Zyklische Rahmenerzählungen ohne existentielle Notsituation "treffen sich mit den anderen Werken zyklisch/instrumentaler Epik darin, daß die Grabsituation einsamen Stagnierens durchs lebendige Miteinander im gemeinsamen Erzählen durchkreuzt wird."
In dem Erzählzyklus „Das Hexameron von Rosenhain“ von Christoph Martin Wieland bestätigt sich dieses Ergebnis der „vorläufigen Notizen zu zyklischem, instrumentalem und praktischem Erzählen“ von Volker Klotz.
Die Opposition des ‚unendlichen’ Ziels eines sozialen Zusammenhalts bildet das einsame Lesen, das keine dynamische Bewegung entwickelt. Die geringe Aktivität der Leser während einer Beschäftigung, die kaum durch ein Erleben, sondern vielmehr durch bloßes Verstehen und durch das Aushalten eines kommunikativen Stillstands gekennzeichnet ist, kann die Zeit der Handlungsträger nicht sinnvoll ausfüllen. Dies geschieht erst in einem lebendigen Austausch, in dem aus schriftlich Fixiertem mündlich Neues geschaffen wird.
Ich möchte in dieser Arbeit zeigen, wie dieses nur im Vollzug erreichbare Ziel in dem Zyklus verfolgt wird und wie die Grundlage dafür geschaffen wird, dass es sich über die erzählte Zeit der Rahmenhandlung hinaus erfüllen kann. Daher möchte ich die Frage beantworten:
Wie überwinden die Figuren in dem Erzählzyklus „Das Hexameron von Rosenhain“ den Stillstand, der den lebendigen Charakter beständiger Beziehungen gefährdet?
Zuerst wird in der Arbeit die Gestalt des gattungsspezifischen Todesmotivs geklärt und der Erzählanlass der harmonischen Erzählgesellschaft schrittweise spezifiziert. Danach möchte ich zeigen, wie die Stagnation im „Hexameron“ strukturell zu Stande kommt. Dazu müssen formale Begriffe, die zu den Gattungscharakteristika der Novelle und der Anekdote gehören, auf die zyklische Rahmenerzählung übertragen werden. Anschließend kann erklärt werden, welche historischen Widerständen dem Ziel der Gesellschaft gegenüber stehen und welches historische Mittel den Figuren zur Verfügung steht, um den Stillstand zu überwinden. Dieses Mittel wird daraufhin in der Form eines Motivs in den Binnenerzählungen und in der Rahmenerzählung aufgesucht, um den Gebrauch durch die verschiedenen Handlungsträger zu untersuchen. Das letzte Kapitel erläutert, wie der Erzählzweck erfüllt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gattungstheorie
- Das Zeitliche in einer „zeitlose[n] Idylle“
- Anlässe
- Krise und Harmonie
- Die Unterhaltungen und das Hexameron
- Der spannende Stillstand der Harmonie
- Der Wandel des historischen Literatursystems
- Die Wirtschaft als oppositioneller Machtträger
- Isolation und Geselligkeit
- Literarische Gesellschaftsspiele als kurzweilige soziale Bildung
- Das Spiel mit den Masken
- Das Maskenspiel in den Binnenerzählungen
- Der geheime Plan des verlobten Paars
- Der Ungenannte auf den verschiedenen Fiktionsebenen
- Der Verfasser als Erzähler im mündlichen Rahmen
- Herausgeberfiktion und Gewährspersonhinweis
- Die Unterbrechungen des Märchens „Narcissus und Narcissa“
- Der Verfasser als maskierter Handlungsträger im mündlichen Rahmen
- Das soziale Leben als schicksalhaftes Glücksspiel
- Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Überwindung des Stillstands in Wielands „Hexameron von Rosenhain“ zu untersuchen und zu zeigen, wie die Figuren den lebendigen Charakter beständiger Beziehungen sichern. Dazu wird analysiert, wie das gattungsspezifische Todesmotiv die Erzählgesellschaft prägt und die Stagnation strukturell entsteht. Darüber hinaus werden die historischen Widerstände und Mittel zur Überwindung des Stillstands untersucht, sowie die Rolle des Motivs in den Binnenerzählungen und der Rahmenerzählung.
- Das Motiv des Todes in der Rahmengesellschaft und den Binnenerzählungen
- Die strukturelle Entstehung der Stagnation im „Hexameron“
- Historische Widerstände und Mittel zur Überwindung des Stillstands
- Die Rolle des Motivs in den Binnenerzählungen und der Rahmenerzählung
- Die Erfüllung des Erzählzwecks
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Grundthese vor, dass im „Hexameron von Rosenhain“ die Figuren durch gemeinsames Erzählen den Stillstand überwinden und das lebendige Miteinander sichern. Es wird die methodische Herangehensweise erläutert, die sich an der Erzähltheorie orientiert und narratologische mit medienorientierten Ansätzen verbindet.
- Gattungstheorie: Dieses Kapitel untersucht die zeitliche Dimension des „Hexamerons“ als „zeitlose[n] Idylle“. Die Erzählgesellschaft wird als kreative Aktivität und Gesellschaftsspiel mit Regeln beschrieben. Die Binäre Opposition „Leben oder Tod“ wird im Zusammenhang mit der Partnerwahl und anderen zwischenmenschlichen Beziehungen analysiert.
- Krise und Harmonie: Hier wird die Entstehung des Stillstands im „Hexameron“ untersucht. Die formalen Charakteristika der Novelle und Anekdote werden auf die zyklische Rahmenerzählung übertragen. Die historischen Widerstände, denen die Gesellschaft gegenübersteht, und die Mittel zur Überwindung des Stillstands werden beleuchtet.
- Der Wandel des historischen Literatursystems: Dieses Kapitel widmet sich den historischen Einflüssen auf die Gesellschaft im „Hexameron“. Die Rolle der Wirtschaft, die Isolation und die Bedeutung literarischer Gesellschaftsspiele als Mittel der sozialen Bildung werden behandelt.
- Das Spiel mit den Masken: Das Maskenspiel in den Binnenerzählungen und die Rolle des „Ungenannten“ auf verschiedenen Fiktionsebenen werden in diesem Kapitel untersucht.
- Das soziale Leben als schicksalhaftes Glücksspiel: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Formen des Glücksspiels in der Rahmenhandlung und den Binnenerzählungen. Die zentrale Rolle der Partnerwahl und des Schicksals im „Hexameron“ wird beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen „Hexameron von Rosenhain“, „zyklische Rahmenerzählung“, „Stillstand“, „lebendiges Miteinander“, „Todesmotiv“, „Gesellschaftsspiel“, „Partnerwahl“, „historische Widerstände“ und „Maskenspiel“. Sie analysiert die gattungsspezifischen Charakteristika des Werkes und die Rolle des „Ungenannten“ als Erzähler. Darüber hinaus werden die medienhistorischen Einflüsse auf die Gestaltung des „Hexamerons“ untersucht.
- Quote paper
- Rebekka Kochner (Author), 2008, Ein empathisches Erzählspiel gegen Stagnation, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/144132