Man erkennt deutlich die verschiedenen Interpretationen und Auswirkungen des ars-Begriff in Ovids Metamorphosen. Die erste Metamorphose, Pygmalion, verkörpert hierbei die positivsten Aspekte der ars. Entscheidend ist aber auch die pietas des Schöpfers – eine herausragende künstlerische Begabung ist nicht allein ausschlaggebend für ein gelungenes Resultat im Leben des Kunstschaffenden. Pygmalions Kunst ist die Realisierung eines glücklicherweise im Künstler angelegten ästhetischen Empfindens. Jedoch interpretiert er selbst viel mehr in seine Statue hinein als es bloße Zufriedenheit oder Freude am schönen Anblick erwarten ließe. Er legt die Perfektion seines Elfenbeinmädchens auch ethisch aus, lässt sie, obwohl unbelebt, in seinen Augen zur Verkörperung der Sittsamkeit und Tugen werden. Er besitzt die Fähigkeit, über das bloße Nachahmen hinauszugehen und etwas zu schaffen, das er in der Realität noch nie erlebt hat – sonst gäbe es für ihn allerdings auch gar keinen Anlass, die Statue zu meißeln.
Arachne ist ebenso begabt wie Pygmalion; was er als Bildhauer vollbringt, gelingt ihr beim Weben. Auch sie verfügt über ein fast übernatürliches Talent, was ja schließlich auch den fatalen Hinweis auf ihre vermeintliche Lehrerin Athene zur Folge hat. Doch beim gleichen Grad der Kunstfertigkeit weist Arachne einen Charakterzug auf, der sie gewaltig vom gottesfürchtigen Pygmalion unterscheidet: Sie ist „impia“ und begeht das folgenschwere Verbrechen der Hybris. Nicht nur kritisiert sie die Götter, was Sterblichen ja ohnehin nicht zusteht, sie fordert auch eine Göttin zum Wettkampf. Durch Überschreiten dieser Grenzen beweist sie einen gefährlichen Wagemut, der wohl aus der Eitelkeit ihrer Kunstfertigkeit resultiert. So ist also die gleiche ars, die bei Pygmalion zur Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches beitrug, verantwortlich für das hybride Verhalten der Arachne. Zugleich mit der erniedrigenden Verwandlung zur Spinne, wird auch der ars-Begriff degradiert: Von der schöpferischen Selbstverwirklichung wird sie zum bloßen Mittel zum Zweck. Auch Daedalus benutzt seine Kunstfertigkeit für pragmatische Zwecke.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eigentlich "ars"?
- Ovid: Leben und "ars"
- Die Bedeutung von "ars" in
- Pygmalion
- Arachne
- Daedalus
- Die vier Zeitalter
- Abschließender Vergleich und Fazit
- Quellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutung des Begriffs "ars" in Ovids Metamorphosen. Ziel ist es, die vielschichtigen Bedeutungsfacetten von "ars" aufzuzeigen und deren Rolle in ausgewählten Mythen zu analysieren. Dabei wird auch Ovids eigene "ars", seine Erzählkunst, betrachtet.
- Vielschichtigkeit des Begriffs "ars"
- Ovids Leben und dessen Einfluss auf sein Werk
- Analyse der "ars" in ausgewählten Mythen der Metamorphosen
- Ovids Erzähltechnik und Stilmittel
- Beziehung zwischen "ars" und Natur
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel klärt den vielschichtigen Begriff "ars" und seine verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten. Kapitel zwei beleuchtet Ovids Leben und Wirken, seine Ausbildung in Rhetorik und seine literarische Entwicklung. Kapitel drei analysiert die Rolle von "ars" in den Mythen um Pygmalion, Arachne und Daedalus sowie im Kontext der vier Zeitalter. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Geschicklichkeit, Kunstfertigkeit und dem Verhältnis von Mensch und Göttlichem.
Schlüsselwörter
Ovid, Metamorphosen, Ars, Erzählkunst, Mythos, Rhetorik, Pygmalion, Arachne, Daedalus, Handwerk, Kunst, Göttliches.
- Quote paper
- Theresa Marx (Author), 2004, Grenzüberschreitung durch "ars" in Ovids Metamorphosen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/121481