Eine Besprechung des Berufungsurteils des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein 5 Sa 595/05 von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Alsterkamp 26, 20149 Hamburg
Hohe Hürden für Mobbingopfer
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Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert Alsterkamp 26
20149 Hamburg
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die Beantwortung der Frage, wann Weisungen des Arbeitgebers Mobbing sind. Eine Besprechung des Berufungsurteils des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein 5 Sa 595/05 von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Alsterkamp 26, 20149 Hamburg
1. Das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein hatte sich in seiner vorgenannten Berufungsentscheidung mit klägerseits geltend gemachten Ansprüchen auf Schmerzensgeld wegen behaupteten Mobbings durch Vorgesetzte zu befassen. Sehr systematisch prüft das Gericht die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nach dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen. Ausgehend von den für den Kläger in Betracht kommenden Schmerzensgeldansprüchen wegen Verletzung einer Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien, bestimmt das Gericht zunächst die vom Arbeitgeber möglicherweise verletzenden Pflichten. Zutreffend führt es hierzu aus, dass den beklagten Arbeitgeber als vertragliche Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis die Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer trifft. Diese sei vom Arbeitgeber nur gewahrt, wenn er das ihm zustehende Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer nach billigem Ermessen ausübe, die Arbeitsumgebung menschenwürdig gestalte und Ehre und Gesundheit des Arbeitnehmers wahre und beschütze. Eine Verletzung der vorgenannten Pflichten durch den beklagten Arbeitgeber habe der klagende Arbeitnehmer im konkreten Fall nicht hinreichend konkret dar getan. Es ging dabei um folgenden Sachverhalt:
Der Kläger war 1 Jahr und einen Monat als Verkäufer beim beklagten Einzelhandelsunternehmen tätig. Er arbeitete hierbei hauptsächlich im Video- und DVD- Bereich einer einzigen Filiale. Teilweise übertrug die Beklagte dem Kläger auch alle anderen anfallenden Arbeiten in deren Filiale, wie Warenannahme, Kassentätigkeit und Aufräumarbeiten. Dies geschah, obwohl jeweils noch weitere Mitarbeiter der Beklagten in der betreffenden Filiale anwesend waren. Hinzu kam folgendes: In den Filialen der Beklagten wird im Zweischichtensystem gearbeitet. In Urlaubs- und Krankheitszeiten anderer Mitarbeiter leistete der Kläger Doppelschichten. Der für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebliche Tarifvertrag sah die 5-Tagewoche vor. In den Urlaubsmonaten Juli und August wies die Beklagte den Kläger an, sechs Tage pro Woche für den Kläger zu arbeiten. Eine vom Kläger im September beantragte Versetzung in eine andere Filiale der Beklagten lehnte diese ab. Nach Feststellung von Kassendifferenzen in der Filiale der Beklagten in Höhe von
€ 850,00 und € 100,00 wurde der Kläger, wie seine Kollegen auch, zu eben jenen Differenzen befragt. Einen Monat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandte sich der Kläger an den Betriebsrat und beschwerte sich wegen der vorgenannten Vorfälle über das angebliche Mobbing. Nachdem das befristete Arbeitsverhältnis der Parteien durch Fristablauf beendet war, verklagte der Kläger, der behauptete, mobbingbedingt unter Depressionen und Nervenzusammenbrüchen zu leiden ,seine ehemalige Arbeitgeberin auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von € 5.000,00.
2. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung als unbegründet zurück, da der Kläger einzelne Tathandlungen nicht so hinreichend konkret beschrieben habe, dass die für die Annahme einer Mobbinghandlung erforderliche systematisch diskriminierende Begehungsweise der Beklagten dargelegt sei (hierzu sogleich unter a.). Auch zum etwaigen Verschulden der Beklagten, dass sich auf deren Tathandlungen und die daraus resultierenden Gesundheitsschäden beim Mobbingopfer beziehen muss, habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen (hierzu weiter unten unter b.).
a. Die Behauptung einer systematisch diskriminierenden Begehungsweise durch den Arbeitgeber verlange vom Mobbingopfer zunächst die Darlegung von Umständen, die nach dessen Auffassung die Rechtswidrigkeit der Arbeitgeberweisungen begründen. Hierzu reiche es nicht aus, wenn das klagende Mobbingopfer eine Ungleichbehandlung der eigenen Person darlege. Vielmehr erfordere der vom Mobbingopfer zu leistende Vortrag auch eine Darstellung der Vorfälle, wonach sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung des Klägers im Verhältnis zu seinen Kollegen ausgeschlossen werden könnten. Im konkreten Fall sah das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Klägers bereits deshalb als unsubstantiiert, d. h. nicht hinreichend konkret an, weil als sachlicher Grund für die Doppelschichten und die 6- Tagewoche des Klägers während der Urlaubsmonate Juli und August, ein nicht anders als durch den überobligationsmäßigen Einsatz des Klägers abwendbarer urlaubsbedingter personeller Engpass der Beklagten für deren Weisungen in Betracht kam. Die vom Kläger angeführte Anhörung zum Kassenfehlbestand sei bereits deshalb nicht geeignet den Vorwurf des Mobbings darzulegen, da alle Mitarbeiter angehört wurden. Auch für eine etwaige Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Versetzungsverlangens habe der Kläger nichts dargetan.
Eine Systematik in der Verhaltensweise der Beklagten sei überdies vom Mobbingopfer nur dann dargelegt, wenn sich aus dem Vortrag des Mobbingopfers ergebe, dass die gerügten Verhaltensweisen des Mobbers sich über einen Zeitraum von sechs Monaten wöchentlich wiederholten. Dies habe der Kläger indes nicht behauptet, da er lediglich 17 Handlungen in 13 Monaten darstellte.
Zur Darlegungpflicht des Mobbingopfers gehöre darüber hinaus auch, dass es die Begleitumstände der Weisungen der beklagten Arbeitgeberin mitteile. Nur hierdurch sei es möglich zu ermessen, ob und inwieweit eine rechtswidrige Ungleichbehandlung des klagenden Mobbingopfers gegenüber seinen Kollegen etwa in Form von unverhältnismäßig vielen Überstunden aus schikanösen Motiven heraus erteilt worden sei. Dies hatte der Kläger ebenfalls völlig versäumt. Allein dadurch, dass allein dem Kläger an bestimmten Tagen von der Beklagten unliebsame Tätigkeiten, wie Putz- und Aufräumarbeiten übertragen wurden, habe das Gericht auch nach dem Vortrag des Klägers noch nicht ermessen können inwieweit dies aus schikanösen Motiven heraus geschah. Hierzu hätte vielmehr gehört, dass der Kläger vorträgt, dass diese Tätigkeiten an jenen Tagen keine Priorität genossen.
b. Auch zum etwaigen Verschulden der Beklagten, dass sich auf deren Tathandlungen und die daraus resultierenden Gesundheitsschäden beim Mobbingopfer beziehen muss, habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Zum substantiierten Vortrag des Mobbingopfers gehöre auch die Darlegung, als Kläger selbst der eigenen Schadensminderungspflicht genügt zu haben. Diese Schadensminderungspflicht sah das Landesarbeitsgericht nach dem Klägervortrag als verletzt an.
Der Kläger habe nämlich vorgetragen, sich nicht gegen die einzelnen Anweisungen seiner Vorgesetzten bei der Arbeitgeberin selbst beschwert und eine vertragsgemäße Beschäftigung eingefordert zu haben. Die Tatsache, dass sich der Kläger nach seinem Vortrag im nachhinein allein mit einer Beschwerde an den Betriebsrat gegen das angebliche Mobbing gewandt hatte, reichte nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein nicht, um der Darlegung allein seitens der Beklagten schuldhaften Verhaltens zu genügen.
Häufig gestellte Fragen zu "Hohe Hürden für Mobbingopfer"
Worum geht es in dem Artikel "Hohe Hürden für Mobbingopfer"?
Der Artikel behandelt ein Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (5 Sa 595/05) zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz. Er analysiert, wann Weisungen des Arbeitgebers als Mobbing gelten können und welche Anforderungen an die Beweisführung von Mobbingopfern gestellt werden.
Welchen Sachverhalt behandelt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein?
Der Kläger, ein Verkäufer in einem Einzelhandelsunternehmen, klagte auf Schmerzensgeld wegen angeblichen Mobbings durch Vorgesetzte. Er führte eine Ungleichbehandlung an, wie z.B. Doppelschichten, Arbeit an sechs Tagen in der Woche während Urlaubszeiten anderer Mitarbeiter, sowie Befragung zu Kassendifferenzen. Er beschwerte sich über die Ablehnung eines Versetzungsgesuchs. Er gab an, mobbingbedingt unter Depressionen und Nervenzusammenbrüchen zu leiden.
Warum wies das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers ab?
Das Gericht wies die Berufung ab, weil der Kläger die einzelnen Tathandlungen nicht hinreichend konkret beschrieben habe, um eine systematisch diskriminierende Begehungsweise der Beklagten darzulegen. Zudem habe er kein ausreichendes Verschulden der Beklagten nachgewiesen, das sich auf die Tathandlungen und die daraus resultierenden Gesundheitsschäden bezieht.
Welche Anforderungen stellt das Gericht an die Darlegung einer systematisch diskriminierenden Begehungsweise?
Das Mobbingopfer muss Umstände darlegen, die die Rechtswidrigkeit der Arbeitgeberweisungen begründen. Eine bloße Ungleichbehandlung reicht nicht aus; es müssen sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung ausgeschlossen werden können. Das Gericht erwähnte, dass Doppelschichten und 6-Tagewochen in Urlaubszeiten sachlich durch Personalengpässe begründet sein könnten. Zudem müsse das Mobbingopfer darlegen, dass sich die gerügten Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum (z.B. sechs Monate wöchentlich) wiederholten und die Begleitumstände der Weisungen mitteilen.
Welche Anforderungen stellt das Gericht an den Nachweis des Verschuldens des Arbeitgebers?
Das Mobbingopfer muss darlegen, dass es selbst seiner Schadensminderungspflicht genügt hat. Dies bedeutet, dass sich der Kläger gegen die einzelnen Anweisungen der Vorgesetzten beschweren und eine vertragsgemäße Beschäftigung einfordern muss. Eine nachträgliche Beschwerde beim Betriebsrat allein reiche nicht aus, um ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers darzulegen.
Welche Schlussfolgerungen zieht der Artikel aus dem Urteil?
Mobbingklagen werden nur erfolgreich sein, wenn das Mobbingopfer jeden einzelnen Vorfall hinsichtlich Art, Ort, Zeit und Begleitumstände genau dokumentiert. Außerdem sollte sich das Mobbingopfer vor Einreichung einer Klage außergerichtlich an Betriebsrat und Arbeitgeber wenden und Beschwerden über die als diskriminierend empfundenen Weisungen vorbringen.
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- Dr. jur. Frank Sievert (Autor:in), 2008, Hohe Hürden für Mobbingopfer, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/118938