„Angst-Räume“ - Orte im öffentlichen Raum, an denen Frauen Angst haben, Opfer einer Gewalttat zu werden - sind ein klassisches Thema bei Diskussionen über geschlechtsspezifische Raumnutzung in der Geographie und Stadtplanung.
In bisherigen Studien zu diesem Thema wird „Geschlecht“ weitgehend als unabhängige, erklärende Variable betrachtet, wird somit die Angst von Frauen im öffentlichen Raum geradezu als natürlich zur Wesenheit der Frau gehörend anerkannt und wird diese Angstzuschreibung immer wieder reproduziert und rezementiert. Dahinter stehende soziale Verhältnisse, die sich in Angst-Räumen lediglich baulich-räumlich manifestieren, bleiben meist unangetastet.
Die vorliegende Arbeit fragt nach möglicherweise gesellschaftlich verankerten Ursachen dieser spezifischen Angst und versucht Wege daraus aufzuzeigen. Die soziale Trennlinie für Angst-Räume wird (auch) entlang der Geschlechtszugehörigkeit gesetzt. Diese Ungleichheitskategorie soll deshalb im Vordergrund stehen und der Zusammenhang zwischen Angst im öffentlichen Raum und Geschlecht identifiziert werden. So steht die Konstruktion der Geschlechterdifferenz selbst im Zentrum der Analyse.
Diese Vorgehensweise verlangt die Auseinandersetzung mit feministischer Theorie (Gleichheit oder Differenz der Geschlechter) und den Bezug auf theoretische Ansätze, die zur Dekonstruktion selbstverständlicher Zuschreibungen verwendet werden können (Konstruktivismus, Diskurstheorie).
Den theoretischen Überlegungen zu Raum und Geschlecht aus dekonstruktivistischer Perspektive folgen Auszüge aus Interviews mit Frauen, die als Joggerinnen die Münchner Isarauen – bei Dämmerung und Dunkelheit ein sog. „Angst-Raum“ – nutzen.
Die Erhebung erfolgte unter Rückgriff sowohl auf Leitfaden gestützte, themenzentrierte, qualitative Einzelinterviews als auch auf das Instrument der Gruppendiskussion.
Die Untersuchung zeigt, dass der Geschlechterdiskurs und der Angst-Raum-Diskurs miteinander verwoben sind. Ungleichheit, Hierarchie, Macht und Gewalt werden an raum-zeitlichen Angst-Raum-Situationen festgemacht und in ihnen reproduziert.
Es wird deutlich, wie mächtig sowohl der Angst-Diskurs als auch die geschlechtsspezifischen Zuordnungen sind, und mit welchen Strategien die Frauen versuchen, sich davon zu befreien.
Trotz dieser individuellen Aufbrüche muss das Geschlechtersystem als in sich stabil und die Angst im öffentlichen Raum als ein Stabilitätsfaktor dieses Systems erkannt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Einleitung
- Ausgangslage und Problemstellung
- Zielsetzung und Fragestellung
- Aufbau der Arbeit
- Feministische Theorie
- Gleichheit oder Differenz der Geschlechter?
- Feministische Standpunkttheorien
- Theoretische Ansätze als Grundlage für den Dekonstruktivismus
- Konstruktivismus
- Diskurstheorie
- Feministischer Dekonstruktivismus
- Dekonstruktivismus und Angst-Räume
- Raum und Geschlecht
- Angst-Räume – Raumbezogene Kriterien und Voraussetzungen
- Tatsächliches und empfundenes Kriminalitätsrisiko
- Sexuelle Gewalt an Frauen - ein Strukturmerkmal patriarchaler Gesellschaften
- Sport und geschlechtsspezifische Raumzuweisung
- Methodisches Vorgehen
- Entscheidung für einen qualitativen Ansatz
- Auswahl der Gesprächspartnerinnen
- Methoden und Ablauf der Datenerhebung
- Vorgehensweise bei der Auswertung
- Darstellung der empirischen Ergebnisse
- Beschreibung der Gesprächspartnerinnen
- Angst im öffentlichen Raum
- Formen und Ausprägungen von Angst
- Angst-Räume als "Ersatz-Arena"?
- Dunkelheit als zentraler Angstauslöser
- Soziales Umfeld und Medien
- Motivation zur Angstüberwindung
- Vertrautheit des Raumes
- Wehrhaftigkeit
- Bewältigungsstrategien
- Raumaneignung und (körperliches) Empowerment
- Geschlechterverhältnis
- Weiblichkeitszwang
- Akzeptanz-/Toleranzgrenze von Übergriffigkeiten
- Verharren in traditionellen Geschlechterstereotypen
- Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
- Kurzdarstellung der Arbeit
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, die Konstruktion von Angst-Räumen im öffentlichen Raum zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Geschlechterverhältnisses. Die Autorin analysiert, wie normative Vorstellungen und beobachtbare Unterschiede in der Raumnutzung von Frauen und Männern zu Konstruktionen von Geschlechterdifferenz beitragen.
- Die Produktion von Angst-Räumen als Ausdruck der Geschlechterkonstruktion
- Die Dekonstruktion von „selbstverständlichen“ Zuordnungen im öffentlichen Raum
- Die Analyse von Angst-Räumen als sozial ausgehandelte Phänomene
- Die Untersuchung der Nutzung von Räumen durch Frauen, insbesondere in der Dämmerung und Dunkelheit
- Die Erforschung von Möglichkeiten eines emanzipatorischen Verhaltens im öffentlichen Raum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Ausgangslage und Problemstellung der Arbeit dar. Sie erläutert die Zielsetzung und Fragestellung sowie den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 beleuchtet die feministische Theorie und ihre Relevanz für die Untersuchung von Angst-Räumen. Es werden verschiedene feministische Ansätze zur Gleichheit oder Differenz der Geschlechter sowie theoretische Ansätze wie Konstruktivismus und Diskurstheorie vorgestellt, die für die Dekonstruktion von „selbstverständlichen“ Zuordnungen eingesetzt werden können. Kapitel 3 widmet sich dem Dekonstruktivismus und seiner Anwendung auf die Analyse von Angst-Räumen. Es werden die Linien aufgezeigt, entlang derer es möglich ist, räumliche Positionierungen als sozial ausgehandelte zu verstehen. Kapitel 4 untersucht den Zusammenhang zwischen Raum und Geschlecht. Es werden die Kriterien und Voraussetzungen für die Entstehung von Angst-Räumen sowie das tatsächliche und empfundene Kriminalitätsrisiko für Frauen beleuchtet. Zudem wird die Rolle von sexueller Gewalt an Frauen als Strukturmerkmal patriarchaler Gesellschaften und die geschlechtsspezifische Raumzuweisung im Sportbereich analysiert. Kapitel 5 beschreibt das methodische Vorgehen der Arbeit. Es wird die Entscheidung für einen qualitativen Ansatz, die Auswahl der Gesprächspartnerinnen, die Methoden und den Ablauf der Datenerhebung sowie die Vorgehensweise bei der Auswertung erläutert. Kapitel 6 präsentiert die empirischen Ergebnisse der Arbeit. Es werden die Gesprächspartnerinnen vorgestellt und die verschiedenen Formen und Ausprägungen von Angst im öffentlichen Raum analysiert. Die Kapitel beleuchten die Rolle von Dunkelheit als Angstauslöser, das soziale Umfeld und die Medien sowie die Motivation zur Angstüberwindung. Zudem werden die Themen Vertrautheit des Raumes, Wehrhaftigkeit, Bewältigungsstrategien, Raumaneignung und (körperliches) Empowerment sowie das Geschlechterverhältnis mit seinen verschiedenen Facetten untersucht. Kapitel 7 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und bewertet diese. Kapitel 8 bietet eine Schlussbetrachtung, die die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst und Ausblicke auf zukünftige Forschungsfelder gibt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Angst-Räume, öffentliche Räume, Geschlechterkonstruktion, feministische Theorie, Dekonstruktivismus, Raumaneignung, Empowerment, Kriminalitätsrisiko, sexuelle Gewalt, Weiblichkeitszwang, Geschlechterstereotypen, qualitative Forschung, Interviews.
- Quote paper
- Karin Kutschinske (Author), 1999, Angst im öffentlichen Raum - Die Produktion von Angst-Räumen als Ausdruck der Geschlechterkonstruktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/129383