"Das erste Kapitel ist immer die Hauptsache, und in dem ersten Kapitel die erste Seite, beinah die erste Zeile. Die kleinen Pensionsmädchen haben gar so unrecht nicht, wenn sie bei Briefen oder Aufsätzen alle Heiligen anrufen: „Wenn ich nur erst den Anfang hätte“. Bei richtigem Aufbau muß in der ersten Seite der Keim des Ganzen stecken".
Diese bezeichnende Aussage des Autors Theodor Fontane auf die Bedeutung des Erzählanfangs soll in dieser Arbeit untersucht werden. Gegenstand der Untersuchung ist der direkte Anfang, die erste Seite des 1894 erschienenen Textes, sowie die Anfangskapitel. Darin soll vor allem auf Symboliken und Motive geachtet werden, die als Vorausdeutungen für das weitere Romangeschehen gesehen werden können. Denn das Symbol zählt zum wichtigsten Erzählmittel in Fontanes realistischen Roman, weil es die Zusammenhänge auf indirekte Art herstellt und die Vieldeutigkeit der Bezüge impliziert. Effi Briest ist von einem dichten Netz von Andeutungen, Rückwendungen und Motivwiederholungen durchzogen, die entscheidend zum Zusammenhang des Ganzen beitragen. Gerade an den Stellen, an denen Gefühlsmomente und innere Höhepunkte (Verlobung, Untreue, Tod) ausgespart werden, sind die Verweise von tief greifender Bedeutung. Eine Bemerkung Fontanes zum Manuskript seines Romans Vor dem Sturm lässt sich auch auf Effi Briest als Motto anwenden:
"Man muß nicht alles sagen wollen. Dadurch wird die Phantasie des Lesers in den Ruhestand gesetzt, und dadurch wird wieder die Langeweile geboren".
Die Phantasie des Lesers anzuregen, darin besteht also Fontanes große Kunst. Weiter soll in dieser Ausführung auf die Figurengestaltung und den Bezug des Erzählendes auf den Erzählanfang eingegangen werden. Auch das Anfangen als symbolische Utopie wird diskutiert und erforscht, inwieweit das Anfangen an sich am Erzählbeginn thematisiert wird.
Begonnen werden soll mit einem kurzen theoretischen Abriss über den Erzählanfang und die Fachbegriffe histoire und discours. Der theoretische Teil ist im Folgenden absichtlich knapp gehalten, da das Hauptaugenmerk auf der Analyse des Erzählanfanges in Effi Briest liegen soll.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Erzählanfang in Theodor Fontanes Effi Briest
- Theorie des Erzählanfangs
- Der Aufbau des Anfangs
- Kapiteleinteilung des Erzählanfangs
- Die Gestaltung des Raumes und Symboliken im Erzählanfang
- Weitere Symboliken und die Utopie des Anfangs
- Figurengestaltung
- Motive im Fortlauf der Erzählung
- „Effi, komm“
- Die Schaukel und der Chinese
- Weitere Vorausdeutungen und Motive
- Das Ende
- Bezug des Erzählenden auf den Erzählanfang
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedeutung des Erzählanfangs in Theodor Fontanes „Effi Briest“, insbesondere die ersten Seiten und Kapitel. Der Fokus liegt auf Symbolen und Motiven als Vorausdeutungen für die weitere Handlung. Die Analyse betrachtet die Figurengestaltung und den Bezug des Erzählendes zum Anfang. Schließlich wird das „Anfangen“ selbst als symbolische Utopie diskutiert.
- Die Bedeutung des Erzählanfangs in Fontanes Werk
- Analyse von Symbolen und Motiven als Vorausdeutungen
- Untersuchung der Figurengestaltung im Erzählanfang
- Das „Anfangen“ als symbolische Utopie
- Der Bezug des Erzählendes auf den Erzählanfang
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung betont die immense Bedeutung der ersten Seite und des ersten Kapitels eines Werkes, insbesondere im Hinblick auf den "Keim des Ganzen". Sie führt Fontanes Zitat über die Wichtigkeit des Erzählanfangs ein und skizziert die Ziele der Arbeit: die Untersuchung des direkten Anfangs von "Effi Briest", die Analyse von Symbolen und Motiven als Vorausdeutungen, die Betrachtung der Figurengestaltung und der Bezug des Erzählendes zum Erzählanfang, sowie eine Erörterung des Anfangs als symbolische Utopie. Der theoretische Teil wird bewusst knapp gehalten, um den Fokus auf die Analyse von "Effi Briest" zu legen.
Der Erzählanfang in Theodor Fontanes Effi Briest: Dieses Kapitel beginnt mit der Beschreibung des Romans als Medias in res-Anfang, ohne Proömialmittel. Die auktoriale Erzählerstimme führt den Handlungsort und die Hauptfigur objektiv ein. Es wird erklärt, dass es sich um eine "ordo artificialis" handelt, da die Geschichte nicht ab ovo beginnt, sondern mit einem Zeitpunkt im Leben Effis. Der Rückgriff im discours auf die Vorgeschichte der Beziehung zwischen Baron von Innstetten und Frau von Briest wird erläutert. Das Kapitel definiert die Ebenen von histoire und discours, sowie story und plot, und ordnet diese Begriffe ihren jeweiligen formalen Kontexten zu.
Der Aufbau des Anfangs: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Kapiteleinteilung, dem Aufbau und der Erzählsituation im Beginn des Romans. Ein Schwerpunkt ist die bedeutungsvolle Pointe am Ende des zweiten Kapitels ("Effi, komm"). Die 36 Kapitel, meist in Unterabschnitte gegliedert, erzählen die Geschichte über etwa zwölfeinhalb Jahre. Die ersten beiden Kapitel umfassen einen Tag und enden mit dem ersten Treffen zwischen Effi und Innstetten. Das dritte Kapitel enthüllt die Verlobung, die als überstürzt dargestellt wird. Die ersten fünf Kapitel bilden einen Erzählblock, der Effis Leben in Hohen-Cremmen beschreibt. Die folgenden neun Kapitel schildern die Ehe in Kessin, und die letzten Abschnitte behandeln Effis Aufenthalt in Berlin und ihre Rückkehr nach Hohen-Cremmen.
Schlüsselwörter
Erzählanfang, Theodor Fontane, Effi Briest, Symbol, Motiv, Vorausdeutung, Figurengestaltung, histoire, discours, ordo artificialis, Medias in res, Romananalyse, realistischer Roman.
Häufig gestellte Fragen zu "Der Erzählanfang in Theodor Fontanes Effi Briest"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert den Erzählanfang in Theodor Fontanes Roman "Effi Briest". Der Fokus liegt auf der Bedeutung der ersten Seiten und Kapitel, insbesondere der Symbole und Motive als Vorausdeutungen für die Handlung, der Figurengestaltung und dem Bezug des Erzählers zum Anfang. Der Erzählanfang wird auch als symbolische Utopie diskutiert.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: die Bedeutung des Erzählanfangs in Fontanes Werk; die Analyse von Symbolen und Motiven als Vorausdeutungen; die Untersuchung der Figurengestaltung im Erzählanfang; das "Anfangen" als symbolische Utopie; und den Bezug des Erzählenden auf den Erzählanfang.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel zur Analyse des Erzählanfangs in "Effi Briest" (mit Unterkapiteln zu Theorie des Erzählanfangs, Aufbau des Anfangs, Motiven im Fortlauf der Erzählung und dem Ende), und eine Zusammenfassung. Der Aufbau des Anfangs wird detailliert betrachtet, inklusive Kapiteleinteilung, Raumgestaltung und Symbolen.
Welche Schlüsselbegriffe werden verwendet?
Schlüsselbegriffe sind: Erzählanfang, Theodor Fontane, Effi Briest, Symbol, Motiv, Vorausdeutung, Figurengestaltung, histoire, discours, ordo artificialis, Medias in res, Romananalyse, realistischer Roman.
Wie wird der Erzählanfang in "Effi Briest" charakterisiert?
Der Roman beginnt "medias in res", ohne Proömialmittel. Die auktoriale Erzählerstimme führt den Handlungsort und die Hauptfigur objektiv ein. Die Arbeit analysiert die "ordo artificialis" des Anfangs und den Rückgriff auf die Vorgeschichte. Die Ebenen von histoire und discours, sowie story und plot werden definiert und ihren formalen Kontexten zugeordnet.
Welche Rolle spielen Symbole und Motive?
Symbole und Motive wie "Effi, komm", die Schaukel und der Chinese werden als Vorausdeutungen für die weitere Handlung analysiert. Ihre Bedeutung für das Verständnis des Gesamtwerks wird untersucht.
Wie wird die Figurengestaltung im Erzählanfang behandelt?
Die Arbeit analysiert die Figurengestaltung im Erzählanfang, um deren Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung zu ermitteln und die Entwicklung der Charaktere im Kontext des Erzählanfangs zu beleuchten.
Welche Bedeutung hat der "Anfang" als symbolische Utopie?
Die Arbeit untersucht den "Anfang" als symbolische Utopie, d.h. die Bedeutung des Anfangs als Hoffnung und als möglicher Gegenentwurf zur Realität der Geschichte.
Wie wird der Bezug des Erzählenden zum Erzählanfang dargestellt?
Die Analyse untersucht, wie der Erzähler auf den Erzählanfang zurückgreift und ihn im Laufe der Geschichte kontextualisiert und interpretiert.
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- Eva Lindner (Author), 2008, Der Erzählanfang in Theodor Fontanes Effi Briest, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/118658