Zeit als solche ist weder fassbar noch begreifbar, sie ist einfach da und wird als selbstverständlich wahrgenommen. Und wenn man heute an Zeit denkt, dann steht sinnbildlich dafür die Uhr, die unser tägliches Leben einteilt und strukturiert in Stunden, Minuten und Sekunden. Sie ist ein unentbehrliches Hilfsmittel und unverzichtbar für eine hochgradig arbeitsteilig und ausdifferenzierte Gesellschaft. Zeitmessung-und einteilung ist unverzichtbar für Gesellschaften, um das Zusammenwirken und Zusammenspiel komplexer und größer werdender Gesellschaften zu synchronisieren. Doch wie steht es da eigentlich um den Kalender, der das älteste und zugleich traditionellste Mittel der Zeiteinteilung darstellt? Der Kalender als solches ist im Gegensatz zur Uhr eine sehr viel gröbere Einteilung der Zeit, die weniger unmittelbar und weit weniger unbedingter unser Leben strukturiert. Doch was noch viel entscheidender ist: Der Kalender ist im Gegensatz zur Uhr keine reine technische Erfindung, sondern ein reines menschengeschaffenes Zeichensystem, das nur dann funktionieren kann, wenn wir seine Zeichen mit Bedeutung füllen. Der Kalender entstand aus dem Ritual und an seinem Anfang standen landwirtschaftliche Aktivitäten, die in einem natürlichen Rhythmus ausgerichtet wurden. Im Zuge sich ausdifferenzierender sozialer Ordnungen und der Erfinden literaler Merksystem entstand dann nach und nach der Kalender mit dem Zweck der Synchronisation menschlicher Tätigkeiten.(1) Solange es Kalender gibt ist es eine Grundfrage, woran sie bemessen werden sollen. Vor allem die Revolutionen in Frankreich und Russland zeigten, dass es Versuche gab, den Kalender neu zu berechnen. Wird die Zeit im christlichen Abendland zwar in Anlehnung an Christi Geburt bemessen, so existieren und existierten auch völlig andere Zeitrechnung. Und auch die heutige Zeitrechnung hat sich erst im 6.Jahrhundert nach Christus durchgesetzt. Als menschengeschaffenes Zeichensystem ist der Kalender nicht etwas absoulut unabänderliches und es gab in der Geschichte zahlreiche Versuche, die Zeitrechnung zugunsten einer anderen Zeitrechnung anzufechten und abzuschaffen. Der Kalender als ein kulturelles Konstrukt bot immer schon genug Konfliktstoff und die Kalendergeschichte ist reich an Konflikten.
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(1)Vgl. Schmidt, S.7-17
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kollektives, kulturelles und soziales Gedächtnis
- Die Einführung des Revolutionskalenders
- Der Bruch mit der alten Zeit und ein neues Zeitalter
- Der Revolutionskalender als Ausdruck eines neuen politischen Selbstverständnisses
- Erziehung für die Republik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Kalenderreform der Französischen Revolution, ihre intellektuellen und politischen Voraussetzungen sowie die Gründe für ihr Scheitern. Sie beleuchtet die Funktionsweise des kollektiven Erinnerns und die Sinngebung kalendarischer Daten, um im zweiten Schritt die Kalenderreform nach der Französischen Revolution zu untersuchen.
- Kollektives Gedächtnis und seine Bedeutung für die Stabilisierung der Gesellschaft
- Die Intention der Kalenderreform und die Ziele der Revolutionäre
- Der Revolutionskalender als Symbol für einen neuen politischen und gesellschaftlichen Wandel
- Die Gründe für das Scheitern der Kalenderreform
- Die Bedeutung der Kalenderreform als kulturelles Konstrukt
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Problematik des Kalenders als kulturelles Konstrukt und Mittel der Zeiteinteilung dar. Es wird deutlich, dass der Kalender in der Geschichte immer wieder Gegenstand von Reformen und Auseinandersetzungen war. Die Französische Revolution und ihre Kalenderreform werden als Beispiel für einen Gegenentwurf zum Gregorianischen Kalender vorgestellt.
- Kollektives, kulturelles und soziales Gedächtnis: Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung von Jahrestagen für die Stabilisierung des kollektiven Gedächtnisses. Es wird erklärt, wie individuelle Erinnerungen an soziale Bezugsrahmen gebunden sind und das Gedächtnis der Gruppe bilden. Die Theorien von Maurice Halbwachs und Jan Assmann über das kollektive und kulturelle Gedächtnis werden erläutert.
- Die Einführung des Revolutionskalenders: Das Kapitel behandelt die Einführung des Revolutionskalenders als Teil des kulturellen und mentalen Bewusstseinsumschwungs nach der Französischen Revolution. Es wird erläutert, wie der neue Kalender die Revolutionäre im Wandel manifestieren sollte.
- Der Bruch mit der alten Zeit und ein neues Zeitalter: Dieses Kapitel beleuchtet den Versuch der Revolutionäre, die alte Zeitrechnung abzuschaffen und eine neue Zeitrechnung zu etablieren. Es wird der Bruch mit traditionellen Werten und Symbolen und der Versuch der Schaffung einer neuen kulturellen Identität durch den Revolutionskalender dargestellt.
- Der Revolutionskalender als Ausdruck eines neuen politischen Selbstverständnisses: Dieses Kapitel untersucht den Revolutionskalender als Ausdruck eines neuen politischen Selbstverständnisses der Revolutionäre. Es zeigt auf, wie der Kalender zur Vermittlung neuer politischer Werte und zur Etablierung einer neuen Staatsordnung dienen sollte.
- Erziehung für die Republik: Dieses Kapitel analysiert den Versuch der Revolutionäre, die Republik durch die Einführung des Revolutionskalenders zu erziehen. Es wird gezeigt, wie der Kalender als Instrument der politischen Propaganda und zur Förderung einer neuen Kultur verwendet werden sollte.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Fokus-Themen dieser Hausarbeit sind die Kalenderreform der Französischen Revolution, das kollektive Gedächtnis, die Kulturgeschichte, die Zeitrechnung, der Gregorianische Kalender, der Revolutionskalender, die politische Propaganda und die Etablierung einer neuen kulturellen Identität.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2011, Der französische Revolutionskalender – Scheitern einer neuen Zeitrechnung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/165558