Diese Hausarbeit ist ein Narrative Review über das Thema Motor Imagery als Trainingsmethode bei Kindern und Jugendlichen und zudem werden Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Sportart und Zeitpunkt des Trainings berücksichtigt. Aufgrund der geringen Datenlage ist diese Arbeit ein explorativer Ansatz Motor Imagery in das Training von Kinder und Jugendlichen mit einzubeziehen, denn die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Einleitung/ Forschungsinteresse
Forschungsfrage
Theorie
Methodik
Ergebnisse und Diskussion
Transferdenken anhand eines Beispiels
Literaturverzeichnis
Abstract
Einleitung und Forschungsstand: Das Motor Imagery (MI) ist eine Methode zur Visualisierung von Bewegungen und stellt sich zudem als eine effektive Methode zur Leistungsverbesserung bei Erwachsenen heraus. Dennoch ist die aktuelle Forschungslage bei Kindern und Jugendlichen sehr dünn, obwohl in diesem Alter die ersten Wettkämpfe beginnen und dementsprechend MI einen signifikanten Vorteil bringen könnte. Vor allem die Kombination von MI mit dem physikalischen Üben (physical practice - PP) kann große Vorteile der Performanceverbesserung bei Kindern und Jugendlichen bewirken.
Methode: Nach der Suche über PubMed mit geeigneten „Keywords“ wurden die meisten Quellen des Narrative Review gefunden und ausgewertet.
Ergebnisse: MI zur Performanceverbesserung wird effektiver mit zunehmendem Alter und zunehmender Professionalisierung in der Sportart. Die Sportartenabhängigkeit von MI wird zwar vermutet, konnte aber bisher nur teilweise belegt werden. Mit Hilfe der Studien kann keine klare Aussage über Gendereffekte beim MI getroffen werden, da widersprüchliche Ergebnisse herausgefunden wurden. Der Zeitpunkt von MI direkt vor der Bewegungsausführung soll besonders effektiv sein. Dennoch kann MI auch ohne praktisches Üben zu Performanceverbesserungen führen. Zudem ist MI eine effektive Methode für den Leistungserhalt bei Sportpausen wie dem Ramadan oder auch Verletzungen. Die Informationen in den betrachteten Quellen geben leider keinen Ausschluss darüber, welche Dauer oder Intensität von MI optimal wären.
Einleitung/ Forschungsinteresse
Motor Imagery ist ein neu erforschtes Verfahren, welches anfänglich zur Verbesserung der Performance bei Athletinnen benutzt wurde. Durch die weitere Forschung über MI wurden zudem Verbesserungen beim motorischen Bewegungswiedererlernen nach Verletzungen, dem Selbstvertrauen, der Konzentration, der Motivation, der Fokussierung, der Problemlösefähigkeiten und der reduzierten Ängstlichkeit festgestellt (Dhouibi et al., 2021). Gerade im Bereich der Weltklasse ist MI gar nicht mehr wegzudenken, denn so benutzen 70-99% der Weltklasse Athletinnen MI als Training und bis zu 94% der Coaches als Trainingstechnik (Simonsmeier et al., 2018).
Betrachtet man die vorhandene Literatur von MI auf PubMed ist ein deutlicher Anstieg des Forschungsinteresses in den letzten beiden Jahrzehnten zu erkennen. So sind mittlerweile 4.333 Studien zum Thema MI ersichtlich. Wenn diese Suche jedoch auf Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre eingrenzt wird, gibt es nur noch 422 Studien zu dieser Altersgruppe. Dies macht nicht einmal 10% der gesamten Forschung aus (National Library of Medicine, 2022). Dabei ist dies gerade von äußerster Wichtigkeit, denn in diesen Jahren fängt das Training für Wettkämpfe an und immer häufiger gibt es Athlet*innen unter 18 Jahren, die an Wettkämpfen bei Olympia oder anderen großen Wettkämpfen teilnehmen. Wodurch deutlich wird, wie wichtig ein Training zur Performanceverbesserung in jungen Jahren ist. Zusätzlich finden im Zeitraum der Pubertät wesentliche morphologische und neuronale Anpassungen statt (Sariati et al., 2021). Weswegen aktuelle Studien die Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen im motorischen Können und MI herausfanden, deshalb stellen sich frühere annahmen, dass Studien von Erwachsene auf Kinder und Jugendliche reproduzierbar seien, als falsch heraus (Simonsmeier et al., 2018). Daraus resultierend ist es von besonderer Bedeutung effektive Methoden des MI zur Verbesserung der Performance im Kinder- und Jugendtraining weiter zu erforschen.
Forschungsfrage
Die aus dem Forschungsinteresse resultierende Fragestellung lautet: „Ist MI bei Kindern und Jugendliche eine effektive Trainingsmethode? Und wenn ja gibt es Unterschiede in den Parametern wie Alter, Geschlecht, Sportart sowie Zeitpunkt und Dauer des Motor Imagery?“
Theorie
Mental Imagery kann laut Di Corrado (2020, S. 1) verstanden werden als: „fully immersive multi-sensory procedure that associates as numerous senses to create a mental image and process it without the presence of external stimuli”. Doch gerade im sportlichen Kontext, wo es um motorische Handlungen geht, ist oftmals die Rede von Motor Imagery (MI), welches eine Spezialform des Mental Imagery ist. Im Allgemeinen ist MI als mentale Simulation von Körperbewegungen zu verstehen und bewirkt eine ähnliche neuronale Aktivierung im gesamten Gehirn, wie eine wirkliche physikalische Bewegung. Dies ist ein Grund dafür, warum MI eine effektive Methode zur Verbesserung von motorischen Bewegungen und somit auch zur Verbesserung der Performance ist (Behrendt et al., 2021).
Bevor MI jedoch in ein Training integriert wird, sollten bereits praktische Erfahrungen der Sportart vorhanden sein (Guillot et al., 2013). So haben Athletinnen stärkere Performanceverbesserungen, eine bessere MI Fähigkeit und zudem eine verbesserte MI Lebendigkeit gegenüber nicht Athletinnen (Dhouibi et al., 2021; Di Corrado et al., 2020; Simonsmeier et al., 2018). Weiter hat Dhouibi (2021) herausgefunden, dass Athletinnen, bezogen auf die MI Lebendigkeit, besser abgeschnitten haben als aktive Sportler*innen und die wiederum besser als nicht aktive Jugendliche. Dabei wird die Lebendigkeit von MI als die Gesamtheit und Intensität der beteiligten Sinne während der Bewegungsvorstellung verstanden und ist neben der aktiven Manipulation von mentalen Bilder ein zentraler Aspekt für die allgemeine MI Fähigkeit (Di Corrado et al., 2020). Weiter ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche mit zunehmender Professionalität in der jeweiligen Sportart höhere Effekte durch MI Training bewirken können. Dies ist der Grund dafür, dass sich die folgende Studie mit MI bei Athletinnen beschäftigen wird.
Es gibt zwei grundlegend verschiedene Arten von MI zur Verbesserung der Performance bei Athlet*innen. Zum einen das visuelle MI (VMI) und das kinästhetische MI (KMI). Dabei kann das VMI weiter unterteilt werden in die beiden Perspektiven des internen MI (IMI) und externen MI (EMI). Beim EMI handelt es sich um mentale Bewegungen, die von außen betrachtet werden, also aus der Sicht eines Beobachters zum Beispiel des Trainers. Währenddessen ist IMI die mentale Simulation von Körperbewegungen aus der Innenperspektive, also das was die Athlet*innen durch ihre eigenen Augen sehen, wenn sie eine Bewegung ausführen. Abschließend wird KMI als das Gefühl während der Bewegungsvorstellung beschrieben, also das Gefühl der Muskelkontraktion oder auch das Gefühl eines Gegenstandes, mit dem der Körper in Berührung kommt (Sariati et al., 2021).
Besondere Vorteile von MI Training (MIT) sind in Kombination mit physischem Üben (PP) zu beobachten, denn dies ist laut Behrendt (2021) effektiver als jeweils beides alleine zu trainieren. Ein weiterer großer Vorteil von MI ist, dass in keinen der betrachteten Studien eine negative Korrelation zwischen MIT und der Performance gefunden wurde. Weiter haben in dem systematischen Review von Behrendt (2021) lediglich 3 von 22 Studien keine signifikanten Verbesserungen von MIT im Kinder und Jugendbereich festgestellt. Zudem ist MIT ein effizientes Verfahren ohne viel Aufwand, da es immer und überall praktiziert werden kann und ist deshalb so wertvoll für das Erlernen von motorischen Bewegungen (Guillot et al., 2013).
Methodik
Da es sich bei der vorliegenden Forschung um kein „systematic review“, sondern um einem „narrative review“ handelt, wurde die Literaturrecherche ausschließlich auf der Datenbank „PubMed“ durchgeführt. Da nicht alle Studien frei zugänglich waren, wurde die Suche auf Studien mit „open-access“ beschränkt. Mit den Suchoperatoren „Motor Imagery/Mental Imagery and Youth/Adolescent/Child and Performance/Ath- lete/Training“ wurden die für das Forschungsinteresse relevanten Studien gefunden. Weiter wurde die Studie von Simonsmeier (2018) anhand des systematic review von Behrendt (2021) ausfindig gemacht.
Ergebnisse und Diskussion
Wie bereits erwähnt, befasst sich die folgende Studie mit Trainingsmethoden des MI bei Athlet*innen, da diese eine ausgeprägtere MI Fähigkeit gegenüber unerfahrenere Sportlerinnen besitzen (Simonsmeier et al., 2018). Dennoch gibt es viele Parameter, die die MI Fähigkeit beeinflussen. So ist es wahrscheinlich, dass die MI Fähigkeit von der Dauer und Intensität des MIT wie auch der Sportart, dem Alter und Reifungsgrad, sowie der Art und Weise des MI abhängt (Simonsmeier et al., 2018).
Weitere Studien haben die Gendereffekte bei MI im Kindes- und Jugendalter untersucht und gerade hierbei ist die Studienlage nicht eindeutig. So hat Di Corrado (2020) keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowohl bei Athleten als auch bei nicht-Athleten feststellen können. Da hingegen fand Dhouibi (2021) eine bessere Performance von Jungen im Gegensatz zu Mädchen heraus. Diese bessere Performance von Jungen war jedoch nicht eindeutig zwischen den verschiedenen Altersgruppen auszumachen. Darauf bezogen haben die weiblichen nicht-Athletinnen der älteren Altersgruppe (14,5-16 Jahre) besser Ergebnisse im KMI erzielt als die Jungen. Insgesamt ist festzuhalten, dass es zwar einige Studien Vorteile von MI zugunsten von Jungen herausgefunden haben, aber dennoch die Studienlage im Kinder- und Jugendbereich noch zu gering ist, als dass eine eindeutige Aussage über die Effektivität von MI in Abhängigkeit des Geschlechtes getroffen werden könnte. Die festgestellten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen könnten einerseits an unterschiedlichen Erfahrungen in der Sportpraxis und dem motorischen Können zwischen den Geschlechtern liegen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Jungen im Kindesalter eher die visuelle Kapazität und das eigene Körperbild entwickeln, währenddessen dies bei Mädchen eher die Fähigkeiten der Kommunikation ist (Dhouibi et al., 2021). Dies ist jedoch nur eine These und würde weitere Studien zur Überprüfung brauchen. Deswegen ist es zwar möglich, dass es Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gibt, aber diese gerade wegen der nicht eindeutigen Sachlage in den Studien einen zu geringen Effekt auf die Performanceverbesserung durch MI haben müssen, als dass eine Unterscheidung in der vorliegenden Studie sinnvoll wäre. Aufgrund dessen werden die Handlungsempfehlungen gleichermaßen für Jungen und Mädchen entwickelt.
Ganz anders sieht die Studienlage bei der Abhängigkeit von MI und dem Alter beziehungsweise Reifungsgrad aus. Hier haben alle Studien, die den Alterseffekt analysiert haben, eine Verbesserung von MI und dem motorischen Können mit zunehmenden Alter festgestellt (Behrendt et al., 2021; Dhouibi et al., 2021; Di Corrado et al., 2020; Sariati et al., 2021; Simonsmeier et al., 2018). Die MI Fähigkeit entsteht erst im Alter von 5-7 Jahren und entwickelt sich dann mit zunehmendem Alter. So sind bei Athlet*innen von 7-17 Jahren große Verbesserungen der MI Fähigkeit zu beobachten (Dhouibi et al., 2021; Di Corrado et al., 2020). Von daher ist es nicht erstaunlich, dass die älteren Teilnehmerinnen bessere Effekte in der „Change of Direction“ (CoD) Schnelligkeit, als auch der Lebhaftigkeit und Klarheit der durch MI erzeugten Bilder hatten (Dhouibi et al., 2021; Sariati et al., 2021). Die Studie von Sariati (2021) hat als einzige Studie den Alterseffekt mit der „Peak Height Velocity” (PHV) bezogen auf die verschiedenen Arten und Perspektiven des MI betrachtet. So stellte die Autorengruppe fest, dass die „Pre-PHV“-Gruppe nur signifikante Verbesserungen für die CoD Schnelligkeit mit Ball hatten, wenn KMI angewendet wurde. Bei der „Post-PHV“-Gruppe hingegen wurden ohne Ball signifikante Verbesserungen durch EMI, IMI und KMI festgestellt, während mit Ball nur signifikante Verbesserungen durch EMI und KMI erreicht wurden. Dabei waren in dieser Gruppe die größten Unterschiede durch EVI ohne Ball und KMI mit Ball zu erreichen (Sariati et al., 2021). Diese Ergebnisse unterstreichen die zunehmende MI Fähigkeit mit dem Alter. Dennoch kann MI auch in jüngeren Jahren eine effektive Methode zur Verbesserung der Performance sein.
Wie aus der Studie von Sariati (2021) ersichtlich wird, können die verschiedenen MI Methoden (KMI, EMI, IMI) unterschiedlich wirken. So ist im Erwachsenenalter IMI am vorteilhaftesten für Closed Skills, also bei Bewegungsausführungen unter relativ gleichen und vorhersehbaren Bedingungen und EMI kann am effektivsten für Open Skills sein, bei denen die koordinativen Bewegungsanforderungen in einer sich wechselnden Umgebung stattfinden (Slimani et al., 2016). Die Studie ist jedoch nicht anhand von Athlet*innen durchgeführt worden, dies erklärt weswegen beide Methoden auf visueller Basis erfolgreicher sind, denn VMI ist leichter hervorzurufen und beizubehalten als KMI (Dhouibi et al., 2021). Dies würde die Untersuchung von Simonsmeier (2018) unterstützen bei der der Aufschwung in den Handstand (Closed Skill) durch IMI und KMI signifikant verbessert wurde. Diese Ergebnisse stehen jedoch im Widerspruch mit den Befunden der CoD Schnelligkeit bei Jugendlichen, denn dort werden die besten Verbesserungen ohne Ball, also unter konstanten Bedingungen, mit EMI erzielt (Sariati et al., 2021). Deshalb wäre es möglich, dass bei Jugendlichen Ath- let*innen andere Tendenzen für Closed und Open Skills bestehen als bei Erwachsenen. Eine andere mögliche Erklärung wäre, dass die Unterteilung in Open- und Closed-Skills bei Jugendlichen nicht sinnvoll ist und weiter differenziert werden müsste. Dabei ist es wahrscheinlich, dass die Effekte von kinästhetischen und visuellen (intern und extern) Imagery in den unterschiedlichen Altersgruppen, als auch in verschiedenen Sportarten sehr verschieden sind (Behrendt et al., 2021; Sariati et al., 2021). Deswegen besteht auch hier im Jugendsport noch eine Forschungslücke und weitere Untersuchungen von MI in Abhängigkeit von Pre- und Post-PHV, als auch von der Sportart sind wünschenswert. Zudem könnte für den Anfang die Unterteilung in Mannschafts- und Einzelsportarten sinnvoll sein, um erste Eindrücke von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bezogen auf die Effektivität von IMI, EMI und KMI herauszufinden.
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- Quote paper
- Tjark-Niclas Hotes (Author), 2022, Motor Imagery als Trainingsmethode bei Kindern und Jugendlichen unter der Berücksichtigung der Beeinflussung von Alter, Geschlecht, Sportart und Zeitpunkt des Motor Imagery, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1315349