In dieser Arbeit sollen verschiedene Argumente von Klimawandelleugnern auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft und wissenschaftlichen Fakten gegenübergestellt werden. Angefangen mit dem bis in den Deutschen Bundestag hinein populären Verweis auf den Einfluss von Sonnenflecken über die als Basis für zahlreiche Spekulationen dienende mittelalterliche "Warmzeit" bis hin zu in der weiten Öffentlichkeit unbekannteren Argumenten wie dem der angeblichen Sättigung von Absorptionsbanden wird mit vielen Mythen und Halbwahrheiten aufgeräumt. Ideal für alle, die vermeintlich wissenschaftlichen Stammtischäußerungen endlich argumentativ entgegentreten wollen oder auch für diejenigen, die sich weiter wissenschaftlich mit dem Thema Leugnung des anthropogenen Klimawandels auseinandersetzen wollen.
Inhalt
1. Anfänge der Klimawandelleugnung in Desinformationskampagnen der Öl- und Kohleindustrie
2. Misstrauen in Wissenschaft aufgrund vermeintlicher Fehleinschätzungen in der Vergangenheit
2.1 Waldsterben und „Saurer Regen“
2.2 Prognose einer Globalen Abkühlung in den 1970er-Jahren
3. Klimaschwankungen in der Vergangenheit
3.1 Möglichkeiten zur Messung des Klimas in der Vergangenheit
3.1.1 historische Aufzeichnungen
3.1.2 Baumringe, Seesedimente, Stalagmiten
3.1.3 Eisbohrkerne
3.2 Natürlicher Klimawandel im Rahmen der Eiszeitzyklen
3.2.1 unterschiedliche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Eiszeiten und Moderne ...
3.2.2 Rückkopplung zwischen Erwärmung und CO?-Anstieg
3.3 Natürlicher Klimawandel durch Dansgaard-Oeschger-Zyklen
3.3.1 Ablauf der natürlichen Klimaschwankungen
3.3.2 Vergleich mit aktueller Situation
3.4 Mittelalterliche Temperaturanomalie als scheinbarer Beleg für natürlichen Ursprung des aktuellen Klimawandels
3.4.1 Ursachen und Ausmaß der Temperaturanomalie
3.4.2 Vergleich mit heutiger Situation
4. Einfluss der Sonne auf das Klimasystem
4.1 Zyklische Veränderung der Sonnenaktivität
4.2 Einfluss der kosmischen Strahlung
5. Vergleich des menschlichen Anteils an CO?-Emissionen mit Anteil der Ozeane, der Wälder und der Vulkane
6. Sättigung der CO?-Absorptionsbanden
6.1 Messdaten durch Infrarot-Spektroskopie
6.2 Weitere Absorptionsbanden und atmosphärische Prozesse bei Sättigung
7. Heutige Relevanz von Klimawandelleugnern in Politik und Gesellschaft
8. Persönliches Fazit
Abbildungsverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Anfänge der Klimawandelleugnung in Desinformationskampagnen der Öl- und Kohleindustrie
Nachdem bereits in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts erste Klimamodelle erstellt wurden, in denen eine Erderwärmung von 2,3 Grad Celsius bei einer Verdopplung des atmosphärischen CO2-Gehalts prognostiziert wurde (vgl. Manabe/Wetherald 1966: 254), und die ersten Warnungen vor einem globalen Klimawandel an Politiker erfolgten, beispielsweise im Jahr 1965 an US-Präsident Lyndon B. Johnson durch seine wissenschaftlichen Beratergremien (vgl. Environmental Pollution Panel/President's Science Advisory Committee 1965: 121), verbreiteten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den vom Menschen verursachten Klimawandel ab den 1980er-Jahren in der breiten Öffentlichkeit (vgl. UBA 2013a: 100). Seitdem gibt es immer wieder Unternehmen und Institutionen, insbesondere aus der Öl- und Kohleindustrie, die versuchen, den wissenschaftlichen Konsens zur Existenz einer anthropogenen Klimaveränderung zu konterkarieren (vgl. ebd.). Dazu gehört unter anderem der US-amerikanische Konzern ExxonMobil, der im Zeitraum von 1989 bis 2004 mehrere Anzeigen in auflagenstarken Tageszeitungen wie der New York Times oder der Washington Post geschaltet hat, in denen Zweifel am anthropogenen Klimawandel und an der Zuverlässigkeit der von Wissenschaftlern erstellten Klimamodelle geübt wurden (vgl. Supran/Oreskes 2020: 6). Außerdem finanzierte ExxonMobil mehr als vierzig verschiedene Institutionen zur Verbreitung von Falschinformationen mit einem Gesamtbetrag von über 16 Millionen Dollar (vgl. UBA 2013a: 101). Auch andere namhafte Unternehmen wie BP, Ford, General Motors oder Shell beteiligten sich gemeinsam mit ExxonMobil an Desinformationskampagnen (vgl. Washington/Cook 2011: 74) im Rahmen der sogenannten „Global Climate Coalition“ (ebd.). Eine häufig genutzte Methode solcher Organisationen ist das Herauspicken vermeintlich wissenschaftlicher Studien und Aussagen, die oft schon längst widerlegt oder sogar vom Autor selbst widerrufen worden sind (vgl. ebd.: 75). Deshalb ist es Sinn und Zweck dieser Arbeit, solche für Laien ohne nötiges Hintergrundwissen auf den ersten Blick schwer verständlichen Argumente auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und mit aktuellen wissenschaftlichen Messdaten und Studien zu vergleichen.
2. Misstrauen in Wissenschaft aufgrund vermeintlicher Fehleinschätzungen in der Vergangenheit
Allerdings ist die Überzeugung von Leugnern des anthropogenen Klimawandels mit wissenschaftlich fundierten Argumenten oft schwierig, da es in dieser Szene ein grundsätzliches Misstrauen in die Wissenschaft gibt. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bezeichnete den Weltklimarat IPCC in einem Interview mit der Zeit etwa als „reine[n] Lobbyistenverein, der andere Meinungen gar nicht zulässt“ (Pinzler/Middelhof 2021: o.S.). Häufig wird in diesem Zusammenhang auch auf vermeintliche Wissenschaftsirrtümer in der Vergangenheit verwiesen. So auch von Weidel, die das Problem vom sauren Regen anspricht, das ihr zufolge in ihrer Kindheit häufig thematisiert wurde und laut Weidel mittlerweile aus der öffentlichen Debatte völlig verschwunden ist (vgl. ebd.). Eine ebenfalls zur Untermauerung der mangelnden Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern genutzte These ist das in einer britischen Fernsehdokumentation aus dem Jahr 2007 vertretene Argument, dass man sich „in den siebziger Jahren schon einmal grandios geirrt [hat], als eine weltweite Abkühlung prophezeit wurde“ (vgl. Schwägerl 2007: o.S.). Um die Überzeugungskraft der wissenschaftlichen Aussagen in dieser Arbeit zu sichern, wird im Folgenden versucht, die durch die prognostizierte Kaltzeit und das vorhergesagte Waldsterben im Zusammenhang mit Saurem Regen entstandenen Irritationen aufzulösen.
2.1 Waldsterben und „Saurer Regen“
Erstmals vor einem großflächigen Waldsterben wurde im Jahr 1979 gewarnt, woraufhin in den Folgejahren viele Medien das Thema aufgriffen (vgl. Detten et al. 2012: 117f). In diesem Zeitraum konnten immer mehr Bäume beobachtet werden, die ihre Nadeln oder Blätter verloren und langsamer als üblich wuchsen (vgl. Fellenberg 1992: 85). Als Ursache für diese Schäden wurden vor allem anthropogene Schwefel- und Stickstoffemissionen ausfindig gemacht, die sowohl direkt die Bäume schädigen als auch indirekt über die Atmosphäre in Niederschläge aufgenommen werden und dadurch den Boden übersäuern können (vgl. ebd.: 86f.). Es wurden allerdings auch andere Thesen für die Entstehung der Waldschäden in Erwägung gezogen, wie zum Beispiel die Ausbreitung von Viren oder Schädlingen sowie eine erhöhte Ozonkonzentration (vgl. Detten et al. 2012: 122f.). Obwohl also die Hintergründe der neuartigen Waldschäden noch nicht abschließend geklärt waren, wurden unter der schwarzgelben Koalition Helmut Kohls schnell Maßnahmen zur Verringerung des Schwefel- und Stickstoffausstoßes erlassen. Dazu gehörten unter anderem neue Auflagen zur Rauchgasentschwefelung in Kraftwerken und die Einführung von Katalysatoren und von bleifreiem Benzin innerhalb der Europäischen Union (vgl. ebd.: 127f.). Heute lässt sich im Rückblick feststellen, dass die Zahl der schweren Schäden in Wäldern entgegen der Vorhersagen im Zeitraum von 1991 bis 2003 stark abnahm (vgl. BMEL 2021: 10) und erst seit einigen Jahren durch den anthropogenen Klimawandel wieder vermehrt Fälle von schwerer Kronverlichtung bei Bäumen auftreten (vgl. ebd.: 5). Damit ist das in den 80er-Jahren prophezeite großflächige Waldsterben nicht eingetreten, wobei jedoch unklar bleibt, ob dies an den ergriffenen Maßnahmen liegt oder aber an einem Irrtum der Wissenschaftler. Heute wird nämlich von einigen Wissenschaftlern auch die Meinung vertreten, dass die Waldschäden nicht auf säurehaltigen Regen, sondern auf andere Ursachen wie Extremwetterereignisse zurückzuführen gewesen seien (vgl. Schäfer/Metzger 2009: 210). „Keinerlei Einigkeit herrscht [also] über die heutige sowie die nachträgliche Bewertung der damaligen Waldschäden“ (ebd.), was die Problematik des Waldsterbens grundlegend von der heutigen Klimawandelforschung unterscheidet. Im Gegensatz zum Waldsterben sind sich beim Klimawandel nämlich über 90 Prozent der Wissenschaftler über die Ursachen einig (vgl. Anderegg et al. 2010: 12107) und es wird auch schon seit über fünfzig Jahren intensiv am Klimawandel und am Treibhauseffekt geforscht (vgl. Le Treut et al. 2007: 103-106), wohingegen beim Waldsterben einige Wissenschaftler nur wenige Jahre nach dem ersten Auftreten der Schäden erste Hypothesen aufgestellt haben, deren Wahrheitsgehalt wegen dem allmählich abebbenden Interesse am Thema Waldsterben nie abschließend geklärt werden konnte (vgl. Schäfer/Metzger 2009: 204).
2.2 Prognose einer Globalen Abkühlung in den 1970er-Jahren
Aus einer Sammlung von Daten aus über 200 Wetterstationen weltweit stellten Wissenschaftler Anfang der 1960er-Jahre fest, dass die globale Durchschnittstemperatur seit dem Jahr 1940 stetig gesunken war. Insbesondere auf der Nordhalbkugel konnten deutlich kühlere Temperaturen mit einigen besonders kalten Wintern verzeichnet werden (vgl. Peterson et al. 2008: 1327). Der Grund für die Abkühlung war ein vermehrter anthropogener Ausstoß von Aerosolen (vgl. IPCC 2007: 702). Diese Aerosolpartikel erhöhen den Albedowert der Erde, indem sie die Sonnenstrahlung an der Atmosphäre streuen und absorbieren (vgl. Feichter 2003: 72). Aufgrund der Entstehung von Aerosolen bei Verbrennungsprozessen in der Industrie und in der Müll- und Forstwirtschaft sowie bei der Kondensation von anthropogenen Schwefel- und Stickstoffgasen (vgl. ebd.: 73f.) hat der Mensch einen entscheidenden Einfluss auf die Aerosolkonzentration in der Atmosphäre und gilt als Verursacher der Globalen Abkühlung (vgl. IPCC 2007: 702). In den Medien führte die Abkühlung zu teils stark dramatisierten Berichten. So warnte das TIME Magazine vor einer bevorstehenden und bereits einbrechenden neuen Eiszeit. Diese Aussage war aber nur auf die Arbeit eines Wissenschaftlers gestützt, in dessen Berechnungen später von Kollegen fachliche Fehler festgestellt wurden (vgl. Peterson et al. 2008: 1328ff.). Der Großteil der Wissenschaftler war sich schon zu diesem Zeitpunkt der enormen Klimawirkung von anthropogenen Treibhausgasemissionen bewusst und warnte davor, dass dadurch der in den 1970er Jahren vorherrschende Abkühlungstrend bald gebrochen werden könnte (vgl. Broecker 1975: 460f.; Sellers 1973: 251; Peterson et al. 2008: 1333). Diese Vorhersage hat sich auch bewahrheitet, denn die globale Mitteltemperatur ist im Zeitraum von 1906-2005 um 0,74 Kelvin angestiegen und das Jahr 1998 gilt als wärmstes Jahr des letzten Jahrtausends (vgl. Klose 2016: 50). Also ist auch der Vorwurf eines generellen Wissenschaftsirrtums bei der Globalen Abkühlung in den 1970er-Jahren unberechtigt.
3. Klimaschwankungen in der Vergangenheit
Viele Gegner von Maßnahmen zur CO2-Reduktion bestreiten aber nicht einmal die wissenschaftliche Evidenz dazu, dass es einen globalen Temperaturanstieg gibt, sondern berufen sich darauf, dass sich das Erdklima schon seit Jahrtausenden wandelt und der Mensch deshalb nicht Auslöser des aktuellen Klimawandels sein kann. Auch die AfD griff dieses Argument in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 auf und stellte unter anderem den Zusammenhang zwischen CO2-Konzentration in der Atmosphäre und Erdklima infrage (vgl. AfD 2017: 65).
3.1 Möglichkeiten zur Messung des Klimas in der Vergangenheit
Um den aktuellen Klimawandel mit der Klimaentwicklung der vergangenen Jahrtausende vergleichen zu können und die unter anderem von der AfD in den Raum gestellten Argumente überprüfen zu können, ist es notwendig, verlässliche Daten über die klimatischen Bedingungen der Vergangenheit zu erlangen. Dazu nutzen Klimaforscher mehrere Methoden, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden.
3.1.1 historische Aufzeichnungen
Zum einen können historische Aufzeichnungen wie Chroniken und Annalen für die Klimarekonstruktion verwendet werden. Oft wurden in der Vergangenheit „thermische Anomalien, vor allem extreme Sommer“ (Glaser 2008: 14) in solchen Dokumenten festgehalten, genauso wie „hygrische Extreme [...], wobei Überschwemmungen und Sturmfluten den Schwerpunkt darstellen“ (ebd.). Des Weiteren können durch Aufzeichnungen in amtlichen Protokollen, in denen zum Beispiel Ernteausfälle vermerkt wurden, oder auch aus Berichten über besonders hohe Wasserstände beziehungsweise über außergewöhnliche Vereisungen Rückschlüsse auf besondere klimatische Ereignisse in der Vergangenheit gezogen werden (vgl. ebd.: 15). Allerdings sind solche Quellen oft subjektiv und fehlerhaft, weshalb vor der Nutzung dieser Daten für wissenschaftliche Zwecke stets eine quellenkritische Analyse notwendig ist, bei der unter Erwägung etwa der Lebensumstände des Chronisten und des jeweiligen Zeitgeists die Quellen auf ihre Verlässlichkeit überprüft werden (vgl. ebd.: 29).
3.1.2 Baumringe, Seesedimente, Stalagmiten
Weitaus zuverlässiger sind dagegen Daten aus biologischen oder natürlich-physikalischen Quellen. Ein Beispiel dafür ist die Klimarekonstruktion aus fossilen Baumringen, die über 11.000 Jahre weit zurückreicht (vgl. Schneider/Lohmann 2003: 40). Da das Wachstum der Bäume meist von der vorhandenen Wärme und Strahlung abhängig ist, ist die Dicke der Ringe bereits ein erster Indikator für die jeweiligen Witterungsverhältnisse. Das Baumwachstum variiert jedoch je nach Standort und Baumsorte (vgl. Glaser 2008: 46-48) und kann auch von Insektenplagen begrenzt werden (vgl. Friedrich et al. 2004: 1114). Aus diesen Gründen konzentriert man sich in der Auswertung vor allem auf sogenannte Weiserjahre mit extremer Witterung. In solchen Jahren entwickeln Bäume trotz unterschiedlichen Standorten gleiche Prägungen, wodurch sich Hitzeperioden oder Kälteeinbrüche genau datieren lassen (vgl. Glaser 2008: 23). Mittlerweile ist es auch möglich, von Insekten, wie zum Beispiel von Maikäfern, beeinträchtigte Bäume zu erkennen und aus den Messreihen auszuschließen. Somit lässt sich das Klima in Mitteleuropa allein durch Baumringe lückenlos bis ins Jahr 10.461 v.Chr. zurückverfolgen (vgl. Friedrich et al. 2004: 1120). Noch genauere Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man die Sauerstoffisotopenzusammensetzung der Baumringe misst. Dabei wird das Verhältnis von schweren 18O-Isotopen mit 10 Neutronen im Kern und den leichteren 16O-Isotopen mit nur 8 Neutronen betrachtet. Diese Methode lässt sich gleichermaßen auf Seesedimente und Stalagmiten anwenden. Rückschlüsse auf das Klima können daraus unter anderem aufgrund der Abhängigkeit des Isotopenverhältnisses vom Aggregatszustand des Wassers gezogen werden. Wasserdampf und Schnee enthalten vor allem das leichtere 16O-Isotop, während Niederschläge in Form von Regen isotopisch schwerer sind und vor allem 18O enthalten. So kann aus dem 18O-Gehalt in Seesedimenten geschlussfolgert werden, wie viel es im jeweiligen Zeitraum geregnet hat. Ein hoher Isotopenwert in den Frühholzzellen eines Baumes verrät außerdem, dass im Frühjahr wenig isotopisch leichtes Schmelzwasser vorhanden war und es sich um einen milden Winter gehandelt haben muss. Auch das Isotopenverhältnis in Stalagmiten ist abhängig von Niederschlag und Temperatur. Nach einer genauen Datierung der Proben mittels der 14C-Methode können so wertvolle Informationen über das Klima der Vergangenheit gewonnen werden (vgl. Plessen/Helle 2017: 13-18). Bei Seesedimenten können darüber hinaus Einlagerungen von planktonischen Lebewesen in Meeren und Ablagerungen von Pollen, Algen oder Blätterresten in Festlandgebieten ausgewertet werden. Daraus kann die Temperatur im Einlagerungszeitrum abgeschätzt werden, denn verschiedene Tier- und Pflanzenarten siedeln sich an Orten mit jeweils unterschiedlichen klimatischen Bedingungen an (vgl. Wanner 2016: 76-79).
3.1.3 Eisbohrkerne
Ein weiteres bedeutsames Klimaarchiv sind Eisbohrkerne in der Antarktis, mit denen man das Klima über 420.000 Jahre zurückverfolgen kann (vgl. Petit et al. 1999: 429). Grundlage dafür ist, wie schon im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, die Auswertung der Sauerstoffisotopenverhältnisse im Eis. Wasser mit schweren 18O-Isotope benötigt mehr Energie zum Kondensieren als mit leichten 16O-Isotopen. Deshalb verdunsten bei niedrigen Temperaturen weitaus weniger Wassermoleküle mit 18O-Isotopen als bei hohen Temperaturen, wodurch hohe 18O-Konzentrationen im Eis auf eine niedrige Temperatur hinweisen und umgekehrt (vgl. Klose 2016: 64). Eine Besonderheit bei Eisbohrkernen ist außerdem, dass neben den klimatischen Bedingungen auch die Zusammensetzung der Atmosphäre mit ihren verschiedenen Gasen über die Jahrtausende hinweg nachvollzogen werden kann. Im Eis befinden sich nämlich kleine Lufteinschlüsse, die auf ihre Gaszusammensetzung untersucht werden können. Bei der Untersuchung der Temperatur und der Treibhausgasmenge in den Lufteinschlüssen fällt auf, dass es eine starke Korrelation zwischen hohem Treibhausgasanteil der Atmosphäre und hohen Temperaturen auf der Erde gibt (vgl. Petit et al. 1999: 431). Dies ist auch in Abbildung 1 unten zu erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Petit et al. 1999: 431.
3.2 Natürlicher Klimawandel im Rahmen der Eiszeitzyklen
Das Argument von Klimaschwankungen in der Vergangenheit, die gegen einen anthropogenen Klimawandel sprechen, wird und wurde nicht nur von rechten Parteien wie der AfD vertreten, sondern auch von Autoren großer Tageszeitungen wie der Welt (vgl. Metzner 1997: o.S.). In einem von Helmut Metzner verfassten Welt -Artikel aus dem Jahr 1997 wird zudem darauf verwiesen, dass die Ozeane bei erhöhter Temperatur mehr CO2 freisetzen (vgl. ebd.). Metzner folgert daraus, dass der „CO2-Anstieg erst eine Folge der Klimaerwärmung ist“ (ebd.) und somit der Klimawandel nicht vom Menschen verursacht sein kann. Zur Auseinandersetzung mit diesen Thesen werden im Folgenden mit Hilfe von Daten aus den soeben erläuterten Quellen die Klimaschwankungen der Vergangenheit mit der heutigen Erderwärmung verglichen und der Einfluss des Meeres auf die CO2-Konzentration erläutert.
3.2.1 unterschiedliche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Eiszeiten und Moderne
Wie die in Abbildung 1 dargestellten Temperaturverlaufskurven aus dem antarktischen Vostok- Eisbohrkern zeigen, gab es in den vergangenen 400.000 Jahren immer wieder Perioden der Erwärmung, gefolgt von Zeiten der Abkühlung (vgl. Petit et al. 1999: 431). In der Fachsprache bezeichnet man die gemeinhin als Eiszeiten bekannten kalten Perioden als Glaziale und die wärmeren Zeiten dazwischen als Interglaziale (vgl. Wanner 2016: 103). Der Hauptgrund für diese natürlich auftretenden Schwankungen sind Veränderungen bei der im Zyklusverlauf mehr oder weniger elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne (Exzentrizität), bei der Neigung der Erdachse (Obliquität) oder bei der Kreiselbewegung der Erde (Präzession) (vgl. Oschmann 2003: 8f). Die soeben beschriebenen zyklischen Veränderungen sind zum besseren Verständnis in Abbildung 2 graphisch dargestellt.
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Quelle: Oschmann 2003: 9.
Wenn eine Veränderung dieser Parameter zu einer stärkeren Neigung der Erdachse führt, trifft mehr Strahlung auf die Nordhalbkugel, was dort zu einer Erwärmung führt, während eine steilere Position der Erde eine Abkühlung auf der Nordhalbkugel auslöst und dort die Oberflächen vereisen lässt. Dies löst einen Rückkopplungseffekt aus, denn die Schneedecke reflektiert dann das einfallende Sonnenlicht und es kommt zu einer weiteren Abkühlung. Vor allem die Einstrahlung auf der Nordhalbkugel ist bei diesem Prozess ausschlaggebend für die jeweiligen Klimaveränderungen, da sich dort der Großteil der Landfläche der Erde befindet. Durch die periodische Veränderung der soeben beschriebenen natürlichen Erdkonstanten und die damit verbundenen Einstrahlungsänderungen auf der Nordhalbkugel werden so Eiszeiten in sogenannten Milankovic-Zyklen ausgelöst (vgl. Wanner 2016: 109). Somit ist die Entstehung der Eiszeitzyklen weitgehend unabhängig von einer Veränderung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und wird größtenteils von natürlichen Schwankungen der im vorliegenden Abschnitt beschriebenen Parameter beim Umlauf der Erde um die Sonne bestimmt, was auch in Klimamodellen bestätigt werden kann (vgl. Abe-Ouchi et al. 2013: 190). Kann also auch die aktuelle Erderwärmung durch diese natürlichen Einflussfaktoren beeinflusst sein? Gegen diese Vermutung spricht, dass wir uns derzeit in einem Interglazial befinden, in dem das Klimasystem stabil ist (vgl. Klose 2016: 49). Also steht im weiteren natürlichen Zyklusverlauf eigentlich eine neue Abkühlung im Rahmen einer neuen Eiszeit und keine weitere Erwärmung bevor (vgl. Berger/Loutre 2002: 1287). Der genaue Zeitpunkt einer neuen Abkühlung ist in der Wissenschaft umstritten, es wird jedoch davon ausgegangen, dass das derzeitige Interglazial aufgrund relativ geringer Veränderungen in der Erdumlaufbahn in den nächsten Jahrtausenden noch bis zu 50.000 Jahre andauern wird. Die nächste Eiszeit würde dann in etwa 100.000 Jahren ihren Höhepunkt erreichen, wobei unklar ist, wie lange das Klimasystem tatsächlich brauchen wird, um sich von menschlichen Einflüssen zu erholen, und ob nicht ein „Anthropozän“, ein vom Menschen verursachtes warmes Erdzeitalter, bevorsteht (vgl. ebd.: 1288). In jedem Fall ist klar, dass natürliche Variationen im Rahmen der Eiszeitzyklen nicht Ursache der aktuellen Erwärmung sein können und letztendlich nur durch den anthropogenen Treibhauseffekt erklärt werden kann, warum seit Jahrzehnten die globale Lufttemperatur immer weiter vom Durchschnitt abweicht (vgl. UBA 2021a: o.S.). Betrachtet man nämlich die Messdaten zu Temperaturverlauf und CO?-Konzentration aus dem Vostok-Eiskern wird deutlich, dass die Temperatur und der CO?-Gehalt bereits im Jahr 1999 höher lag als in den vorangegangenen 100.000 Jahren (vgl. Petit et al. 1999: 429). Aktuellere Studien beschreiben die aktuelle CO2- Konzentration sogar als die höchste der vergangenen drei Millionen Jahre und kommen zu dem Ergebnis, dass die Temperaturen heute weitaus schneller steigen als nach der letzten Eiszeit (vgl. Willeit et al. 2019: o.S.).
3.2.2 Rückkopplung zwischen Erwärmung und CÖ 2-Anstieg
Trotzdem liefen die postglazialen Erwärmungsphasen in der Vergangenheit nicht ganz ohne Einfluss von Kohlenstoffdioxid ab. Es ist nämlich in den antarktischen Eisbohrkernen ein Zusammenhang zwischen gemessenem CO2-Gelialt und rekonstruierter Temperatur festzustellen und davon auszugehen, dass schon in der Vergangenheit Treibhausgase am Ende der Eiszeitzyklen zur Erwärmung beigetragen haben (vgl. Lorius et al. 1990: 142). Allerdings lässt sich bei einer genaueren Auswertung der Messdaten feststellen, dass der CO2-Anstieg immer erst nach der Temperaturerhöhung eintrat und nicht wie erwartbar davor (vgl. Caillon et al. 2003: 1728). Kann es also sein, dass, wie manche Klimawandelskeptiker behaupten (vgl. Metzner 1997: o.S.), der CO?-Anstieg nur die Folge einer von natürlichen Faktoren bedingten Erderwärmung ist und nicht die Ursache davon? Tatsächlich gibt es mittlerweile erste wissenschaftliche Erklärungsansätze für diese Zeitverzögerung. Bei einem durch die natürliche Veränderung der Erdbahnparameter verursachten Strahlungszuwachs auf der Nordhalbkugel schmelzen die dort vorher entstandenen Eisschilde, wodurch mehr Süßwasser in die Nordozeane fließt. Das schwächt den nördlichen Teil des von Salzwasser abhängigen Golfstroms und führt zu einer Abkühlung im von der wärmenden Wirkung des Golfstroms abhängigen atlantisch-europäischen Gebiet (vgl. Wanner 2016: 112-115). Gleichzeitig stellt sich eine Erwärmung im globalen Süden ein, die Schmelzprozesse in der Antarktis nach sich zieht (vgl. ebd.: 114ff.). Durch die Erwärmung im Süden kommt es dort zu Ausgasungsprozessen, da die Löslichkeit von CO2 in Wasser mit steigender Temperatur abnimmt. Die veränderte Löslichkeit reicht aber nicht aus, um eine so schnelle Veränderung der CO2-Konzentration zu erklären, wie sie in Sedimentbohrkernen gemessen wurde (vgl. Martin et al. 2005: 7). Der genaue Mechanismus der Ausgasung ist also noch unklar (vgl. ebd.), wobei von einem Zusammenhang mit den Strömungen zwischen Tiefsee und Wasseroberfläche ausgegangen wird (vgl. Toggweiler 1999: 571). Exakt an Messdaten belegt werden kann dagegen, dass sich während der Eiszeitzyklen die Temperatur auf der Nordhalbkugel erst nach dem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erhöht hat, weshalb hier von einem Einfluss des ausgegasten Kohlenstoffdioxids ausgegangen werden kann. Auch wenn es insgesamt etwa 800 Jahre dauert, bis sich die CO2-Konzentration nach einer natürlichen Erwärmung durch Ausgasungen aus den Südozeanen erhöht, spielt danach der Treibhauseffekt eine große Rolle bei der Angleichung der Temperaturen auf Süd- und Nordhalbkugel und bei der weiteren Erwärmung, die etwa 5000 Jahre in Anspruch nimmt (vgl. Caillon et al. 2003: 1730; Wanner 2016: 115f.). Der große Unterschied zwischen dem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre nach den Eiszeiten und dem erhöhten CO2- Ausstoß heute ist also, dass in der Vergangenheit tatsächlich natürliche Prozesse zu einer langsamen und ortsabhängigen CO2-Erhöhung beigetragen haben (vgl. Wanner 2016: 115f.), während heute durch den Einfluss des Menschen die CO2-Emissionen weltweit rapide steigen (vgl. IPCC 2021: 9). In beiden Fällen kann jedoch nachgewiesen werden, dass eine erhöhte atmosphärische CO2-Konzentration einen erheblichen Erwärmungseffekt nach sich zieht, obgleich die CO2-Erhöhung in den Eiszeiten im Gegensatz zum heutigen Klimawandel nicht die Ursache der Erwärmung war (vgl. Caillon et al. 2003: 1730).
3.3 Natürlicher Klimawandel durch Dansgaard-Oeschger-Zyklen
Nun ist also belegt, dass die Eiszeitzyklen nicht für die aktuelle Klimaerwärmung verantwortlich sind. Es gibt aber neben den Milankovic-Zyklen noch andere natürliche Abläufe wie die sogenannten Dansgaard-Oeschger-Ereignisse, die das Klima verändern können und die manche Leugner des anthropogenen Klimawandels für die aktuelle Erwärmung verantwortlich machen (vgl. Avery 2008: 153ff.).
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[...]
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Der anthropogene Klimawandel. Auseinandersetzung mit den Argumenten von Leugnern, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1283101