Seriöse Vorhersagen, ob es aufgrund der Corona-Krise womöglich zu einer Deflation kommt, sind derzeit kaum möglich. Um einer Antwort jedoch ein Stück näherzukommen, wird in dieser Arbeit erläutert, wie eine Deflation hervorgerufen wird und welche Folgen diese mit sich ziehen kann. Die Deflation wird von Ökonomen als eine der größten Gefahren für die makroökonomische Entwicklung angesehen. Ihre Bekämpfung ist daher ein zentrales Anliegen der Notenbanken.
Verliert unser Geld in der Corona-Krise seinen Wert und kommt es zu einer Inflation? In der Finanzkrise war diese Frage vergleichsweise leicht zu beantworten, heute ist die Lage allerdings etwas unübersichtlicher. Zwar lässt die Geldschwemme, in einem bisher nie da gewesenen Umfang, eine Hyperinflation befürchten, dennoch ist eine deflatorische Entwicklung derzeit naheliegender.
Einleitung
Fast täglich ist in den letzten Wochen von neuen Kreditprogrammen und Konjunkturmaßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft zu lesen. Hintergrund ist die derzeitige Krise aufgrund der Corona-Pandemie.
Woher die Milliarden stammen? Neben Krediten und Zuschüssen, die auf den Weg gebracht wurden, erschafft die Europäische Zentralbank (EZB) neues Geld. Aber auch in den Jahren zuvor floss bereits massiv Geld durch die Zentralbank in den Markt. Verliert unser Geld in dieser Krise seinen Wert und kommt es zu einer Inflation? In der Finanzkrise war diese Frage vergleichsweise leicht zu beantworten, heute ist die Lage allerdings etwas unübersichtlicher. Zwar lässt die Geldschwemme, in einem bisher nie da gewesenen Umfang, eine Hyperinflation befürchten, dennoch ist eine deflatorische Entwicklung derzeit naheliegender.
Das öffentliche Leben steht teilweise still; die Wirtschaft hat mit erheblichen Einbußen zu kämpfen, in der Industrie kommt es zu Lieferengpässen und Produktionen wurden gestoppt. Zusätzlich dominieren das Bangen um den Arbeitsplatz, Kurzarbeit und Umsatzausfälle die Konsum- und Investitionsbereitschaft.
Seriöse Vorhersagen, ob es aufgrund der Corona-Krise womöglich zu einer Deflation kommt, sind derzeit kaum möglich. Um einer Antwort jedoch ein Stück näher zu kommen, wird im Folgenden erläutert, wie eine Deflation hervorgerufen wird und welche Folgen diese mit sich ziehen kann; die Deflation wird von Ökonomen als eine der größten Gefahren für die makroökonomische Entwicklung angesehen. Ihre Bekämpfung ist daher ein zentrales Anliegen der Notenbanken.
Hauptteil
Bei einer Deflation handelt es sich um eine kontinuierliche Absenkung des allgemeinen Preisniveaus, aufgrund der Tatsache, dass immer weniger Geld im Umlauf ist. Die Ursache der Deflation liegt zumeist in einem Einbruch der aggregierten Nachfrage, bei gleichbleibendem Angebot. Um Waren und Dienstleistungen weiterhin vermarkten zu können, senken Anbieter ihre Preise.1 Was für Verbraucher zu Beginn ein schöner Effekt ist und erstrebenswert scheint, führt letztendlich zu einem Konsumverzicht, verbunden mit einem Angebotsüberhang.
Da bei gleichbleibendem Gehalt real mehr Kaufkraft vorhanden ist, können sich Verbraucher zunächst mehr für Ihr Geld leisten. Es istjedoch individuell rational, dass Investitionen zurückgehalten werden, um zu einem späteren Zeitpunkt von den noch weiter gesunkenen Preisen profitieren zu können. Folglich wird hierdurch die Nachfrage vermindert, die Preise werden weiter reduziert und die Deflationserwartungen verfestigt. Auch Unternehmen werden im Hinblick auf Investitionen zurückhaltend, in der Annahme, sich später mehr für ihr Geld leisten zu können. Dies wiederum führt dazu, dass das Angebot der gesamten Wirtschaft letztlich größer wird, als die eigentliche Nachfrage.2 Die Konsequenzen einer solchen Deflationsspirale sind weitreichend und der Teufelskreis lässt sich nur schwierig durchbrechen.
Auslöser für eine Deflation kann auch eine vorherige Vermögensdeflation sein. Diese kann durch das Platzen von Spekulationsblasen, wie der Immobilienblase, entstehen. Sind Vermögensgegenstände durch Kredite finanziert, führen sinkende Vermögenspreise zu überschuldeten Haushalten und folglich zu Kreditausfällen. Es werden weniger neue Kredite vergeben und die Geldmenge sinkt.3 Folglich können Konsumausgaben weniger durch Kredite finanziert werden und die Nachfrage geht zurück.
Hält ein wirtschaftlicher Abschwung über einen längeren Zeitraum hinaus an, kann dies zu einer Depression im Konjunkturzyklus führen. Zu den Folgen zählen Absatzrückgänge, Überkapazitäten und die Entlassung von Mitarbeitern, Lohnkürzungen oder letztlich Insolvenzverfahren. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote sowie die Einsparungen bei den Unternehmen, führen wiederum zu fehlenden Steuereinnahmen des Staates. Der reale Kaufkraftzuwachs ist infolgedessen nicht mehr vorhanden und die Wirtschaft in einem schlechteren Zustand als zuvor.4 Auch intensiviert sich im Zuge der Deflationsspirale die real steigende Verschuldung sowie der Druck auf den Finanzsektor durch ausfallende Forderungen.5
Eine solche Depression erfolgte zuletzt in der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Zu dieser Zeit herrschte in Folge des Ersten Weltkrieges eine Warenüberproduktion. Zudem litten die Börsen noch unter den Folgen des „Schwarzen Donnerstags“, dem damals größten Börsencrash der Welt. Es stellte sich zuvor heraus, dass die Wertpapiere, denen in den 1920er Jahren stark gestiegenen Aktienkurse zugrunde lagen, zum Großteil nicht mit Ersparnissen, sondern durch Darlehen finanziert wurden. Die in der vorherigen Hochphase aufgenommenen Kredite, konnten nun nicht mehr zurückgezahlt werden - da verbunden mit der sinkenden Produktion, auch die Erträge rückläufig waren. Infolgedessen stieg die Arbeitslosenquote und die Raten waren durch das geringere Einkommen bei gleicher Schuldlast nicht mehr zu tragen. Diese verschiedenen Faktoren führten zu einer Deflation, wodurch Preise und Löhne sanken und die Arbeitslosenquote auf über 20 Prozent stieg.6
Welche Auswirkungen eine Deflation haben kann, wird im Folgenden auch am Beispiel des Staates Japan veranschaulicht. Mitte der 1990er Jahre sanken dort die Verbraucherpreise in Japan deutlich nach unten. Auslöser waren unter anderem das Platzen der Immobilienblase. Dies hatte sinkende Geldwerte und eine Zurückhaltung im Konsum zur Konsequenz. Infolgedessen entstand eine Überproduktion.7 Seither gilt Japan als das Land mit der höchsten Staatsverschuldung (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) der Welt und leidet bis heute an den Auswirkungen der Deflationsspirale.8
Neben den konjunkturellen Negativkosten, welche sich aus einer Deflationsspirale ergeben, werden durch eine Deflation weitere volkswirtschaftliche Kosten verursacht. Hierunter fallen die Menu Costs, welche durch ständig erforderliche Anpassungen von Preisen entstehen sowie Allokationseffekte. Der Preis kann seine Funktion als Knappheitsindikator nicht mehr ungehindert erfüllen. Marktteilnehmer können nicht mehr nachvollziehen, ob eine Preissenkung die Folge eines allgemeinen Rückganges des Preisniveaus ist oder aber aus einer Veränderung des relativen Preises eines Gutes resultiert. Darüber hinaus käme es zu einer Umverteilung von Seiten des Staates zugunsten des Steuerzahlers, sofern die nominalen Lohnsätze krisenbedingt zurückgehen, die Reallöhne hingegen durch das nachgebende Preisniveau konstant blieben.9
Ebenfalls von einer Deflation ausgehend, können Anreize zu einer starken Ausdehnung der Liquiditätshaltung geschaffen werden, was zu einer Reduzierung der Umlaufgeschwindigkeit der vorhandenen Geldmenge führen würde. Demzufolge wäre der Nachfrageeinbruch, wie er in den vorherigen Erläuterungen beschrieben wurde, nicht nur auf die rückläufige Gütermarktnachfrage zurückzuführen, sondern würde zudem von monetärer Seite her verstärkt werden. Für eine Verfestigung der Deflation ist dies ebenfalls eine entscheidende Ursache. So kann zudem durch eine Flucht ins Geld, welche zu sinkenden Preisen von Sachwerten führt, eine Umverteilung zulasten der Eigentümer von Sachwerten erfolgen.10
Tritt eine Deflation unerwartet auf, sind weitere Umverteilungseffekte zu erwarten. Steigende Realzinsen lassen Gläubiger im Zuge einer unerwarteten Deflation profitieren, Schuldner hingegen sind als Verlierer auszumachen. Führt die real wachsende Schuldenlast im Weiteren auf breiter Ebene zu Zahlungsausfällen von Darlehensnehmern, kann dies die Schieflage der Gläubigerbanken bedingen und folglich die Stabilität des Finanzsystems gefährden.11
Die Leitzinssätze der EZB sind das zentrale geldpolitische Instrument, um die Preisstabilität zu erhalten und bestimmen maßgeblich das Zinsniveau des kompletten Eurosystems. Neben dem Konsum- und Investitionsrückgang kann auch ein Eingreifen der Zentralbank eine mögliche Ursache für eine deflationäre Entwicklung sein. Diese kann eine Deflation durch eine restriktive Geldpolitik begünstigen. Indem sie die Leitzinsen erhöht, wird die Kreditvergabe teurer und Unternehmen können weniger investieren. Das Hemmen der Wirtschaft auf diese Art und Weise ist grundsätzlich ein häufig verwendetes Mittel zur Bekämpfung von steigenden Inflationsraten. Durch eine Leitzinssenkung der Zentralbank hingegen, haben Banken die Möglichkeit, günstigere Kredite zu vergeben und letztlich die Geldmenge wieder zu erhöhen und die Wirtschaft somit zu stimulieren.12 In Folge der Finanzkrise von 2008 ist letzteres in Form der Niedrigzinspolitik umgesetzt worden. Allerdings wird fallende Preise zu verhindern für die EZB zunehmend schwieriger. Hierzulande liegt der EZB-Leitzins seit März 2016 bei null Prozent; eine Folge der stetigen Leitzinssenkungen der vergangenen Jahre.13 Doch auch eine Senkung der Einlagenfazilität unter null hat eine Preisstabilität bis heute nicht bewirkt.
Die derzeitige Inflation entfernt sich zunehmend von der ursprünglichen Zielmarke einer als ideal geltenden, zweiprozentigen Inflation. Die aktuelle Corona-Krise hat diejüngsten Inflationsraten weiter fallen lassen.14 Die EZB reagierte hierauf bereits mit einem umfangreichen Unterstützungspaket, welches auch die Wiederaufnahme von Anleihekäufen beinhaltet.
Neben der EZB verfügt auch der Staat über Möglichkeiten, die Ursachen einer Deflation zu verstärken oder bei einer deflationären Entwicklung Gegenmaßnahmen einzuleiten. Kommt es zu drastischen Kürzungen der Staatsausgaben, etwa um Budgetdefizite zu verringern, reduziert sich die staatliche Nachfrage auf den Märkten. Bei einem gleichbleibenden Angebot führt dies zu einer Nachfragelücke. Um dem privaten Konsumrückgang entgegenzuwirken, kann der Staat die Nachfrage durch eigene Investitionen, wie Bau- und Infrastrukturprojekte, beeinflussen. Diese staatlichen Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze, welche zu mehr Einkommen, Konsum sowie letztlich zu Steuereinnahmen führen und die Staatskassen wieder füllen. Des Weiteren können auch Steuersenkungen die Nachfrage erhöhen, zum Beispiel eine Senkung der Einkommenssteuer, welche die Arbeitnehmer entlasten würde. Dadurch könnte ein größerer Teil des Einkommens zum Konsum verwendet werden.15
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1 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 145; Möller, H. W., 2017, S. 166.
2 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 145.
3 Vgl. Landmann, O. etal., 2014, S. 622.
4 Vgl. Conway, E., Bühler,A., 2011, S. 82-83.
5 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 146.
6 Vgl. Conway, 2011,S. 82-83.
7 Vgl. Möller, H. W., 2017, S. 83-84.
8 Vgl. Štatista, 2019, o.S.
9 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 146.
10 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 146.
11 Vgl. Bleich, D. etal., 2013, S. 146; Möller, H. W., 2017, S. 329.
12 Vgl. Möller, H. W., 2017, S. 333-335.
13 Vgl. Deutsche Bundesbank, 2020, o.S.
14 Vgl. Štatista, 2020, o.S.
15 Vgl. Möller, H. W., 2017, S. 262-264.
- Quote paper
- Jessika Lenz (Author), 2020, Deflation. Ursachen und Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1168964