„Every word is like an unnecessary stain on silence and nothingness.” 1 Dieses Zitat ist ein gutes Beispiel, um Samuel Becketts Zweifel und sein Misstrauen gegenüber der Sprache im Allgemeinen zu beschreiben. Diese Abneigung hat er nicht nur sehr oft deutlich in Interviews ausgedrückt, sondern auch stark in seine Werke einfließen lassen. In dieser Hausarbeit möchte ich die Auswirkungen eben dieser Sprachzweifel genauer betrachten und zwar beispielhaft an Becketts Stücken Warten auf Godot und Das letzte Band. Letzteres mag in diesem Fall zunächst nur marginal geeignet sein. Allerdings lohnt es sich, zum einen aufgrund der ungewöhnlichen Monologsituation, auch dieses Stück hinsichtlich seiner Sprach- und Kommunikationsstruktur genauer zu beleuchten. Zum anderen ist in Das letzte Band das totale Verstummen (ganze 73 Mal kommt das Wort „Pause“, bzw. „lange Pause“ im Stück vor) geradezu beispielhaft veranschaulicht. Aus kommunikativer Hinsicht findet Becketts Sprachreduktion hier also einen ihrer Höhepunkte.
Daher möchte ich den Versuch anstellen, Das letzte Band, auch wenn es auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen mag, hinsichtlich seiner Sprache und Kommunikation genauer zu betrachten.
Ziel soll es folglich sein, das allgemein bekannte Misstrauen Becketts gegen die (Ausdrucks-) Möglichkeiten der Sprache in zwei seiner Werke wiederzufinden und weitergehend zu analysieren.
Zu Beginn möchte ich mich kursorisch mit der Sprachkritik Theodor W. Adornos beschäftigen, da sie neben der – in dieser Hausarbeit natürlich essentiellen Sprachkritik Becketts, wesentliche Thesen zum Thema behandelt. Darüber hinaus gehörten Beckett (* 1906) und Adorno (* 1903) einer Generation an, sodass gemeinsame Einflüsse und Motive nicht ausgeschlossen werden können. Des Weiteren ist Adorno bekannt für seine Bewunderung Becketts, den er zum „Säulenheiligen des Postexistentialismus“ (Palm, 1) erkor. Im 3. Teil der Arbeit sollen dann die oben genannten Werke Becketts beispielhaft untersucht werden.
[...]
1 http://www.quotationspage.com/quote/21248.html (01.03.2010)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sprachkritik und Sprachzweifel
2.1 Sprachkritik nach Adorno und sein Bezug zu Beckett
2.2 Sprachkritik bei Beckett
3. Sprachreduktion und Kommunikationsproblematik in Warten auf Godot
3.1 Cross-Talking
3.2 Wortspiele, Wiederholungen, Ellipsen
4. Sprache und Kommunikation in Das letzte Band
4.1 Funktionen des Monologs
4.2 Quasi-Dialog durch Tonbandaufnahmen
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Every word is like an unnecessary stain on silence and nothingness.”[1] Dieses Zitat ist ein gutes Beispiel, um Samuel Becketts Zweifel und sein Misstrauen gegenüber der Sprache im Allgemeinen zu beschreiben. Diese Abneigung hat er nicht nur sehr oft deutlich in Interviews ausgedrückt, sondern auch stark in seine Werke einfließen lassen. In dieser Hausarbeit möchte ich die Auswirkungen eben dieser Sprachzweifel genauer betrachten und zwar beispielhaft an Becketts Stücken Warten auf Godot und Das letzte Band. Letzteres mag in diesem Fall zunächst nur marginal geeignet sein. Allerdings lohnt es sich, zum einen aufgrund der ungewöhnlichen Monologsituation, auch dieses Stück hinsichtlich seiner Sprach- und Kommunikationsstruktur genauer zu beleuchten. Zum anderen ist in Das letzte Band das totale Verstummen (ganze 73 Mal kommt das Wort „Pause“, bzw. „lange Pause“ im Stück vor) geradezu beispielhaft veranschaulicht. Aus kommunikativer Hinsicht findet Becketts Sprachreduktion hier also einen ihrer Höhepunkte. Daher möchte ich den Versuch anstellen, Das letzte Band, auch wenn es auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen mag, hinsichtlich seiner Sprache und Kommunikation genauer zu betrachten.
Ziel soll es folglich sein, das allgemein bekannte Misstrauen Becketts gegen die (Ausdrucks-) Möglichkeiten der Sprache in zwei seiner Werke wiederzufinden und weitergehend zu analysieren.
Zu Beginn möchte ich mich kursorisch mit der Sprachkritik Theodor W. Adornos beschäftigen, da sie neben der – in dieser Hausarbeit natürlich essentiellen Sprachkritik Becketts, wesentliche Thesen zum Thema behandelt. Darüber hinaus gehörten Beckett
(* 1906) und Adorno (* 1903) einer Generation an, sodass gemeinsame Einflüsse und Motive nicht ausgeschlossen werden können. Des Weiteren ist Adorno bekannt für seine Bewunderung Becketts, den er zum „Säulenheiligen des Postexistentialismus“ (Palm, 1) erkor. Im 3. Teil der Arbeit sollen dann die oben genannten Werke Becketts beispielhaft untersucht werden.
2. Sprachkritik und Sprachzweifel
Im folgenden Kapitel möchte ich zunächst das Gebiet der Sprachkritik sowie des Sprachzweifels genauer erläutern und kurz deren Hauptmerkmale umreißen. Im Abschnitt 2.1 soll dann die spezifische Sprachkritik Theodor W. Adornos beschrieben werden, da dieser seinerzeit zu den schärfsten Kritikern der Sprache zählte. Außerdem lassen sich immer wieder Schnittmengen mit der Sprachkritik Samuel Becketts finden, um die es im Abschnitt 2.2 geht.
Sieht man zunächst einmal von der abstrakten Semiotik ab, so geht es in der Sprachkritik um die Beurteilung von sprachlichen Äußerungen. Somit ist Sprachkritik gewissermaßen auch immer Gesellschaftskritik, da sie Äußerungen bewertet, die in irgendeinem gesellschaftlichen Kontext stattfinden, der die Äußerung direkt oder indirekt beeinflusst. Wird eine Äußerung kritisiert, muss immer der gesellschaftliche Hintergrund betrachtet und mitbedacht werden. Ein weiterer Aspekt, der die Tatsache, dass Sprachkritik auch Gesellschaftskritik ist, bestätigt, ist die berühmte Aussage Roland Barthes, Sprache sei „ideologisch“, die sich in seinem Werk „Das Reich der Zeichen“ finden lässt. (vgl. Barthes, 21). An diesem Punkt setzt auch Samuel Beckett an, der durch das zunehmende Verstummen in seinen Werken die Leere der Alltagssprache entlarvt und somit ebenfalls Gesellschaftskritik übt.
Auch Steiner kritisiert die Sprache stark; sie sei „durch zu langen Gebrauch abgenutzt und die Beanspruchung durch Massenkultur und Massenmitteilung haben aus ihr ein williges Werkzeug zur Herstellung beständig wachsender Geschmacklosigkeiten gemacht.“ Weiter spricht er von einer Tendenz zur „verdünnten“ Kommunikation, deren Sprache „verfälscht“ sei. (Steiner, 62 f.) Geht man von einer derartigen Einschätzung aus, so macht es durchaus Sinn, der Sprache, bzw. ihrem Bedeutungsgehalt zu misstrauen. Wozu den Versuch wagen, mit sprachlichen Äußerungen eine Nachricht zu vermitteln, wenn von Anfang an klar ist, dass nur sinnleere oder allenfalls verfälschte Phrasen ausgedrückt und geäußert werden können? Mit diesem Gedanken im Hinterkopf erscheint die Spracharmut Becketts nicht mehr nur als eine Art Rebellion gegen Konvention und leere Alltagssprache, sondern eher als die einzig verbleibende Möglichkeit, Sprache in der Literatur adäquat und vor allem wirklichkeitsgetreu anzuwenden.
2.1 Sprachkritik nach Adorno und sein Bezug zu Beckett
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bewunderte Adorno Beckett für seine radikale Einstellung gegenüber der Bedeutung der Sprache. Auch wenn Beckett mit Adornos Interpretationen oftmals nicht übereinstimmte (s. z.B. Adornos Ausführungen zu Endspiel), so gehören einige Thesen Adornos zum zentralen Bestand der Sprachkritik im Allgemeinen und sollen deswegen hier einleitend Erwähnung finden.
In seiner Vernunftkritik hat Adorno auch die Sprachproblematik behandelt. Er stellte fest, dass durch den zunehmenden Übergang von der bildhaften, bzw. symbolischen zu einer abstrakten Sprache, die Sprache selbst an Wert verliert. Nachdem sie symbolisch aufgeladen war, geht sie letztendlich immer mehr in bloße „Bezeichnung“ über (vgl. DdA[2], 67). Folglich war Adorno, ebenfalls wie Beckett, der Auffassung, dass Sprache kaum in der Lage war, eine wirkliche Bedeutung zu vermitteln. Verantwortlich macht er hierfür unter anderem eine zunehmende Verdinglichung, die die „Unterjochung des Besonderen unter das Allgemeine“ zur Folge hätte (ibid, 84).
Genau wie Beckett vertritt Adorno also die Ansicht, dass Sprache nicht möglich ist, die wirkliche oder wahre Bedeutung einer Sache auszudrücken. „Die wahre Sprache würde die im Symbol, bzw. der Symbolschaffung vergegenständlichten Hoffnungen und Erwartungen und somit seinen Begriff erfüllen.“ (Scholze, 185) Dies trifft nach Adornos und Becketts Ansicht nicht auf die gegenwärtige Alltagssprache zu. Sie ist „nicht identifizierend“ und „nicht repräsentativ“ (ibid, 176).
Dass Sprache unzulänglich oder gar unangemessen ist, kam besonders in Adornos Kritik „Lyrik nach Auschwitz“ zutage. Auch wenn er sich in seinen Ausführungen nur auf einen sehr kleinen Bereich der Sprache bezog, nämlich auf den lyrischen, so wird aufgrund der Radikalität seiner Aussagen trotzdem noch einmal besonders deutlich, wie sehr er die sprachliche Ausdrucksform geringschätzt, nämlich so weit, dass er sich eine ganze literarische Gattung regelrecht verbittet. In diesem Fall geht er sogar so weit, zu sagen, dass es Sprache nicht nur unmöglich ist, etwas adäquat auszudrücken, sondern dass sie sich schon beim Versuch, sich anzumaßen, etwas mit Worten auszudrücken, schuldig macht. (vgl. LnA[3], 55).
Folglich steht Adorno Beckett hinsichtlich der Kompromisslosigkeit seiner Sprachkritik in nichts nach. Die beiden Herangehensweisen an das Problem unterscheiden sich allerdings stark. Während Adorno sich philosophisch und kulturkritisch mit dem Thema auseinandergesetzt hat, hat Beckett einen deutlich kreativeren Weg gewählt und Sprache durch den Einzug des großen Schweigens in seine Stücke regelrecht „entmachtet“.
2.2 Sprachkritik bei Beckett
Der Verlust der Sprache ist ein zentrales Thema in Becketts Werken. In einem Stück wie Glückliche Tage kommt es im Grunde genommen zu einer völligen Unmöglichkeit der Kommunikation. In anderen Stücken ist Sprache hingegen lediglich ein Mittel, um irgendeinen Zweck zu erreichen. So verdeutlicht sie in Endspiel nur die eigene Existenz, die mit jeder sprachlichen Äußerung immer wieder bewiesen wird. Dies trifft generell auch auf den Protagonisten Krapp in Das letzte Band zu, der sich zwar häufig in Schweigen hüllt, die meiste Zeit aber in Monologen seine Vergangenheit rekapituliert. In Warten auf Godot hingegen, ist die Sprache ein Mittel zum Zeitvertreib, was in Kapitel 3 genauer beschrieben werden soll.
Rathjen bescheinigt Beckett „ein früh entwickeltes Mißtrauen [sic!] gegen die Muttersprache und gegen die Sprache überhaupt.“ Um diese Aussage zu bekräftigen führt er unter anderem folgendes Zitat Becketts an: „[…] immer mehr wie ein Schleier kommt mir meine Sprache vor, den man zerreißen muss, um an die dahinterliegenden Dinge (oder das dahinterliegende Nichts) zu kommen.“ (Beckett zitiert nach Rathjen, 12). Hier wird Samuel Becketts Einstellung zur Sprache sehr deutlich. Dass er sie als „Schleier“ bezeichnet, zeigt eine gewisse Geringschätzung eben dieser. Zum einen kann ein Schleier etwas verdecken oder verstecken. Ähnliches beschreibt das Verb „verschleiern“, das an Geheimnisse und anderweitige Abgründe erinnert. Generell kann ein Schleier für etwas Unklares, Undeutliches stehen, das weder durchsichtig (im Sinne von „durchschaubar“) noch vollkommen „blickdicht“ ist. All diese Attribute sollten auf eine funktionierende Sprache eigentlich nicht zutreffen. In der Kommunikation ist man darauf angewiesen, dass sprachliche Äußerungen eben nicht „schleierhaft“ sind, sondern eindeutig gedeutet und zugeordnet werden können. Beckett stimmt hier offensichtlich nicht zu. Er ist nicht nur gegensätzlicher Meinung, sondern vertritt auch die Ansicht, dass man gegen diese Sprachleere gewissermaßen rebellieren muss:
„Da wir sie [die Sprache, SR] so mit einem Male nicht ausschalten können, wollen wir wenigstens nichts versäumen, was zu ihrem Verruf beitragen mag. Ein Loch nach dem anderen in ihr zu bohren, bis das Dahinterkauernde, sei es etwas oder nichts, durchzusickern anfängt – ich kann mir für den heutigen Schriftsteller kein höheres Ziel vorstellen.“ (Beckett zitiert nach Rathjen, 12 f.)
[...]
[1] http://www.quotationspage.com/quote/21248.html (01.03.2010)
[2] Dialektik der Aufklärung
[3] Lyrik nach Auschwitz
- Quote paper
- Sarah Ruhnau (Author), 2010, Reduktionsformen der Sprache und Kommunikationsproblematik in Samuel Becketts "Warten auf Godot" (1952) und "Das letzte Band" (1958), Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/149581