Die Untersuchungshaft (nachfolgend: U-Haft) ist die auf Grund eines richterlichen Haftbefehls durchgeführte behördliche Verwahrung des Beschuldigten zur Verwirklichung eines Haftzweckes. Sie gilt als das wohl schärfste Zwangsmittel der StPO oder - wie es von Hassemer formuliert wurde - ist die U- Haft eine „Freiheitsberaubung gegenüber einem Unschuldigen“. Den Zweck der U- Haft beschreibt der Gesetzgeber ausdrücklich in Nr. 1 Abs. 1 UVollzO. Danach soll sie die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens gewährleisten oder der Gefahr weiterer Straftaten begegnen, indem der Beschuldigte sicher verwahrt wird. Die U-Haft ist Mittel zur Durchsetzung des staatlichen Anspruches auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters und zur Gewährleistung der sich dem Verfahren u.U. anschließenden Strafvollstreckung.
Dieser Ziel- und Zwecksetzung stehen aber tiefe Einschnitte in die Rechte des Beschuldigten gegenüber. Die vollständige Entziehung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit durch Einweisung in eine U-Haftanstalt greift erheblich in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und stellt eine Durchbrechung der Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK dar. Daher erfordert die Anordnung der U-Haft eine strenge Einzelfallabwägung der jeweils betroffenen Rechte im Verhältnis zum erstrebten Zweck. Die Anordnung von U- Haft erfordert gem. § 112 Abs. 1 S.1 StPO das Vorliegen eines Haftgrundes. Einen solchen stellt u. a. der seit jeher umstrittene § 112 Abs. 3 StPO dar. Die nachfolgende Arbeit soll sich daher mit den Problemen des „Haftgrundes der Tatschwere“ beschäftigen, indem die historische Entwicklung dargestellt sowie rechtsdogmatische und kriminalpolitische Fragen erörtert werden, ferner eine empirisch vergleichende Kurzdarstellung aufgezeigt wird sowie letztlich alternative Lösungsansätze herausgearbeitet werden. Zunächst erfolgt eine Kurzdarstellung der Dogmatik des U-Haft Rechts, um die richtige Verortung der Problematik gewährleisten zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Gutachten
- A) Einleitung
- B) Die Voraussetzungen der U- Haft
- I) formelle Voraussetzungen
- II) materielle Voraussetzungen
- C) Entstehungsgeschichte des § 112 Abs. 3 StPO
- I) Die Reichsstrafprozessordnung von 1877 bis 1933
- II) Die Entwicklung in der Zeit des Nationalsozialismus
- III),,Die Nachkriegs- StPO"
- IV) Reformbemühungen in den 70'er und 80'er Jahren
- V) Die aktuelle Fassung
- D) Empirische Untersuchung
- I) Häufigkeit der U-Haft in Deutschland
- II) Internationaler Vergleich
- III) Verteilung der einzelnen Haftgründe
- IV) Häufigkeit des Haftgrundes der Tatschwere
- V) Fazit
- E) Kriminalpolitische, rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Fragen
- I) Die kriminalpolitische Diskussion
- 1) Ein Haftgrund für Kapitalverbrechen (Tötungs- und Terroristendelikte)
- 2) Die pro- contra – Argumentation
- a) Die Tatschwere und der „Volkszorn“.
- b) Terrorismusbekämpfung und Symbolisches Strafrecht
- c) Missbrauchsgefahr und die Affinität zu nationalsozialistischer Gesetzgebung..
- d) Apokryphe Haftpraxis
- e) Zweckentfremdung der U-Haft und Funktionslosigkeit des Haftgrundes
- f) Die inhaltliche Bestimmtheit und das Verhältnismäßigkeitsprinzips
- g) Stellungnahme
- 3) Die Vermischung von Vergeltung und Abschreckung
- II) Die Tatbestandsstruktur
- 1) Die tatbestandsmäßige Konstruktion und Konzeption
- 2) Verfassungsrechtliche Restriktion
- a) Beschluss des OLG Hamburg.
- b) Allgemeine Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung
- c) Verfassungskonforme Auslegung
- d) Kritik
- F) Alternative Vorschläge und Fazit
- I) Gänzliche Streichung des Haftgrundes der Tatschwere
- II) Minimallösung unter Berücksichtigung des BVerfG
- III) Stellungnahme
- Die Problematik des Haftgrundes der Tatschwere im Kontext von U-Haft
- Kriminalpolitische, rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Aspekte der U-Haft
- Empirische Untersuchung der Häufigkeit von U-Haft in Deutschland und im internationalen Vergleich
- Alternative Vorschläge zur Reform der U-Haft
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Gutachten beschäftigt sich mit der Untersuchungshaft gemäß § 112 Abs. 3 StPO und untersucht die Problematik dieses Haftgrundes. Es werden die formalen und materiellen Voraussetzungen der U-Haft beleuchtet, sowie die Entstehungsgeschichte des § 112 Abs. 3 StPO. Darüber hinaus wird eine empirische Untersuchung der Häufigkeit der U-Haft in Deutschland und im internationalen Vergleich durchgeführt.
Zusammenfassung der Kapitel
Das Gutachten beginnt mit einer Einleitung, die die Problematik der U-Haft gemäß § 112 Abs. 3 StPO einführt. Es werden die formalen und materiellen Voraussetzungen der U-Haft erläutert, sowie die Entstehungsgeschichte des § 112 Abs. 3 StPO beleuchtet. Im nächsten Schritt wird eine empirische Untersuchung durchgeführt, welche die Häufigkeit der U-Haft in Deutschland und im internationalen Vergleich betrachtet. Anschließend werden kriminalpolitische, rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Fragen zur U-Haft diskutiert, wobei der Fokus auf dem Haftgrund der Tatschwere liegt. Abschließend werden alternative Vorschläge und Schlussfolgerungen zur Reform der U-Haft präsentiert.
Schlüsselwörter
Untersuchungshaft, § 112 Abs. 3 StPO, Haftgrund, Tatschwere, Kriminalpolitik, Rechtsdogmatik, Verfassungsrecht, Empirische Untersuchung, Internationaler Vergleich, Reformvorschläge.
- Quote paper
- Dr. Veit Busse-Muskala (Author), 2003, Die Untersuchungshaft gemäß § 112 Abs.3 StPO. Ein problematischer Haftgrund?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/18104