Aus heutiger Betrachtung sind das Leben und Wirken des Frankenherrschers Karls des Großen noch immer von besonderem historischen Interesse, weil eben dieser noch immer von zeitgenössischen Wissenschaften verschiedener Fachrichtungen kontrovers diskutiert wird. Einerseits wird Karl von aktuellen Theologen, wie beispielsweise dem italienischen Kirchenhistoriker Alessandro Barbero, in dessen neuestem Werk als der „Vater Europas“ gekürt, andererseits werden ihm und seinen Zeitgenossen seitens des Chronologie-Kritikers Heribert Illig die Existenz abgesprochen. In dessen Werk „Hat Karl der Große je gelebt? Bauten, Funde und Schriften im Widerstreit“ aus dem Jahre 1994 geht es nicht allein um den Frankenherrscher Karl den Großen, der nach Meinung des Kritikers nie gelebt habe und daher nur eine Fiktion darstelle, vielmehr formuliert Illig in seinem Werk die Absicht, nachzuweisen, dass das siebte, achte und neunte Jahrhundert nur einen künstlichen Zeitraum bildeten, der keinerlei reale Geschichte enthalte und aus diesem Grunde aus der heutigen Zeitrechnung gestrichen werden müsse. In Bezug auf Europa und weiterhin Bezug nehmend auf unsere Zeitrechnung geht Illig davon aus, dass die Jahre zwischen 614 – 911 nach Christus und die Zeiträume davor und danach mehr oder minder direkt aufeinander folgen. Das Zeitalter der Karolinger habe es dabei nie gegeben und alle Zeugnisse aus der Epoche seien erst in den folgenden Jahrhunderten gefälscht worden. Karl der Große wiederum, der die bis zum heutigen Tage wohl prominenteste Persönlichkeit dieser Epoche darstellt, wird seitens des Kritikers als „Unperson“ und als „kaiserlicher Homunculus“ verunglimpft.
Zwar sind die Schlussfolgerungen Illigs auf der einen Seite eher fachlich nicht ernst zu nehmen, da er lediglich von einer theoretischen Annahme ausgeht, die er durch verschiedene, passend auf einander abgestimmte Zitate aus der Sekundärliteratur zu begründen versucht, statt sich selbstständig auf wissenschaftlicher Ebene mit mittelalterlichen Fakten zu befassen. Jedoch zeugen Illigs Aussagen und die daraus resultierenden Diskussionen auf der anderen Seite von einem mannigfaltig bestehenden, kontroversen Interesse, mit dem die Epoche und vor allem auch das Leben des fränkischen Herrschers auch heute noch zur Kenntnis genommen werden.
Die vorliegende Arbeit vermittelt einen Überblick über Karls Reformen in Kirche, Bildung und Liturgie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wichtige Lebensstationen des Frankenherrschers
- Die Herrschaftsidee Karls des Großen
- Karls Berater
- Alkuin von York
- Einhard
- Theodulf von Orléans
- Karl der Große und die Kirchenreform
- Die Herrschaftsstrukturen innerhalb der christlichen Kirche vor Karl
- Karls Umstrukturierung der kirchlichen Ordnung
- Die Aufgaben der Kleriker
- Die Zuständigkeit innerhalb der Diözesen
- Die Kompetenzen in den Pfarrkirchen
- Die neue Rolle der Erzbischöfe
- Die neue klösterliche Ordnung
- Der Kirchenzehnt als verpflichtende Abgabe
- Inkonsequenzen bei der Durchführung der kirchlichen Reformen
- Karls Reformen innerhalb der Bildung
- Die Vorgeschichte zu Karls Bildungsreform
- Die Hofkapelle
- Die Hofschule
- Die karolingische Renaissance
- Die neue Schriftlichkeit unter Karl dem Großen
- Die Bibelreform unter Karl dem Großen
- Die Reinigung der gesprochenen Sprache
- Die Hofbibliothek
- Die karolingische Minuskel
- Die karolingische Kunst
- Die karolingische Architektur
- Die Bedeutung der Königspfalzen zur Zeit Karls des Großen
- Die Architektur der Aachener Pfalzkapelle
- Die Reformen in der Liturgie unter Karl dem Großen
- Die Grundlagen für Karls Liturgiereform
- Die Romanisierung der karolingischen Liturgie
- Die Taufe
- Die Eucharistie
- Die Firmung
- Die Buße
- Die Sterbe- und Totenliturgie
- Der Kirchenbau
- Die bewusste Christlichkeit des Volkes
- Der Verlauf der Liturgiegeschichte nach Karl dem Großen
- Konsolidierung des Reiches durch die Verknüpfung von Kirche und Staat
- Rezeption des Herrscherbildes Karls des Großen
- Nachhaltigkeit und Wirkung von Karls Reformen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Leben und Wirken von Karl dem Großen und analysiert insbesondere seine Reformen in Kirche, Bildung und Liturgie. Sie beleuchtet die Bedeutung dieser Reformen für die Epoche und die Nachhaltigkeit ihrer Wirkung.
- Karls Lebensstationen und sein Aufstieg zur Macht
- Die Verbindung von Staat und Kirche in Karls Herrschaftsverständnis
- Die umfassenden Reformen in den Bereichen Kirche, Bildung und Liturgie
- Die Rolle von Karls Beratern für die Umsetzung seiner Reformen
- Die Nachwirkungen und die Bedeutung von Karls Reformen für die europäische Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und stellt die Relevanz von Karl dem Großen in der heutigen Zeit dar. Anschließend werden die wichtigsten Lebensstationen des Frankenherrschers erläutert. Das folgende Kapitel beleuchtet Karls Herrschaftsidee und ihre Verbindung zum Christentum. Kapitel 4 widmet sich den wichtigsten Beratern des Frankenherrschers und deren Rolle bei der Umsetzung seiner Reformen.
Die Kapitel 5, 6 und 7 widmen sich im Detail den von Karl initiierten Reformen. Dabei wird zunächst die Umstrukturierung der kirchlichen Ordnung im Detail analysiert. Anschließend wird die Bildungsreform Karls mit seinen verschiedenen Aspekten wie der Gründung von Hofschulen und der karolingischen Renaissance dargestellt. Schließlich wird die Liturgiereform Karls betrachtet, wobei die verschiedenen Liturgiebereiche wie die Taufe, die Eucharistie und die Buße behandelt werden.
Schlüsselwörter
Karl der Große, fränkische Geschichte, Kirchenreform, Bildung, Liturgie, karolingische Renaissance, Staat und Kirche, Hofschule, Hofkapelle, Minuskel, Aachener Pfalzkapelle, Alkuin von York, Einhard, Theodulf von Orléans.
- Quote paper
- Judith Heuser (Author), 2010, Karl der Große im Kontext der kirchlichen Reformen des 8. und 9. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/159184