Lerngruppen sind während der letzten Jahrzehnte in sämtlichen Schulformen immer heterogener geworden. In dieser Feststellung decken sich die Alltagserfahrungen von Lehrern mit den Ergebnissen bildungssoziologischer Studien. Die Ursache dafür sind gesellschaftliche Entwicklungen: Infolge von Globalisierung, internationaler Migration, Pluralisierung familiärer Lebensformen und gesellschaftlicher Individualisierungstendenzen werden traditionelle Lebenszusammenhänge weitgehend aufgelöst und durch sehr vielfältige Lebensweisen ersetzt. Soziokulturelle Heterogenität zeichnet unsere Gesellschaft aus: „Man lebt als Einzelkind oder mit Geschwistern, mit arbeitslosen oder beruflich völlig überlasteten Eltern, mit der deutschen, der russischen, der türkischen Familiensprache, in Armut oder im Überfluss, behütet oder verwahrlost.“
Entsprechend groß sind die Unterschiede in den Lernhaltungen, Kompetenzen, Erwartungen und Interessen der Schüler einer Klasse. Dieser Heterogenität muss Schulunterricht pädagogisch produktiv begegnen. Das gilt insbesondere für die berufliche Bildung. Wie keine andere Schulform des deutschen Bildungssystems sind berufsbildende Schulen durch eine markante Heterogenität in der Vorbildung ihrer Schüler geprägt. In der Berufsvorbereitung beispielsweise bilden Schulabgänger mit und ohne Bildungsabschluss von Haupt-, Real- oder Förderschulen einen Klassenverband. In Berufsschulklassen werden Auszubildende unterrichtet, die in verschiedenen Betrieben mit sehr unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen ausgebildet werden. Das formal zertifizierte Bildungsniveau innerhalb einer Lerngruppe variiert dabei nicht selten vom Hauptschulabschluss über das Abitur bis hin zu einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung und vorhandener Berufserfahrung.
Die Berufspädagogik ist angesichts der vielschichtigen Strukturen in der Gesellschaft und im Klassenraum herausgefordert, Unterrichtsmethoden verstärkt zu individualisieren. Die Erfahrungen mit individualisierender Didaktik sind in der beruflichen Bildung jedoch sehr gering.
Individualisierende Unterrichtsformen werden zwar zunehmend in den Unterrichtsalltag an berufsbildenden Schulen integriert, es finden sich jedoch kaum evaluierte Konzepte oder empirische Untersuchung. Trotz oder gerade wegen des Forschungsdefizits setzt sich diese Arbeit mit individualisierten Lernprozessen an berufsbildenden Schulen und ihrer Bedeutung für den Lernerfolg der Schüler auseinander.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Aufbau der Arbeit
- 2. Heterogenität – Bestimmung von Begriff und Merkmalen
- 2.1. Kategorien der Heterogenität
- 2.2. Normalität und Abweichung
- 2.3. Relevanz von Heterogenität in der beruflichen Bildung
- 2.3.1. Heterogenität in der Gesellschaft und im Beschäftigungssystem
- 2.3.2. Bedeutung von Heterogenität für die Struktur beruflicher Bildung
- 2.3.3. Relevanz von Heterogenität in berufsbildenden Schulen
- 2.3.4. Heterogenität im Unterricht an berufsbildenden Schulen
- 3. Individualisiertes Lernen
- 3.1. Individualisierung im Reflex des didaktischen Denkens
- 3.1.1. Paradigmenwechsel
- 3.1.2. Erkenntnisse der neurobiologischen Wissenschaft
- 3.2. Schülerbild und Lehrerrolle beim individualisierten Lernen
- 3.3. Instrumente schülerorganisierter Lernprozesse
- 3.4. Individualisiertes Lernen in der beruflichen Bildung
- 4. Individualisiertes Lernen im Spiegel der Forschung
- 4.1. Überblick der Forschungslage im Bereich der Berufsbildung
- 4.1.1. Individualisiertes Lernen im kaufmännischen Berufsfeld
- 4.1.2. Individualisiertes Lernen im gewerblich-technischen Berufsfeld
- 4.2. Beschreibung ausgewählter Forschungen aus der Berufsbildung
- 4.2.1. Prozessanalyse des selbstorganisierten Lernens
- 4.2.2. Kompetenzentwicklung versus Lernmotivation
- 4.2.3. Differentielle Effekte individualisierender Unterrichtsformen
- 4.3. Individualisiertes Lernen in allgemeinbildenden Schulformen
- 4.3.1. Sozialverhalten, Motivation und Lernhaltung
- 4.3.2. Kompetenzentwicklung, Lernergebnisse und Schulleistungen
- 4.3.3. Heterogenität in Lerngruppen und im Klassenverband
- 4.3.4. Lehrerrolle beim individualisierten Lernen
- 4.4. Zusammenfassung und Ableitung von Hypothesen
- 5. Empirische Untersuchung an berufsbildenden Schulen in Hamburg
- 5.1. Untersuchungsdesign und Forschungsmethoden
- 5.1.1. Quantitative Vorerhebung
- 5.1.2. Qualitative Befragung der Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen
- 5.2. Durchführung der Untersuchungen
- 5.3. Auswertung der Untersuchungen
- 5.4. Darstellung der Ergebnisse
- 5.4.1. Interpretation von individualisierendem Unterricht
- 5.4.2. Sozialverhalten, Motivation und Lernhaltung
- 5.4.3. Entwicklung der fachlichen Kompetenzen und Schulleistungen
- 5.4.4. Ausbildung von beruflicher Handlungskompetenz
- 5.4.5. Heterogenität in Lerngruppen und im Klassenverband
- 5.4.6. Anforderungen an den Lehrer im individualisierten Lernen
- 5.5. Zusammenfassung der empirisch gewonnenen Erkenntnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht individualisiertes Lernen als Strategie zum Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung. Ziel ist es, die Möglichkeiten und Herausforderungen individualisierenden Unterrichts in berufsbildenden Schulen zu beleuchten und empirische Erkenntnisse dazu zu präsentieren.
- Heterogenität in der beruflichen Bildung
- Didaktische Konzepte individualisierten Lernens
- Empirische Forschung zum individualisierten Lernen in der Berufsbildung
- Lehrerrolle im individualisierten Unterricht
- Auswirkungen auf Lernmotivation und Kompetenzentwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Dieses Kapitel führt in das Thema der Arbeit ein und beschreibt den Aufbau und die Struktur der Untersuchung. Es skizziert die Relevanz von individualisiertem Lernen im Umgang mit der Heterogenität in der beruflichen Bildung und benennt die Forschungsfragen, die im weiteren Verlauf beantwortet werden sollen. Der Fokus liegt auf der Begründung der Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise im Kontext beruflicher Bildung.
2. Heterogenität – Bestimmung von Begriff und Merkmalen: Dieses Kapitel definiert den Begriff der Heterogenität und beschreibt verschiedene Kategorien. Es diskutiert die Bedeutung von Normalität und Abweichung im Kontext von Heterogenität und analysiert die besondere Relevanz dieser Thematik in der beruflichen Bildung. Der Fokus liegt auf der Vielschichtigkeit von Heterogenität und deren Auswirkungen auf den Bildungsprozess. Es werden verschiedene Aspekte betrachtet, wie die Heterogenität in der Gesellschaft, im Beschäftigungssystem, an berufsbildenden Schulen und im Unterricht selbst.
3. Individualisiertes Lernen: Dieses Kapitel beleuchtet das Konzept des individualisierten Lernens. Es wird der Paradigmenwechsel in didaktischem Denken im Hinblick auf Individualisierung erläutert und die Erkenntnisse der Neurobiologie einbezogen. Das Kapitel beschreibt das Schülerbild und die Lehrerrolle im Kontext individualisierten Lernens sowie verschiedene Instrumente zur Gestaltung schülerorganisierter Lernprozesse. Schließlich werden die Besonderheiten und Herausforderungen individualisierten Lernens in der beruflichen Bildung diskutiert.
4. Individualisiertes Lernen im Spiegel der Forschung: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Forschungslage zum individualisierten Lernen in der Berufsbildung, sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblich-technischen Bereich. Ausgewählte Studien werden detailliert beschrieben und analysiert. Der Kapitel vergleicht und kontrastiert die Ergebnisse mit Forschungen aus dem Bereich der allgemeinbildenden Schulen, unter besonderer Berücksichtigung von Sozialverhalten, Motivation, Kompetenzentwicklung und der Lehrerrolle.
5. Empirische Untersuchung an berufsbildenden Schulen in Hamburg: Das Kapitel beschreibt das Design und die Methoden der empirischen Untersuchung an Hamburger berufsbildenden Schulen. Es erläutert die quantitative Vorerhebung und die qualitative Befragung von Lehrkräften. Die Ergebnisse werden detailliert dargestellt und interpretiert, bezogen auf individualisierenden Unterricht, Sozialverhalten, Motivation, Kompetenzentwicklung, Handlungskompetenz, Heterogenität in Lerngruppen und die Anforderungen an die Lehrkraft.
Schlüsselwörter
Individualisiertes Lernen, Heterogenität, Berufliche Bildung, Didaktik, Empirische Forschung, Kompetenzentwicklung, Lernmotivation, Lehrerrolle, Berufsschule, Hamburg.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Individualisiertes Lernen im Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht individualisiertes Lernen als Strategie zum Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung. Sie beleuchtet die Möglichkeiten und Herausforderungen individualisierenden Unterrichts in berufsbildenden Schulen und präsentiert dazu empirische Erkenntnisse.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Schwerpunkte: Heterogenität in der beruflichen Bildung, didaktische Konzepte individualisierten Lernens, empirische Forschung zum individualisierten Lernen in der Berufsbildung, die Lehrerrolle im individualisierten Unterricht sowie die Auswirkungen auf Lernmotivation und Kompetenzentwicklung.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Heterogenität – Bestimmung von Begriff und Merkmalen, Individualisiertes Lernen, Individualisiertes Lernen im Spiegel der Forschung und Empirische Untersuchung an berufsbildenden Schulen in Hamburg. Jedes Kapitel bearbeitet einen spezifischen Aspekt des Themas und baut aufeinander auf.
Was wird in Kapitel 2 ("Heterogenität – Bestimmung von Begriff und Merkmalen") behandelt?
Kapitel 2 definiert den Begriff Heterogenität, beschreibt verschiedene Kategorien, diskutiert Normalität und Abweichung und analysiert die Relevanz von Heterogenität in der beruflichen Bildung (Gesellschaft, Beschäftigungssystem, berufsbildende Schulen, Unterricht).
Was wird in Kapitel 3 ("Individualisiertes Lernen") behandelt?
Kapitel 3 beleuchtet das Konzept des individualisierten Lernens, den Paradigmenwechsel im didaktischen Denken, Erkenntnisse der Neurobiologie, das Schülerbild und die Lehrerrolle, Instrumente schülerorganisierter Lernprozesse und die Besonderheiten in der beruflichen Bildung.
Was wird in Kapitel 4 ("Individualisiertes Lernen im Spiegel der Forschung") behandelt?
Kapitel 4 gibt einen Überblick über die Forschungslage zum individualisierten Lernen in der Berufsbildung (kaufmännisch und gewerblich-technisch), beschreibt und analysiert ausgewählte Studien und vergleicht diese mit Forschungsergebnissen aus allgemeinbildenden Schulen (Sozialverhalten, Motivation, Kompetenzentwicklung, Lehrerrolle).
Was wird in Kapitel 5 ("Empirische Untersuchung an berufsbildenden Schulen in Hamburg") behandelt?
Kapitel 5 beschreibt das Design und die Methoden der empirischen Untersuchung (quantitative Vorerhebung, qualitative Lehrkraftbefragungen), erläutert die Durchführung und Auswertung und präsentiert die Ergebnisse zu individualisierendem Unterricht, Sozialverhalten, Motivation, Kompetenzentwicklung, Handlungskompetenz, Heterogenität und Anforderungen an die Lehrkraft.
Welche Forschungsmethoden wurden eingesetzt?
Die Arbeit verwendet sowohl quantitative (Vorerhebung) als auch qualitative Methoden (Lehrkraftbefragungen) zur Datenerhebung und -analyse.
Wo wurde die empirische Untersuchung durchgeführt?
Die empirische Untersuchung wurde an berufsbildenden Schulen in Hamburg durchgeführt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Individualisiertes Lernen, Heterogenität, Berufliche Bildung, Didaktik, Empirische Forschung, Kompetenzentwicklung, Lernmotivation, Lehrerrolle, Berufsschule, Hamburg.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Herausforderungen individualisierenden Unterrichts im Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung und präsentiert dazu empirische Erkenntnisse.
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- Boris Wesemann (Author), 2010, Individualisiertes Lernen als Strategie zum Umgang mit Heterogenität in der beruflichen Bildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/174920