„Yes we can“, der weltweit bekannte und in nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit zitierte Ausruf des derzeitigen US-amerikanischen Präsidenten, steht wohl symbolisch
für einen der medienwirksamsten Wahlkämpfe der Zeitgeschichte. Barack Obama und seine von idealistischen Werten geprägte und revolutionär anmutende Wahlkampagne übten auf Europa und Deutschland eine große Anziehungskraft aus. Es überrascht deshalb nicht, dass man im darauffolgenden Wahlkampfjahr 2009 in Deutschland eine deutlich spürbare Beeinflussung der Strategien, Taktiken und Inhalte, eine Amerikanisierung des deutschen Wahlkampfes, erwartete.
Der Amerikanisierungsbegriff taucht seit Jahren immer wieder im Zusammenhang mit der Kritik am Verlauf von Wahlkampf- und politischer Kommunikation auf und hält sich, trotz vielfacher Diskussion über die tatsächliche Existenz der damit gemeinten
Entwicklung, hartnäckig. Ein Grund für die Debatte um diesen Terminus ist seine Mehrdeutigkeit. Mit dem Begriff der Amerikanisierung, der in Deutschland erstmals nach der Gründung der Bundesrepublik Anwendung fand (vgl. Wagner 2005: 10), war
zunächst die Annahme eines übermäßigen Einflusses amerikanischer Ideale und Produkte auf die deutsche Kultur gemeint (vgl. Schildt 2000: 3). „Entscheidend für diezumeist negativ konnotierte Rezeption des Begriffs [war] die Einseitigkeit, mit der sich dieser Transfer scheinbar voll[zog]: von den USA nach Europa (und in andere Regionen
der Welt), nicht wechselseitig, nicht reflexiv.“ (Kamps 2000: 14).
Der genaue Gegenstand und die Merkmale der Amerikanisierung lassen sich nur schwer definieren. Heute steht die Bezeichnung, meist in einem engeren, negativen Sinn für einen Wandel der politischen Kommunikation und Wahlkampfkommunikation, der sich aufgrund einer übermäßigen Einflussnahme amerikanischer Wahlkampfpraktiken auf die deutsche Politik vollzieht (vgl. Donges 2000: 27). In ebendiesem Sinn soll der Amerikanisierungsbegriff in dieser Arbeit verwendet werden. In ihrem Rahmen gilt es zu klären, ob man, auch mit Rücksicht auf gesellschaftliche Einflüsse, die politische Kommunikation in Deutschland als „amerikanisiert“ bezeichnen kann. Insbesondere betrachtet werden soll dabei die Kommunikation in Wahlkämpfen, als „besondere Kristallisationsphasen politischer Kommunikation“ (Sarcinelli/ Schatz 2002: 9). Als Beispiele dienen der Bundestagswahlkampf 1998, dessen Verlauf die Diskussion um die Amerikanisierung schürte und der vergangene aus dem Jahr 2009.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1 Die Amerikanisierung – kein neuer, aber ein dennoch aktueller Begriff
- 2 Gründe und Merkmale des Wandels in der politischen Kommunikation
- 2.1 Der gesellschaftliche Wandel
- 2.2 Die USA als Vorbild und der wachsende Medieneinfluss: Mediendemokratie oder Mediokratie?
- 2.3 Merkmale der Amerikanisierung
- 3 Amerikanisierung, Globalisierung oder Modernisierung?
- 3.1 Die drei konträren Erklärungsansätze für die Veränderungen in der politischen Kommunikation
- 3.2 Amerikanisierungstendenzen im Wahljahr 2009?
- 3.3 Adaptionsschwierigkeiten und Kritik an der These der Amerikanisierung
- 4 Die Amerikanisierung: These oder Fakt?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Arbeit analysiert die These der „Amerikanisierung“ der politischen Kommunikation in Deutschland. Sie untersucht die Ursachen und Merkmale des Wandels in der politischen Kommunikation, insbesondere im Kontext von Wahlkämpfen, und hinterfragt die Gültigkeit des Begriffs anhand von Beispielen aus der deutschen Wahlkampfgeschichte. Im Fokus stehen dabei die Frage nach dem Einfluss amerikanischer Wahlkampfpraktiken auf die deutsche politische Kultur und die Rolle der Massenmedien im Prozess der politischen Kommunikation.
- Wandel der politischen Kommunikation in Deutschland
- Einfluss amerikanischer Wahlkampfpraktiken
- Rolle der Massenmedien
- Die These der Amerikanisierung: Gültigkeit und Kritik
- Beispielhafte Analyse des deutschen Wahlkampfes 2009
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel erläutert den Begriff der „Amerikanisierung“ und stellt dessen historische Entwicklung und Bedeutung in Bezug auf die politische Kommunikation dar. Es wird betont, dass der Begriff seit Jahren in Debatten um den Wandel der Wahlkampfkommunikation auftaucht und eine Mehrdeutigkeit aufweist.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Ursachen und Merkmale des Wandels in der politischen Kommunikation in Deutschland. Es wird der gesellschaftliche Wandel mit dem Verlust von Stammwählern und der Annäherung der Parteien in der politischen Mitte als ein wichtiger Faktor betrachtet. Darüber hinaus wird der wachsende Medieneinfluss als ein wesentlicher Treiber des Wandels identifiziert, wobei das amerikanische Vorbild und die Entwicklung von Mediendemokratie zu Mediokratie diskutiert werden.
Das dritte Kapitel stellt drei konträre Erklärungsansätze für die Veränderungen in der politischen Kommunikation vor. Die Debatte um die Amerikanisierung, Globalisierung und Modernisierung als Erklärungsmodelle für die Veränderungen in der politischen Kommunikation wird beleuchtet. Abschließend wird die Frage nach der Existenz von Amerikanisierungstendenzen im deutschen Wahlkampf 2009 gestellt und die Adaptionsschwierigkeiten und Kritik an der These der Amerikanisierung aufgezeigt.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Amerikanisierung, politische Kommunikation, Wahlkampfkommunikation, Massenmedien, Mediendemokratie, Mediokratie, gesellschaftlicher Wandel, Wahlkampfstrategien und Taktiken, deutsche Wahlkampfgeschichte, Bundestagswahlkampf 1998, Bundestagswahlkampf 2009. Weitere wichtige Begriffe sind Medienlandschaft, Politikverdrossenheit und politische Kultur.
- Quote paper
- Melanie Strauß (Author), 2009, Die Amerikanisierung der politischen Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/168830