Emile Durkheim erkennt in der Solidarität einen sozialen Tatbestand. Die Solidarität tritt dort auf, wo ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Einem Gefühl mit einem hohen Maß an Energie, wenn Menschen zueinander in Beziehung stehen. 3 Es beruht im Wesentlichen auf Sympathie, aus Quellen der Ähnlichkeit, oder der Erkenntnis von gegenseitiger Abhängigkeit. So teilen die Menschen in einem Dorf einen gemeinsamen Bewusstseinszustand, welcher auf ihr dörflich gemeinschaftliches Leben gründet, während der Bäcker Brot für seine Bewohner liefert und der Jäger den Sonntagsbraten. Ein umgrenztes System mit Eigenleben, welches die gesamte Gesellschaft umfasst. Die Gemeinschaft bildet ein Kollektivbewusstsein. Durkheim definiert dieses Kollektivbewusstsein als, „die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft.“ 4 Handlungen, die dieses Kollektivbewusstsein verletzen bzw. das funktionierende System gefährden, werden als kriminell angesehen und dementsprechend von der Gesellschaft geahndet.
Um diesen sozialen Tatbestand und dessen Entwicklung nach seiner Maxime ‚Soziales kann nur durch Soziales erklärt werden‘, zu erläutern, betrachtet Durkheim zunächst die verschiedenen Rechtstypen, denn das jeweilige Recht kristallisiert sich, wie zuvor bereits angedeutet, aus der Solidarität der Gesellschaft. Er unterscheidet hierbei zwei unterschiedliche Rechtstypen. Zum einen das repressive bzw. Straf-Recht, welches auf die Schädigung des Verbrechers zielt und zum anderen, das restitutive bzw. Vertrags-Recht, dessen Sanktionen auf die Wiederherstellung des Zustandes vor der Rechtsverletzung zielen. Im oben genannten Fall eines Angriffs auf das Kollektivbewusstsein und dessen Vergeltung herrscht das repressive Recht vor. Eine kriminelle Handlung verletzt das Gemeinschaftsgefühl und um ihr Kollektivbewusstsein zu schützen und zu stabilisieren werden Handlungen, die diesem nicht entsprechen bzw. aus der Norm fallen, bestraft. 5 Diese Bestrafung wurzelt in dem kollektiven Bedürfnis nach Vergeltung und manifestiert sich überwiegend in Form von körperlichen Sanktionen an dem Verbrecher. 6 Die Solidarität, die in diesem Falle vorherrscht, in der das Kollektivbewusstsein dominant ist, nennt Durkheim die mechanische Solidarität, denn dessen Teile oder Segmente sind im wesentlichem unbeweglich und austauschbar.
Inhaltsverzeichnis
- Der Solidaritätsbegriff bei Emile Durkheim
- Das Kollektivbewusstsein und die verschiedenen Rechtstypen
- Mechanische Solidarität
- Organische Solidarität
- Die Moral. Warum handeln wir, solidarisch'?
- Die Moral apriori und der kategorische Imperativ
- Spiegelneuronen und das Empfinden von Mitleid
- Solidarität und Spiegelneuronen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die Entwicklung des sozialen Tatbestandes Solidarität und analysiert, ob Solidarität im heutigen Kontext ihre moralische Komponente verloren hat. Er beleuchtet die Perspektiven von Emile Durkheim, der Solidarität als einen sozialen Tatbestand definiert, sowie die Rolle der Moral und der menschlichen Natur in der Frage des solidarischen Handelns.
- Entwicklung des Solidaritätsbegriffs
- Die Rolle des Kollektivbewusstseins
- Mechanische und organische Solidarität
- Moral und Solidarität
- Spiegelneuronen und empathisches Handeln
Zusammenfassung der Kapitel
Der Solidaritätsbegriff bei Emile Durkheim
Dieser Abschnitt beleuchtet die Definition von Solidarität als sozialen Tatbestand nach Emile Durkheim. Durkheim unterscheidet zwischen zwei Arten von Solidarität: Mechanische Solidarität, die durch ein starkes Kollektivbewusstsein und ein repressives Strafrecht geprägt ist, und organische Solidarität, die in modernen Gesellschaften mit ihrer Arbeitsteilung und dem restitutiven Vertragsrecht vorherrscht.
Die Moral. Warum handeln wir, solidarisch'?
Dieser Teil untersucht die Frage nach der Motivation zum solidarischen Handeln. Er beleuchtet die Philosophie von Rousseau und Kant, die sich mit der Natur des Menschen und der Moral apriori auseinandersetzen. Der Abschnitt betrachtet auch die Rolle von Spiegelneuronen, die eine neurobiologische Grundlage für empathisches Verhalten und das Empfinden von Mitleid liefern.
Schlüsselwörter
Solidarität, Sozialer Tatbestand, Emile Durkheim, Kollektivbewusstsein, Mechanische Solidarität, Organische Solidarität, Moral, Kategorischer Imperativ, Spiegelneuronen, Empathie, Mitleid.
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- Philipp Millius (Author), 2009, Solidarität, ein Fremdwort?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/159442