Die Forschungsfrage dieser Untersuchung lautet: Beeinflussen schulsportverweigernde Schüler:innen ihre aktiven Mitschüler:innen?
Der Forschungsbericht soll im ersten Abschnitt die theoretisch relevanten Grundlagen von Schulsportverweigerung respektive der für den Rahmen der Untersuchung relevanten Teilbereiche der Wahrnehmung, Bewertung und Teilnahmebereitschaft sowie die damit verbundenen (möglichen) Einflussgrößen kurz umreißen. Da die Thematik eine unbeantwortete Frage in der aktuellen Forschung darstellt, soll der Forschungsstand aus einer anderen, neuen Perspektive, und zwar der von Mitschüler:innen, betrachtet und die empirische Konzeption dafür von ähnlichen Studien hergeleitet werden. Im zweiten Abschnitt sollen die Fragestellung, Methodik und Ergebnisse der praktischen Untersuchung erörtert werden, die im dritten Abschnitt vor dem Hintergrund des Forschungsgegenstands analysiert und diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung.
2 Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
2.1 Das Phänomen der Schulsportverweigerung
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Ein demografischer Blick auf Schulsportverweigerung
2.1.3 Ursachen und Wirkungszusammenhänge.
2.2 [...] im Kontext von Wahrnehmung, Bewertung und Teilnahmebereitschaft
3 Ein- und Herleitung der Fragestellung und Hypothesen
4 Studiendesign
4.1 Limitation und Konzeption
4.2 Items und Variablen
4.3 Datenerhebung, Instrumente und Datenauswertung
5 Ergebnisse
5.1 Ergebnisse der Response
5.2 Ergebnisse der Einflussgrößen
6 Auswertung, Diskussion und Fazit
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Akteure der Schulsportverweigerung und Wirkungszusammenhang von Schulsportverweigerung, Einflussgröße und Response
Abb. 2: Häufigkeitsverteilung der Angaben zur Wahrnehmung
Abb. 3: Häufigkeitsverteilung der Angaben zur Bewertung
Abb. 4: Häufigkeitsverteilung der Angaben zur Teilnahmebereitschaft
Abb. 5: Mittelwerte und Standardabweichung der Responsevariablen für Geschlecht, Profil und Klassenzugehörigkeit
Abb. 6: Häufigkeitsverteilung der Angaben zur Teilnahmebereitschaft von Mitschülerinnen im Vergleich zu Peergroup und der Art von Schulsportverweigerung hinsichtlich der Auswirkung auf die Teilnahmebereitschaft
Tabellenverzeichnis
Tab 1: Ergebnisse der Korrelationstestung von Einfluss und Response
Tab. 2: Unterschiedstestung von Response und Einflussgröße in Bezug auf Geschlecht, Profil und Klasse
1 Einleitung
„Wenn die nicht mitmachen, dann will ich auch nicht.“ Ob ein solcher Satz in deutschen Sporthallen oder Schwimmbädern (häufig) geäußert wird oder nicht, lässt sich nur mutmaßen. Vor dem Hintergrund des Unterrichtsphänomens der Schulsportverweigerung, das ich während meines Praxissemesters immer wieder beobachten konnte, erscheint der Satz allerdings alltäglich plausibel, da immer gleich mehrere Schüler:innen nicht am Sportunterricht teilnahmen. Daraus entsprang der Gedanke meiner Forschungsfrage: Beeinflussen schulsportverweigernde Schüler:in- nen ihre aktiven Mitschüler:innen?
Der Forschungsbericht soll im ersten Abschnitt die theoretisch relevanten Grundlagen von Schulsportverweigerung respektive der für den Rahmen der Untersuchung relevanten Teilbereiche der Wahrnehmung, Bewertung und Teilnahmebereitschaft sowie die damit verbundenen (möglichen) Einflussgrößen kurz umreißen. Da die Thematik eine unbeantwortete Frage in der aktuellen Forschung darstellt, soll der Forschungsstand aus einer anderen, neuen Perspektive, und zwar der von Mitschüler:innen, betrachtet und die empirische Konzeption dafür von ähnlichen Studien hergeleitet werden. Im zweiten Abschnitt sollen die Fragestellung, Methodik und Ergebnisse der praktischen Untersuchung erörtert werden, die im dritten Abschnitt vor dem Hintergrund des Forschungsgegenstands analysiert und diskutiert werden.
2 Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
2.1 Das Phänomen der Schulsportverweigerung2.2 [...] im Kontext von Wahrnehmung, Bewertung und Teilnahmebereitschaft Wahrnehmung kann als ein komplexer Prozess des Informationsgewinns durch die Verarbeitung von Reizen definiert werden und erfolgt nach subjektiven Kriterien; jede/r nimmt aufgrund der eigenen Erfahrungen und vorheriger Lernprozesse individuell wahr (Martin & Wawrinowski, 1993). Dabei nehmen Menschen die Vielzahl komplexer Reize vor allem unbewusst auf, während bewusste Wahrnehmung und anschließendes Deuten die eingehenden Reize selektiert, organisiert, fixiert und akzentuiert. Laut Guski (2000) steht die Wahrnehmung von Ereignissen in Abhängigkeit zu bestimmten Erfahrungs- und Wissensschätzen oder Mitmenschen. In der Folge reagieren Menschen besonders sensibel auf Ereignisse, wenn sie Vergleiche anstellen können (Guski, 2000) und weniger sensibel bei alltäglichen oder gewohnten Ereignissen bspw. ständige Verweigerung von Schulsport von Mitschüler:innen. Es wurde auch festgestellt, dass die Wahrnehmung eines Ereignisses von der aktuellen Stimmung beeinflusst wird, in der sich die Person befindet (Guski, 2000).
Wird Sportunterricht vor dem Hintergrund von Wahrnehmung betrachtet, so nimmt dieser eine Sonderrolle ein, da der klassische Ordnungsrahmen, der in den meisten anderen Fächern vorherrscht, im Sportunterricht nicht existiert bzw. immer wieder geändert wird (Olufemi, 2013). Durch ständig wechselnde Organisationsrahmen verändern sich für alle aktiv Beteiligten die Perspektiven; wurde bspw. gerade noch im Sitzkreis der Unterrichtsverlauf besprochen, so sind wenige Minuten später alle in der gesamten Halle verteilt und in Bewegung. Aktiv Beteiligte müssen sich in der wechselnden Szenerie fortlaufend neu orientieren und zurechtfinden, während jede Veränderung der Gegebenheiten den Schüler:innen neuen Sinneseindrücke verschafft. Aufgrund dessen ist wahrscheinlich, dass Schüler:innen (wie Lehrkräfte), die im Sportunterricht mit Schulsportverweigerung konfrontiert werden, die Situation in unterschiedlich starkem Ausmaß wahrnehmen (Olufemi, 2013). Ein Verweigerungshalten kann dabei von den beteiligten Akteuren überhaupt nicht registriert oder sogar als Unterrichtsstörung klassifiziert werden (Kleiner & Reichel, 2008). Die Wahrnehmungen und die Bewertungen von z. B. Unterrichtsstörungen entspringen einem normativen Konzept, aus dem Vergleich des soeben Wahrgenommenen mit der jeweiligen subjektiven Norm von Sportunterricht (Siebert, 2005). Nach Blaser & Lennartz (2000) nehmen Schüler:innen auftretende Störungen deutlich weniger wahr als Lehrpersonen und bewerten diese als weniger belastend.
Die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of planned behavior) von Fishbein & Ajzen (1975) untersucht den Zusammenhang zwischen den Erwartungen und der Bewertungen eines bestimmten Verhaltens (Attitude1 ), der Verhaltenserwartung des sozialen Umfelds (Subjective Norm2 ) und der Erwartung, eine entsprechende Situation kontrollieren zu können (Behavioral Control3 ). In Bezug auf die Teilnahmebereitschaft am Schulsport bedeutet dies, dass die Response Teilnahmebereitschaft im Kontext von Bewertung der Schulsportverweigerung des Individuums sowie der sozialen Gruppe (Mitschüler:innen bzw. Klasse) und den Erwartungen der Schüler:innen die Kontrolle über die Situation im Schulsport zu haben, betrachtet werden muss.
Die Erwartungs-Nutzen-Theorie von Wigfield & Eccles (2000) und das Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura (1997) zeigen, dass die Teilnahmebereitschaft von der Erwartung des erzielbaren Erfolgs und dem subjektiv empfundenen Nutzen abhängt. Hinsichtlich der Verweigerung von Schulsport würde das bedeuten, dass Schüler:innen, die eine geringere Erfolgserwartung, eine geringe Fähigkeitseinschätzungen und einen geringeren Nutzen im Sportunterricht sehen, eher geneigt sind, die Teilnahme zu verweigern.
Nach Flick et al. (2007.) resultieren Entscheidungen und Verhaltensweisen eines Menschen aus einem Zusammenspiel seiner kognitiven Kapazitäten, den dazugehörigen emotionalen Zuständen und den sozialen Gegebenheiten und sind demnach nicht nur durch den Intellekt geprägt. Sollen die im Unterricht ablaufenden Interaktionsprozessen umfangreich erfasst und betrachtet werden, benötigt man Einsicht in die subjektive Perspektive der Schüler:innen sowie ihre Erlebens- und Urteilsprozesse (Fichten, 1993, S.40). Eine differenzierte Betrachtung des Problems sollte dementsprechend nicht eindimensional erfolgen, sondern fordert alle am Interaktionsprozess der Schule Beteiligten, also auch am Sport aktiv teilnehmende Schüler:innen, zu berücksichtigen (Pfitzner und Schoppek 2000, S. 351). Nur eine solche Gegenüberstellung von Einschätzungen und Perspektiven zu unterrichtlichen Situationen ist die Voraussetzung dafür, die Einstellungen, Erwartungen und Wahrnehmungen eines anderen zu verstehen (vgl. Pfitzner und Schoppek, 2000, S. 352), was wiederum der Ausgangspunkt für ein reflektiertes und verantwortliches Handeln ist.
3 Ein- und Herleitung der Fragestellung und Hypothesen
Grundlegend kann bei Schulsportverweigerung davon ausgegangen werden, dass Lehrkräfte, aktive Schüler:innen und sportverweigernde Personen in einer Wechselwirkung zueinanderste- hen und sich gegenseitig beeinflussen können. In der empirischen und literaturbasierten Auseinandersetzung mit Schulsportverweigerung werden insbesondere die Perspektiven, Ursachen oder Verhaltensweisen von verweigernden Schüler:innen oder den damit konfrontierten Lehrkräften thematisiert, die sich reflektiert mit Hintergründen oder Maßnahmen auseinandersetzen (sollten). Diese werden im Kontext der Beziehungsebene betrachtet, bei der auch den aktiven Mit- schüler:innen ein Einfluss auf die sportverweigernden Personen zugeschrieben wird. Eine Forschungslücke besteht darin, dass die Wirkung der Interaktion und der Einfluss zwischen (aktiver) Sportklasse und Schulsportverweigernden lediglich aus der Perspektive der verweigernden Person betrachtet wird, während der Einfluss der Schulsportverweigerung auf die aktiven Mitschü- ler:innen weitgehend unerforscht ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Akteure der Schulsportverweigerung und Wirkungszusammenhang von Schulsportverweigerung, Einflussgröße und Response (selbst erstellte Grafik).
Für diese Auseinandersetzung werden die Konstrukte Response4 und Einflussgrößen in Abhängigkeit zur Schulsportverweigerung betrachtet. Dabei wird angenommen, dass die Wahrnehmung und Bewertung von - sowie die Teilnahmebereitschaft bei Schulsportverweigerung in einem Zusammenhang mit der Peergroup, der Art der Schulsportverweigerung, dem Klassenklima und der Relevanz des Sportunterrichts stehen. Der Forschungsbericht hat das Ziel
- zu überprüfen, ob Schülerinnen angeben, dass sie Schulsportverweigerung im Sportunterricht wahrnehmen, diese sich auf ihre Teilnahmebereitschaft auswirkt und wie sie Schulsportverweigerung bewerten,
- zu untersuchen, was relevante Einflussgrößen5 in Bezug auf die Wahrnehmung, Bewertung, Teilnahmebereitschaft bei Schulsportverweigerung sind,
- und zu prüfen, ob dabei Unterschiede hinsichtlich des Geschlechtes, des Sportprofils und der Klassenzugehörigkeit festzustellen sind.
Zur Beantwortung der Fragestellung von relevanten Einflussgrößen auf Wahrnehmung, Bewertung, Teilnahmebereitschaft werden für die spätere Korrelationsprüfung folgende Hypothesen exemplarisch aufgestellt. Dabei soll eine Korrelationstestung zwischen jeder Einflussgröße und jeder Response durchgeführt werden:
- Hz1-19(infl~resp): Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Angaben der Einflussgröße (a-d6 ) und denen der Response (I-III7 ).
Zur Beantwortung der Frage, ob es Unterschiede bei der Wahrnehmung, Bewertung oder Teilnahmebereitschaft hinsichtlich des Geschlechts, des Sportprofils und der der Klassenzugehörigkeit gibt, werden folgende Hypothesen aufgestellt:
- Hz20-23(gAresp ): Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich hinsichtlich der Angaben zur (I) Wahrnehmung, (II) Bewertung und (III) Teilnahmebereitschaft.
- Hz24-27(ProfilAresp ): Die Sportprofile (p1,p2,p3) unterscheiden sich hinsichtlich der Angaben zur (I) Wahrnehmung, (II) Bewertung und (III) Teilnahmebereitschaft.
- Hz27-31(KlassenAresp ): Die Klassen (blau, rot, grün, gelb) unterscheiden sich hinsichtlich der Angaben zur (I) Wahrnehmung, (II) Bewertung und (III) Teilnahmebereitschaft.
4 Studiendesign
4.1 Limitation und Konzeption
Wie Wolters & Gebken (vgl. 2005, S. 6) in ihren Ausführungen erwähnen, gibt es keine verlässlichen Daten zur Entwicklung oder zum aktuellen Stand von Schulsportverweigerung. Ein Grund dafür liegt in der damit verbunden Limitation, dass Schulsportverweigerung ein Unterrichtsphänomen darstellt, das nicht künstlich erzeugt, sondern nur in der Praxis beobachtet werden kann. Da im Zuge dieser Erhebung keine Vergleichsgruppe zur Verfügung steht, wird Schulsportverweigerung als „alltägliche“ Prämisse vorausgesetzt.
Gleichzeitig kann bei der Fragebogenerhebung nicht davon ausgegangen werden, dass die Pro- band:innen wissen, was der Begriff Schulsportverweigerung bedeutet oder verbunden wird. Deshalb wird Schulsportverweigerung im Rahmen dieser Untersuchung als „Nicht-Teilnahme am Schulsport“ definiert, bei der diejenigen Schüler:innen gemeint sind, die keine Verletzung haben oder krank sind, und sich trotzdem nicht aktiv am Sportunterricht beteiligen.
[...]
1 Die Attitude bezieht sich auf die positive oder negative Einstellung einer Person gegenüber einem bestimmten Verhalten.
2 Die Subjective Norm bezieht sich auf die Erwartungen der sozialen Gruppe, mit der eine Person in Beziehung steht, in Bezug auf das Verhalten.
3 Die Behavioral Control bezieht sich auf die Erwartung, dass eine Person die Mittel und Ressourcen hat, um das Verhalten auszuführen.
4 Durch einen Reiz ausgelöstes und bestimmtes Verhalten (Duden, 2023) in Bezug auf Wahrnehmung, Bewertung und Teilnahmebereitschaft
5 Peergroup, Art der Schulsportverweigerung, Relevanz von Sportunterricht und das Klassenklima.
6 (a) Peergroup, (b) Art der Schulsportverweigerung (b1 Passivität, b2 Banksitzen, b3 Schwänzen), (c) Relevanz d. Sportunterrichts und (d) Unterrichtsklima
7 (I) Wahrnehmung, (II) Bewertung und (III) Teilnahmebereitschaft
- Quote paper
- Anonymous,, 2023, Das Phänomen der Schulsportverweigerung. Ein (ir)relevanter Einfluss auf Mitschüler:innen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1365386