„Cristina Kirchner als Präsidentin vereidigt. Die bisherige First Lady Cristina Fernández de Kirchner hat in Argentinien als Nachfolgerin ihres Mannes Néstor Kirchner das Amt des Staatspräsidenten übernommen.“, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 12. Dezember 2007 anlässlich der Wahl der neuen argentinischen
Staatspräsidentin Kirchner (Süddeutsche Zeitung 2007). In einem ersten Wahlgang erzielte Kirchner 45% der Stimmen und vermied so die erwartete Stichwahl um die Nachfolge Néstor Kirchners. Gleichzeitig konnte die
Regierungspartei, die Partido Justicialista (PJ), in beiden Kammern des Kongresses,
dem Senat und der Abgeordnetenkammer, ihre Mehrheit verteidigen und sogar ausbauen. Die erste Präsidentin Argentiniens gelobte bei ihrer Antrittsrede, die Politik ihres Vorgängers fortzusetzen. Gleichzeitig versprach
Kirchner einen institutionellen Wiederaufbau Argentiniens nach der schweren Wirtschafts- und Sozialkrise von 2001 und 2002 (ebd. 2007).
Damit skizzierte Kirchner wage die zukünftige Politik ihrer Regierung. Doch wie müssen diese Versprechen bewertet werden? Kann Kirchner als Staatspräsidentin überhaupt institutionelle Eingriffe in das politische System Argentiniens
vornehmen? Kann Kirchner, auf der Grundlage von bequemen Mehrheitsverhältnissen
im Kongress, die Politik Argentiniens so verändern, gestalten und beeinflussen, wie sie es vorgibt oder aber müssen ihre Versprechen als bloße Rhetorik relativiert werden? Über welche Machtbefugnisse verfügt überhaupt
das Amt des Staatspräsidenten und wie gestaltet sich seine Stellung innerhalb
des politischen Systems Argentiniens gegenüber dem Parlament und den Parteien? Dieses politische System im Allgemeinen und die Stellung des Präsidenten im Speziellen sind die Thema der vorliegenden Arbeit.
Zunächst werde ich den argentinischen Präsidentialismus im Kontext Lateinamerikas
einordnen und die gesellschaftliche und politische Entwicklung Argentiniens
ab 1983 skizzieren. Diese Ausführungen sind meines Erachtens für das Verständnis des politischen Systems zentral. Grundlage meiner Untersuchungen ist die Verfassungsreform von 1994/1995, die den argentinischen Präsidentialismus, zumindest de jure, zu einem semipräsidentiellen System transformierte. Darauf aufbauend werden die zentralen Akteure des politischen Systems und deren Zusammenspiel und Mechanismen während des Gesetzgebungsprozesses vorgestellt. Abschließend erfolgt ein Fazit der Untersuchungen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Historischer und gesellschaftlicher Kontext Argentiniens ab 1983
- 3. Das politische System Argentiniens
- 3.1 Die argentinische Verfassung seit 1994/1995
- 3.2 Die Exekutive - Aufbau und Kompetenzen
- 3.2.1 Die Rolle des Präsidenten als Exekutive
- 3.2.2 Das Vetorecht des Präsidenten
- 3.2.3 Das Dekretrecht des Präsidenten
- 3.2.4 Das Gesetzinitiativrecht des Präsidenten
- 3.2.5 Das Recht zur Ernennung von Ministern, Offizieren und Richtern
- 3.2.6 Das Amt des Präsidenten - ein Zwischenfazit
- 3.3 Die Legislative - Aufbau und Kompetenzen
- 3.3.1 Der Senat
- 3.3.2 Das Abgeordnetenhaus
- 3.4 Die Judikative
- 3.5 Das argentinische Parteiensystem
- 3.5.1 Das argentinische Parteiensystem und seine Entwicklung zwischen 1990 und 2008
- 3.5.2 Die wesentlichen argentinischen Parteien 2008 im Überblick
- 4. Institutionelle Mechanismen - Interaktion der Exekutive, Legislative sowie der Parteien im Gesetzgebungsprozess
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den argentinischen Präsidentialismus im lateinamerikanischen Kontext. Die Zielsetzung ist es, die Stellung des Präsidenten innerhalb des politischen Systems Argentiniens im Verhältnis zum Parlament und den Parteien zu analysieren und die Machtbefugnisse des Präsidentenamtes zu beleuchten. Die Arbeit basiert auf der Verfassungsreform von 1994/1995 und berücksichtigt die gesellschaftliche und politische Entwicklung Argentiniens seit 1983.
- Einordnung des argentinischen Präsidentialismus im lateinamerikanischen Vergleich
- Analyse der Machtbefugnisse des argentinischen Präsidenten
- Untersuchung der Interaktion zwischen Exekutive, Legislative und Parteien
- Bewertung der institutionellen Mechanismen des Gesetzgebungsprozesses
- Der Einfluss des argentinischen Parteiensystems auf die Politikgestaltung
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 (Einleitung): Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach den Machtbefugnissen des argentinischen Präsidenten und seiner Rolle im politischen System vor. Sie skizziert den Forschungsansatz, der den argentinischen Präsidentialismus im Kontext Lateinamerikas einordnet und die gesellschaftliche und politische Entwicklung seit 1983 berücksichtigt.
Kapitel 2 (Historischer und gesellschaftlicher Kontext Argentiniens ab 1983): Dieses Kapitel beschreibt den historischen Kontext Argentiniens nach dem Falklandkrieg und der Militärdiktatur, einschließlich der Rückkehr zur Demokratie und der wirtschaftlichen Herausforderungen. Es beleuchtet die Entwicklung des Parteiensystems und die Bedeutung der Verfassungsreform von 1994/1995.
Kapitel 3 (Das politische System Argentiniens): Dieses Kapitel analysiert die Struktur des argentinischen politischen Systems, fokussiert auf die Exekutive (insbesondere die Rolle des Präsidenten), die Legislative und die Judikative. Es untersucht die Kompetenzen der verschiedenen Institutionen und deren Zusammenspiel.
Kapitel 4 (Institutionelle Mechanismen): Hier werden die institutionellen Mechanismen der Interaktion zwischen Exekutive, Legislative und Parteien im Gesetzgebungsprozess erörtert.
Schlüsselwörter
Argentinischer Präsidentialismus, Lateinamerika, Verfassungsreform 1994/1995, Exekutive, Legislative, Judikative, Parteiensystem, Partido Justicialista (PJ), Unión Cívica Radical (UCR), Gesetzgebungsprozess, Machtbefugnisse des Präsidenten, institutionelle Mechanismen, politische Entwicklung Argentiniens.
- Quote paper
- Alexander Boettcher (Author), 2008, Präsidentialismus in Lateinamerika , Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/124014