Mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, wurde der Begriff „Zivilgesellschaft“ (engl.: civil society) verstärkt zum Mittelpunkt einer politischen und philosophischen Diskussion. Vor allem die Rolle von Gewerkschaften (wie zum Beispiel von Solidarnosc in Polen) und Kirchen beim Kampf gegen autoritäre Regime und beim Aufbau demokratischer Systeme inspirierte diese
Diskussion.
Nach dem Scheitern des „real existierenden Sozialismus“, verblieb die Demokratie als letzte Form legitimer Herrschaft – in welcher Form auch immer, von Dänemark bis zur Demokratischen Volksrepublik Korea. Also richtete man auch in den älteren Demokratien des Westens den Blick auf die eigenen Zivilgesellschaften: Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft in
einer etablierten Demokratie? Welche Funktionen erfüllt sie in einer Gesellschaft, die bereits über ein demokratisches Regierungssystem und ausgedehnte Freiheitsrechte für ihre Bürger
verfügt?
Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigte sich (vor allem in den 90ern, aber auch schon davor) die Diskussion zwischen zwei Denkströmungen: den Vertretern des Liberalismus (zum Beispiel John Rawls oder Ralf Dahrendorf), und denen des Kommunitarismus (zum Beispiel Edward Shils, Michael Walzer und Charles Taylor). Sollte die Zivilgesellschaft in erster Linie die individuellen Freiheiten der Bürger verteidigen? Oder sollte sie das Streben
nach einer gemeinsamen Vorstellung vom „guten Leben“ aller Bürger unterstützen, und die Position der Gemeinschaft gegenüber Staat und Wirtschaft stärken? Diese stark vereinfachte Darstellung wird der Komplexität dieser Diskussion natürlich nicht gerecht.
Im Folgenden werde ich daher versuchen, die Argumentationslinien der Diskussion nachzuzeichnen und ihre Vertreter sowie deren Aussagen vorzustellen. Zuvor werde ich noch auf die historische Entwicklung des Begriffs „Zivilgesellschaft“ eingehen und versuchen, eine sinnvolle Definition des Begriffes zu geben. Dabei werde ich mich vor allem an den Ausführungen Jürgen Kockas und Klaus von Beymes orientieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historische Entwicklung und Arbeitsdefinition von Zivilgesellschaft
- Antike Ursprünge von Zivilgesellschaft
- Umprägungsphase im 17./18. Jahrhundert
- Radikalisierungsphase im 19. Jahrhundert
- Neuentdeckung der Zivilgesellschaft Ende des 20. Jahrhunderts
- Arbeitsdefinition
- Liberalismus und Zivilgesellschaft
- Der Liberalismus und seine Vertreter
- Liberale Konzepte von Zivilgesellschaft: Rawls und Dahrendorf
- Kommunitaristische Kritik
- Der Kommunitarismus und seine Vertreter
- Kommunitaristische Gegenkonzepte von Zivilgesellschaft: Taylor, Walzer und Shils
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Debatte zwischen Kommunitarismus und Liberalismus im Hinblick auf die Zivilgesellschaft. Die Diskussion entstand insbesondere im Kontext des Zusammenbruchs des kommunistischen Ostblocks und der verstärkten Bedeutung des Begriffs „Zivilgesellschaft“ für die politische und philosophische Debatte.
- Die historische Entwicklung des Begriffs „Zivilgesellschaft“ und dessen Arbeitsdefinition
- Die Rolle von Liberalismus und Kommunitarismus in der Debatte um die Zivilgesellschaft
- Die unterschiedlichen Konzepte von Zivilgesellschaft im Liberalismus und Kommunitarismus
- Die Bedeutung der Zivilgesellschaft in etablierten Demokratien
- Die Relevanz der Debatte im Kontext aktueller sozialer und politischer Entwicklungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und skizziert die Relevanz der Debatte zwischen Liberalismus und Kommunitarismus im Kontext des gesellschaftlichen Wandels. Kapitel 2 beleuchtet die historische Entwicklung des Begriffs „Zivilgesellschaft“ von der Antike bis zur Neuzeit und erarbeitet eine Arbeitsdefinition. Kapitel 3 stellt den Liberalismus und seine Vertreter vor und untersucht liberale Konzepte von Zivilgesellschaft anhand der Theorien von Rawls und Dahrendorf. Kapitel 4 analysiert die kommunitaristische Kritik am Liberalismus und beleuchtet Gegenkonzepte von Zivilgesellschaft von Taylor, Walzer und Shils.
Schlüsselwörter
Zivilgesellschaft, Kommunitarismus, Liberalismus, John Rawls, Ralf Dahrendorf, Edward Shils, Michael Walzer, Charles Taylor, Arbeitsdefinition, historische Entwicklung, politische Philosophie, Demokratie, soziale Reformen, Wertezerfall.
- Quote paper
- Oliver Bräuner (Author), 2008, Die Debatte zwischen Kommunitarismus und Liberalismus im Hinblick auf Zivilgesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/144242