Gut oder böse? Schön oder hässlich? Eindimensionale Zuschreibungen und extreme Kontraste kennzeichnen die Figuren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Dies gilt auch für die unterschiedlichen Mutterfiguren. Wie werden Stiefmütter, Schwiegermütter und leibliche Mütter charakterisiert? Welche Funktion haben sie für das Märchen?
Auf den ersten Blick erscheinen die Stiefmütter in den Märchen, wie wir sie heute kennen, als böse. Sie trachten ihren Stiefkindern oftmals sogar nach dem Leben. Zugleich treiben sie durch ihre bösen Taten die Handlung voran und erfahren zum Teil drastische Strafen. Leibliche Mütter werden als gut charakterisiert. Dieser Gegensatz spiegelt das Frauen- und Mutterbild des 19. Jahrhunderts, das zu Beginn kurz skizziert wird. Die bösen Stiefmütter bleiben im Gedächtnis. Die guten Mütter verblassen in unserer Wahrnehmung und scheinen für den Fortgang des Märchens kaum eine Rolle zu spielen.
Die Funktionen der Mutterfiguren in den beiden Märchen "Von dem Machandelboom" und "Die sechs Schwäne" werden in Anlehnung an die Funktionsanalyse von Vladimir Propp und deren Weiterentwicklung durch Michael Neumann herausgearbeitet. Es stellt sich dabei die Frage, ob sie in ihrer Charakteristik und Funktion vielfältiger und ambivalenter sind, als dies zunächst vermuten lässt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die bürgerliche Familie – Veränderung des Familienbildes und die Rolle der Mutter zu Lebzeiten der Brüder Grimm
- 3. Wie aus bösen Müttern Stiefmütter wurden – Bearbeitungen der Mutterfiguren von der Urfassung bis zur Ausgabe letzter Hand
- 4. Die Mutterfiguren in KHM 47 – Von dem Machandelboom
- 4.1. Eine erste Einordnung des Märchens
- 4.2. Charakterisierung und Funktion der einzelnen Mutterfiguren
- 4.2.1. Die leibliche Mutter des Helden
- 4.2.2. Die Stiefmutter des Helden
- 4.3. Belohnung und Bestrafung
- 5. Die Mutterfiguren in KHM 49 – Die sechs Schwäne
- 5.1. Eine erste Einordnung des Märchens
- 5.2. Charakterisierung und Funktion der einzelnen Mutterfiguren
- 5.2.1. Die Hexe als leibliche Mutter
- 5.2.2. Die Stiefmutter der Heldin und ihrer sechs Brüder
- 5.2.3. Die Schwiegermutter der Heldin
- 5.2.4. Die Heldin wird Mutter
- 5.3. Belohnung und Bestrafung
- 6. Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung und Funktion von Mutterfiguren (leibliche Mutter, Stiefmutter, Schwiegermutter) in ausgewählten Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Der Fokus liegt auf der Analyse der Charakterisierung und der Rolle dieser Figuren innerhalb der jeweiligen Erzählungen und deren Beitrag zum Handlungsverlauf. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit die gängige Dichotomie von „guten“ leiblichen Müttern und „bösen“ Stiefmüttern zutrifft oder ob die Figuren komplexer gestaltet sind.
- Charakterisierung der Mutterfiguren in den Grimm’schen Märchen
- Funktion der Mutterfiguren für die Handlung und den Gesamtkontext des Märchens
- Vergleich der Mutterfiguren in verschiedenen Märchen
- Analyse der Entwicklung der Mutterfiguren über verschiedene Fassungen der Märchen hinweg
- Kontextualisierung der Mutterfiguren im gesellschaftlichen und historischen Kontext der Brüder Grimm
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Mutterfiguren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ein und formuliert die Forschungsfrage nach der Charakterisierung und Funktion dieser Figuren. Sie stellt die Arbeitshypothese vor, dass leibliche Mütter meist positive, während Stief- und Schwiegermütter oft negative Rollen einnehmen. Die Auswahl der Märchen "Von dem Machandelbaum" (KHM 47) und "Die sechs Schwäne" (KHM 49) wird begründet und die methodische Vorgehensweise skizziert, die auf einer Funktionsanalyse der Figuren basiert.
2. Die bürgerliche Familie – Veränderung des Familienbildes und die Rolle der Mutter zu Lebzeiten der Brüder Grimm: Dieses Kapitel beleuchtet das Frauenbild im 19. Jahrhundert, insbesondere die Rolle der Mutter in der bürgerlichen Familie. Es zeigt, wie die Mutter idealisiert als treusorgende Hausfrau und Mittelpunkt der Familie dargestellt wurde, während Versuche, die traditionellen Rollenvorstellungen zu hinterfragen, auf wenig Gegenliebe stießen. Die Erziehung von Mädchen zielte primär auf die Vorbereitung auf die Ehe und Mutterschaft ab, und die Mutterrolle wurde stark überhöht, was mit einer veränderten Vorstellung von der Unschuld des Kindes in der Romantik einherging.
3. Wie aus bösen Müttern Stiefmütter wurden – Bearbeitungen der Mutterfiguren von der Urfassung bis zur Ausgabe letzter Hand: Dieses Kapitel analysiert die Veränderungen der Mutterfiguren in verschiedenen Fassungen der Grimm’schen Märchen. Es zeigt, wie in einigen Märchen leibliche Mütter im Laufe der Überarbeitungen durch Stiefmütter ersetzt wurden, was die These von den „guten“ leiblichen und „bösen“ Stiefmüttern scheinbar bestätigt. Der Fokus liegt auf den Veränderungen der Figuren und deren Auswirkungen auf die Erzählstruktur und -aussage.
4. Die Mutterfiguren in KHM 47 – Von dem Machandelboom: Diese Kapitel analysiert die Mutterfiguren im Märchen "Von dem Machandelbaum". Es untersucht die Charakterisierung und Funktion der leiblichen Mutter und der Stiefmutter, beleuchtet ihre jeweiligen Handlungen und deren Auswirkungen auf die Handlung und den Helden. Die Analyse betrachtet auch die Belohnung und Bestrafung der Figuren im Kontext des gesamten Märchens und setzt diese in Bezug zu den vorherigen Kapiteln.
5. Die Mutterfiguren in KHM 49 – Die sechs Schwäne: Dieses Kapitel analysiert die vielschichtige Darstellung der Mutterfiguren in "Die sechs Schwäne". Es betrachtet die Hexe als leibliche Mutter, die Stiefmutter, die Schwiegermutter und schließlich die Heldin in ihrer Rolle als Mutter. Der Fokus liegt auf dem Kontrast zwischen den verschiedenen Muttertypen und ihren unterschiedlichen Einflüssen auf die Heldin und die Handlung. Die Analyse untersucht ebenfalls die Belohnung und Bestrafung der Figuren im Kontext des gesamten Märchens.
Schlüsselwörter
Mutterfiguren, Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Stiefmutter, leibliche Mutter, Schwiegermutter, Funktionsanalyse, Märchenanalyse, Frauenbild, Biedermeier, Volksmärchen, Charakterisierung, Handlungsfunktion, KHM 47, KHM 49, Heimkehrmärchen, Hochzeitsmärchen.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse von Mutterfiguren in ausgewählten Märchen der Brüder Grimm
Welche Märchen werden in dieser Arbeit analysiert?
Die Arbeit analysiert die Mutterfiguren in den Märchen „Von dem Machandelbaum“ (KHM 47) und „Die sechs Schwäne“ (KHM 49) der Brüder Grimm.
Was ist die zentrale Forschungsfrage der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Darstellung und Funktion von Mutterfiguren (leibliche Mutter, Stiefmutter, Schwiegermutter) in den ausgewählten Märchen. Im Fokus steht die Charakterisierung und Rolle dieser Figuren innerhalb der Erzählungen und ihr Beitrag zum Handlungsverlauf. Es wird hinterfragt, ob die gängige Dichotomie von „guten“ leiblichen Müttern und „bösen“ Stiefmüttern zutrifft.
Welche Arten von Mutterfiguren werden untersucht?
Die Analyse umfasst leibliche Mütter, Stiefmütter und Schwiegermütter.
Wie werden die Mutterfiguren analysiert?
Die Analyse basiert auf einer Funktionsanalyse der Figuren, die ihre Charakterisierung, ihre Rolle in der Handlung und ihren Beitrag zum Gesamtkontext des Märchens betrachtet. Es wird auch der Vergleich der Figuren in verschiedenen Märchen und deren Entwicklung über verschiedene Fassungen hinweg untersucht.
Welcher historische Kontext wird berücksichtigt?
Die Arbeit berücksichtigt den gesellschaftlichen und historischen Kontext der Brüder Grimm, insbesondere das Frauenbild und die Rolle der Mutter im 19. Jahrhundert (Biedermeier).
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zum Frauenbild im 19. Jahrhundert, ein Kapitel zu den Bearbeitungen der Mutterfiguren in verschiedenen Fassungen der Märchen, Kapitel zur Analyse der Mutterfiguren in KHM 47 und KHM 49, sowie ein Fazit und Ausblick.
Wie werden die Märchen "Von dem Machandelbaum" und "Die sechs Schwäne" im Detail behandelt?
Für jedes Märchen werden die einzelnen Mutterfiguren charakterisiert und ihre Funktion für die Handlung analysiert. Es wird untersucht, wie ihre Handlungen die Geschichte beeinflussen und wie Belohnung und Bestrafung innerhalb des jeweiligen Märchens dargestellt werden.
Gibt es eine Zusammenfassung der Kapitel?
Ja, die Arbeit enthält eine Zusammenfassung der einzelnen Kapitel, die deren jeweilige Schwerpunkte und Ergebnisse kurz beschreibt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Mutterfiguren, Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Stiefmutter, leibliche Mutter, Schwiegermutter, Funktionsanalyse, Märchenanalyse, Frauenbild, Biedermeier, Volksmärchen, Charakterisierung, Handlungsfunktion, KHM 47, KHM 49, Heimkehrmärchen, Hochzeitsmärchen.
Welche Arbeitshypothese wird aufgestellt?
Die Arbeitshypothese geht davon aus, dass leibliche Mütter meist positiv, während Stief- und Schwiegermütter oft negativ dargestellt werden.
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- Andrea Boennen (Author), 2021, Gut oder böse? Die Mutterfiguren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1244338