Marco Polos Buch „ging von Hand zu Hand, von Land zu Land, von Sprache zu Sprache“ und die zahlreichen „Fehler und Zusätze“ sind nicht immer auf „sprachliche Missverständnisse“ zurückzuführen, sondern oft auch „Zeugnisse einer blühenden Fabulierkunst.“
„Jeder Übersetzer, Bearbeiter, ja jeder Kopist scheint sich nicht nur berechtigt, sondern beinahe aufgerufen“ gefühlt zu haben, „nach eigenem Gutdünken einzelne Passagen, ja ganze Kapitel wegzulassen oder umzustellen, und auch vor Ergänzungen, die aus den unterschiedlichsten Quellen stammen können oder einfach frei erfunden sind,“ nicht zurückzuschrecken. Da die mittelalterlichen Vervielfältiger noch keine Vorstellungen von dem hatten, was wir heute geistiges Eigentum oder Urheberrecht nennen, wurde der Text ständig „verbessert“, „vervollständigt“, gekürzt und der speziellen Zielgruppe angepasst. Ihn in der bestmöglichen Form zu präsentieren bedeutete offenbar nicht, ihn in seiner ursprünglichen Form darzubieten. Das Ergebnis ist ein „heilloser Überlieferungssalat,“ „ein komplexes Konglomerat von etwa einhundertfünfzig Handschriften, von denen keine mit einer anderen völlig identisch ist.“
Einer der wichtigsten Zweige der Marco-Polo-Forschung ist daher der Versuch, eine möglichst originalgetreue Version seines Buches zu edieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Il Milione" oder „Die Wunder der Welt“ - Die Handschriften
- Gruppe F - Divisament dou monde
- Gruppe Z – Divisament dou monde
- Gruppe VA - Divisament dou monde
- Gruppe P – Liber de consuetudinibus et conditionibus orientalum regionum
- Gruppe FG – rommans du grant Kaan
- Gruppe TA - Il Milione
- und kein Ende in Sicht - weitere Handschriften
- Zwischen Phantasie und Wirklichkeit - Diskurs
- Handlungsleitende Kognitionen – die Forschungsproblematik
- Venezianisch, Toskanisch, Franko-Italienisch – das Sprachproblem
- Das halbe Alphabet zur Auswahl - Reflexionen zur Entscheidungsfindung
- Il Milione" oder „Die Wunder der Welt“ - Die Handschriften
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Textgeschichte von Marco Polos „Il Milione“. Ziel ist es, die verschiedenen Handschriftengruppen zu analysieren und den Forschungsstand zur Authentizität des Reiseberichts darzustellen. Dabei wird insbesondere die Frage nach der Nähe der einzelnen Versionen zum hypothetischen Originaltext beleuchtet.
- Die verschiedenen Handschriftengruppen von Marco Polos „Il Milione“ und ihre sprachlichen Besonderheiten.
- Die Rolle von Rustichello da Pisa bei der Entstehung und Verbreitung des Textes.
- Die Herausforderungen der Textkritik und Edition des „Il Milione“ aufgrund der Vielzahl an Handschriften und deren Unterschiede.
- Die Debatte um die Authentizität von Marco Polos Reisebericht und die Bewertung unterschiedlicher Forschungsansätze.
- Die Bedeutung der Textgeschichte für das Verständnis von Marco Polos Werk.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beleuchtet die weitreichende Bekanntheit des Namens „Marco Polo“ und dessen Bedeutung als Synonym für Abenteuer und Entdeckungen. Sie stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Authentizität des Reiseberichts und der Schwierigkeit, auf ein Original zurückzugreifen, da keine einzige Zeile des ursprünglichen Buches erhalten ist. Die Arbeit von Elise Guignard und die Limitationen bestehender deutschsprachiger Forschung werden hervorgehoben.
Il Milione" oder „Die Wunder der Welt“ – Die Handschriften: Dieses Kapitel befasst sich mit der komplexen Überlieferungsgeschichte von Marco Polos Reisebericht. Es beschreibt die Herausforderungen, die sich aus der Vielzahl an Handschriften und deren erheblichen Unterschieden ergeben. Der Text wurde über Jahrhunderte hinweg kopiert, bearbeitet und angepasst, was zu einem "heillosen Überlieferungssalat" führte. Die Arbeit von Luigi Foscolo Benedetto und seine Einteilung der Handschriften in Gruppen bildet den Ausgangspunkt der Analyse. Die Bedeutung der philologischen Textforschung für die Rekonstruktion einer möglichst originalgetreuen Version des Buches wird hervorgehoben.
Gruppe F – Divisament dou monde: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Handschriftengruppe F, die als die überlieferungsgeschichtlich bedeutendste gilt und aus etwa 20 Manuskripten in franko-italienischer Sprache besteht. Der Titel "Divisament dou monde" (Aufteilung der Welt) wird diskutiert und die Rolle von Rustichello da Pisa als Erzähler und seine Behauptungen über die Authentizität des Berichts werden analysiert. Benedetto identifizierte Gruppe F als der Originalversion am nächsten stehend, eine Auffassung, der die meisten Wissenschaftler folgen. Allerdings werden auch kritische Stimmen wie die von John Critchley erwähnt, die zwar die Qualität des F-Textes anerkennen, ihn aber dennoch als Kopie mit Fehlern einstufen. Die Variationen innerhalb der F-Gruppe werden ebenfalls berücksichtigt, um die Entstehungsgeschichte und Verbreitung der verschiedenen Versionen zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Marco Polo, Il Milione, Handschriften, Textkritik, Überlieferungsgeschichte, Rustichello da Pisa, Franko-Italienisch, Authentizität, Textgeschichte, philologische Forschung, Divisament dou monde.
Häufig gestellte Fragen zu „Il Milione“ von Marco Polo
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die komplexe Textgeschichte von Marco Polos „Il Milione“. Im Fokus steht die Untersuchung der verschiedenen Handschriftengruppen und der Forschungsstand zur Authentizität des Reiseberichts. Die Arbeit beleuchtet die sprachlichen Besonderheiten der verschiedenen Versionen und deren Nähe zu einem hypothetischen Originaltext.
Welche Handschriftengruppen werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Handschriftengruppen von „Il Milione“, darunter Gruppe F, Gruppe Z, Gruppe VA, Gruppe P, Gruppe FG und Gruppe TA. Jede Gruppe wird auf ihre sprachlichen Eigenheiten und ihren Bezug zur mutmaßlichen Originalfassung hin analysiert. Zusätzlich werden weitere, nicht näher klassifizierte Handschriften erwähnt.
Welche Herausforderungen stellt die Textgeschichte von „Il Milione“ dar?
Die Textgeschichte von „Il Milione“ ist durch eine Vielzahl von Handschriften mit erheblichen Unterschieden gekennzeichnet. Der Text wurde über Jahrhunderte hinweg kopiert und bearbeitet, was zu einer großen Variationsbreite und der Schwierigkeit führt, ein Original oder eine definitive Version zu identifizieren. Die Arbeit diskutiert die Herausforderungen der Textkritik und Edition aufgrund dieser Vielfalt.
Welche Rolle spielt Rustichello da Pisa?
Die Arbeit untersucht die Rolle von Rustichello da Pisa bei der Entstehung und Verbreitung von „Il Milione“. Rustichello wird als Erzähler und seine Behauptungen zur Authentizität des Reiseberichts werden analysiert. Seine Beteiligung an der Entstehung der verschiedenen Handschriften und deren sprachliche Auswirkungen werden ebenfalls thematisiert.
Welche Sprachen sind in den Handschriften von „Il Milione“ vertreten?
Die Handschriften von „Il Milione“ existieren in verschiedenen Sprachen und Sprachvarianten. Besonders hervorgehoben werden Franko-Italienisch, Venezianisch und Toskanisch. Die sprachlichen Unterschiede zwischen den Handschriften und ihre Bedeutung für die Textkritik werden eingehend behandelt.
Wie wird die Authentizität des Reiseberichts bewertet?
Die Arbeit beleuchtet die Debatte um die Authentizität von Marco Polos Reisebericht und bewertet unterschiedliche Forschungsansätze. Sie betrachtet die Nähe der einzelnen Versionen zu einem hypothetischen Originaltext und diskutiert die Argumente für und gegen die Authentizität des Berichts anhand der philologischen Analyse der verschiedenen Handschriften.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Arbeit relevant?
Schlüsselbegriffe sind Marco Polo, Il Milione, Handschriften, Textkritik, Überlieferungsgeschichte, Rustichello da Pisa, Franko-Italienisch, Authentizität, Textgeschichte, philologische Forschung und Divisament dou monde.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit?
Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, ein Kapitel zu den Handschriften von „Il Milione“ mit Unterkapiteln zu den einzelnen Handschriftengruppen, ein Kapitel zum Diskurs zwischen Phantasie und Wirklichkeit, und abschließend ein Fazit. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der Textgeschichte und der damit verbundenen Herausforderungen.
Wie wird die Forschungsfrage der Arbeit formuliert?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie lassen sich die verschiedenen Handschriftengruppen von „Il Milione“ analysieren, um den Forschungsstand zur Authentizität des Reiseberichts darzustellen und die Nähe der einzelnen Versionen zum hypothetischen Originaltext zu beleuchten?
- Quote paper
- Yves Martin Görsch (Author), 2009, Zu Marco Polo: Il Milione - Die Wunder der Welt, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/142296