Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 erreichte wohl nur der Wiener Kongress von 1814/1815 den Status eines epochalen Großereignisses der europäischen Kabinettsdiplomatie. Fünf Jahre nachdem Napoleon in der Hauptstadt des Habsburgerreiches seinen Diktatfrieden erlassen und damit sein System der Universalherrschaft neu befestigt hatte, gingen die Siegermächte Europas in Wien daran, eine stabile Friedensordnung auszuarbeiten.
Als die strategische Kardinalsfrage und zugleich wichtigster Problemkomplex der Wiener Kongressverhandlungen kristallisierten sich die sogenannte polnische und die mit ihr eng verbundene sächsische Frage heraus. Die Ansprüche Russlands zur Schaffung eines von ihm abhängigen „Königreiches Polen“ und die preußischen Wünsche auf eine vollständige Einverleibung Sachsens kollidierten mit den Ordnungs- und Sicherheitsinteressen der übrigen Verhandlungsmächte Österreich, England und Frankreich.
Eng verwoben mit den großpolnischen Begehrlichkeiten Russlands entwickelte sich die diplomatische Mission Hardenbergs gegen Ende des Jahres 1814 zu einer offenen Krise zwischen den Verhandlungsmächten, die kurzzeitig sogar auf einen Krieg zusteuerten. Heinrich von Treitschke bezeichnete den Kongress daher als „eine Hexenküche politischer Intriganten“ und attestierte Hardenberg zugleich eine durchweg negative diplomatische Verhandlungsbilanz.
Der Auffassung des Historikers Karl Griewank beipflichtend, dass Hardenberg stets ein „unbeirrbarer Fechter für das im Augenblick Erreichbare“ sei, wird in der folgenden wissenschaftlichen Untersuchung versucht, aufzuzeigen, dass der Terminus des „gehetzten Strategen“ als angemessen erscheint, um die diplomatische Bilanz des Fürsten Hardenberg unter Berücksichtigung der systemischen Determinanten und akteursspezifischen Verflechtungen darzulegen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Stand der historischen Hardenberg-Forschung
- Zur Person Hardenberg - ein biographischer Wegweiser
- Von Kalisch nach Paris - Die Vorgeschichte zum Wiener Kongress
- Das Abkommen von Kalisch 1813
- Der Erste Pariser Frieden von 1814
- ,,Wir brauchen Sachsen." Preußens Ziele auf dem Wiener Kongress
- Grundlagen und Aussichten für die Totalannexion Sachsens
- Die Aporie der preußischen Zielstellungen
- Das,,Komplott vom 23. Oktober" und der Ausbruch der Krise
- Die Ergebenheit Friedrich Wilhelms III.
- Preußens Spiel zwischen den Machtblöcken
- Metternichs Dezember-Note und die Eskalation des Konflikts
- Eine Allgemeine Kriegspsychose
- Die Defensiv-Allianz
- Die Lösung der polnisch-sächsischen Krise
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der historischen Rolle des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg während der polnisch-sächsischen Krise von 1814/1815. Die zentrale Forschungsfrage ist, inwiefern die diplomatischen Ergebnisse des Wiener Kongresses für Preußen durch Hardenbergs agieren geprägt wurden und welche strukturellen Zwänge seinen Handlungsspielraum beeinflussten.
- Die diplomatischen Herausforderungen des Wiener Kongresses
- Die Interessen und Ziele Preußens im Kontext der polnischen und sächsischen Frage
- Die Bedeutung des Abkommens von Kalisch und des Ersten Pariser Friedens für die preußische Position
- Die Rolle Hardenbergs im Spannungsfeld zwischen den europäischen Großmächten
- Die Auswirkungen der polnisch-sächsischen Krise auf die preußische Außenpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über die historische Bedeutung des Wiener Kongresses und die zentralen Themen der Arbeit. In Kapitel 2 wird der aktuelle Stand der Forschung zu Hardenberg beleuchtet. Kapitel 3 bietet einen biographischen Wegweiser, um die wichtigsten Etappen in Hardenbergs Leben und Wirken zu beleuchten. Kapitel 4 schildert die Vorgeschichte des Wiener Kongresses, insbesondere die Rolle des Abkommens von Kalisch und des Ersten Pariser Friedens. Kapitel 5 erörtert die Ziele Preußens auf dem Wiener Kongress, insbesondere die Frage der Einverleibung Sachsens. Kapitel 6 und 7 behandeln den Ausbruch und die Eskalation der polnisch-sächsischen Krise. Schließlich wird in Kapitel 8 die Lösung der Krise dargestellt.
Schlüsselwörter
Wiener Kongress, Karl August von Hardenberg, Preußen, Sachsen, Polen, Diplomatie, Europa, Großmächte, polnisch-sächsische Krise, Abkommen von Kalisch, Erster Pariser Frieden, Historische Forschung, Struktur, Handlungsspielraum.
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- Jakob Kullik (Author), 2009, Ein gehetzter Stratege?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/145372