Die vorliegende Hausarbeit stellt die Verschriftlichung zum bereits gehaltenen Referat zum Thema: „Schwangerschaft und Geburt im Migrationskontext“ dar. Zu Beginn der Verschriftlichung erfolgt zunächst die theoretische Einbettung des Themas. Anschließend wird auf exemplarische Studienergebnisse eingegangen, die sich im Kern mit Schwangerschaft und Geburt bei Migrantinnen beschäftigen. Die Verschriftlichung endet mit einem Fazit.
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1 SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT IM MIGRATIONSKONTEXT
1.1 THEORETISCHER HlNTERGRUND
1.2 ExemplarischeForschungsergebnisse
1.2.1 STUDIENERGEBNISSE ZUM THEMA: SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT BEI EXILTAMILINNEN
1.2.2 STUDIENERGEBNISSE ZUM THEMA: SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND MUTTERSCHAFT VON MlGRANTINNEN IN DEUTSCHLAND
1.2.3 Ergebnisse einer Studienanalyse zur geburtshilflichen Betreuung von Frauen mit MlGRATIONSHINTERGRUND
FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit stellt die Verschriftlichung zum bereits gehaltenen Referat zum Thema: „Schwangerschaft und Geburt im Migrationskontext“ dar. Zu Beginn der Verschriftlichung erfolgt zunachst die theoretische Einbettung des Themas. AnschlieBend wird auf exemplarische Studienergebnisse eingegangen, die sich im Kern mit Schwangerschaft und Geburt bei Migrantinnen beschaftigen. Die Verschriftlichung endet mit einem Fazit.
1 Schwangerschaft und Geburt im Migrationskontext
1.1 Theoretischer Hintergrund
Auf der ganzen Welt lauft die Geburt nach bestimmten Regeln ab, einmal weil sie selbst etwas Besonderes darstellt, aber auch des Wissens wegen, dass bei der Geburt gewisse Komplikationen auftreten konnen. Die Geburtshilfe wird uberall von den beteiligten Akteuren auf andere Weise beeinflusst, gestaltet und organisiert. Dies alles ist integriert in einem sogenannten Geburtssystem ( Kuntner 2007). Des Bedurfnisses wegen, potentiell auftretende Gefahren zu verhindern und die Mutter mit ihrem Kind zu schutzen, entstand ein Gebilde aus Praktiken, das den Frauen bestimmte Vorgehensweisen innerhalb der Schwangerschaft, wahrend der Geburt, in der Zeit des Wochenbetts und der Stillzeit auferlegt und so ein Schutzsystem fur Mutter und Kind bildet (ebd.). Geburts- und Schutzsysteme sind gekennzeichnet durch soziale, okologische, historische, religiose, politische und medizinische Faktoren. Wir differenzieren zwischen traditionell und naturheilkundlich orientierten Geburts- und Schutzsystemen auf der einen Seite und wissenschaftlich, medizinisch-technologisch ausgerichteten auf der anderen Seite (ebd.). Neben der Geburtshilfe im Krankenhaus, die sich im 18. und 19. Jahrhundert institutionalisiert hat, existierten in unserer Gesellschaft traditionell und naturheilkundlich ausgerichtete Geburts- und Schutzsysteme bis in die 30er Jahre (Hausgeburtshilfen und Hebammen), die sich in ihrem Ansatz unwesentlich von den noch existierenden traditionellen Geburtssystemen in den Entwicklungslandern unterscheiden (ebd.). Die institutionalisierte Geburtshilfe fuhrte und fuhrt hierzulande aber auch in anderen Landern immer zu einer Beeinflussung der gesellschaftlich angepassten Begleitumstande von Schwangerschaft, Geburt, postpartaler Phase und des Stillens. Interventionen in der heutigen Geburtshilfe sind z.B. Ultraschall, elektrische Wehenuberwachung sowie wehenanregende und -hemmende Medikationen. Daneben existieren geburtsunterstutzende Eingriffe wie die Vakuumsextraktion oder die Entbindung per Kaiserschnitt (ebd.).
Die modernen medizinischen Verfahren besitzen zweifelsohne eine wertvolle Funktion beim Auftreten von pathologischen Vorgangen wahrend der Geburt. Die Geburt wird aber in der Regel als ein medizinisches Ereignis verstanden, wodurch die Gefahr auftritt, dass der Geburtsablauf durch die verschiedenen medizinischen Eingriffe gestort wird. Daruber hinaus wird das naturliche Gebarverhalten der Frauen beeintrachtigt (ebd.). Innerhalb traditioneller Geburtssysteme existieren verschiedene Konzepte, die das Leben von Frauen im allgemeinen und besonders die Geburtshilfe in starkem MaBe beeinflussen. Hierzu zahlen beispielsweise:
- traditionelle Rollenmuster,
- Betreuung der Schwangeren durch Frauen bzw. Hebammen,
- Anwendung von traditionellen Heilmethoden,
- Anwesenheit des eigenen Mannes uberwiegend nicht ublich,
- mannliche Arzte unerwunscht,
- spezifische Verhaltensmuster beim Umgang mit Schmerz,
- vertikale Gebarhaltung,
- traditionelle Heiler,
- religiose Vorstellungen,
- gesellschaftliche Codes, die das Denken, Handeln und Erleben pragen.
Bei Frauen verschiedener Volkergruppen existiert beispielsweise eine Abneigung gegen Blut, schleimigen Absonderungen und alles was im entferntesten mit der Geburt zusammen hangt, so dass jede Beruhrung damit nach Moglichkeit vermieden wird. Beispielsweise ist es fur eine nach islamischen Brauchen lebende Frau kaum vorstellbar, nach der Geburt ein unsauberes Kind im Arm zu halten. Auch widerspricht es in vielen Volkergruppen der Vorstellung, ein Neugeborenes direkt nach der Geburt zum Stillen an die Brust zu legen (ebd.).
1.2 Exemplarische Forschungsergebnisse
1.2.1 Studienergebnisse zum Thema: Schwangerschaft und Geburt bei Exiltamilinnen
Innerhalb einer groB angelegten Forschungsstudie, die die Ethnologin Damaris Luthi zum sozialen Wandel bei tamilischen Fluchtlingen im Schweizer bzw. Berner Exil durchfuhrte, untersuchte sie als Nebenthema exiltamilische Vorstellungen und Verhaltensmuster im Zusammenhang mit korperlichen und seelischen Leiden. In einem Zeitfenster von etwa 18 Monaten begleitete sie 28 Erwachsene (21 Frauen und sieben Manner). Hinzu kamen zufallige Gesprache mit anwesenden Eheleuten, Kindern oder Eltern sowie sechs langer andauernden Einzelunterhaltungen mit weiteren Personen. Die Mehrheit ihrer „Gewahrsleute“ entstammt aus hoheren srilankischen Kasten und besitzen zu zwei Drittel hinduistischen und zu einem Drittel christlichen Glaubens. Zum Zeitpunkt der Studie waren sie zwischen 25 und 59 Jahre alt. Die verheirateten Gewahrsleute (alle bis auf drei) hatten nahezu alle zwei bis drei Kinder. Die Ethnologin und ihr Team fuhrte mit den Gewahrsleuten mehrere, moglichst wenig strukturierte Gesprache durch. Diese dauerten im Durchschnitt zwei Stunden. Soweit es moglich war, fuhrte sie zusatzlich teilnehmende Beobachtungen durch. Sie begleitete die Gewahrsleute u.a. zu Krankenhauskonsultationen und Amtsgangen und lieB sich von einem tamilischen Heiler behandeln (Luthi 2004).
Bezogen auf das Thema Schwangerschaft und Geburt ergab die Forschung folgende Ergebnisse.Was den Schwangerschaftsverlauf betrifft, beunruhigt die Befragten, dass sie sich in der Schweiz wahrend dieser Zeit viel zu wenig korperlich betatigen. Dies wirke sich ihrer Ansicht nach ungunstig auf die Geburt aus. Wahrend die werdenden Mutter in Sri Lanka den GroBteil ihrer Schwangerschaften uber die Hausarbeiten erledigen (z.B. per Hand Wasche waschen, Wasser holen, Morsern und Stampfen von Nahrungsmitteln), mangele es in der Schweiz an Moglichkeiten, sich ausreichend korperlich zu betatigen. Dies liege daran, dass in den Schweizer Haushalten keine Schwerstarbeiten existieren (ebd.). Die mangelnde korperliche Betatigung sei einer der Grunde, weshalb die schwangeren Exiltamilinnen vor der Geburt kontinuierlich zunehmen und anschlieBend nur mit Muhe und Not ihr Gewicht reduzieren konnen, was in Sri Lanka nicht vorkomme. Neben dem Bewegungsmangel sehen die Tamilinnen die fettreiche Ernahrung und das Klima in der Schweiz fur die Gewichtszunahme verantwortlich (ebd.). Die medizinischen Untersuchungen wahrend der Schwangerschaft erfolgen in Sri Lanka in der Regel von Arztinnen. Die Schwangeren entkleiden sich dabei nicht, sondern werden durch die Kleidung hindurch betastet. Weil sich die Exiltamilinnen in der Schweiz fur die Schwangerschaftsuntersuchungen meistens entkleiden mussen, gehen viele von ihnen nur mit groBer Beklemmung und nur ,der Gesundheit des Kindes zuliebe' zur Vorsorgeuntersuchung (ebd., S.24). Zur Geburtsvorbereitung werden traditionelle hausmedizinische Praparate eingenommen (z.B. abfuhrend wirkender salzarmer Gerstenbrei) damit das Kind in der Gebarmutter mehr Platz bekommt (ebd.) Zudem werden Rituale praktiziert, um das Heranwachsen des Kindes zu fordern. Beispielsweise fuhrte eine befragte Tamilin fur das Gelingen der Geburt eine brahmanische Zeremonie durch. Als sie innerhalb ihrer Schwangerschaft krank wurde, betete sie taglich zum hinduistischen Gott Murugan und cremte ihren Bauch mit kunkuman ein. Nach drei Monaten war sie wieder bei bester Gesundheit (ebd.)
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- Quote paper
- Anne Lier (Author), 2015, Exemplarische Studien aus der Gesundheits- und Pflegewissenschaft zu spezifischen Themen aus transkultureller Perspektive. Schwangerschaft und Geburt im Migrationskontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1248847