Die Kerker- Szene gehört zu den ältesten Bestandteilen des „Faust I“ und kommt schon in der Abschrift des Hoffräuleins von Göchhausen (1775/76) vor. Schöne führt aus, dass die Kerker- Szene schon 1772 entstanden sein könnte . Gaier datiert die Entstehung später, etwa ab Sommer 1773. Im „Urfaust“ ist die Szene noch in Prosa, der klassische Goethe arbeitete die Szene schließlich in Verse um. In einem Brief vom 5. Mai 1798 schildert er Schiller sein Vorhaben, die Szene umzuarbeiten:
Meinen Faust habe ich um ein gutes weiter gebracht. Das alte noch vorrätige höchst konfuse Manuskript ist abgeschrieben und die Teile sind in abgesonderten Lagen, nach den Nummern eines ausführlichen Schema’s hinter einander gelegt, nun kann ich jeden Augenblick der Stimmung nutzen, um einzelne Teile weiter auszuführen und das ganze früher oder später zusammen zu stellen.
Ein sonderbarer Fall erscheint dabei: Einige tragische Szenen waren in Prosa geschrieben, sie sind durch ihre Natürlichkeit und Stärke, in Verhältnis gegen das andere, ganz unerträglich. Ich suche sie deswegen gegenwärtig in Reime zu bringen, da denn die Idee, wie durch einen Flor durchscheint, die unmittelbare Wirkung des ungeheurn Stoffes aber gedämpft wird.
Goethe bezweckte also eine Dämpfung des Stoffes mit seiner Umformung, dies trifft sicher auf die Kerker-Szene in besonderer Weise zu. In der Sekundärliteratur wird diese Umarbeitung in Lyrik zwar als meisterhaft bezeichnet, es kommt aber auch zum Ausdruck, dass die menschliche Extremsituation im „Kerker“ kaum lyrisch ausgedrückt werden könne und dadurch mehr als nur eine Dämpfung bewirkt wurde. Durch die Umarbeitung verlängerte sich die Szene um 68%, von 709 auf 1194 Wörter in der endgültigen Fassung.
Diese Abschlussszene des „Faust I“ erfüllt verschiedene Funktionen innerhalb des Dramas. Zum einen schließt sie die Gretchen-Handlung sowie den gesamten ersten Teil des „Faust“ ab, zum anderen führt sie Faust und Margarete erneut zusammen. Sie begegnen sich das erste Mal seit der Szene „Marthens Garten“. Das heißt, es kommt zu einer endgültigen Entscheidung über ihr Verhältnis. Das Ende weist gezielt über sich hinaus und leitet so schon den zweiten Teil ein. In dieser Hausarbeit wird die Kerker-Szene aus der Sicht Margaretes untersucht, dabei können nur einzelne, ausgewählte Aspekte in Betracht gezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- EINZELNE ASPEKTE DER KERKER-SZENE MIT DEM FOKUS AUF MARGARETE
- DAS LIED VOM MACHANDELBAUM
- VOKABULAR, WORTWAHL UND SPRACHE DER Kerker – Szene – EINIGE BEOBACHTUNGEN
- MARGARETES ZUSTAND IM KERKER – VERSCHIEDENE ANSICHTEN
- Die,, Wahnsinndiagnose\" - literarisch begründet...
- Margarete als,,Heilige“.
- Versus: Wahnsinn - attestiert durch Methoden der Psychiatrie.
- Margarete eine Hexe?.
- Ein neurobiologischer Ansatz
- Zusammenfassung.
- „WIR WERDEN UNS WIEDER SEHN; ABER NICHT BEIM TANZE“ (V.4586F.)
- ,,IST GERETTET“ (V.4611).
- FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Kerker-Szene aus "Goethes Faust I" aus Margaretes Perspektive, indem sie einzelne Aspekte beleuchtet und analysiert. Der Fokus liegt auf Margaretes Charakter, ihrer sprachlichen Ausdrucksweise und dem Verständnis ihrer Verfassung innerhalb der Kerker-Szene. Dabei werden verschiedene Interpretationen und Sichtweisen auf Margaretes Zustand, wie etwa Wahnsinn, Traumatisierung oder Hexe, in den Blick genommen.
- Analyse der Kerker-Szene unter Berücksichtigung von Margaretes Redeanteil und ihrer sprachlichen Ausdrucksweise
- Interpretation des Lieds vom Machandelbaum als Ausdruck von Margaretes emotionalem Zustand
- Untersuchung von Margaretes Zustand im Kerker: Wahnsinn, Traumatisierung oder Hexe?
- Bedeutung der beiden Verse „Wir werden uns wiedersehn; Aber nicht beim Tanze.\" (V.4585f.) und „Ist gerettet“ (V.4611) für die Interpretation der Szene
- Integration von Margaretes Perspektive in die Gesamtdeutung des Dramas
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Entstehung und Bedeutung der Kerker-Szene im Kontext des "Faust I" und verdeutlicht die Relevanz von Margaretes Perspektive. Kapitel 2.1 konzentriert sich auf das Lied vom Machandelbaum, das als erstes von Margarete gesungen wird und Einblicke in ihren emotionalen Zustand zu Beginn der Kerker-Szene gewährt. Kapitel 2.2 analysiert Vokabular, Wortwahl und Sprache der Kerker-Szene mit besonderem Fokus auf Margaretes sprachliche Ausdrucksweise. Kapitel 2.3 beleuchtet verschiedene Interpretationen von Margaretes Verfassung im Kerker und untersucht verschiedene Sichtweisen, die von Wahnsinn über Traumatisierung bis hin zur Hexe reichen. Kapitel 2.4 diskutiert die Bedeutung der beiden Verse „Wir werden uns wiedersehn; Aber nicht beim Tanze.\" (V.4585f.) und „Ist gerettet“ (V.4611) und stellt verschiedene Interpretationsansätze gegenüber.
Schlüsselwörter
Kerker-Szene, Margarete, "Goethes Faust I", Lied vom Machandelbaum, Sprachliche Ausdrucksweise, Charakteranalyse, Wahnsinn, Traumatisierung, Hexe, Interpretation, Bedeutung, Verhältnis zwischen Faust und Margarete.
- Quote paper
- Miriam Kammerer (Author), 2009, Analyse Goethes Faust: Margarete im Kerker, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/158156