Das Konzept der Hohen Minne besagt, dass man die Dame immer preisen soll. Wie lange aber kann man dies bei einer Frau aushalten, die einem keine Beachtung schenkt? Wie lang muss man seine Angebetete umwerben, bis man sich – sofern einem keine genâde zuteil wird– eine neue Frau für seinen dienest suchen darf? Walther hat diese Diskrepanz zwischen höfischem Ideal, minne-Begehren und Hoffnungslosigkeit in seinem Lied Mîn frowe ist ein ungenædic wîp (52,23) thematisiert.
In der bisherigen Forschung kursieren hauptsächlich zwei Deutungen des Textes: Die erste betrachtet das Lied als konventionelle Minneklage, die zweite sieht es als Allegorie auf Walthers Leben, die seine Beziehung zum Wiener Hof reflektiert.1 Im Folgenden möchte ich beide Meinungen in meiner Arbeit diskutieren und abwägen, welche Punkte für die verschiedenen Interpretationen sprechen.
Dazu werde ich zuerst ganz allgemein die Charakteristika des Klageliedes in der Hohen Minne betrachten und prüfen, inwiefern sich der Text 52,23 tatsächlich in diese Kategorie einordnen lässt. Anschließend soll es mein Ziel sein, die umworbene Dame etwas genauer in Augenschein zu nehmen und ihre beschriebenen Eigenschaften anhand der Erwartungshaltung an Damen der damaligen Zeit herauszustellen, um zu prüfen inwieweit sie die Anforderungen eines höfischen Ideals erfüllt und damit zu einem lohnenswerten Objekt der minne-Werbung wird. Im Anschluss daran soll untersucht werden, wie die bisherigen Annäherungsversuche durch den Sprecher des Liedes verlaufen sind und wie sich die Dame ihm gegenüber verhalten hat, um daraus auf den möglichen weiteren Verlauf zu schließen und die Klage des Mannes genauer zu beleuchten. Womit hat er am meisten zu kämpfen und ist die Ablehnung an sich wirklich das Schlimmste für ihn?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Lesart als Klagelied
- Das Klagelied in der Hohen Minne
- Gesellschaftliche Erwartungen an eine höfische Dame
- Dame ohne genâde: Ein Minnedienst ohne Aussicht auf Erfolg
- Die verlorene Zeit als »ewige Klage des Herzens«
- Allegorie auf Wien?
- Biografische Hintergründe
- frouwe oder Wiener Hof: Walthers autobiografisches Klagelied
- Fazit
- Bibliographie
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Walthers Lied 52,23, "Mîn frowe ist ein ungenaedic wîp", und untersucht die beiden gängigen Deutungen des Textes: Die erste sieht das Lied als konventionelle Minneklage, die zweite interpretiert es als Allegorie auf Walthers Beziehung zum Wiener Hof. Die Analyse konzentriert sich auf die Analyse der Merkmale des Klageliedes in der Hohen Minne, die gesellschaftlichen Erwartungen an eine höfische Dame, die verlorene Zeit und die möglichen biografischen Hintergründe, die das Lied inspiriert haben könnten. Die Arbeit befasst sich mit den beiden Interpretationsansätzen, um herauszufinden, welche Argumente jeweils überzeugender sind.
- Die Kennzeichen des Klageliedes in der Hohen Minne
- Die gesellschaftlichen Erwartungen an eine höfische Dame im Mittelalter
- Die verlorene Zeit und der emotionale Konflikt des Sprechers
- Walthers Beziehung zum Wiener Hof als mögliche Interpretation
- Die Analyse der Sprache und der Bildsprache des Liedes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über das Thema der Arbeit und die Interpretationsansätze, die untersucht werden sollen. Das Kapitel "Lesart als Klagelied" analysiert das Lied 52,23 als typisches Klagelied der Hohen Minne und beleuchtet die Erwartungen an höfische Damen sowie die Auswirkungen der fehlenden Gnade auf den Sprecher. Das Kapitel "Allegorie auf Wien?" diskutiert die Möglichkeit, dass das Lied eine Allegorie auf Walthers Beziehung zum Wiener Hof darstellt. Die Arbeit beleuchtet die biografischen Hintergründe Walthers und untersucht, inwiefern das Lied als autobiografisches Klagelied gedeutet werden kann. Das Kapitel "Fazit" zieht eine Schlussfolgerung aus der Analyse und bewertet die beiden Interpretationsansätze.
Schlüsselwörter
Minneklage, Hohe Minne, Hofgesellschaft, Wiener Hof, Walther von der Vogelweide, autobiografisches Klagelied, gesellschaftliche Erwartungen, Minne-Begehren, ungenâde, Zeitverlust, Liedinterpretation.
- Arbeit zitieren
- Robert Willrich (Autor:in), 2009, Minneklage oder Allegorie auf Wien, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/143542