Die Arbeit befasst sich mit den Eigenschaften sowie der Entwicklung der Vegetation limnischer Lebensräume. Dabei werden schwerpunktmäßig Süßwasserseen und Fließgewässer im Raum der Bundesrepublik Deutschland analysiert. Flüsse und Seen bieten Lebensräume für verschiedene, spezifisch angepasste Pflanzen- und Tierarten. Die natürliche Ausbildung und Ausprägung von in Gewässern lebenden Pflanzengesellschaften wurde jedoch in der Vergangenheit stark durch anthropogene Einflüsse überprägt. Diese Überprägung kann durch Renaturierungsmaßnahmen wieder naturnahe Zustände annehmen.
Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der Beschreibung und Analyse limnischer Biome in Deutschland. Dabei werden zunächst die abiotischen Standorteigenschaften, die für die Ausprägung der Flora relevant sind, beschrieben. Dies wird durch die Einordnung von klimatischen, geologischen, chemischen und hydrologischen Merkmalen verdeutlicht. Im darauffolgenden Gliederungspunkt werden die Mechanismen aufgezeigt, durch die Pflanzen sich an limnisch geprägte Lebensräume anpassen.
In den Kapiteln 3 und 4 liegt der regionale Schwerpunkt der Betrachtung auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dabei werden sowohl ausgewählte Flüsse als auch Seen hinsichtlich ihrer raumabhängigen Charakteristiken untersucht. Die aktuelle Situation von Süßwassergewässern in Deutschland wird kurz im Kapitel der anthropogenen Beeinflussung erläutert; verschiedene Maßnahmen zur Erneuerung und Erhaltung von limnischen Biomen werden im Bereich Naturschutz vorgestellt.
Vegetationsgeographische Forschungen werden meist im Kontext spezifischer Biome durchgeführt. Als Biome werden Ökosysteme bezeichnet, deren biotische und abiotische Eigenschaften ähnliche Ausprägungen haben und somit grob zu einem Lebensraum zusammengefasst werden können. Im Allgemeinen erfolgt die Unterteilung in marine, limnische, semi-terrestrische und terrestrische Megabiome.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lebensraum Wasser
2.1 Grundlegende Definitionen
2.2 Abiotische Standortfaktoren in und um Gewässer
2.3 Anpassungen an limnische Lebensräume
3. Vegetation der Fließgewässer in Deutschland
3.1. Charakterisierung und Entstehung
3.2 Verteilung
4. Vegetation der Seen in Deutschland
4.1 Eutrophe und oligotrophe Seen
4.2 Verteilung in Deutschland
4.3 Regionales Beispiel: Das Steinhuder Meer
4.4 Regionales Beispiel: Der Bodensee
5. Anthropogene Beeinflussung von limnischen Biomen
6. Naturschutz
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Vegetationsgeographische Forschungen werden meist im Kontext spezifischer Biome durchgeführt.
Als Biome werden Ökosysteme bezeichnet, deren biotische und abiotische Eigenschaften ähnliche Ausprägungen haben und somit grob zu einem Lebensraum zusammengefasst werden können (LESER 15 2011). Im Allgemeinen erfolgt die Unterteilung in marine, limnische, semi-terrestrische und terrestrische Megabiome. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Eigenschaften sowie der Entwicklung der Vegetation limnischer Lebensräume. Dabei werden schwerpunktmäßig Süßwasserseen und Fließgewässer im Raum der Bundesrepublik Deutschland analysiert.
Flüsse und Seen bieten Lebensräume für verschiedene, spezifisch angepasste Pflanzen- und Tierarten. Die natürliche Ausbildung und Ausprägung von in Gewässern lebenden Pflanzengesellschaften wurde jedoch in der Vergangenheit stark durch anthropogene Einflüsse überprägt. Diese Überprägung kann durch Renaturierungsmaßnahmen wieder naturnahe Zustände annehmen.
Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Beschreibung und Analyse limnischer Biome in Deutschland. Dabei werden zunächst die abiotischen Standorteigenschaften, die für die Ausprägung der Flora relevant sind, beschrieben. Dies wird durch die Einordnung von klimatischen, geologischen, chemischen und hydrologischen Merkmalen verdeutlicht. Im darauffolgenden Gliederungspunkt werden die Mechanismen aufgezeigt, durch die Pflanzen sich an limnisch geprägte Lebensräume anpassen.
In den Kapiteln 3 und 4 liegt der regionale Schwerpunkt der Betrachtung auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dabei werden sowohl ausgewählte Flüsse als auch Seen hinsichtlich ihrer raumabhängigen Charakteristiken untersucht. Die aktuelle Situation von Süßwassergewässern in Deutschland wird kurz im Kapitel der anthropogenen Beeinflussung erläutert; verschiedene Maßnahmen zur Erneuerung und Erhaltung von limnischen Biomen werden im Bereich Naturschutz vorgestellt.
2. Lebensraum Wasser
2.1 Grundlegende Definitionen
2.1.1 Fließgewässer
Ein Fließgewässer ist ein in langgestreckten, einseitig geöffneten Hohlformen der Landoberfläche fließender natürlicher Wasserlauf. Sie entwässern die umgebenden Flächen des Festlandes. Je nach Größe wird ein Fließgewässer Bach, Fluss oder Strom genannt, eine offizielle Abgrenzung gibt es nicht (BASTIANS und SCHREIBER 21999). Flüsse lassen sich in permanent/perennierend (ständig), periodisch (regelmäßig zeitweise) und episodisch (unregelmäßig zeitweise) wasserführend unterteilen (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996). Am Ende ihres Laufs fließen die Gewässer entweder in einen größeren Fluss, einen See, ein Meer/Ozean oder versickern. Beispiele sind jeweils die Wertach in den Lech, der Oberlauf des Rheins in den Bodensee, die Elbe in die Nordsee und die Donau in der Schwäbischen Alb. Bei der Mündung in ein Meer oder einen See bildet der Fluss, sofern er groß genug ist, ein Delta aus. Dieses kann verschieden aussehen, von Vogelfußdeltas (Mississippi) über Spitzdeltas (Tiber) bis zu Binnendeltas (Okavango) gibt es sehr verschieden Formen, je nach Flussgröße, Tidenhub etc. Vor dem Delta befindet sich der Strom in seinem Unterlauf. Der Unterlauf ist geprägt von schwachem Gefälle, langsamen Fließgeschwindigkeiten und einem breiten Flussbett. Der Unterlauf ist nur bis zu wenigen Metern höher als die Erosionsbasis. Die Sedimentation überwiegt gemäß Hjulström, es findet keine Erosion statt (ZEPP 62014). Dadurch bilden sich Auenlandschaften, die bei Hochwasser überspült werden. Weiter flussaufwärts befindet sich der Mittellauf. Er ist durch ein etwas höheres Gefälle ausgezeichnet, es werden noch größere Korngrößen akkumuliert, am Ufer findet gleichzeitig Seitenerosion statt. Sauerstoff und Wassertemperatur schwanken sehr stark. Der Oberlauf des Flusses beginnt an der Quelle und reicht bis ins Flachland. Er ist durch wenig Wasservolumen und hohe bis sehr hohe Fließgeschwindigkeiten charakterisiert, welche eine hohe Erosionskraft erzeugen. Die Besiedlung mit Wasserpflanzen wird dadurch erschwert oder ganz verhindert. Das Wasser dagegen ist hier noch am sauerstoffreichsten, kalt und dank weniger Schadstoffeinträge klar.
Die Fließgeschwindigkeit eines Flusses ist an der Oberfläche am höchsten, direkt am Grund wird er weitestgehend durch Reibung aufgehalten (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996). Durch Hindernisse im Fluss oder Fließgeschwindigkeitsunterschiede wird die laminare Strömung zu einer turbulenten. Es bilden sich Eddies, mikroskalige Wasserwirbel von unterschiedlicher Größe und Drehgeschwindigkeit. Durch Geschwindigkeitsunterschiede entstandene Eddies sind tendenziell unregelmäßig in ihrer Entstehung und Bewegung, während die durch Hindernisse entstandenen Eddies eher regelmäßig auftreten. Sie haben keine Hauptrotationsachsenausrichtung wie atmosphärische Eddies sondern kommen gleichermaßen horizontal und vertikal vor. Die Wasserwirbel können in großen, flachen Flüssen dazu führen, dass Wassermassen sich am Ufer gegen die eigentliche Strömungsrichtung bewegen und gegen das Gefälle fließen. Die dadurch verringerte Fließgeschwindigkeit an den Rändern ermöglicht ein besseres Wachstum der Pflanzen am Rand, da die auf sie wirkenden Kräfte kleiner sind.
2.1.2 Stillgewässer
Ein See ist eine „allseitig geschlossene, in einer Vertiefung des Bodens befindliche, mit dem Meer nicht in direkter Kommunikation stehende stagnierende Wassermasse“ (FOREL 1901). Damit ein See entsteht muss eine geschlossene Hohlform in der Landoberfläche vorhanden sein und es muss einen Zufluss geben, der diese Hohlform mindestens zeitweise füllt (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996). Feine wird unterschieden zwischen See, Weiher, Tümpel und Sumpf. Weiher und Tümpel sind sehr seicht, sodass der komplette Seeboden mit Pflanzen besiedelt werden kann. Bei einem See dagegen kann nur der Uferstreifen durch submerse Litoralflora (unter der Wasseroberfläche lebende Uferpflanzenwelt) besiedelt werden, außerhalb der flachen Gebiete kann die Vegetation keinen Fuß fassen (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996). Sümpfe wiederum sind so seicht, dass die Sumpfflora ihre Triebe über das Wasser streckt. Wie bei den Flüssen wird bei den Seen zwischen perennierenden, periodischen und episodischen Seen unterschieden. Bei perennierenden Seen existiert in Sommer und Winter eine Schichtung der Wassertemperatur. In den Tiefen des Sees (Hypolimnion) ist es aufgrund der Anomalie des Wassers stets etwa 4 °C kalt. Im Winter ist in unseren Breiten die Seeoberfläche zumeist gefroren, aber der See friert nicht ganz nach unten hin zu. Nur selten wird das Eis dicker als einen Meter, selbst der Baikal-See friert nur bis ca. 1,2 m Tiefe zu (Baikal Web World o. J.). Unter dem mächtigen Eis ist flüssiges, dank der Kälte sauerstoffreiches Wasser in dem die Pflanzen und Fische ohne große Temperaturschwankungen überwintern können (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Im Sommer ist die Oberfläche (Epilimnion) deutlich wärmer als die unteren Schichten, im darunter liegenden Metalimnion nimmt die Temperatur sprunghaft ab. In Frühling und Herbst sind die Schichten besser vermischt, da der gesamte See 4 °C kalt ist (Homothermie) und die Horizontierung ist schwächer bzw. aufgelöst (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996).
2.1.3 Gewässerpflanzen und deren Abgrenzung
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit der Vegetation in Fließgewässern und Seen. Die dort lebenden Pflanzen werden als „Hydrophyten“ (Wasserpflanzen) bezeichnet und sind von den Sumpf-, Röhricht-, Seichtwasser-, sowie von den Nass- und Feuchtbodenpflanzen abzugrenzen (KRAUSCH 1996). Thematisch werden in den folgenden Kapiteln ausschließlich die Hydrophyten anhand ihrer Merkmale beschrieben, analysiert und differenziert. Oftmals fällt zur Beschreibung von Gewässerpflanzen der Begriff „Makrophyten“. Dieser beschreibt eine Abgrenzung von mit bloßem Auge sichtbaren, größeren Pflanzen im Vergleich zu den nur durch Mikroskope erkennbaren Mikrophyten (LESER 152011).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Relevante Formen der Gewässervegetation (KIEFER 2010)
Wasserpflanzen lassen sich grob in zwei Gruppen untergliedern (KRAUSCH 1996). Diese sind zum einen Tauchpflanzen (Submersophyten) und zum anderen Schwimmpflanzen (Natanophyten). Tauchpflanzen führen ihre Nährstoffaufnahme und -umwandlung (Assimilation) komplett unter Wasser (submers) durch. Als Nährstoffquellen dienen dabei das umliegende Wasser oder Substrate. Weiterhin lassen sich Submersophyten in Unterwasserpflanzen (Demersophyten) und Überwasserblüher (Emergentophyten) aufteilen. Unterwasserpflanzen haben ihre Blüte und Frucht vollständig unter Wasser und überwintern im tiefen Wasser oder innerhalb der Schlammschicht. Sie haben verschieden ausgeprägte Möglichkeiten der Ansiedlung und Sesshaftigkeit (freischwebend unter Wasser, an Substrat anheftend oder Ausbildung von Befestigungen in der Schlammschicht durch dünne Wurzeln oder Rhizoide). Überwasserblüher bilden ihr Blüten, wie der Name bereits sagt, über Wasser aus. Wie bei den Unterwasserpflanzen gibt es auch hier freischwebende oder verwurzelte Ausprägungen von Arten (KRAUSCH 1996).
Die zweite große Gruppe der Hydrophyten, die Schwimmpflanzen, zeichnen sich durch eine Nährstoffassimilation an der Wasseroberfläche aus (KRAUSCH 1996). Die Blüten der Pflanzen dieser Kategorie befinden sich ebenfalls an der Wasseroberfläche; die Überwinterung der Erneuerungsknospen findet jedoch wie bei den Tauchpflanzen im Bereich des Gewässergrundes statt. Schwimmpflanzen lassen sich weiter unterteilen in errante Wasserschwimmer, die frei an der Oberfläche schwimmen, und radikante Schwimmpflanzen, die Wurzeln ausprägen (KRAUSCH 1996).
2.2 Abiotische Standortfaktoren in und um Gewässer
Die Qualität des Wassers hat viele Bestandteile, es kommt auf die Temperatur, den Sauerstoffgehalt die Härte, den pH-Wert, die Nitratbelastung etc. an. Die Temperatur spielt dabei eine große Rolle, da in kaltem Wasser sich deutlich mehr Gase lösen können als in warmen (ELLENBERG und LEUSCHNER 6 2010). Für die Verteilung von Schwebstoffen ist die Temperatur ebenfalls entscheidend. Kaltes Wasser ist viskoser als warmes, sodass schwebende Organismen wie Algen in warmem Wasser doppelt so schnell absinken wie in kaltem (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Durch die höhere Viskosität ist die Kraft des strömenden Wassers auf Pflanzen bei gleicher Fließgeschwindigkeit bei höherer Temperatur geringer als bei niedriger. Da der Wasserdruck mit der Tiefe linear zunimmt behindert er das Wachstum der Pflanzen in tieferen Regionen, indem er das Streckungswachstum und den Gastransport erschwert. Infolgedessen unterschreiten die meisten Makrophyten nicht 10 m Wassertiefe, selbst bei klarstem Wasser (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Bezüglich des Säuregehalts haben natürliche Süßwassergewässer in der Regel einen pH-Wert von 6–8,5; was relativ neutral bedeutet (ROBINSON und WARD 2017). Dystrophe Seen besitzen dagegen einen pH-Wert von 3–4,5. Es gilt, je saurer das Wasser, desto schlechter können Algen wachsen (ELLENBERG 51996). Bei der Härte von Gewässern kommt es auf die Magnesium- und die Kalkkonzentration (CaCO3) im Wasser an. Das Calciumcarbonat wird durch das Auswaschen von kalkhaltigem Gestein im Wasser gelöst, sodass es je nach Untergrund des Flusses bzw. des vorliegenden Flussabschnitts hart oder weich ist (BASTIANS und SCHREIBER 21999). In Augsburg ist zum Beispiel das Wasser von Lech und Wertach aufgrund der Kalkalpen sehr hart, während in Niedersachsen vor allem weiches Wasser fließt. Der Salzgehalt ist in den deutschen Flüssen und Seen moderat, größere Salzseen existieren nicht. Wenn eine Dürreperiode auftritt und wenig Wasser in den Gewässern ist wird das Salz (und weitere Schadstoffe) konzentriert, sodass deutlich höhere Werte gemessen werden als in Phasen mit starkem Niederschlag (ROBINSON und WARD 2017). Wenn die Konzentration der Trübstoffe im Wasser hoch ist, kann weniger Sonnenstrahlung in die Tiefe gelangen, die Vegetationsvorkommen sind daher durch die Klarheit des Wassers beschränkt. Schon in einem Meter Tiefe kommt bei klarem Wasser nur noch 40 % der Energie des roten Lichtspektrums an, bei verunreinigtem Wasser noch bedeutend weniger (MARCINEK und ROSENKRANZ 21996). Ein weiterer Verlust von Licht kann durch ausgebildete Kronendächer der uferbegleitenden Vegetation entstehen (POTT und REMY 2000). Dieser Faktor ist bei schmalen oder kleinen Gewässern wirkungsvoller als bei breiten Flüssen oder großen Seen.
Nach W. Werth kann ein Fluss in vier Zustandsklassen eingeteilt werden (BASTIANS und SCHREIBER 2 1999). Diese sind natürlich (1), naturnah (1–2), wenig beeinträchtigt (2), deutlich beeinträchtigt (2– 3), stark beeinträchtigt (3), naturfern (3-4) und naturfremd (4). Klasse 1 zeichnet sich durch wechselnde Wassertiefe und Flussbreite, natürliches Gefälle und Auenlandschaften aus. Klasse 4 im Kontrast dazu hat harte Sohlen, gerade Wasserläufe, keine Böschung und viel Betoneinsatz. Dementsprechend findet man in Gewässern der Klasse 4 keine limnische Vegetation mehr. Daraus können bereits erste Rückschlüsse auf die Artenvielfalt gezogen werden. Eine ähnliche Abstufung gibt es ebenfalls für das Wasser an sich, die Gewässergüteklassen, die sich von oligosaprob über mesosaprob bis polysaprob erstrecken. Oligosaprob verzeichnet klares, sauerstoffreiches Wasser das vorwiegend von Algen und Moosen besiedelt ist. Dieses Wasser bildet in Stillgewässern die Einordnung in oligotrophe Seen (siehe Kapitel 3). α-mesosaprobes Gewässer ist organisch verunreinigt, hat noch eine gute Sauerstoffversorgung und hohe Artenvielfalt, das Wasser bildet eutrophe Seen. β-mesosaprobe Gewässer sind stark organisch verunreinigt, haben niedrige Sauerstoffgehalte und nur wenige Arten an höheren Pflanzen. Polysaprobe Gewässer sind übermäßig verschmutzt, extrem sauerstoffarm oder frei und nur noch durch Mikroben besiedelt. Diese Gewässer können durch extremen Schadstoffzufluss entstehen, aber auch natürlich durch das sogenannte Umkippen eines Stillgewässers. Dabei bilden sich durch hohe Bakterienverwertung von toter Biomasse sauerstofffreie Zonen am Seegrund, in welchen durch Fäulnisprozesse Schwefelwasserstoff entsteht (Eutrophierung) (BASTIANS und SCHREIBER 21999). Der Effekt verstärkt sich selbst, da die Pflanzen auch in der sauerstofffreien Zone wachsen können, die Bakterien aber Sauerstoff benötigen, sodass die Biomassezufuhr gleich bleibt während der Biomasseabbau kaum noch stattfindet (ELLENBERG und LEUSCHNER 72017).
Das Umkippen kommt vor allem im Sommer vor, da dann eine klare Zonierung der Stillgewässer vorliegt und die Aktivität der Bakterien etc. am höchsten ist. Im Herbst kann das Umkippen rückgängig gemacht werden durch die gute Vermischung der Zonen und damit einen vermehrten Sauerstoffeintrag in die unteren Schichten. Zwischen den vier Klassen gibt es wiederum Zwischenstufen (BASTIANS und SCHREIBER 21999). Durch die biologische Selbstreinigung per Plankton, Pilzen und Bakterien kann ein Gewässer in einen anderen Zustand übergehen, je nach Sauerstoffbudget (BAUER 1985). Ist das Budget überschritten, gibt es anaerobe Verhältnisse (siehe oben). Gibt es allerdings eine gute Sauerstoffzufuhr, entweder durch submerse Pflanzen oder im Falle eines Baches durch Eddy-Transport, wird das Gewässer gereinigt. Durch den deutlich höheren Sauerstoffeintrag besitzt ein turbulent fließender Bach somit ein deutlich höheres Selbstreinigungspotential als ein Weiher (BASTIANS und SCHREIBER 21999). Neben der Wasserqualität haben auch die Fließgeschwindigkeit (in Flüssen) und die Wasserspiegelschwankungen (in allen Gewässern) großen Einfluss auf die Artenvielfalt und -form der Ufervegetation (ELLENBERG 51996). Schwankt der Wasserspiegel stark muss die Flora einen amphibischen oder semi-terrestrischen Lebensstil adaptieren um zu überleben. Viele der Uferpflanzen vollbringen dies, manche schaffen es nicht (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010).
2.3 Anpassungen an limnische Lebensräume
Anpassungen von Pflanzenarten an bestimme Standorte sind meist evolutionär und genetisch bedingt (POTT und REMY 2000). Im Falle von Gewässerpflanzen ist es jedoch oft der Prozess der sog. Ökomorphose, der ein Überleben in Gewässern ermöglicht. Die Ökomorphose beschreibt eine Anpassung phänotypischer, morphologischer Ausprägungen der Pflanze an ihren Standort unter gegebenen genetischen Grenzen (POTT und REMY 2000). Einige dieser Anpassungen wurden bereits im Kapitel 2.2 kurz angesprochen; nun sollen sie im Detail beschrieben werden.
2.3.1 Anpassung des Phänotyps und der Organe
Phänotypisch weisen Gewässerpflanzen einige spezifische Veränderungen gegenüber Landpflanzen auf (POTT und REMY 2000). Hier soll nun auf ausgewählte organische und phänotypische Strategien der Lebensraumerschließung eingegangen werden.
Die Wachstumsrichtung eines Individuums beschreibt in den meisten Fällen eine Bewegung hin zur Lichtquelle (POTT und REMY 2000). Während dies in stillen Gewässern oftmals stattfindet, richten sich Fließgewässerpflanzen bevorzugt nach der Strömung. Neben der vertikalen Wuchsrichtung zur Lichtquelle findet in diesem Fall also eine Anpassung an die horizontal verlaufende Strömung statt. Während Landpflanzen Festigungsgewebe besitzen, die für den vorwiegend aufrechten Stand der Individuen sorgt, übernimmt dies bei Gewässerpflanzen der Auftrieb im Wasser. Dieser entsteht aufgrund eines in den meisten Hydrophyten stark ausgeprägten Durchlüftungsgewebes (Aerenchym) (KRAUSCH 1996). Aufgrund des in diesem Organ gespeicherten Sauerstoffes bewegen sich Wasserpflanzen hin zur Gewässeroberfläche. Die von Wasserpflanzen ausgebildeten Wurzeln und Rhizome haben eine hohe Toleranz gegenüber sauerstoffarmen Umgebungen (POTT und REMY 2000). Besonders in Fließgewässern mit einer hohen Strömungskraft ist es wichtig, dass Pflanzen eine elastische und reißfeste Beschaffenheit aufweisen.
Die Anpassungskapazität der Blätter von Hydrophyten weist, wie es auch bei allen anderen Organen der Fall ist, einen sehr großen Schwankungsbereich auf (POTT und REMY 2000). In den meisten Fällen besteht eine ausgeprägte Heterophyllie. Dies beschreibt hierbei das Vorhandensein von unterschiedlich angepassten Blättern an einer einzigen Pflanze. Die durch äußere Einflüsse bedingten Änderungen der Blatteigenschaften lassen sich unter dem Begriff der modifikatorischen Heterophyllie zusammenfassen, während die genetische Heterophyllie standortunabhängig und artspezifisch ist (POTT und REMY 2000). Letztere wird in dieser Hausarbeit nicht weiter betrachtet.
Je nach Gruppe der Hydrophyten (siehe Kapitel 2.1.3) kann es gleichzeitig zur Ausbildung von Tauch-, Schwimm- oder Luftblättern an einem Individuum kommen (siehe Abbildung 2) (POTT und REMY 2000). Die Ausbildung von spezifischen Blattarten ist von verschiedenen Standorteigenschaften und deren Ausprägungen abhängig. Einflussreiche Faktoren sind hierbei unter anderem die vorherrschenden Lichtverhältnisse, der hydrostatische Druck, die Strömungsgeschwindigkeit des umgebenden Wassers, die Wassertemperatur oder die Stärke des CO2-Partialdrucks. Tauchblätter befinden sich stets unterhalb der Wasseroberfläche und sind in ihren Eigenschaften vergleichbar mit den Schattenblättern der Landpflanzen (KRAUSCH 1996). Da kein Verdunstungsschutz notwendig ist, besitzen sie eine dünnhäutige und zarte Beschaffenheit. Aufgrund der schwachen oder nicht vorhandenen Ausbildung des Verdunstungsschutzes durch eine Cuticula (hydrophobe Wachsschicht auf Blättern) vertrocknen Tauchblätter außerhalb des Wassers sehr schnell. Die Dünnschichtigkeit der Unterwasserblätter ermöglicht einen direkten und raschen Austausch von Stoffen mit der Umgebung (POTT und REMY 2000). Die Schwimmblätter eines Hydrophyten befinden sich auf der Wasseroberfläche und sind mit den Lichtblättern von Landpflanzen zu vergleichen (KRAUSCH 1996). Aufgrund der besseren Erreichbarkeit von Licht ist ihre Photosyntheseaktivität höher als die von Unterwasserblättern. Ihr Aufbau ist komplexer und differenzierter als der der Tauchblätter; sie besitzen an ihrer Oberseite eine ausgeprägte Cuticula. Falls Luftblätter vorhanden sind, erfolgt der Hauptstoffumsatz über diese. Die hierbei notwendigen Merkmale und Prozesse ähneln reinen Landpflanzen sehr stark und werden hier nicht detaillierter erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Heterophyller Flutender Hahnenfuß (Ranunculus fluitans) (BEBBINGTON 2006)
2.3.2 Anpassung der botanischen Prozesse
Das für den Prozess der Photosynthese benötigte Kohlendioxid ist in Gewässern schwerer zu erreichen als in der Luft (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Dies ist mit einer geringeren Diffusivität des CO2 in aquatischen Medien zu erklären. Um dennoch an ausreichend Kohlenstoffdioxid zu gelangen, gibt es verschiedene Mechanismen. Einige Unterwasserpflanzen besitzen die Fähigkeit, das vor allem in carbonatischen Gewässern mehr vorhandene Hydrogencarbonat-Ion HCO3- so aufzubereiten, dass es für den Vorgang der Photosynthese verwendet werden kann (POTT und REMY 2000). Im Falle von wurzelnden Pflanzen erfolgt die Kohlenstoffaufnahme meist direkt aus dem Sediment (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Falls Luftblätter vorhanden sind, wird CO2 aus der Atmosphäre entnommen. Die Nährstoffversorgung von Hydrophyten erfolgt, sofern vorhanden, ebenfalls über die Aufnahme durch Wurzeln und Rhizome aus dem Untergrund (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Bei wurzellosen, im Wasser schwebenden Submersophythen erfolgt die Nährstoffgewinnung an der gesamten Pflanzenoberfläche. Es liegt nahe, dass solche Arten demnach nur in nährstoffreicheren Gewässern vorkommen.
2.3.3 Ansiedlung und Ausbreitung
Die Ansiedlung und Kombination limnischer Arten und Pflanzengesellschaften erfolgt, im Rahmen der Standortanforderungen, in vielen Fällen zufällig (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Die Ausbreitung von Gewässerpflanzen erfolgt meist vegetativ (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010). Oftmals kommt es hierbei zur Selbstklonierung der Individuen, d.h. spezifische, von Art zu Art unterschiedliche Organe werden abgetrennt und wachsen zu einem neuen, eigenständigen Individuum heran. Kommt es zu einer Ausbildung von Blüten oberhalb der Wasserfläche, so ist die Bestäubung und der Transport durch den Wind (Anemogamie bzw. Anemochorie) die vorherrschende Ausbreitungsform. Falls der Transport der Samen durch aquatische Medien erfolgt, so sind diese durch Luftpolster gesichert und können bis zu mehreren Monaten im Wasser überleben. Zusätzlich ist eine Verschleppung der Samen durch am oder im Wasser lebende Tiere möglich. Die Überwinterung von mehrjährigen Unterwasserarten findet im Bereich des Gewässergrundes statt (ELLENBERG und LEUSCHNER 62010).
3. Vegetation der Fließgewässer in Deutschland
3.1 Charakterisierung und Entstehung
Das deutsche Fließgewässersystem ist sehr vielseitig und komplex in seinen Merkmalen (POTT und REMY 2000). Daher ist es schwierig, eine für alle Gewässer geltende Charakterisierung aufzustellen. Die Flüsse innerhalb Deutschlands sind in ihrer Form oftmals als quartäre, nacheiszeitliche Entwässerungssysteme des Festlandes entstanden. Ihre natürliche Ursprungsform wurde größtenteils vollständig anthropogen überprägt (POTT und REMY 2000). Eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem Vergleich des natürlichen und dem anthropogen verursachten Zustand von Gewässern folgt in Kapitel 5.
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- Quote paper
- Maurice Maaß (Author), 2019, Flora und Vegetation der Flüsse und Seen Deutschlands. Charakterisierung und regionale Beispiele, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1270219