Deutsche Führungskräfte und Mitarbeiter befinden sich aktuell in einer komplexen Arbeitsverhältniskrise, in der betrieblichen Kultur des Misstrauens. Ihre Beziehungsstrukturen sind insbesondere im Arbeitsalltag deutscher Großunternehmen zunehmend misstrauensgeprägt. Weltweite Kapitalisierungsvorgänge, organisatorische Wandlungsprozesse und damit einhergehende Restrukturierungsmaßnahmen, verstärkt durch die momentane Wirtschaftskrise, begünstigen die innerbetriebliche Erosion von zwischenhierarchisch-sozialem Vertrauenskapital. Weitere aktuelle Misstrauensursachen liegen in extensiven Kontrollinitiativen und anonymen Überwachungsaktivitäten begründet. So stellten u. a. die Deutsche Bahn AG, Lidl AG und Telekom AG ihre Mitarbeiter bei Bestrebungen zur Korruptionsvorbeugung mittels IT-gestützten Verhaltensüberwachungen sowie der Sammlung und Abgleichung von Daten unter Generalverdacht, ohne sie im Vorhinein darüber zu informieren.
Die negativen Folgen zwischenhierarchischen Misstrauens für Unternehmen, Mitarbeiter und Vorgesetzte werden von einer Vielzahl wissenschaftlicher und medialer Publikationen mit intensiver Aufmerksamkeit thematisiert. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass in der Praxis deutscher Unternehmenskulturen enorme Vertrauensdefizite bestehen und die zwischenhierarchischen Vertrauensverhältnisse durch interpersonale Vertrauensverluste deutlich in Schieflage geraten sind.
Aufgrund des Dilemmas von innerbetrieblichen Vertrauensverlusten aber gleichzeitigem betrieblichem Vertrauensbedarf sollen die zentralen Ursachen, Wirkungszusammenhänge und Kausaleffekte der zwischenhierarchischen Misstrauenskultur herausgearbeitet werden, um darauf aufbauend mögliche führungsgestützte Lösungsansätze entwickeln zu können. Für die Beantwortung des Forschungsinteresses ist es wichtig, die folgenden spezifischen, forschungsrelevanten Teilfragen intensiv zu behandeln: Auf welchen genauen Ursachen beruht die zwischenhierarchische Misstrauenskultur? Welche komplexen Kausaleffekte bringt Misstrauen individuell und zwischenmenschlich für Mitarbeiter und Führungskräfte mit sich? Welche Persönlichkeitseigenschaften, Kompetenzen und Verhaltensweisen muss eine vertrauenfördernde Mitarbeiterführung (Vertrauensmanagementansatz) beinhalten, um vom Mitarbeiter als vertrauensvoll wahrgenommen zu werden und langfristig einen Lösungsweg aus der interpersonalen Misstrauenskultur zwischen Führungskräften und Mitarbeitern finden zu können?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Aktualität der betrieblichen Misstrauenskultur
- Misstrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
- Öffentlicher Vertrauensverlust von Unternehmen und Managern
- Betrieblicher Vertrauensbedarf
- Forschungsziel und Fragestellung der Arbeit
- Forschungsvorgehen und Aufbau der Arbeit
- Grundlagen der Vertrauenstheorie
- Vertrauensdefinitionen
- Vertrauen in der modernen Soziologie
- Vertrauen in der Psychologie und Sozialpsychologie
- Vertrauen in der Wirtschaftssoziologie und Ökonomie
- Eigenschaften und Merkmale des Personenvertrauens
- Akteursabhängigkeit und Sozialkooperationen
- Zukunftsausrichtung, Erwartungshaltung, Ergebnisabhängigkeit
- Vertrauen als Risiko
- Sicherheitsmechanismus und Komplexitätsreduktion
- Vertrauensaufbau: Prozessgebundenheit, Vertrauensfundamente
- Misstrauen
- Grundkonzepte und Ursachen
- Wirkungseffekte in der Akteursbeziehung
- Das theoretische Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle
- Das praktische Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle
- Vertrauen und Misstrauen in der Prinzipal-Agent-Beziehung
- Vertrauens- und Misstrauensindikatoren
- Vertrauensmechanismus: Platzierung und Annahme
- Vertrauen als Rational Choice: Kalküle und Interessenunterschiede
- Informationsasymmetrien und Opportunismus
- Hidden Characteristics und Adverse Selection
- Hidden Action und Moral Hazard
- Hidden Information/Knowledge und Moral Hazard
- Hidden Intention und Hold Up
- Abschließende Bewertung
- Prinzipal und Agent in der betrieblichen Misstrauenskultur
- Der externe Einfluss von Globalisierungseffekten
- Makro-Globalisierungseffekte
- Meso-Globalisierungseffekte: Strukturwandel der Arbeitswelt
- Der Arbeitskraftunternehmer als unternehmerisches Selbst
- Zentrale Bestimmungsgrößen des Arbeitskraftunternehmers
- Selbstmanagement von Arbeit
- Subjektivierung von Arbeit
- Flexibilisierung
- Individualisierung: Doping
- Zeitdruck, Erfolgsdruck, Leistungsdruck, Mehrarbeit
- Überbelastungen und Gesundheitsrisiken
- Unsicherheiten, Ängste, Enttäuschungen und Entgrenzungen
- Vertrauensprobleme zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
- Die interpersonale Misstrauenskultur im Berufsalltag
- Der Homo Ego-nomicus in Aktion
- Interessenstreben
- Opportunismus, Machtausübung, Moralverfall
- Informations- und Kommunikationsdefizite
- Unpersönliche Kommunikationsstrukturen
- Mobbing
- Kommunikationslücken, Intransparenz, Inkonsistenz
- Hierarchiedistanz
- Zwischenfazit
- Misstrauensintensivierung durch Mitarbeiterkontrollen
- Vertrauensbürokratie: Kontroll- und Informationssysteme
- Entwicklungstendenzen betrieblicher Kontrollsysteme
- Kontrollintensität und fremdkontrollierte Selbstkontrolle
- IuK-Technologien zwischen Regulation und Deregulation
- Die bürokratische Kontrollkultur des Misstrauens
- Machtmissbrauch: Die anonyme Überwachungskultur
- Monitoring
- Fallbeispiel: Deutsche Bahn AG
- Das interpersonale Misstrauensdilemma
- Misstrauenseffekte anonymer Monitoringaktivitäten
- Misstrauenseffekte überintensiver Kontrolle
- Die betriebliche Misstrauensspirale
- Die interpersonale Misstrauenskultur im Überblick
- Faktorenmodell der betrieblich-interpersonalen Misstrauenskultur
- Modellerklärung und Zusammenfassung bisheriger Ergebnisse
- Folgen für die Principal-Agent-Theorie
- Analyse der Ursachen und Auswirkungen der betrieblichen Misstrauenskultur
- Untersuchung der Rolle von Informationsasymmetrien und Opportunismus
- Entwicklung eines Modells für das Vertrauensmanagement in der betrieblichen Misstrauenskultur
- Bedeutung von Führung und Kommunikation für den Aufbau von Vertrauen
- Herausforderungen und Potenziale des Vertrauensmanagements in der Praxis
- Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema Vertrauensmanagement in der betrieblichen Misstrauenskultur vor und begründet die Aktualität des Themas. Sie erläutert das Forschungsziel und die Fragestellung der Arbeit sowie das Forschungsvorgehen und den Aufbau der Arbeit.
- Kapitel 2: Grundlagen der Vertrauenstheorie: Dieses Kapitel liefert die theoretischen Grundlagen für die Analyse des Vertrauensmanagements. Es definiert Vertrauen, beschreibt seine Eigenschaften und Merkmale und analysiert die Entstehung von Misstrauen.
- Kapitel 3: Prinzipal und Agent in der betrieblichen Misstrauenskultur: In diesem Kapitel wird die Problematik des Vertrauens zwischen Führungskräften und Mitarbeitern im Kontext der betrieblichen Misstrauenskultur beleuchtet. Die Auswirkungen von Globalisierung und die Entwicklung des Arbeitskraftunternehmers werden analysiert, sowie die Auswirkungen von Kontroll- und Informationssystemen auf das Vertrauen.
- Kapitel 4: Grundlagen des betrieblichen Vertrauensmanagements: Dieses Kapitel widmet sich dem Aufbau und der Gestaltung von Vertrauen in der betrieblichen Misstrauenskultur. Es definiert das Konzept des Vertrauensmanagements und erläutert die verschiedenen Einflussfaktoren und Vertrauensebenen. Der Schwerpunkt liegt auf dem interpersonellen Vertrauensaufbau zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Herausforderungen des Vertrauensmanagements in einer betrieblichen Misstrauenskultur. Dabei werden die Ursachen und Auswirkungen dieser Kultur analysiert, um Handlungsempfehlungen für eine gelingende Vertrauensentwicklung zu erarbeiten.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselbegriffe der Arbeit sind Vertrauensmanagement, betriebliche Misstrauenskultur, Prinzipal-Agent-Beziehung, Informationsasymmetrien, Opportunismus, Führung, Kommunikation, Kontrollsysteme und Partizipation. Die Arbeit betrachtet diese Schlüsselbegriffe im Kontext der modernen Arbeitswelt und untersucht deren Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.
- Quote paper
- Johannes Förster (Author), 2010, Vertrauensmanagement in der betrieblichen Misstrauenskultur, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/153415