Wir wissen nicht, ob Wolfgang Grams, als er 1993 in Bad Kleinen erschossen wird,
weiß, dass er dort 68 Jahre nach Gottlob Frege stirbt. Frege, der "Aristoteles von
Mecklenburg-Vorpommern",2 der Großvater der modernen Logik, der Vater der
Sprachphilosophie, der selbst nie eigene Kinder hatte, wird mit unterschiedlichsten
Prädikaten bezeichnet – "analytic philosopher", "rationalist", "neokantian“, "platonist"
"neophytagorean",3 wie sie etwa Wolfgang Carl aufzeigt. Obwohl Frege mit
philosophischen Größen seiner Zeit wie Russell und Wittgenstein in Kontakt steht, wird
seine Philosophie zunächst, vor allem im deutschen Raum, geringgeschätzt oder gar
ignoriert. Die Differenz von Geltung zu Lebzeiten und posthumer Wirkung – ist fast
tragisch zu nennen. Doch sein schmales Werk gewinnt mit der Ausdehnung der
analytischen Philosophie im 20. Jahrhundert großen Einfluss. Fragen nach Sprache und
ihrem Verstehen erlangen in der Metaphysik neuen Stellenwert. An der
paradigmatischen Wende hin zur Sprachphilosophie hat Frege wesentlichen Anteil. In
seinem Streben, die Beziehungen zwischen Gedanken, Sprache und Welt darzustellen,
ist ihm erstmals seit Aristoteles, in Logik und Semantik ein Durchbruch gelungen. Ihn
interessiert es, die Struktur des Denkens zu begreifen, was es heißt, Sprache zu
verstehen, was Wahrheit ausmacht, was Zahlen darstellen. Obwohl oder weil seine
Fragestellungen sowohl psychologischer als auch philosophischer und mathematischer
Natur sind, finden seine Schriften zunächst nur begrenzte Rezeption, und sein Stil, der
Distinktion und Präzision vor pathetischen Gestus stellt, stößt im wissenschaftlichen
Umfeld auf Befremdung. Wenn Frege auch in seinen semantischen Studien großen
Wert auf unbedingte Kohärenz legt und sich bemüht, auf unsinnige Spekulationen und
falsche Ambitionen zu verzichten, so ist er doch kein Systemdenker im eigentlichen
Sinne, sein Philosophieren mehr ein Streben, das bereit ist, Irrungen einzugestehen und
neue Wege zu gehen. So stellt sein Aufsatz Über Sinn und Bedeutung eine Abwendung
von der Begriffsschrift dar. [...]
1 Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Husserl, B. Russell, sowie ausgewählte Einzelbriefe
Freges. Hg. v. Gabriel Gottfried u.a. Hamburg: 1980. S. 100. (Frege an Russell 9.6. 1912)
2 Böttcher, Dirk: Der Aristoteles von Mecklenburg-Vorpommern. In: Frankfurter Rundschau
(06.11.2002).
3 Carl, Wolfgang: Frege's Theory of Sense and Reference. Its Origins and Scope. Cambridge: 1994. S.1.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Aufsatz
- Die Identität
- Namen - Sinn und Bedeutung
- Eigennamen und Sinn
- Sinn ohne Bedeutung
- Vorstellung, Sinn, Bedeutung und Verknüpfung
- Zahlen - Sinn, Bedeutung
- Sätze - Sinn und Bedeutung
- Der Sinn des Satzes
- Die Bedeutung des Satzes
- Abschluss, Kritik und Ausblick
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Gottlob Freges Semantik, insbesondere seine Unterscheidung von Sinn und Bedeutung. Der Text beleuchtet Freges zentrale Ideen, wie sie in seinem Aufsatz "Über Sinn und Bedeutung" dargelegt werden, und untersucht seine Argumente zur Beziehung zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit.
- Unterscheidung von Sinn und Bedeutung
- Die Rolle von Sprache im Denken
- Die Struktur des Denkens und die Sprache
- Die Natur von Wahrheitswerten und Bedeutung
- Freges Einfluss auf die moderne Semantik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet Freges Leben und Werk und stellt die Bedeutung seiner semantischen Theorien im Kontext der Philosophiegeschichte dar. Kapitel 2 widmet sich Freges Aufsatz "Über Sinn und Bedeutung" und analysiert die Unterscheidung von Sinn und Bedeutung, die Frege in diesem zentralen Text vorschlägt. Kapitel 3 widmet sich der Frage, wie sich Freges Theorien auf das Verständnis von Identität auswirken. Kapitel 4 untersucht die Anwendung des Begriffspaars "Sinn und Bedeutung" auf Namen, insbesondere auf Eigennamen. Dabei beleuchtet es die komplexe Beziehung zwischen Sinn, Bedeutung und Vorstellung. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Sinn und Bedeutung auf Sätze anwenden lassen, und beleuchtet die Bedeutung des Satzes in Freges semantischer Theorie.
Schlüsselwörter
Gottlob Frege, Semantik, Sinn und Bedeutung, Sprache und Denken, Wahrheitswerte, Vorstellung, Identität, Eigennamen, Sätze, logische Analyse, Analytische Philosophie, Sprachphilosophie, Begriffsschrift.
- Quote paper
- Daniel Seibel (Author), 2003, Gottlob Freges Semantik. Über Sinn und Bedeutung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/17948