorismus, beschreibt die Entwicklung des Web 2.0 und die veränderte Rolle des Autors, und erklärt detailliert die Funktionsweise von Twitter als Mikroblogging-Plattform.
Wie analysiert die Arbeit die Beziehung zwischen Aphorismen und Tweets?
Das Kernkapitel ("Aphorismen und Twitter") vergleicht traditionelle Aphorismen mit Tweets anhand verschiedener Kriterien: Kürze, Konzision, Prosaform, kontextuelle Isolation, Themenvielfalt, Autorintention und aktive Rezeption. Es untersucht systematisch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für diese Arbeit?
Wichtige Schlüsselwörter sind Aphorismus, Twitter, Mikroblogging, Web 2.0, digitale Kurztexte, Gattungsgeschichte, Mediengeschichte, Literaturwissenschaft, Kurznachrichten, Autor, Rezeption und Konzision.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt der Arbeit?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Können Tweets als Aphorismen betrachtet werden? Die Arbeit untersucht dies anhand einer detaillierten Analyse der formalen und inhaltlichen Merkmale beider Textsorten.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, herauszufinden, ob digitale Kurztexte auf Twitter als Aphorismen betrachtet werden können und welche Bedeutung sie im Kontext der Gattungs- und Mediengeschichte haben. Sie analysiert die formalen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen traditionellen Aphorismen und Tweets.
Gibt es einen Ausblick?
Ja, die Arbeit enthält ein Kapitel mit Ausblick, das die Bedeutung von Twitter für die Literatur und den Aphorismus beleuchtet und mögliche zukünftige Forschungsansätze aufzeigt.
Welche Art von Texten werden analysiert?
Die Arbeit analysiert traditionelle Aphorismen und moderne Kurznachrichten (Tweets) auf Twitter, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf Form und Inhalt herauszuarbeiten.
- Quote paper
- Sarah Curth (Author), 2011, Aphorismen und Twitter, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/182093