An den Ufern des Ur-Rheins im Miozän vor etwa zehn Millionen Jahren lebten mindestens drei Gattungen von Menschenaffen. Paidopithex, Rhenopithecus und Dryopithecus. Von jenen Tieren hat man in Eppelsheim und am Wissberg bei Gau-Weinheim fossile Knochen und Zähne entdeckt.
Über diese aufsehenerregenden Funde informiert das Taschenbuch „Menschenaffen am Ur-Rhein“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Aus seiner Feder stammen auch die Taschenbücher „Rekorde der Urzeit. Landschaften, Pflanzen und Tiere“, „Der Ur-Rhein. Rheinhessen vor zehn Millionen Jahren“, „Säbelzahnkatzen. Von Machairodus bis zu Smilodon“, „Säbelzahntiger am Ur-Rhein. Machairodus und Paramachairodus“ und „Der Rhein-Elefant. Das Schreckenstier von Eppelsheim“. Gewidmet ist das Taschenbuch dem Paläontologen Dr. Jens Lorenz Franzen in Titisee-Neustadt, Altbürgermeister Heiner Roos in Eppelsheim und der Bürgermeisterin Ute Klenk-Kaufmann in Eppelsheim, die sich – jeder auf seine Weise – um die Erforschung der Tierwelt am Ur-Rhein und um den Aufbau des „Dinotherium-Museums“ in Eppelsheim verdient gemacht haben.
VORWORT
Menschenaffen am Ur-Rhein
An den Ufern des Ur-Rheins im Miozän vor etwa zehn Millionen Jahren lebten mindestens drei Gattungen von Menschenaffen. Paidopithex, Rhenopithecus und Dryopithecus. Von jenen Tieren hat man in Eppelsheim und am Wissberg bei Gau-Weinheim fossile Knochen und Zähne entdeckt. Über diese aufsehenerregenden Funde informiert das Taschenbuch „Menschenaffen am Ur-Rhein“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Aus seiner Feder stammen auch die Taschenbücher „Rekorde der Urzeit. Landschaften, Pflanzen und Tiere“, „Der Ur-Rhein. Rheinhessen vor zehn Millionen Jahren“, „Säbelzahnkatzen. Von Machairodus bis zu Smilodon“, „Säbelzahntiger am Ur-Rhein. Machairodus und Paramachairodus“ und „Der Rhein-Elefant. Das Schreckenstier von Eppelsheim“. Gewidmet ist das Taschenbuch dem Paläontologen Dr. Jens Lorenz Franzen in Titisee-Neustadt, Altbürgermeister Heiner Roos in Eppelsheim und der Bürgermeisterin Ute Klenk-Kaufmann in Eppelsheim, die sich – jeder auf seine Weise – um die Erforschung der Tierwelt am Ur-Rhein und um den Aufbau des „Dinotherium-Museums“ in Eppelsheim verdient gemacht haben.
Umstrittene Menschenaffen in Rheinhessen
Zwei Fundstellen mit rund zehn Millionen Jahre alten Ablagerungen des Ur-Rheins in Rheinhessen sind mit viel diskutierten Menschenaffen-Funden in die Annalen der Anthropologie (Lehre vom Menschen) eingegangen. Eine dieser beiden Fundstellen ist Eppelsheim im Kreis Alzey-Worms. Bei der anderen Lokalität handelt es sich um den Wissberg bei Gau-Weinheim im Kreis Mainz-Bingen.
1820 kam in den Dinotheriensanden bei Eppelsheim ein etwa 28 Zentimeter langer Knochen ans Tageslicht, der zweifellos zu den wissenschaftlich wertvollsten Funden von dort gehört. Denn bei diesem so genannten „Eppelsheimer Femur“ (Oberschenkelknochen) handelt es sich um den weltweit historisch ersten Fund eines Menschenaffen. Die sensationelle Entdeckung glückte in Deutschland und nicht etwa in Afrika oder Asien.
Ernst Schleiermacher (1755–1844), der Direktor des „Großherzoglichen Naturalien-Cabinets“ in Darmstadt und Chef des Paläontologen Johann Jakob Kaup (1803–1873), hat die wahre Natur dieses Fundes nicht erkannt. Er deutete das Fossil als Oberschenkelknochen eines zwölfjährigen Mädchens. Kurz nach der Entdeckung schickte er Georges Cuvier (1769–1832), der als Begründer der Wirbeltierpaläontologie gilt, einen Gipsabguss mit Zeichnung und der Bitte um Begutachtung zu.
Der Pariser Gelehrte Cuvier gab Schleiermacher aber keine Antwort. Er und viele seiner Kollegen glaubten nicht an die Evolution. Cuvier vertrat die irrige Auffassung, alle Organismen seien in ihrem Bau so fein abgestimmt, dass jede Veränderung, die über normale Variabilität hinausgegangen wäre, zu ihrem Tod geführt hätte. Die Lebewelt sei nach Katastrophen jeweils wieder von außen eingewandert. „Der Eppelsheimer Fund drohte somit das Weltbild einer ganzen Biologen-Generation zu erschüttern“, schrieb der Paläontologe Jens Lorenz Franzen im Jahre 2000.
Kaup bildete den Oberschenkelknochen aus Eppelsheim erst 1861 in einer Publikation ab. Dabei erwähnte er die Ähnlichkeit des Eppelsheimer Fundes und des Oberarmknochens (Humerus) eines fossilen Menschenaffen aus Saint Gaudens (Departement Haute Garonne) in Frankreich mit dem heutigen Gibbon (Hylobates). Der Rechtsanwalt und Prähistoriker Édouard Lartet (1801–1871) aus Paris hatte 1856 die Funde aus Saint Gaudens als Dryopithecus fontani erstmals wissenschaftlich beschrieben. Der Gattungsname Dryopithecus („Affe aus dem Eichenwald“) fußt darauf, dass der Fund zusammen mit Resten von Eichen geborgen wurde (griechisch: drys = Eiche, pithekos = Affe). Mit dem Artnamen Dryopithecus fontani ehrte er den Entdecker, der Fontan hieß.
Bei seinem Vergleich des Eppelsheimer Oberschenkelknochens mit dem Gibbon wurde Kaup von dem Londoner Paläontologen Richard Owen (1804–1892) unterstützt. Owen ordnete den Eppelsheimer Fund der Art Hylobates fontani zu. Der Bonner Paläontologe Hans Pohlig (1855–1937) prägte 1895 im „Bulletin de la Societé Belge de Géologie“ den Namen Paidopithex rhenanus (griechisch: pais, paidos = Kind, pithekos = Affe). In derselben Publikation verglich der niederländische Anatom Eugène Dubois (1858–1940) den Fund aus Eppelsheim mit seinem 1892 auf Java (Indonesien) entdeckten Oberschenkelknochen von Pithecanthropus („Affenmensch“). Dubois verwies ebenfalls auf die große Ähnlichkeit mit dem heutigen Gibbon und schlug den Artnamen Pliohylobates eppelsheimensis vor.
1901 beschrieb der Münchner Paläontologe Max Schlosser (1854–1933) den Oberschenkelknochen aus Eppelsheim und die in süddeutschen Bohnerzen geborgenen Backenzähne als Dryopithecus rhenanus. Heute wird der Eppelsheimer Oberschenkelknochen von einem Teil der Experten als Angehöriger der gibbonähnlichen Pliopitheciden betrachtet – als so genannter niederer Menschenaffe oder als Altweltaffe. Er trägt den von Pohlig geprägten Artnamen Paidopithex rhenanus.
Worum es sich bei dem Oberschenkelknochen aus Eppelsheim tatsächlich handelt, ist aber immer noch umstritten. Denn man kennt nur sehr wenige Funde, mit denen er verglichen werden kann. Genau genommen gibt es nur zwei Möglichkeiten:
1. Der Eppelsheimer Oberschenkelknochen könnte von einem relativ nahen Verwandten des Menschen und der Großen Menschenaffen namens Dryopithecus stammen.
2. Der Eppelsheimer Oberschenkelknochen könnte von einem viel weniger mit Menschen und Großen Menschenaffen verwandten großwüchsigen Pliopithecus stammen. Dessen Gruppe hat sich bereits vor etwa 30 Millionen Jahren von der Gruppe der Altweltaffen abgespaltet. Der Name Pliopithecus fußt darauf, dass man früher annahm, dieser Affe stamme aus dem Pliozän (etwa 5 bis 2 Millionen Jahre).
Viele Experten gingen früher davon aus, dass der Eppelsheimer Oberschenkelknochen eher einem Dryopithecus ähnelt. Doch der Vergleich wurde dadurch erschwert, dass lange Zeit kein Oberschenkelknochen von Dryopithecus vorlag. Erst seit Anfang der 1990-er Jahre kennt man ein Skelett von Dryopithecus aus Can Llobateres in Spanien, dessen Oberschenkelknochen ganz anders beschaffen ist als derjenige aus Eppelsheim. Aus diesem Grund gilt als plausible Hypothese, dass es sich bei dem Fund aus Eppelsheim um einen Pliopitheciden – vermutlich der Gattung Anapithecus aus Rudabanya in Ungarn – handelt. Dagegen spricht auch die Körpergröße nicht.
Gegen diese Hypothese wandten sich 2002 die Experten Meike Köhler, David M. Alba und Salvador Moyà Solà aus Sabadell (Spanien) sowie die Anthropologin Laura MacLatchy aus Boston (USA). Sie argumentierten, aus Rudabanya seien zwei Oberschenkelknochen bekannt, die beide Paidopithex rhenanus nicht ähnlich seien.
Auch die Ausführungen von Meike Köhler und Kollegen finden in der Fachwelt jedoch nicht nur Zustimmung. So weist der kanadische Anthropologe David Begun aus Toronto, der Ausgräber in Rudabanya, darauf hin, dass die beiden Oberschenkelknochen aus Ungarn nicht von Anapithecus, sondern von Dryopithecus brancoi stammen.
Reste von Anapithecus kamen an einigen Fundstellen zum Vorschein, doch am meisten weiß man über diese Gattung durch die Funde aus Rudabanya. Dort wurden auch einige Skelettreste von Anapithecus geborgen, die auf ein Gewicht von etwa 20 bis 25 Kilogramm hindeuten. Die Finger von Anapithecus sind lang und gekrümmt, was für eine baumbewohnende Lebensweise spricht. David Begun vermutet, es könne sich um Hangler, vergleichbar mit heutigen Gibbons, gehandelt haben. Hauptnahrung von Anapithecus könnten sowohl Blätter als auch weiche Früchte gewesen sein.
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- Quote paper
- Ernst Probst (Author), 2010, Menschenaffen am Ur-Rhein, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/161322