Noch vor zwanzig Jahren wurde angenommen, die effektivste Möglichkeit den Spracherwerb der Kinder zu fördern sei, sie einem möglichst frühen Sprachbad auszusetzen, so dass sie die deutsche Sprache unter Submersionsbedingungen erlernten. Ihre Erstsprachen wurden dabei weitest möglich ignoriert. Eine Änderung des Blickpunkts wurde vor allem mit den Forschungsergebnissen des kanadischen Sprachforschers Jim Cummins eingeleitet, der die Erstsprache zur Wegbereiterin der Zweitsprache erklärte. Dies hatte zur Folge, dass die Ausgrenzung der Erstsprachen der Kinder nicht nur unter spracherwerbstheoretischen, sondern auch unter psychologischen und intellektuellen Gesichtspunkten geprüft wurde und man letztlich konstatierte, dass die Erstsprache in allen Bereichen von äußerst relevanter Bedeutung für die allgemeine kindliche Entwicklung war. Trotz der bestehenden Erkenntnislage wurden bisher aber nur wenige, dieser Richtung entsprechende Leitideen in die Praxis umgesetzt (vgl.Jampert 2002:10).
Vielmehr gestaltet sich die Landschaft der sprachförderprogramme in Deutschland im Elementarbereich als unüberschaubar und uneinheitlich. Es mangelt an Konzepten, die den Fachkräften einen Umgang mit mehrsprachigen Kindern vermitteln, in dem eine Förderung ihrer deutschsprachigen Fähigkeiten ermöglicht wird, die aber zugleich nicht ihre Multikulturalität ignorieren ( vgl. Jampert 2007:11). Zu diesem Zweck möchte ich in meiner Arbeit das Konzept eines Sprachförderprojekts vorstellen, das sich seit einigen Jahren erfolgreich in vielen Städten Deutschlands etabliert hat und einen Ansatz verfolgt, der versucht den oben beschriebenen Ansprüchen gerecht zu werden: Das Stadtteilmütter-Projekt der Stadt Augsburg. Die Besonderheit des Konzepts liegt bei der Berücksichtigung der Erstsprachen, die als Fundament des Zweitspracherwerbs angesehen und in koordinierter Form parallel zum Deutschen gefördert werden sowie in einer starken Einbindung der Familien in die Lernprozesse. Die Zielstellung dieser Arbeit liegt daher bei der Erforschung der sprachlichen und sozialen Auswirkungen des Projektansatzes bei den Aktanten,
insbesondere vor dem Hintergrund der bedeutsamen Rolle, die der Erstsprache in diesem Ansatz eingeräumt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Zur Situation von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland
- 1.1. Sprachgebrauch und Spracherhalt
- 1.2. Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
- 1.3. Zur Rolle und Situation der vorschulischen Bildungsinstitutionen
- 2. Mehrsprachigkeit als Forschungsgegenstand
- 2.1. Zur Rolle der Erstsprache
- 2.2. Mehrsprachigkeit: Hürde oder erstrebenswertes Ziel?
- 2.3. Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängende Begriffe
- 2.3.1. Versuch einer Definition des Begriffs Mehrsprachigkeit
- 2.3.2. Anthropogene Einflussfaktoren
- 2.3.3. Soziogene Einflussfaktoren
- 2.3.4. Semilingualismus
- 2.3.5. Sprachmischungen: Code-Mixing und Code-Switching
- 2.4. Exkurs: Entwicklung der Sichtweise auf Mehrsprachigkeit den letzten Jahrzehnten
- 2.5. Aktuelle Diskussionen: Streitfall Mehrsprachigkeit
- 3. Sprachförderung unter besonderer Berücksichtigung der Erstsprache und der Elternbildung- Das Rucksack-Projekt
- 3.1. Sprachliche Situation bei Eintritt in den Kindergarten
- 3.2. Das Rucksack-Projekt
- 3.2.1. Ursprung
- 3.2.2. Konzept
- 3.2.3. Zielsetzung
- 3.3. Vergleich zweier Ansätze: Rucksack-Projekt und Denkendorfer-Modell
- 3.4. Das Stadtteilmütter-Projekt in Augsburg
- 3.4.1. Ausgangslage
- 3.4.2. Entstehung und Entwicklung
- 3.5. Ausblick auf das Forschungsvorhaben
- 4. Empirischer Teil: Qualitative Untersuchung
- 4.1. Forschungsfragen
- 4.2. Forschungsmethodik
- 4.2.1. Vorstudie mit Fragebögen
- 4.2.1.1. Fragebogen-Studie unter Erzieherinnen
- 4.2.1.2. Fragebogen-Studie unter Stadtteilmütter
- 4.2.2. Haupterhebung mit Leitfaden-Interviews
- 4.2.2.1. Das episodische Interview
- 4.2.2.2. Interviewpartner
- 4.2.2.3. Durchführung
- 4.2.2.4. Transkription
- 4.2.2.5. Auswertung
- 4.2.1. Vorstudie mit Fragebögen
- 4.3. Darstellung der Ergebnisse
- 4.3.1. Ergebnisse der Vorstudien
- 4.3.1.1. Stadtteilmütter
- 4.3.1.2. Erzieherinnen
- 4.3.2. Ergebnisse der Interviews
- 4.3.2.1. Erzieherinnen
- 4.3.2.2. Stadtteilmütter
- 4.3.2.3. Mütter
- 4.3.1. Ergebnisse der Vorstudien
- 4.4. Analyse und Diskussion der Ergebnisse
- 5. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die sprachlichen und sozialen Auswirkungen des Stadtteilmütter-Projekts in Augsburg auf Kinder mit Migrationshintergrund im Elementarbereich. Der Fokus liegt dabei auf der besonderen Berücksichtigung der Erstsprache der Kinder und der Rolle der Elternbildung im Projekt.
- Die Bedeutung der Erstsprache für den Zweitspracherwerb und die allgemeine Entwicklung von Kindern mit Migrationshintergrund
- Die Integration von Familien in die Lernprozesse durch das Stadtteilmütter-Projekt
- Die Rolle der Stadtteilmütter als Bindeglied zwischen Eltern und Familie
- Die Herausforderungen und Chancen der Mehrsprachigkeit im Bildungssystem
- Die praktische Umsetzung des Stadtteilmütter-Projekts und seine Auswirkungen auf die Praxis der Sprachförderung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem vor und beleuchtet die Bedeutung der Sprachförderung unter besonderer Berücksichtigung der Erstsprache. Kapitel 1 beleuchtet die Situation von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland, während Kapitel 2 die Mehrsprachigkeit als Forschungsgegenstand behandelt. Kapitel 3 stellt das Rucksack-Projekt und das Stadtteilmütter-Projekt in Augsburg vor und erläutert deren Konzept und Zielsetzung. Der empirische Teil in Kapitel 4 präsentiert die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung, die mittels Fragebögen und Leitfaden-Interviews gewonnen wurden. Die Ergebnisse werden anschließend in Kapitel 4.4 analysiert und diskutiert. Kapitel 5 bietet einen Ausblick auf weitere Forschungsfragen und -perspektiven.
Schlüsselwörter
Sprachförderung, Mehrsprachigkeit, Migrationshintergrund, Erstsprache, Elternbildung, Stadtteilmütter-Projekt, qualitative Untersuchung, Bildungssystem, Integration, soziale und sprachliche Auswirkungen, Augsburg.
- Quote paper
- Isabella Wlossek (Author), 2010, Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund unter der besonderen Berücksichtigung der Erstsprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/168506