Die Geschichte der Herrnhuter Mission im Südamerikanischen Land Surinam wurde von Historikern oft vom Ende her aufgerollt. Über die Emanzipation der Sklaven im Niederländischen Orbit wurde viel geforscht, geschrieben, die Herrnhuter Protagonisten wie Peter LaTrobe oder Otto Tank beleuchtet, die Meinungen und Handlungen der christlichen Gemeinschaft im Kontext analysiert. Wie standen sie zur Sklavenfrage? Was unterschied sie von den Abolitionisten aus Großbritannien, wie rechtfertigten sie ihre Zusammenarbeit mit anderen Kolonialisten und gestalteten sie das Zusammenleben mit den Sklaven?
Doch verpasst es die vorliegende Forschungsliteratur oft, Hintergründe zu beleuchten, die das Verhalten der Herrnhuter verständlich machen. Die Quellen aus der Zeit der Emanzipationsbewegung, also zwischen 1830 und 1871, geben darüber nicht viel Aufschluss – die Briefe von Tank, LaTrobe oder der Missionare vor Ort reagieren oft auf verbale Angriffe von englischen Christen aufgrund ihres Sklavenbesitzes, sie argumentieren und rechtfertigen, verraten aber wenig von dem unreflektierten, unkritischen Geist, mit dem sie ihre Missionsarbeit in Surinam begannen. Sekundärliteratur verweist in diesem Fall auf Zitate von Graf von Zinzendorf, der die Sklaverei als Gottes Strafe für die Afrikaner umdeutete und jedem auferlegte, sich seinem Schicksal zu fügen.
Von solch einer Meinung waren die ersten Männer, die 1735 nach Surinam ausgesendet wurden, sicherlich geprägt. Und trotzdem waren sie selbst es, nicht Zinzendorf, die mit den kolonialien Verhältnissen, dem Umgang zwischen Pflanzern und Sklaven, konfrontiert wurden und ihren Platz in dem System einnehmen mussten. Deshalb ist es sinnvoll, nicht nur die offiziellen Verlautbarungen der Herrnhuter Gemeinschaft zu betrachten, sondern auch die Randnotizen, die Briefe und Diarien der Missionare vor Ort. Viele schriftliche Quellen hat Fritz Staehelin in seiner “Geschichte der Mission in Surinam” versammelt. Sie geben Aufschluss über das Wesen und die Absichten der Missionare in der Anfangsphase ihres Wirkens. In der vorliegenden Arbeit werden jene Quellen aus den Jahren 1735 bis 1745 in ihren historischen Kontext eingebettet, dann analysiert, mit Hintergrund-Informationen gestützt und hinsichtlich folgender Gesichtspunkte interpretiert: [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Vorzeichen
- 1.a) Die niederländische Kolonialpolitik im 18. Jahrhundert
- 1.b) Spangenbergs Verhandlungen mit der Surinamer Sozietät
- 2. Chronik des Scheiterns
- 2.a) Die ersten erfolglosen Siedlungsversuche
- 2.b) Die dritte Aussendung
- 3. Hintergründe
- 3.a) Brüder oder Diener? Sklaven, Maroons und indigene Völker
- 3.b) Konflikte untereinander
- 3.c) Konfrontation mit kirchlichen und politischen Autoritäten
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Anfänge der Herrnhuter Mission in Surinam im 18. Jahrhundert, insbesondere die Periode von 1735 bis 1745. Sie untersucht, wie die Herrnhuter Missionare mit den kolonialen Strukturen und dem Umgang mit Sklaven konfrontiert waren, welche Herausforderungen sie bewältigten und welche Rolle sie in der komplexen Gesellschaft Surinams spielten. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Missionare passive Unterordnung gegenüber den bestehenden Verhältnissen anstrebten oder Widerstand leisteten.
- Die niederländische Kolonialpolitik und ihre Auswirkungen auf die Sklavengesellschaft Surinams
- Die ersten Missionsversuche der Herrnhuter in Surinam und ihre Schwierigkeiten
- Die Beziehungen der Herrnhuter Missionare zu Sklaven, Maroons und indigenen Völkern
- Die Konflikte der Missionare mit europäischen Siedlern und kirchlichen Autoritäten
- Die Bewertung der Sklavenfrage durch die Herrnhuter Missionare in der Anfangsphase
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Fokus der Arbeit dar. Sie erläutert, warum die frühe Phase der Herrnhuter Mission in Surinam von besonderem Interesse ist und welche Quellen für die Untersuchung genutzt werden. Kapitel 1 beleuchtet das historische Umfeld der Herrnhuter Mission in Surinam. Es beschreibt die niederländische Kolonialpolitik und die Situation der Sklaven in der Kolonie. Des Weiteren werden die Verhandlungen zwischen den Herrnhutern und der Surinamer Sozietät über die Gründung von Missionsstationen dargestellt. Kapitel 2 schildert die ersten erfolglosen Siedlungsversuche der Herrnhuter in Surinam und die Gründe für ihr Scheitern. Es wird auch die dritte Aussendung von Missionaren und deren erste Erfahrungen in der Kolonie beschrieben. Kapitel 3 analysiert die Hintergründe und die Herausforderungen, denen sich die Herrnhuter Missionare in Surinam gegenüber sahen. Es werden die Beziehungen zu Sklaven, Maroons und indigenen Völkern sowie Konflikte mit europäischen Siedlern und kirchlichen Autoritäten beleuchtet. Die Zusammenfassung fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet eine Bewertung der Rolle der Herrnhuter Missionare in der frühen Phase ihrer Tätigkeit in Surinam.
Schlüsselwörter
Herrnhuter Mission, Surinam, Sklaverei, Kolonialismus, Missionare, Sklaven, Maroons, indigene Völker, Kolonialpolitik, Konflikte, Widerstand, Anpassung, Quellenanalyse, historische Kontext
- Quote paper
- Anna-Maria Heinemann (Author), 2009, Konfliktreicher Anfang in Surinam: Die Herrnhuter Mission zwischen Anpassung und Widerstand, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/140860