Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Laufsport und die Fragestellung, ob das Flow-Erleben die Abhängigkeit im Laufsport begünstigen kann. In meiner Hausarbeit habe ich eine eigene kleine Umfrage im Verein von Laufsportbegeisterten gestartet und auch diese Ergebnisse mit eingebracht.
Es steht außer Frage, dass ein regelmäßiges Lauftraining gesund hält und Krankheiten vorbeugt. Laufen ist eine ganzheitliche Sportart, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringt. Das Gefühl, dass etwas fehlt, wenn ein Läufer einige Tage mit dem Training pausiert, kennen die meisten, die regelmäßig Ausdauersport betreiben. Sobald man in die Laufschuhe schlüpft, ist der Alltagsstress für einen Augenblick vergessen. Bei Wettkämpfen wird dann der eigene Trainingsstand überprüft und man bekommt durch Medaillen und den Zuschauern, die am Rande applaudieren, die Anerkennung für das harte Training, welches man wochenlang durchgezogen hat. In dieser Hausarbeit beschäftige ich mich jetzt jedoch mit der anderen Seite der Medaille. Ich wende den Blick ab von all den positiven Aspekten, die der Laufsport mit sich bringt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
2. Theorien
2.1 Sucht
2.2 Sportsucht
2.2.1 Mögliche Symptome/Anzeichen einer Sportsucht
2.3 Flow - Erleben
2.3.1 Komponenten des Flow-Erlebens
2.4 Runners- High
2.4.1 Was ist ein Runners High?
2.4.2 Verbindung zum Flow-Erleben
3. Zusammenfassung und Bewertung
3.1 Zusammenhänge
3.2 Exemplarische Darstellung eigener Umfrage
3.3 Hypothesenaufstellung
Literaturverzeichnis
Anhang der gesamten Umfrage
1. Einleitung
Sport gehört für die meisten Menschen zum Ausgleich ihres doch so hektischen Alltags. Sport hält uns gesund, fit und wird auch immer mehr von den Krankenkassen und Ärzten gefördert und empfohlen (Steffny, 2016). Vielen Menschen verschafft das Laufen ein Gefühl von Freiheit und hilft ihnen dabei, mental gesund zu bleiben (Asics, 2020).
Nach dem Ausbruch der Coronapandemie bekommt besonders der Laufsport immer mehr Aufmerksamkeit. Die Fitnessstudios mussten schließen, der Vereinssport wurde pausiert. Viele mussten während der Coronapandemie auf ihr Hobby, welches sie bisher immer ausübten, verzichten. Um sich weiter fit und gesund zu halten, sind immer mehr Menschen draußen laufen gegangen. Dies zeigt sich deutlich bei einer Studie von Laufen.de. Auf Strava, eine App auf der Leute ihre Aktivitäten aufzeichnen, wurde ab März 2020 ein Anstieg um 45% der Aktivitäten in Deutschland aufgezeichnet (Ermert, 2020).
„Man kann gegen das Laufen sagen was man will, aber es laufen sich noch immer mehr Kranke gesund, als Gesunde krank!“ (Gerhard Uhlenbruck, 1929).
Doch ist das wirklich so, wie Gerhard Uhlenbruck behauptet?
Es steht außer Frage, dass ein regelmäßiges Lauftraining gesund hält und Krankheiten vorbeugt. Laufen ist eine ganzheitliche Sportart, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringt (Simhofer, 2020).
Das Gefühl, dass etwas fehlt, wenn ein Läufer einige Tage mit dem Training pausiert, kennen die meisten, die regelmäßig Ausdauersport betreiben. Sobald man in die Laufschuhe schlüpft, ist der Alltagsstress für einen Augenblick vergessen. Bei Wettkämpfen wird dann der eigene Trainingsstand überprüft und man bekommt durch Medaillen und den Zuschauern, die am Rande applaudieren, die Anerkennung für das harte Training, welches man wochenlang durchgezogen hat.
In dieser Hausarbeit beschäftige ich mich jetzt jedoch mit der anderen Seite der Medaille. Ich wende den Blick ab von all den positiven Aspekten, die der Laufsport mit sich bringt. In meiner Hausarbeit wird das Thema „Lauf in die Sucht“, welches das Themengebiet Motivation und Flow in der Allgemeinen Psychologie 2 unterordnet, behandelt. Dieses Thema wird mit folgender, übergeordneter Fragestellung nachgegangen:
1.1 Fragestellung
Kann das Flow- Erleben die Abhängigkeit im Laufsport begünstigen?
Innerhalb dieser Arbeit soll herausgearbeitet werden, wie Ausdauersportler in eine Sportsucht geraten können und was der FLOW damit zu tun haben könnte.
2. Theorien
2.1 Sucht
Eine Suchterkrankung basiert auf einer Fehlsteuerung des Belohnungssystems des Gehirns. Suchtmittel (wie z.B. Alkohol) aktivieren verschiedene Botenstoffe, die Gefühle wie Wohlbefinden oder Euphorie auslösen können. Durch den wiederholten Genuss von beispielsweise Alkohol, lernt das Gehirn recht schnell, diese positiven Reize wahrzunehmen. Fehlt dieser positive Reiz, kommt es zum Belohnungsdefizit. Das Gehirn sendete Signale, die einen unkontrollierten Wunsch nach dem Suchtmittel hervorrufen können (Barta, DGPPN).
Es gibt verschiedene Einflussfaktoren die bei einer Entstehung der Sucht mitwirken können Diese werden in einem Dreieck (Abbildung 1), nach dem Modell der Sucht-Trias aus String & Blum 2003, dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Nach dem Modell der Sucht-Trias aus String & Blum 2003, S.4)
In dieser Abbildung ist zu erkennen, dass eine Sucht nicht allein durch die Konditionierung des positiven Effektes oder des Belohnungssystems im Gehirn entsteht, sondern auch andere Einflüsse wie z.B. das soziale Umfeld, Gründe sein können, die die Betroffenen letztendlich süchtig werden lassen.
2.2 Sportsucht
Unter Sportsucht wird exzessives bzw. krankhaftes Sporttreiben verstanden. Für die Sportsucht selbst gibt es keine anerkannte Krankheitsdiagnose entsprechend der ICD10. Die Sportsucht kann nach der International Classification of Diseases (ICD-10) jedoch zu den Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen gezählt werden. Die Begriffe Sport und Bewegung tauchen in diesem Kontext jedoch nicht auf. Prinzipiell wird die Sportsucht in primäre und sekundäre Sportsucht unterteilt. Bei der sekundären Sportsucht steht die Abhängigkeit von der sportlicher Aktivität in Verbindung mit verschiedener Essstörungen, wie der Anorexie (Pritz, 2009). Bei der primären Sportsucht liegt der Blickpunkt autonom auf der sportlichen Aktivität, und die Person zeigt vorwiegend intrinsische Motivation (Schipfer, 2015). Die primäre Laufsucht wird in vielen Quellen jedoch kritisch diskutiert, da sie klinisch noch nicht anerkannt wird.
Gerade Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sind demnach gefährdet, aus Situationen zu flüchten und im exzessiven Sporttreiben eine Ersatzhandlung zu suchen ( March, 2004).
2.2.1 Mögliche Symptome/Anzeichen einer Sportsucht
Die ersten Anzeichen einer Laufsucht bzw. Sportsucht sind vergleichbar mit den Symptomen des Krankheitsbildes Sucht.
Die Entzugserscheinungen gelten als wichtigstes Kriterium der Sportsucht. Diese werden von den Betroffenen verspürt, wenn die sportliche Aktivität über einen gewissen Zeitraum nicht ausgeführt wird (Bilke-Hentsch et. al., 2014). Studien berichten von Depressionen (Carroll, 2003), Angstzuständen (Bamber et. al., 2003) und Reizbarkeit (Griffiths, 1997)
Die Zwanghaftigkeit ist eines der zentralen Anzeichen. Wenn ein Läufer nicht mehr nur laufen geht, weil er es gerne macht und die Natur genießen möchte, sondern sich das Training auch mit einer negativen Motivation konditioniert, weil das Training ja stattfinden muss, empfinden die Betroffenen häufig ein Gefühl der Hilflosigkeit (Pritz, 2009).
Die Toleranzentwicklung beschreibt das Ereignis, dass der Betroffene seinen Trainingsaufwand kontinuierlich steigern muss, um weiterhin positive Effekte des Sporttreibens hervorzurufen (Schipfer, 2015).
Die Kontinuität umfasst die sportliche Aktivität, obwohl diese körperliche Beeinträchtigungen mit sich bringt. Die Sportler geraten in einen Kontrollverlust, fangen an Signale ihres Körpers zu ignorieren, und die Regenerationszeit wird vernachlässigt (Pritz, 2009).
Des Weiteren ist ein zentraler Punkt der Sportsucht der Aufwand und die Dauer, die die Betroffenen für diese sportliche Aktivität investieren. Das Training wird immer mehr der zentrale Lebensmittelpunkt, andere Bereiche wie z.B. Familie werden vernachlässigt (Stoll et al., 2010).
2.3 Flow - Erleben
Der Begriff Flow beschreibt einen Zustand völliger Fokussierung, Vertiefung und des gleichzeitigen Aufgehens in einer aktuellen Tätigkeit bei einem Gefühl vollkommener Kontrolle und maximaler Kapazitätsauslastung (Csikszentmihályi, 1975).
Das Ergebnis und die Folge der ausgeübten Tätigkeit sind zweitrangig, allein dies zu tun, wird das Gefühl des Flow-Erlebens und die Motivation erzeugt.
2.3.1 Komponenten des Flow-Erlebens
Eine Bedingung des Flow-Erlebens ist die Balance zwischen der Fähigkeit und der Anforderungen der jeweiligen Handlungen. Es ist der Person möglich, die Tätigkeit ihr Können auszuschöpfen, ohne überfordert zu werden. Die Aufgabe ist für die Person genau fähigkeitsangemessen (Prinzip der Kontrolle). Die Anforderungen und Rückmeldungen werden als klar erlebt. Die Person weiß ohne viel nachdenken zu müssen, was zu tun ist, und alle Gedanken, die nicht mit der aktuellen Aufgabe in Verbindung stehen, werden nicht mehr wahrgenommen. Die Handlung läuft 'wie von selbst', und die Person verliert während der Tätigkeit das Zeitgefühl. Es ist, als würde die Person mit der Aufgabe verschmelzen (Csikszentmihalyi 1975). Es ergibt sich ein Gefühl der Kontrolle, bei dem Unsicherheiten, Ängste und Zweifel verschwinden.
Während der Literaturrecherche über das Flow-Erlebens, die nicht nur die psychologischen Erklärungsansätze beinhalten, sondern auch die physiologischen Ansätze des Flow-Erlebens, waren viele Gemeinsamkeiten zum sogenannten 'Runners High', ein beschriebenes Empfinden in der Laufsportszene, zu erkennen.
2.4 Runners- High
2.4.1 Was ist ein Runners High?
Bei dem sogenannten 'Runners High' handelt es sich um eine Art euphorische Empfindung, bei längeren Laufeinheiten, die den Läufern ein gesteigertes Gefühl des Wohlbefindens vermittelt.
In der Wissenschaft gibt es zwei verschiedene Ansätze, die das Empfinden erklären wollen. Zum einen ist es die Ausschüttung von Endorphinen. Diese verursachen in erster Linie eine Schmerzunterdrückung in den Muskeln. Zudem erhöht sich während des Laufes der Beta-Endorphin-Wert im Blut. Doch die Endorphine können die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren (Fuß, 2020). Aus diesem Grunde haben sich Forscher weiterhin die Frage gestellt, was denn in unserem Gehirn stattfindet.
2.4.2 Verbindung zum Flow-Erleben
Sowohl für das Flow-Erleben als auch für das Runner High wurde mehrfach in der Literatur von der Endocannabinoid-Hypothese berichtet. Diese tritt sowohl beim Flow-Erleben als physiologischen Erklärungsansatz auf, als auch bei dem Runners High.
Das Endocannabinoide System ist Teil des menschlichen Organismus und beeinflusst viele Körperfunktionen, unter anderem reduziert es das Schmerzempfinden und kann emotionale sowie kognitive Prozesse verändern. Es besteht aus den Rezeptoren CB1 und CB2. Verschiedene Studien konnten Belegen, dass Sport die Wirkung positiv beeinflussen kann und Sport zu einer ausschlaggebenden Erhöhung der Aktivität des Endocannabinoiden Systems führen kann (Müller-Vahl, Kirsten R.; Grotenhermen, Franjo 2020).
In einem Experiment, in dem Mäuse fünf Stunden in Laufrädern laufen mussten, ließ sich ein Zusammenhang zwischen Runner’s High und den Cannabinoid-Rezeptoren nachweisen, denn die Mäuse zeigten weniger Schmerzempfindlichkeit und Angst nach dem Laufen. Bekamen die Mäuse Endocannabinoid-Blocker, blieben sie trotz des Laufens ängstlich und schmerzempfindlich. Die Blockierung von Endorphin-Rezeptoren hingegen führte zu keiner Veränderung des regulären Angst- und Schmerzempfindens der Mäuse (Patel et at., 2003).
3. Zusammenfassung und Bewertung
3.1 Zusammenhänge
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass mehrere physiologische Aspekte zusammenspielen, die gemeinsam mit den psychologischen Erklärungsansätzen das Flow-Erleben und das Runners-High auslösen können.
Wenn Ausdauersportler ihr Hobby zum Laufsport nachgehen, geraten sie besonders während bestimmten Wettkämpfen oder langen Läufen häufig in das Runners High und/oder Flow-Erleben. Dieses Gefühl unterdrückt Schmerzen und schüttet Endorphine aus. Endorphine gehören zu den Glückshormonen. Die betroffenen Personen verschmelzen mit ihrer Tätigkeit. Sie gehen laufen, ohne groß nachdenken zu müssen. Sie fordern sich selbst und ihren Körper Ressourcenangepasst.
In der Literatur werden Flow-Erleben und Sportsucht nur selten zusammen thematisiert oder in Verbindung gebracht. Führt das Streben nach dem Flow-Erleben zu einer Sucht, müssten die Betroffenen laut der Kriterien einer Sucht, vermehrt Entzugserscheinungen zeigen, wenn sie sich der Aktivität, in diesem Fall dem Laufsport, entziehen (Bilke-Hentsch et al., 2014). Physiologisch kann das Streben nach dem immer wiederkehrenden Flow-Erleben durch ein immer höheres Verlangen nach Glückshormonen begründet werden. In einer Studie mit 153 Probanden analysierten Wissenschaftler Flow in Bezug auf ein Marathonrennen. Die Ergebnisse zeigen, dass Flow während des Marathons und nicht vor bzw. danach erlebt wird. (Jiménez- Torres & Godoy-Izquierdo, 2013). Das Empfinden ist somit nur von kurzer Dauer. Die Betroffenen streben nach erneuten, derartigen positiven Erfahrungen des Flow-Erlebens. Dadurch, dass der Körper sich physiologisch der Belastung anpasst, müssen die Betroffene die Reize des Trainings höher setzen, um ein Flow-Erleben zu erhalten. Zu Beginn empfinden Sportler während einer Halbmarathon-Distanz den Flow. Doch durch das Training werden die Fähigkeiten und die Ausdauer zunehmend besser. Die Sportler müssen die Distanzen erhöhen, um erneut in den Rausch des Flow-Erlebens zu kommen.
[...]
- Quote paper
- Jennifer Schapdick (Author), 2021, Kann das Flow-Erleben die Abhängigkeit im Laufsport begünstigen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1235816