Im Mai 2008 erschien der Debutroman Feuchtgebiete von Charlotte Roche in Deutschland. Innerhalb kürzester Zeit löste er eine Diskussion aus, was Literatur darf und was nicht, und ob ein solches Buch lesenwert sei. Bemerkenswert ist dabei einmal, dass diese Diskussion nicht ausschließlich in den Feuilletons der Zeitungen geführt wurde, sondern, durch Talkshows und ausgedehnte Lesereisen der Autorin Charlotte Roche angefeuert, auch die Leserschaft und damit den Teil der Gesellschaft, der durch Zeitungen nicht angesprochen wird. Dabei spalteten sich diese in zwei gegensätzliche Lager: die einen finden das Buch absolut unlesbar und die anderen meinen, dass Frau Roche endlich etwas ausgesprochen habe, das schon längst hätte ausgesprochen werden müssen.
Die Zeitungen erweckten den Eindruck, der besagte Roman sei ein Skandalroman, der ein absolutes Tabu bräche, in diesem Fall die Sexualität einer jungen Frau und deren Körperlichkeit inklusive der biologischen Prozesse derselben, und dass sie Dinge sage, die heute wie auch früher nicht ausgesprochen, geschweige denn öffentlich geschrieben werden dürfen. Dennoch oder gerade deswegen verkaufte der Roman sich außerordentlich gut. Doch wird hier tatsächlich ein Tabu gebrochen und wenn ja, welches? Dies ist eine der Fragen, die in der folgenden Arbeit geklärt werden. Zudem stelle ich die These auf, dass die obszöne Sprache der Protagonistin Helen, also die benutzten Ausdrücke wie auch die beschriebenen Situationen, nicht nur dazu dient, den Leser zu schockieren, sondern darüber hinaus eine Funktion erfüllt. Da die Sprecherin dieser Sprache die Hauptfigur und gleichzeitig die einzige Erzählinstanz der Geschichte ist, werde ich besonders der Frage nach dem Erzähler, seiner Perspektive und seinem Standort nachgehen. Denn auch, wenn uns die Berichte in der Zeitung das glauben machen wollen, eine derbe Ausdrucksweise und bildliche Berichte über sexuelle und sehr körperliche Tätigkeiten sind in Schrift und Bild keineswegs neu, genauso wenig wie die Diskussion darüber. Das Obszöne hat in der Literatur eine lange Tradition und diente nicht nur der Abschreckung, sondern bediente vielmehr eine heimliche Lust am Verbotenen. Das Obszöne und das Pornographische, wie auch das Komische und das Kunstvolle, sind nicht immer klar voneinander zu trennen, gewisse Unschärfen diesbezüglich sind der Ambiguität der Begriffsgeschichte geschuldet, die ich vorangestellt habe.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsgeschichte
- Diachrone Begriffsbestimmung
- Synchrone Begriffsbestimmung
- Zusammenfassung: Absage an eine Definition
- Charlotte Roche: Feuchtgebiete
- Zeitungsrezensionen
- Leserrezeption
- Der Titel: Feuchtgebiete
- Die Fiktionalität des Romans
- Autor, Leser und Erzähler: Verschiedene Ebenen
- Fingierte Wirklichkeit
- Wer ist die Erzählerin der Feuchtgebiete?
- Ist Helen eine glaubwürdige Erzählerin?
- Widersprüche und Brüche im Verhalten und in der Rede
- Das Kindheitstrauma
- Realitätskriterien
- Die Relation zu gesellschaftlichen Normen
- Faktizität der Handlung – was wird referenzialisiert?
- Die sprachliche Vermittlung: Narration
- Der fiktive Adressat
- Der Erzählstil und die Illokution
- Handlungsbeschreibungen und die Perlokution
- Leere Räume – was nicht erzählt wird
- Erkenntnis als Krisis
- Zusammenfassung: Die Funktion der Sprache
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende wissenschaftliche Hausarbeit untersucht die Funktion der Sprache im Roman "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche. Sie setzt sich mit der kontroversen Diskussion über die Obszönität in Literatur auseinander und analysiert, wie die sprachliche Gestaltung des Romans zu einer tieferen Bedeutungsschicht beiträgt. Neben der Untersuchung der Sprache wird auch auf die Rolle der Erzählerin Helen eingegangen.
- Die Rezeption von "Feuchtgebiete" und die Kontroverse um Obszönität in Literatur
- Die Funktion der Sprache in der Gestaltung der Hauptfigur Helen und ihrer Erzählperspektive
- Die Analyse der sprachlichen Mittel und deren Einfluss auf die Interpretation des Romans
- Die Beziehung zwischen Fiktion und Realität im Roman
- Die Bedeutung der Sprache im Kontext gesellschaftlicher Normen und Werte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert den Roman "Feuchtgebiete" im Kontext seiner Rezeption und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Funktion der Sprache im Roman. Kapitel 2 beleuchtet den Begriff "Obszönität" diachron und synchron, wobei die Abgrenzung des Begriffs im Fokus steht. Kapitel 3 untersucht die Romanfigur Helen und ihre sprachliche Gestaltung, wobei der Einfluss des Erzählerstils auf die Interpretation des Romans im Vordergrund steht. Abschließend werden in Kapitel 4 die Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und ein Fazit gezogen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse des Romans "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche und die Funktion der Sprache in diesem Kontext. Die zentralen Themen sind Obszönität in Literatur, Erzählperspektive, sprachliche Gestaltung, Fiktion und Realität, sowie gesellschaftliche Normen und Werte.
- Quote paper
- Sandra Schwab (Author), 2010, Die Funktion der Sprache im Roman "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/165424