Hat Kultur ein Geschlecht? Aus heutiger Sicht beantworten wir diese Frage in der Regel spontan mit Nein. Werden wir jedoch aufgefordert, bedeutende Künstlerpersönlichkeiten zu nennen, fallen fast ausschließlich männliche Namen. Selbst Studenten der Kunstgeschichte nennen auf Anhieb nur wenige Frauen, vielleicht Angelika Kauffmann , Paula Modersohn-Becker oder Meret Oppenheim . Dies gilt nicht nur für die zurückliegenden Jahrhunderte, sondern auch für das 20. Jahrhundert und damit jene kunstgeschichtlichen Strömungen, die uns näher stehen, angefangen von der Klassischen Moderne bis in die Zeitgenossenschaft. Lediglich bei den an zeitgenössischer Kunst Interessierten ist die Liste umso besser bestückt, je mehr wir uns der Gegenwart nähern. Linda Nochlin und die feministische Kunstwissenschaft wählen dieses Phänomen als Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen, um es aus unterschiedlichen Blickwinkeln wissenschaftlich zu hinterfragen.
Hat Kultur ein Geschlecht? Im Rahmen einer Dokumentation zur Fachtagung „Welches Geschlecht hat Kultur? Geschlechtergerechtigkeit in der Kulturarbeit“ kommt Silke Wenk zu dem Schluss: „Von Haben kann nicht, aber vom Herstellen muss die Rede sein. Und eben hier kommt der Arbeit in Institutionen der Kulturvermittlung eine wichtige Rolle zu, insofern sie die »Selbstverständlichkeiten« tradierter Stereotypen und Bilder, seien es solche des »Geschlechts« oder »der Kunst« in Frage stellen kann.“ Damit greift sie jenen Ansatz auf, den auch Linda Nochlin in ihrem wegweisenden Aufsatz 1971 in den Mittelpunkt ihrer Darstellungen rückte, und unterstreicht dessen Aktualität.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Ansatz von Linda Nochlin
- Linda Nochlin - zur Person
- Linda Nochlin: Warum hat es keine bedeutenden Künstlerinnen gegeben?
- Denkmodell Genie
- Empirie und Ideologie
- Frau oder Künstlerin
- Konsequenzen
- Kunstwissenschaft unter dem Blickwinkel des Feminismus
- Einblicke in die feministische Kunstbetrachtung
- Die Macht des Unbewussten: Kunst und Psychoanalyse
- Die Macht der Allegorie: Stilkritik und Feminismus
- Kunst, Ökonomie und Weiblichkeit
- Der Mann als Forschungsobjekt
- Linda Nochlin und die feministische Kunstwissenschaft
- Einblicke in die feministische Kunstbetrachtung
- Schlussbemerkung
- Literatur
- Internetquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die Frage, warum es in der Kunstgeschichte so wenige bedeutende Künstlerinnen gibt, und beleuchtet diese Thematik aus der Perspektive der feministischen Kunstwissenschaft. Der Fokus liegt auf dem Ansatz von Linda Nochlin und ihrer wegweisenden Arbeit „Why have there been no great women artists?".
- Die Rolle von Geschlechterstereotypen in der Kunstgeschichte
- Die Bedeutung von empirischen Daten und ideologischen Prämissen in der Kunstforschung
- Die Herausforderungen der feministischen Kunstbetrachtung
- Die Relevanz von Linda Nochlins Werk für die feministische Kunstwissenschaft
- Die Frage nach einem spezifisch „weiblichen Stil" in der Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Frage nach dem Einfluss von Geschlecht auf Kultur und Kunst in den Vordergrund. Sie zeigt auf, dass trotz der vermeintlichen Gleichstellung der Geschlechter in der heutigen Gesellschaft, die Liste der bekannten Künstlerinnen deutlich kürzer ist als die der Künstler. Linda Nochlin und die feministische Kunstwissenschaft nehmen dieses Phänomen zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen.
Im zweiten Kapitel wird der Ansatz von Linda Nochlin vorgestellt. Zunächst wird ein kurzer Überblick über ihre Person und ihre wissenschaftliche Arbeit gegeben. Anschließend wird ihr Aufsatz „Why have there been no great women artists?" im Detail analysiert. Nochlin hinterfragt die gängige Annahme, dass es keine bedeutenden Künstlerinnen gibt, und zeigt auf, dass diese Annahme auf einer Reihe von Vorurteilen und falschen Annahmen beruht. Sie argumentiert, dass die Frage nach dem Fehlen von Künstlerinnen nicht durch einen biographischen Ansatz oder durch stilkritische Untersuchungen beantwortet werden kann, sondern durch eine kritische Analyse der gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen, die die künstlerische Entwicklung von Frauen behindert haben.
Das dritte Kapitel widmet sich der Kunstwissenschaft unter dem Blickwinkel des Feminismus. Es werden verschiedene Ansätze der feministischen Kunstbetrachtung vorgestellt, die sich mit der Rolle von Geschlecht in der Kunst auseinandersetzen. Dazu gehören die psychoanalytische Kunstinterpretation, die stilkritische Analyse und die Untersuchung der ökonomischen Bedingungen, die die künstlerische Produktion von Frauen beeinflussen.
- Quote paper
- Magister Artium Sigrid Weyers (Author), 2007, Linda Nochlin: Kunstgeschichte als feministische Kulturwissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/133070