Nach PISA, VERA, TIMSS und vielen anderen Studien zur Überprüfung schulischer Basiskompetenzen werden Veränderungen von unserem Bildungssystem erwartet. Der Blickwinkel fällt dabei immer häufiger auf die Zeit der frühen Kindheit, mit der sich meine Arbeit hauptsächlich beschäftigt und die in dieser Zeit, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, ausgeprägte Lern- und Aufnahmefähigkeit des Kindes.
Die Folgen sind die Einführungen von neuen Lernmethoden, vielfältigen didaktischen Mitteln und veränderten Unterrichtsformen.
Durch die sehr hoch angesetzten Bildungsziele suchen immer mehr Eltern nach Alternativen zur Frühförderung ihrer Kinder. An dieser Stelle gewinnt die Pädagogik der Reformpädagogin Maria Montessori in unserer heutigen Zeit enorm an Bedeutung. Ihre Pädagogik scheint für viele Erziehungsberechtigte die gesuchte Alternative darzustellen, wobei viele ihren Focus ausschließlich auf ein frühes Lernen in der Montessori-Pädagogik beschränken und den Aspekt einer grundsätzlichen wertschätzenden, liebevollen Haltung dem Kind gegenüber außer Acht lassen. Maria Montessori hatte nie ausschließlich das Ziel, Lerninhalte wie Lesen-, Rechnen- oder Schreibenlernen, zu vermitteln. Jedoch zeigte sie Möglichkeiten auf, Lernprozesse während des frühen Kindesalters zu begünstigen. Sie selber sagte dazu:
„Es wäre also falsch, wollte man mit Hilfe der Montessori-Pädagogik frühes schulisches Lernen in Kindertagesstätten einführen und das Erlernen der Kulturtechniken grundsätzlich bereits in das Vorschulalter vorverlegen.“
Die Vermittlung einer vorgegebenen frühkindlichen Bildung soll auch nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit darstellen. Das Hauptziel meiner Arbeit ist, einzelne Mathematikmaterialien von Maria Montessori auf ihren pädagogisch methodischen Nutzen zur Entwicklung mathematischer Grundvoraussetzungen im Vorschulbereich zu analysieren. Diese Materialien sollen in einem Kontext der freiheitlich selbsttätigen Erziehung Montessoris dargestellt werden.
Es gibt Vorurteile gegenüber der Montessori-Pädagogik, die häufig mit der Waldorfpädagogik verwechselt wird, und ich hoffe, mit meiner Arbeit einige Vorbehalte zu beseitigen, weitere Lehrer oder Lehramtsanwärter zu motivieren, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen und die Materialien von Maria Montessori z. B. als mögliches Fördermaterial für lernschwache Kinder anzusehen und zu nutzen.
1. Einleitung
Nach PISA, VERA, TIMSS und vielen anderen Studien zur Überprüfung schulischer Basiskompetenzen werden Veränderungen von unserem Bildungssystem erwartet. Der Blickwinkel fällt dabei immer häufiger auf die Zeit der frühen Kindheit, mit der sich meine Arbeit hauptsächlich beschäftigt und die in dieser Zeit, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, ausgeprägte Lern- und Aufnahmefähigkeit des Kindes.
Die Folgen sind die Einführungen von neuen Lernmethoden, vielfältigen didaktischen Mitteln und veränderten Unterrichtsformen.
Durch die sehr hoch angesetzten Bildungsziele suchen immer mehr Eltern nach Alternativen zur Frühförderung ihrer Kinder. An dieser Stelle gewinnt die Pädagogik der Reformpädagogin Maria Montessori in unserer heutigen Zeit enorm an Bedeutung. Ihre Pädagogik scheint für viele Erziehungsberechtigte die gesuchte Alternative darzustellen, wobei viele ihren Focus ausschließlich auf ein frühes Lernen in der Montessori-Pädagogik beschränken und den Aspekt einer grundsätzlichen wertschätzenden, liebevollen Haltung dem Kind gegenüber außer Acht lassen. Maria Montessori hatte nie ausschließlich das Ziel, Lerninhalte wie Lesen-, Rechnen- oder Schreibenlernen, zu vermitteln. Jedoch zeigte sie Möglichkeiten auf, Lernprozesse während des frühen Kindesalters zu begünstigen. Sie selber sagte dazu:
„Es wäre also falsch, wollte man mit Hilfe der Montessori-Pädagogik frühes schulisches Lernen In Kindertagesstätten einführen und das Erlernen der Kulturtechniken grundsätzlich bereits in das Vorschulalter vorverlegen.“2
Die Vermittlung einer vorgegebenen frühkindlichen Bildung soll auch nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit darstellen. Das Hauptziel meiner Arbeit ist, einzelne Mathematikmaterialien von Maria Montessori auf ihren pädagogisch methodischen Nutzen zur Entwicklung mathematischer Grundvoraussetzungen im Vorschulbereich zu analysieren. Diese Materialien sollen in einem Kontext der freiheitlich selbsttätigen Erziehung Montessoris dargestellt werden.
Es gibt Vorurteile gegenüber der Montessori-Pädagogik, die häufig mit der Waldorfpädagogik verwechselt wird, und ich hoffe, mit meiner Arbeit einige Vorbehalte zu beseitigen, weitere Lehrer oder Lehramtsanwärter zu motivieren, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen und die Materialien von Maria Montessori z. B. als mögliches Fördermaterial für lernschwache Kinder anzusehen und zu nutzen.
Meinen Schwerpunkt habe ich auf den Vorschulbereich gerichtet, da ich der Meinung bin, dass besonders diese Materialien dafür nützlich sind, lernschwachen Kindern Fördermöglichkeiten im mathematischen Anfangsunterricht zu bieten. Diese Materialien ermöglichen allen Kindern und besonders lernschwachen Kindern anschaulich und anregend, sich mathematische Grundlagenkenntnisse zu erarbeiten. Maria Montessori spricht selber von ihren Materialien als „materialisierte Abstraktion“3 durch die das Kind im konkreten Umgang mit dem Material zur Erkenntnis gelangt.
In der vorliegenden Arbeit wird der Nutzen der mathematischen Montessori- Materialien, für den Bereich Kinderhaus, im Einzelnen betrachtet.
Die Arbeit lässt sich in sechs wesentliche Abschnitte unterteilen:
Das Leben und die Werke Maria Montessoris bilden den ersten ausführlichen Teil. Es wird ein zeitgeschichtlich biographischer Überblick des Lebens von Maria Montessori geschaffen, um in diesem Kontext die Thesen ihrer Pädagogik leichter nachzuvollziehen und ihr sehr fortgeschrittenes neuzeitliches Denken herauszustellen.
Im zweiten Abschnitt werden prägende Schlüsselbegriffe der Montessori- Pädagogik definiert und erläutert. Dem Leser soll dadurch ein Grundverständnis der Montessori-Pädagogik vermittelt werden. Dies ist besonders relevant für meine Arbeit, da die Montessori-Materialien nicht isoliert, son- dem in der Gesamtkonzeption einer freiheitlich selbsttätigen Erziehung gesehen werden müssen.
Anschließend erfolgt eine Darstellung der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, die die Bildung mathematischer Grundvoraussetzungen im Vorschulbereich darlegen. Auf die dort aufgeführten „Lernziele“ werde ich später, in Verbindung mit den Einzelanalysen der Materialien, immer wieder eingehen.
Die Rolle der Mathematik in der Montessori-Pädagogik bildet den vierten Komplex der Arbeit. Es findet eine Klassifizierung der Mathematik-Materialien sowie eine Darstellung des pädagogischen und methodischen Nutzens der Materialien statt.
Im fünften Teil werden die einzelnen Materialien vorgestellt und auf ihren pädagogisch methodischen Nutzen zur Entwicklung mathematischer Grundvoraussetzungen im Vorschulbereich hin analysiert. Diese Analyse der Materialien basiert auf von mir durchgeführten Beobachtungen in einem Montessori Kinderhaus.4
In einem abschließenden Resümee möchte ich einen Überblick mit den wichtigsten Aspekten meiner Arbeit schaffen. Dabei gehe ich besonders auf die Rolle des Erziehers und die der Vorbereiteten Umgebung ein, um deren Relevanz für den erfolgreichen Umgang mit den Materialien zu verdeutlichen.
2. Maria Montessori - Leben und Werke
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Maria Montessori wurde am 31.08.1870 als einzige Tochter des italienischen Staatsbeamten Alessandro Montessori und Renilde Montessori (geb. Stop- pani), in Chiravalle (Provinz Ancona/ Italien), geboren.
Schon im frühen Kindesalter zeigten sich bei ihr im mathematischen Bereich außerordentliche Begabungen, woraufhin ihre Eltern sie 1883 auf eine „technische Schule“ schickten, die normalerweise nur für Jungen zugänglich war. Der an dieser Schule herrschende Erziehungsstil war sehr autoritär und unterdrückte jegliche Individualität. Maria Montessori, die sehr zielstrebig, willensstark und temperamentvoll war, ließ sich jedoch davon nicht beirren und behielt ihre Individualität soweit es ging bei. Daraus begründet sich eventuell ihr späteres Streben nach einer hohen Anerkennung jeden Individuums.
Den Wunsch ihrer Eltern, Lehrerin zu werden, lehnte sie ab und beabsichtigte zunächst, auf Grund ihres mathematischen Könnens, Mathematik zu studieren. Schließlich entschied sie sich jedoch für das Studium der Medizin. Die Entscheidung, später doch noch als Lehrerin zu arbeiten, traf sie erst als erwachsene Frau.
Die Tatsache, Medizin zu studieren, war in dieser Männerdomäne zur damaligen Zeit kaum vorstellbar. Durch ihren zähen Willen und ihre große Entschlossenheit schaffte sie es 1892, den italienischen Unterrichtsminister davon zu überzeugen, sie an der Universität Rom aufzunehmen und sie begann sofort mit dem Studium der Medizin. Im Jahr 1896 promovierte sie als erste Frau Italiens zum Doktor der Medizin.
Sie widmete sich immer mehr dem Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen und Kindern der unteren sozialen Schicht. Auf Grund ihres großen Engagements für die Frauen- und Kinderrechte wurde sie 1896 zur Delegierten gewählt, die Italien in Berlin auf dem internationalen Frauenkongress vertrat. 1896 nahm sie eine Stelle als Assistenzärztin in der Universitätsklinik in Rom an und gründete zwei Jahre später ihre eigene Praxis.
Das Interesse für die Pädagogik fand Maria Montessori nach einem einschneidenden Erlebnis während ihres Aufenthaltes als Assistenzärztin in der psychiatrischen Abteilung der römischen Universitätskinderklinik. Dort ereignete sich eine Situation, die in der Literatur wie folgt geschildert wird:
„Als sie zum ersten Mal zu den schwachsinnigen Kindern ging, wurde sie von der Wächterin mit Verwünschungen der Kleinen empfangen. Sie seien allesamt schmutzig und naschhaft. Als die junge Ärztin nachforschte, stellte sich als Hauptgrund zu diesem Urteil heraus, dass die Kinder mit dem ihnen gegebenen Brot auf dem Boden spielten, Figür- chen aus ihm formten und es dann so schmutzig aufaßen. Montessori sah sich im Raum um. Im ganzen Krankensaal der Kinder fand sich nichts, absolut nichts außer den Betten. So spielten die armen Kinder eben mit dem einzigen, was sie bekamen, ihrem Brot. Maria Montessori war tief betroffen, sie erkannte erschüttert die Vergewaltigung der Kinder, die daran lag, dass man ihrem Tätigkeitsdrang keine entsprechende Nahrung zugestand. “5
Daraufhin beschloss sie, sich mit der pädagogischen Behandlung von Kindern zu beschäftigen. Sie stieß dabei auf die Werke von Itard6 und Seguin,7 die sich mit den Erziehungsmethoden von geistig behinderten und taubstummen Kindern befassten. Hier fand sie viele Anreize für ihre eigene Pädagogik. Das Übungsmaterial von Seguin für schwachsinnige Kinder bot ihr die Grundlage zur Entwicklung ihres Sinnesmaterials für normale Kinder. Durch ihr wachsendes Interesse an der Erziehung und Pädagogik von Kindern, begann Maria Montessori 1902 das Studium der Pädagogik und Experimentierpsychologie. Zusätzlich setzte sie sich intensiv mit der Anthropologie auseinander und bekam 1904 ihren eigenen Lehrstuhl für Anthropologie an der Universität Rom. Dort lehrte sie bis 1908.
Zuvor wurde sie 1898 Leiterin des pädagogischen Institutes „Scuola Magistrale Ortofenica“, eine Schule zur Ausbildung von Heilpädagogen. Dort widmete sie sich über zwei Jahre der Ausbildung von Lehrern.
Zuvor lernte sie Dr. Giuseppe Montesano kennen und wurde zwei Jahre später von ihm schwanger. 1898 gebar Maria Montessori ihren einzigen Sohn, Mario Montessori. Die Geburt eines unehelichen Kindes war zu dieser Zeit unvorstellbar und somit war sie gezwungen, ihren Sohn wegzugeben. Erst als er ein junger Mann war, holte sie ihn 1913 zu sich nach Hause zurück. Ihren eigenen Sohn musste sie aus gesellschaftlichen Gründen weggeben und gleichzeitig setzte sich mit ganzem Herzen für die vernachlässigten Kinder der damaligen Gesellschaft ein.
Erste Erfahrungen in der Erziehung von Kindern machte sie, als sie 1906 ihr erstes Kinderhaus die „Casa dei Bambini“ eröffnete. Dieses Kinderhaus befand sich in einem slumähnlichen Viertel in Rom und sollte eine Aufbewahrungsstätte für vernachlässigte Vorschulkinder bieten. Hier brachte sie das erste Mal ihr Gedankengut für die Gestaltung der Umgebung des Kindes ein und verwendete erstmals ihre Sinnesmaterialien bei normal intelligenten Kindern.
Nachdem sich immer mehr Menschen für ihre Pädagogik interessierten und sie dazu drängten, ihre Methode niederzuschreiben, veröffentlichte Maria Montessori 1909 ihr erstes schriftliches Werk „II Metodo della Pedagogica Scientificia applicato all’educazione infantile nelle casa die Bambini“. Dieses Werk wurde 1913 in Deutschland unter dem Titel „Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter“ veröffentlicht.
Ab diesem Zeitpunkt übertrug Maria Montessori die Leitung ihres Kinderhauses an ihre Mitarbeiterinnen, gab ihre Praxis als Ärztin auf und widmete sich der Lehrerausbildung zur Ausübung ihrer Pädagogik.
Ab 1910 verbreitete sich ihre Pädagogik immer mehr und sie erlangte große internationale Erfolge. Italien und die Schweiz führten ihre Methode an der Volksschule ein, während sie in England und Argentinien schon längere Zeit praktiziert wurde. Weitere Länder folgen dieser Bewegung. 1929 gründete sie zusammen mit ihrem Sohn die AMI,8 die Dachorganisation der Montesso- ri-Gesellschaft.
Durch ihre großen Erfolge in vielen Ländern entstanden immer mehr Mon- tessori-Einrichtungen. Ab dem Jahr 1933 kam es jedoch zu herben Rückschlägen. Auf Grund von politischen Umständen wurden viele ihrer Einrichtungen geschlossen. Der Nationalsozialismus zerstörte in Deutschland ihre Bewegung. In Italien kam sie mit dem italienischen Faschismus in Konflikt und alle Schulen wurden dort geschlossen. In Deutschland und Österreich wurden ab 1936 all ihre Bücher verbrannt. Im selben Jahr begann in Spanien der Bürgerkrieg und Montessori verließ Barcelona. Ihre gesamten Einrichtungen in Spanien wurden geschlossen.
1939 verließ Maria Montessori Europa und wanderte nach Indien aus. Dort kam es zu einem Aufschwung der indischen Montessori-Bewegung.
1949 kehrte sie nach dem Kriegsende nach Europa zurück und verstarb an einem friedlichen Tod im hohen Alter von 82 Jahren in Noordwijk aan Zee in den Niederlanden.
Maria Montessori ist zwar tot, aber ihr Geist der Liebe zu den Kindern lebt in ihren Kinderhäusern und allen anderen Einrichtungen weiter. Noch heute sind ihre Einrichtungen auf der ganzen Welt verteilt, in denen ihre Pädagogik lebendig praktiziert wird.
3. Schlüsselbeqriffe der Montessori-Pädagogik
3.1 Grundgedanken der Montessori-Pädagogik
Die von Maria Montessori vor ca. einhundert Jahren entwickelte Pädagogik ist eine Bildungsmethodik und Bildungsphilosophie für Kindergärten und Schulen.
Maria Montessori versuchte eine Pädagogik aufzuzeigen, in der sich das Kind angeleitet, in einem Freiraum für selbstständiges Denken möglichst frei entfalten kann. Sie spricht von einer Pädagogik, die vom Kinde ausgeht. Dabei soll das Kind der Mittelpunkt aller pädagogischen Bemühungen sein. Sie hatte die Vorstellung, dass dem Kind die Möglichkeit geschaffen werden soll, sich in einer ihm entsprechenden Umgebung frei zu entfalten und eine psychisch gesunde und eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln.
Diese Forderung nach freier Entfaltung beinhaltet die Abschaffung des autoritären Erziehungsstils und die Schaffung einer für das Kind ansprechenden Umgebung.
Ziel soll es sein, sich durch die nötige Hilfe des Erziehers vom Erwachsenen zu lösen und eine selbstständige Persönlichkeit zu entwickeln. Der Erziehungsprozess ist im Wesentlichen ein Selbsterziehungsprozess. Dabei soll der Erzieher dem Appell des Kindes folgen, der lautet:
..Hilf mir, es selbst zu tun“9
Dieser Appell wird heute oft als der Leitsatz der Montessori-Pädagogik verstanden und soll so viel heißen wie:
„Zeig mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es selbst tun. Hab aber auch Geduld, meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Bitte beobachte mich nur und greife nicht ein. Ich werde üben. Ich werde meine Fehler, die ich mache, erkennen. Das Material zeigt sie mir selbst. “10
Somit kommt dem Erzieher die Aufgabe zu, durch die Interpretation kindlicher Bedürfnisse, die Bedingungen zu schaffen, die das Kind braucht, damit es durch eigene Kraft seinen Wachstums- und Bildungsprozess vorantreiben kann. Für den Erzieher bedeutet das, dem Kind eine bewusst vorbereitete Umgebung zu bieten und im richtigen Moment die nötige Hilfe zu leisten.
Die von Maria Montessori bezeichnete „Vorbereitete Umgebung“ verlangt zum einen, den auf diese Pädagogik hin geschulten Erzieher mit einer positiv förderlichen Haltung und zum anderen, die Bereitstellung von ausgewählten Arbeitsmaterialien, damit das Kind seine Bildungsziele erreichen kann. Die Arbeitsmaterialien haben die Aufgabe, die Aktivität des Kindes herauszufordern und in sinnvolle Bahnen zu lenken.
Bei all diesen Überlegungen ist jedoch ihre Sichtweise über die Natur des Kindes mit einzubeziehen.
3.2 Die Entdeckung der Natur des Kindes
Denkt man heute an Kinder, so stellt man fest, dass sie von vielen Erwachsenen als störend und nicht „angepasst“ empfunden werden. Maria Montessori erklärte dieses Phänomen schon vor einem knappen Jahrhundert damit, dass das Kind und der Erwachsene zwei vollkommen verschiedene Wesen mit jeweils spezifischen Bedürfnissen seien.
Der Erwachsene sieht das Kind meist als leeres Wesen, dem man durch eine gute Erziehung viel mit auf den Weg geben kann. Auf dem Weg der Entwicklung bedarf dieses „unfähige Wesen“ jedoch der Führung durch den Erwachsenen. Meist sieht sich der Erwachsene dabei als „Schöpfer und Richter des Kindes, der über gute und böse Handlungen des Kindes richtet.“11 Maria Montessori entdeckte ein ganz anderes Kind, das nicht auf die Führung eines unfehlbaren, autoritären Erwachsenen angewiesen ist. Ihr zeigte sich ein Kind, das sich selbstständig beschäftigt und schwere „Arbeit“12 vollbringt.
Daraus entwickelte sich ihre Auffassung von einem Kind, dessen Entwicklung im Einklang mit der Natur aus sich heraus verläuft und auf einem vorgegeben inneren Bauplan basiert. Auf Grund ihrer Erfahrungen, ist das Kind „von Natur aus zu einer spontanen Entwicklung seiner motorischen, kognitiven und sozialen Funktion fähig und verfügt sowohl über einen immanenten konstruktiven Aufbauplan als auch über eine innere schöpferische Entwicklungskraft (Ногте), welche die Aktivität des Kindes in periodisch auftretenden Phasen gesteigerter innerer Sensibilität zielgerichtet steuert und zur aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt drängt. Im Gegensatz zur biologischen Determiniertheit des Tieres verfügt das Kind weder über erblich festgelegte Verhaltensmuster noch über das Erwachen atavistischer Erinnerungen, sondern über nebelhafte Entwicklungspotenzialitäten (Nebule), die durch äußere Anreize zur Entfaltung angeregt werden. “13
Sie geht also davon aus, dass im Kind bereits Kräfte und Fähigkeiten stecken, die der Entwicklung aus sich selbst heraus dienen. Montessori spricht in diesem Zusammenhang meist von der Ногте, einer vitalen Kraft.
In der Literatur wird der verwendete Begriff „Horme“ häufig mit dem „elan vital“ von Bergson14 und der „Libido“ von Freud15 verglichen. Percy Nunn,16 von dem Maria Montessori diese Bezeichnung übernahm, beschreibt als Horme „eine im Individuum tätige Kraft, die es zu seiner Entfaltung führt.“17 Auch Montessori geht von solch einem vitalen Antrieb aus.
Daraus entwickelte sich die These, dass das Kind seinen Lernprozess selber steuert - wenn man es nur lässt: Folglich sollte der Erwachsene anstatt das sich entfaltende Kind beherrschen zu wollen, die Seele des Kindes begreifen lernen und es bei seiner freien Entwicklung unterstützen. Um somit dem Kind eine möglichst freie Entfaltung seiner eigenständigen Persönlichkeit bieten zu können. Grundvoraussetzung dafür ist das Verständnis des Wesens „Kind“ und seiner Seele, um in seinem Sinne zu handeln. Erst dann ist eine weitgehend freie Entfaltung, basierend auf der Theorie des immanenten Bauplanes, des Kindes möglich.
3.2.1 Der immanente konstruktive Bauplan des Kindes
Maria Montessori beschreibt in ihren Schriften das Kind immer wieder als „Baumeister seiner selbst“,das „über einen inneren Bauplan der Seele und über vorbestimmte Richtlinien für seine Entwicklung verfügt. “18
Ihre Vorstellung eines inneren Bauplanes drückt sie in eigenen Worten wie folgt aus: „Im Kind ist die schöpferische Haltung, die potentielle Energie vorhanden, die es befähigt, auf Grund seiner Umwelteindrücke eine seelische Welt aufzubauen. “19
Sie geht davon aus, dass die Wurzeln der Entwicklung im Inneren eines jeden Menschen stecken. Diese Wurzeln der Entwicklung beschreibt sie als Kräfte und Fähigkeiten, auf die das Kind durch die richtige Unterstützung des Erwachsenen und eine bewusst vorbereiteten Umgebung zugreifen kann. Dadurch baut das Kind, entsprechend seiner Entwicklungsphase, seine Persönlichkeit aus sich selbst heraus auf.
Der beschriebene Bauplan entwickelt sich bei jedem Kind individuell und ist nicht schematisch darstellbar. Durch ein falsches Erzieherverhalten kann dieser Bauplan zerstört und durcheinander gebracht werden.
Auf Grund jenes individuellen Bauplanes und der einzelnen Entwicklungsphasen des Kindes folgt in der Montessori-Pädagogik der Weg der Erziehung dem Weg der Entwicklung. Das bedeutet, dass die Montessori-Materialien immer im Kontext der jeweiligen Entwicklungsstufe des Kindes betrachtet werden müssen. Jede menschliche Entwicklung ist von Individualität geprägt, demnach müssen alle Erziehungs- und Entwicklungsmaßnahmen unter dem Aspekt der Individualität betrachtet und angewandt werden. In der Praxis bedeutet das, dass der Erzieher jede Entwicklungshilfe von Kind zu Kind neu reflektieren, und wenn nötig, umgestalten muss.
Aufbauend auf der Theorie des inneren Bauplanes kommt dem Erzieher die Aufgabe zu, durch die Beobachtung des Kindes die kindlichen Bedürfnisse zu erkennen und die dementsprechenden Bedingungen zu schaffen, die das Kind auf dem Weg der Entfaltung, mit dem Ziel der selbstständigen Persönlichkeit, benötigt.
Hierzu teilt Maria Montessori die Entwicklungsphasen in mehrere Teile und stützt sich dabei auf die Erkenntnisse der Embryonalforschung.
3.2.2 Der psychische Embryo
Der neugeborene Mensch ist nach Maria Montessoris Auffassung am Beginn seines Lebens in einem geistig embryonalen Zustand. Dabei durchläuft er eine zweite Art Schwangerschaft. In diesem Zusammenhang spricht Maria Montessori von zwei embryonalen Phasen des Menschen, einmal der pränatalen Phase, während der sich der Embryo noch im Mutterleib befindet, und der postnatalen Phase, der Phase in der sich der Embryo nach der Geburt befindet. Die postnatale Phase dauert von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr. Die Bedürfnisse der jeweiligen Embryos beschreibt Maria Montessori wie folgt:
„So wie der physische Embryo die besondere Umwelt des Mutterschoßes benötigt, braucht der geistige Embryo den Schutz einer lebendigen, von Liebe durchwärmten, an Nahrung reichen Umwelt, (...)“20 Dieser geistige Embryo entwickelt sich entsprechend dem inneren Bauplan der Seele.
Da das Kind in dieser Zeit Erziehung durch Worte noch nicht wahrnimmt, braucht das Kind die körperliche Fürsorge und ein besonderes Maß an Zuwendung des Erwachsenen. Es braucht die liebende Fürsorge und Anregung, damit seine geistigen Grundkräfte zur Entfaltung kommen können.
Das Kind nimmt in dieser Zeit nichts bewusst, sondern nur unbewusst auf, mit seinem leibseelischen Gedächtnis. „Diese Phase wird durch die unbewusste Tätigkeit des absorbierenden Geistes bestimmt.“21
3.2.3 Der absorbierende Geist
„Der absorbierende Geist des Kindes vermag in ungemein komplexer Simultanerfassung die menschlich-geistigen Gegebenheiten in seiner Umgebung ganzheitlich zu erfassen (...)“22
Maria Montessori ging davon aus, dass sich die Geistesform des Kindes gravierend von der des Erwachsenen unterscheidet. Sie spricht beim Kind von einer Geistesform mit schöpferischer Kraft, während die des Erwachsenen dem Bewusstsein und somit der Intelligenz unterliegt. Der Geist des Erwachsenen nimmt Dinge aus der Umwelt bewusst wahr, reflektiert und speichert sie als Eindrücke in seinem Gedächtnis. Dagegen nimmt das Kind durch sein schöpferisches Kräftepotential intuitiv und ganzheitlich seine Umwelt auf. Maria Montessori vergleicht diese Arbeitsweise des absorbierenden Geistes „mit einem Schwamm, der die Flüssigkeit (die Mitwelt) aufsaugt, ohne sie zu verändern.“23
Hierbei handelt es sich um einen intuitiven und unreflektierten Wahrneh- mungs- und Lernprozess des Kindes.
3.2.4 Die sensiblen Phasen
Maria Montessori beschreibt die sensiblen Phasen als„besondere Empfänglichkeiten, die in der Entwicklung, das heißt im Kindesalter der Lebewesen auftreten. Sie sind von vorübergehender Dauer und dienen nur dazu, dem Wesen die Erwerbung einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen. Sobald dies geschehen ist, klingt die betreffende Empfänglichkeit wieder ab.“24 Sie ging also davon aus, dass das Kind Phasen in seinem Leben durchläuft, in denen es bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften leichter lernen kann. Es handelt sich um periodisch auftretende Empfänglichkeitsphasen, die von einem inneren Instinkt des Kindes geleitet werden.
Der Erzieher hat die Aufgabe die Empfänglichkeiten und somit den Lernprozess des Kindes durch das entsprechende Entwicklungsmaterial zu begünstigen. Montessori ist der Meinung, dass der Erzieher durch eine vorbereitete Umgebung auf die sensiblen Phasen des Kindes eingehen kann und ihm somit die Möglichkeit bietet, bestimmte Fähigkeiten unbewusst, leicht und spielerisch zu erwerben.
Sie ist der Auffassung, dass, durch das Versäumen einer Entwicklungsphase das Kind die entsprechende Fähigkeit nur mit viel Mühe und Willenskraft erlangen kann. Kommt es während einer Empfänglichkeitsphase zu Problemen oder unüberwindbaren Hürden, kann sich das negativ auf das seelische Wohl des Kindes auswirken.
In ihren Schriften spricht sie von einer Unterteilung in drei sensible Phasen. Da mein Schwerpunkt auf dem Vorschulbereich liegt, gehe ich überwiegend auf die erste sensible Phase mit ihren zwei Unterphasen ein. Ihre drei Phasen lassen sich wie folgt unterteilen und beschreiben:
1. Sensible Phase 0-6 Jahre
1. Unterphase 0-3 Jahre
„Diese erste Unterphase ist gekennzeichnet durch die Tätigkeit des absorbierenden Geistes und gilt als die schöpferische oder formative Phase. “25 Das Kind nimmt hierbei Umwelteindrücke durch die geistige Einverleibung wahr und baut seine kindliche Psyche auf.
Typische Sensibilitäten für diese Phase sind die Bewegung, die Sprache und die Ordnung. Unter der Ordnung ist nicht die Ordnung im erwachsenen Sinne zu verstehen, sondern auf der einen Seite „das Bedürfnis nach einer überschaubar und fest geordneten Umgebung mit einem Anreiz, einer Aufforderung zum Handeln“26 und auf der anderen Seite die Ordnung als „Ordnungsfunktion innerhalb des Chaos angehäufter Bildeindrücke durch die Tätigkeit des absorbierenden Geistes.“27 Betrachtet man die genauen Zeitabläufe der Sensibilitäten so wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um einen statisch aufgebauten Prozess handelt. Die Sensibilitäten verlaufen gleichzeitig und wirken komplex ineinander.
In der ersten sensiblen Phase nimmt das Kind ausschließlich durch den absorbierenden Geist seine Umwelt wahr. Erst in der 2. Unterphase 3-6 Jahre beginnt das Kind seine gemachten Errungenschaften aus der 1. Unterphase, „im Zusammenhang mit der Sinnesentwicklung zu vervollkommnen und anzureichern. “28
Stellt man nun eine Verbindung zwischen diesen sensiblen Phasen und der mathematischen Grundlagenbildung im Vorschulbereich her, so lässt sich feststellen, dass das Kind in der ersten Unterphase mit Hilfe des absorbierenden Geistes mathematische Strukturen aus seiner Umgebung wahrnimmt. Erst im Alter von ca. 3-6 Jahren beginnt das Kind durch die richtige Verwen- dung der Montessori-Materialien, Erfahrungen zu verarbeiten und erste Be- grifflichkeiten zu bilden.
2. Sensible Phase 7-12 Jahre
Diese Phase wird dominiert durch moralische Sensibilität. Das Kind entwickelt in dieser Zeit ein moralisches Bewusstsein.
3. Sensible Phase 12-18 Jahre
Diese Phase wird durch eine biologisch verursachte Labilität (Pubertät) geprägt. Der Jugendliche sucht in dieser Zeit sowohl Schutz und Geborgenheit, als auch seine Rolle in der Gesellschaft. Durch Anerkennung in der Gesellschaft soll sein Selbstvertrauen gestärkt werden.
3.3 Polarisation der Aufmerksamkeit
Polarisation der Aufmerksamkeit ist der „aktive Kontakt zwischen Kind und Gegenstand, (...) der durch die Bin- dung der kindlichen Aufmerksamkeit an einen Gegenstand (...)“29
zustande kommt. Während solch einer wertvollen Konzentrationsphase setzt sich das Kind intensiv mit den Dingen seiner Umgebung auseinander, lernt sie zu verstehen und ordnet sie in sein Denken ein.
Erstmals beobachtete Maria Montessori diese uneingeschränkte Konzentrationsfähigkeit bei Kindern an einem dreijährigen Mädchen, das sich tief versunken mit den Einsatzzylindern beschäftigte. Das Mädchen wiederholte über vierzigmal das Herausnehmen und Einsetzen der Zylinder, ohne sich von seiner Umwelt ablenken zu lassen. Sogar als Maria Montessori den Stuhl des Kindes mitsamt dem Mädchen auf einen Tisch stellte und die anderen Kinder aufforderte, darum zu tanzen und zu singen, behielt das Mädchen die volle Konzentration für den Gegenstand bei. Erst nachdem es zu einem Abschluss gekommen war, beendete es von selbst die Arbeit. Zu erwarten war nun, dass das Mädchen nach dieser Arbeit erschöpft und müde war. Erstaunlicherweise blickte das Mädchen glücklich umher, als wenn es von einem erquickenden Schlaf erwacht wäre.30
Solch einen Moment der Polarisation konnte ich selber z. B. bei meinem sechsjährigen Tennisschüler Sebastian31 beobachten. Im Anschluss an eine Trainingsstunde schaute Sebastian ca. zehn Minuten lang, augenscheinlich abwesend, dem Tennismatch zweier Spieler zu. Obwohl er mehrfach von seiner Mutter gerufen wurde, reagierte der Junge nicht. Nachdem er über einen längeren Zeitraum das Spiel verfolgt hatte, nahm er seinen Schläger, ging an die Tenniswand und fing an, die besonders schwierige Aufschlagstechnik von oben zu üben. Er führte die Schlagbewegung wiederholte Male durch, mit anfänglich geringem Erfolg, bis nach und nach die Trefferquote anstieg und die richtige Schlagbewegung in ihren Ansätzen zu erkennen war. Nach einer halben Stunde beendete Sebastian die Übung von alleine und ging mit einem Lächeln vom Platz. Drei Wochen später stellte ich in einer Trainingsstunde fest, dass Sebastian sich die grundlegende Technik des Aufschlages eigenständig angeeignet hatte.
Wie in der Literatur häufig beschrieben und in meiner Beobachtung bestätigt, kommen die Kinder aus solch einem Arbeitsprozess ganz verändert und mit einer tiefen Zufriedenheit heraus.
In der Montessori-Pädagogik übernimmt der Erzieher dabei die Aufgabe, das Kind vor äußeren Störungen während eines solchen Momentes zu schützen. Maria Montessori schlussfolgert aus ihren eigenen Erfahrungen, dass das Ziel jedes Erziehers sein muss, „diese kostbaren Augenblicke der Konzentration zu erkennen, um sie beim Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, später in Grammatik, Mathematik und Fremdsprache auszunützen. “32
4. Mathematische Grundlaqenbildunq im Vorschulbereich
4.1 Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten
Seit der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse reißen die Forderungen nach einer Bildungsreform nicht ab. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die frühkindliche Bildung. Ein Grund für deren hohen Stellenwert sind neuere Erkenntnisse aus der Neurophysiologie, die ein großes Lernpotential in der frühen Kindheitsphase von 0-6 Jahre belegen. Diese Erkenntnisse und die sowohl gesellschaftlichen als auch wirtschaftlichen Erwartungen machen es erforderlich, den Blickwinkel auf die Bildung und Erziehung der frühen Kindheit zu richten. Schon Maria Montessori erkannte ihrer Zeit voraus, diese für das Kind prägende Lernphase mit einem hohen Selbstbildungspotential.
Eine Reaktion des Ministeriums für Bildung, auf die Forderung nach Bildungsreform, war die Überarbeitung der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten.
Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen stellen die Grundlage für die pädagogische Arbeit der Kindertageseinrichtungen dar. Mit Hilfe dieser Empfehlungen soll der vom Kindertagesstättengesetz formulierte Auftrag §2 umgesetzt werden: „Kindertagesstätten sollen die Gesamtentwicklung des Kindes fördern und durch allgemeine und gezielte erzieherische Hilfen und Bildungsangebote sowie durch differenzierte Erziehungsarbeit die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes anregen, seine Gemeinschaftsfähigkeit fördern und soziale Benachteiligungen möglichst ausglei- chen."33
Wie das Wort Empfehlungen schon vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine Orientierung für die autonomen Träger und nicht um einen verbindlichen Bildungsplan.
Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen beinhalten die Darstellung der zwölf zentralen Bildungsbereiche, zu denen der Bereich Mathematik - Naturwissenschaften - Technik zählt.
Dieser Bildungsbereich wird im folgenden Abschnitt wiedergegeben, um eine Übersicht der möglichen Bildungsgelegenheiten der Mathematik im Vorschulbereich aufzuzeigen.
4.1.1 Bildungsbereich Mathematik - Naturwissenschaften - Technik
Dieser Bereich umfasst den spielerischen Umgang mit mathematischen Inhalten, wodurch das natürliche Interesse und die Neugierde der Kinder für Mathematik gefördert werden soll. Dazu gehören ebenfalls das sinnliche Erfahren der Natur durch eine entsprechend anregende Gestaltung der Themen und das Erfahren von Technik durch kleine selbst zusammengestellte Experimente.
In den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen wird beschrieben, dass „Kinder schon im frühen Alter einen Zahlenbegriff entwickeln und In erste grundlegende mathematische Denkweisen eingeführt werden können. “34 Dafür müssen dem Kind so genannte „Gelegenheiten“35 geschaffen werden, die ihm die Möglichkeit bieten, mathematische Grundvoraussetzungen zu erlangen.
Diese Gelegenheiten sind in den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen wie folgt aufgeführt:36
Beobachten und Schlussfolgern
- Zum Beobachten anregen
- Beobachtungen präzise beschreiben lassen
- Warum-Fragen anregen, zulassen, darauf eingehen
- Als Erzieherin bzw. Erzieher selbst Warum-Fragen stellen als Suchende/г und Lernende/r
- Verschiedene Lösungen zulassen
- Die Kinder anregen ihre Beobachtungen und Forschungsergebnisse „niederzuschreiben“, zu malen oder durch Zeichnungen, Erzählen oder darstellendes Spiel zu präsentieren
Experimentieren und erklären
- Experimente aus dem Bereich Biologie, Chemie, Physik und Technik mit den Kindern durchführen
- Zu Erklärungen für Phänomene anregen
- Unvollständige oder wissenschaftlich nicht haltbare Erklärungen der Kinder zulassen
- Die Kinder an richtige Lösungen und Erklärungen heranführen
Zählen, Messen, Vergleichen
- Gemeinsam mit den Kindern Mess- und Wiegevorgänge durchführen
- Begriffe von größer und kleiner, länger oder kürzer, mehr oder weniger, gerade oder schief durch Klassifizieren, Vergleichen und Sortieren entwickeln
- Zählen lernen und üben
- Bewusstsein und Bedeutung von Zahlen schaffen (Wofür braucht man Zahlen? Wo finden sich Zahlen im Alltag?)
- Förderung des zeitlichen und numerischen Vorstellungsvermögens
geometrische Objekte und Beziehungen erfahren und erfassen
- Geometrische Figuren (z. B. Würfel, Quader, Dreieck) anhand konkreter Gegenstände kennen lernen und entdecken lassen
- Zunehmendes Unterscheiden der Merkmale von Gegenständen ermöglichen
[...]
2 Becker-Textor, I. (1994), S. 26
3 Montessori, M. (1972), S. 197
4 Montessori-Kinderhaus Sonnenstrahl Buschhoven e.V.: Wallfahrtsweg 34 in 53913 Swisttal-Buschhoven
5 Oswald, P. & Schulz-Benesch, G. (1967), S. 170
6 Jean-Marc-Gaspard Itard (1774-1838); französischer Psychiater; Itard machte sich einen Namen als Lehrer des „Wilden von Aveyron“. Dieser war ein total verwilderter Junge, der wie ein Tier in den Wäldern von Aveyron lebte und aufgegriffen wurde. Durch eine Schulung der Sinne des Jungen versuchte Itard kleine intellektuelle Fähigkeiten aufzubauen.
7 Eduard Seguin (1812-1880); französischer Psychiater; der bekannte Psychiater Itard war sein Lehrmeister. Sein Leben widmete Seguin der Erziehung von damals so genannten schwachsinnigen Kindern.
8 s Association Montessori Internationale
9 Becker-Textor, I. (1994), S. 26
10 ebd., S. 26
11 Montessori, M. (1987), S. 23
12 Maria Montessori unterscheidet die Arbeit des Kindes von der des Erwachsenen.
13 Fuchs, B. (2003), S. 53
14 Henri-Louis Bergson (1859-1941); französischer Philosoph und Nobelpreisträger für Literatur 1927
15 Sigmund Freud (1856-1939), österreichischer Psychoanalytiker
16 Percy Nunn (1870-1944) Professor of Education, University London
17 Montessori, M. (1973), S. 19
18 Montessori, M. (1969), S. 56
19 dies. (1992), S. 47
20 Montessori, M. (1969), S. 56
21 Fuchs, B. (2003), S. 54
22 Oswald, P. (1970), S. 15
23 Waldschmidt, I. (2001), S. 45
24 Montessori, M. (1969), S. 61
25 Montessori, M. (1973), S. 21-23
26 dies. (1967), S. 82
27 ebd., S. 85
28 Holtstiege, H. (1977/1994), S. 77
29 Holtstiege, H. (1987), S. 58-82
30 Oswald, P. & Schulz-Benesch, G. (1967), S. 171
31 Der Name des Jungen und fortfolgende Namen wurden abgeändert.
32 Montessori, M. (1954), S. 59
33 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend (2003), S. 2
34 Ministerium für Bildung, Frau und Jugend (2003), S. 21
35 ebd., S. 21
36 ebd., S. 21 ff
- Quote paper
- Christine Soeffing (Author), 2008, Analyse von Montessori-Materialien in Bezug auf ihren pädagogisch-methodischen Nutzen zur Entwicklung mathematischer Grundvoraussetzungen im Vorschulbereich, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/131648