Immer wieder hört man kritische Stimmen, die bemängeln, daß die Art der Wissensvermittlung im Schulunterricht der (Berufs-) Praxis wenig dienlich wäre. Genauer gesagt werfen sie den Schulen und vielen anderen Bildungseinrichtungen vor nur sogenanntes „träges Wissen“ zu produzieren, das von Lernenden nur im ursprünglichen Lern-Kontext angewendet werden kann; ist der Kontext ein anderer, wie dies nicht nur im Beruf überwiegend der Fall ist, steht das Wissen meist nur noch ansatzweise oder gar nicht mehr zur Verfügung.
Um dieser Problematik beizukommen, haben in den letzten Jahren viele Pädagogen und Psychologen, welche Lehr- und Lernmethoden theoretisch und empirisch untersuchen, ein besonderes Augenmerk auf die Meta-Zielsetzung gelegt: Wie läßt sich der Wissenstransfer optimieren? Lernerfolg wird also nicht nur danach definiert, inwieweit konkretes Anwendungswissen erworben wird, sondern auch, ob dieses Wissen eine gewisse Flexibilität aufweist (Transferwissen).
Sowohl Theorie als auch Empirie sprechen dafür, daß die Grundlage für gute Transferleistungen der Erwerb von Problemlöse-Schemata ist, die den Lernenden helfen Aufgaben nach strukturellen Merkmalen zu kategorisieren. Die anfänglich von Cooper und Sweller für den Transfer als entscheidend erachtete Bedeutung von automatisierten Regeln scheint tatsächlich eher nur eine indirekt unterstützende darzustellen zu haben, da sie die (automatische) Bearbeitung von Teilaspekten ermöglichen, wodurch wenig kognitive Ressourcen abgezogen werden. Das so ersparte Potential kann so in anderen Bereichen eingesetzt werden, z.B. in der Überwindung von Struktur- und/oder Oberflächenunterschieden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lernen mit Lösungsbeispielen
2.1. Nachteile von Problemlöseaufgaben
2.2. Vorteile von Lösungsbeispielen
2.3. Probleme von Lösungsbeispielen
3. Instruktionale Maßnahmen zur Verbesserung des Transfers
3.1. Direkte Massnahmen
3.2.Indirekte Maßnahmen
3.2.1. Lernen mit unvollständigen Lösungsbeispielen
3.2.2. Kombinierte Methode
4. Fragestellungen und Hypothesen
5. Methode
5.1. UntersuchungsteilnehmerInnen und Design
5.2. Materialien
5.3. Instrumente
5.4. Kategoriensystem zur Abbildung des Elaborationsverhaltens
5.5. Versuchsablauf
6. Ergebnisse
6.1. Lernbedingung und Lernerfolg
6.2. Lernbedingung und Elaborationsverhalten
6.3. Elaborationsverhalten und Lernerfolg
7. Diskussion
8. Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Immer wieder hört man kritische Stimmen, die bemängeln, daß die Art der Wissensvermittlung im Schulunterricht der (Berufs-) Praxis wenig dienlich wäre. Genauer gesagt werfen sie den Schulen und vielen anderen Bildungseinrichtungen vor nur sogenanntes „träges Wissen“ zu produzieren, das von Lernenden nur im ursprünglichen Lern-Kontext angewendet werden kann; ist der Kontext ein anderer, wie dies nicht nur im Beruf überwiegend der Fall ist, steht das Wissen meist nur noch ansatzweise oder gar nicht mehr zur Verfügung.
Um dieser Problematik beizukommen, haben in den letzten Jahren viele Pädagogen und Psychologen, welche Lehr- und Lernmethoden theoretisch und empirisch untersuchen, ein besonderes Augenmerk auf die Meta-Zielsetzung gelegt: Wie läßt sich der Wissenstransfer optimieren? Lernerfolg wird also nicht nur danach definiert, inwieweit konkretes Anwendungswissen erworben wird, sondern auch, ob dieses Wissen eine gewisse Flexibilität aufweist (Transferwissen).
Sowohl Theorie als auch Empirie sprechen dafür (Stark 1999), daß die Grundlage für gute Transferleistungen der Erwerb von Problemlöse-Schemata ist, die den Lernenden helfen Aufgaben nach strukturellen Merkmalen zu kategorisieren. Die anfänglich von Cooper und Sweller (1987) für den Transfer als entscheidend erachtete Bedeutung von automatisierten Regeln scheint tatsächlich eher nur eine indirekt unterstützende darzustellen zu haben, da sie die (automatische) Bearbeitung von Teilaspekten ermöglichen, wodurch wenig kognitive Ressourcen abgezogen werden. Das so ersparte Potential kann so in anderen Bereichen eingesetzt werden, z.B. in der Überwindung von Struktur- und/oder Oberflächenunterschieden (Sweller, Van Merrienboer & Paas, 1998).
2. Lernen mit Lösungsbeispielen
Ein neuer Weg für die empirische Forschung das Lernen zu optimieren, ist das Lernen mit Lösungsbeispielen. Die Beliebtheit dieser Lernmethode und ihre Bedeutung für den Lernprozess konnte man schon bei vorwissenschaftlichen Beobachtungen feststellen, da sich hier Personen gern und häufig auf Lösungsbeispiele stützen um ans Lernziel zu gelangen. Als die entscheidenden Vorteile gelten der geringere kognitive Verarbeitungsaufwand und die ökonomischere Art zu Lernen, besonders was den Zuwachs an kognitiven Fertigkeiten und deren Einsatz und Transferm auf unbekannte Problemstellungen betrifft.
Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Funktionen der Lösungsbeispiele genauer beleuchtet und mit der Lernwirksamkeit der traditionelleren Methode „Lernen durch Problemlösen“ verglichen.
2.1. Nachteile von Problemlöseaufgaben
Der Methode des Problemlösens kommt zwar zugute, dass sich die Lernenden aktiv mit ihrer Problemlöseaufgabe auseinandersetzen, da sie zur Problemlösung überwiegend auf sich gestellt sind. Allerdings ist der kognitive Lernaufwand dadurch viel höher, und der Lernerfolg wird durch die Aktivität nicht unbedingt größer. Dieser Nachteil im kognitiven Bereich lässt sich damit begründen, dass Lernende bei Problemlöseaufgaben zum größten Teil nach der Ziel-Mittel Analyse vorgehen. Das bedeutet, dass sie die Diskrepanz zwischen momentanem Problemzustand und Zielzustand bestimmen und diese durch den Einsatz bestimmter Operatoren versuchen auszuräumen (Stark 2000a). Diese Methode wird vor allem von Novizen zur Problemlösung benutzt, da sie geeignet ist möglichst ohne Umwege ans Ziel zu gelangen ohne dabei über viel domänenspezifisches Wissen zu verfügen. Damit ist jedoch ein negativer Effekt zur Ausbildung von Schemata verbunden, da sich die Aufmerksamkeit nicht auf das Erkennen der Problemstruktur bezieht, sondern eigene Lösungswege mit Hilfe schwacher Problemlösestrategien entwickelt werden. Das führt außerdem zu einem höheren kognitiven Verarbeitungsaufwand aufgrund des ungenutzten Vorteils, anhand der Lösungswege strukturanaloger Problemstellungen ans Ziel zu gelangen. Das Arbeitsgedächtnis ist bereits bei den einfachsten Ziel-Mittel Analysen genug damit beschäftigt den momentanen Problemzustand, den Zielzustand sowie die Differenz der beiden, die situationsbedingten Operatoren und die Unterziele zu behalten. Bei komplexeren Aufgaben mit zunehmender Anzahl möglicher Operatoren, können die übrigen kognitiven Ressourcen sogar so gering sein, dass jegliche Ausbildung von Schemata auszuschließen ist (Stark, 1999). Ein weiterer negativer Aspekt des Lernens durch Problemlösen ist die Gefahr fehlerhafte Konzepte oder Vorgehensweisen in seine Wissensstruktur aufzunehmen. Aufgrund des selbstständigen Arbeitens ist die Wahrscheinlichkeit hoch sich ein falsches Konzept oder Vorgehensweise einzuprägen, wenn nicht im Anschluss eine Verbesserung des Fehlers oder eine differenzierte Rückmeldung vorgesehen ist.
2.2. Vorteile von Lösungsbeispielen
Um den Nachteilen der Lernmethode durch Problemlösen nicht zu erliegen, kann das Lernen mit Lösungsbeispielen einige Antworten darauf geben.
Durch die Bereitstellung der Informationen die zur Lösung führen muss der Lernende nicht mehr auf die Ziel-Mittel Analyse zurückgreifen. Damit wäre die Aufmerksamkeit, zugunsten der kognitiven Ressourcen, umgelenkt worden und tritt jetzt in fokussierter Form auf, wodurch die lernförderliche Schemainduktion unterstützt wird. Nach Sweller et al., (1998) die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fehlkonzepte und falsche Vorgehensweisen im Gedächtnis festsetzen ist geringer aufgrund der bereitgestellten Lösungswege (Stark 2000a). Sweller und Kollegen gehen davon aus, dass die Schemainduktion und Automatisierte Regeln die entscheidenden Werkzeuge für das Problemlösen sind, und dass das Lernen mit Lösungsbeispielen diese fördert. Die Schemainduktion (Schemaerwerb) leistet in erster Linie eine Kategorisierung der Aufgaben nach analogen Lösungsmerkmalen in der Struktur der Problemstellung und hilft den Lernenden vor allem bei bekannten Aufgaben. Dagegen sollen die automatisierten Regeln (automatisierte Problemlöseoperatoren) eher den erfolgreichen Transfer unterstützen. Sie sind Vorraussetzung für erfolgreiches Kategorisieren, da nicht vor jeder Anwendung jedes Detail nochmals bewusst nachvollzogen werden kann, und ansonsten nur nach Oberflächenmerkmalen kategorisiert werden würde.
Verschiedene Forscher haben die Funktionen von Lösungsbeispielen beim Problemlösen und Lernen auf verschiedene Arten strukturiert. Stark fasst diese folgendermaßen zusammen:
Im Allgemeinen kann eine Lernfunktion von Lösungsbeispielen angenommen werden. Der Schemaerwerb bzw. die Prozeduralisierung als Funktion sind der Spezialfall der Lernfunktion. Die Interpretationsfunktion, was das erfolgreiche Einordnen von abstrakten oder konkreten Begriffen in ihren Sachverhalt meint, sowie die Informations- bzw. Explizierungsfunktion, womit die Versorgung mit Informationen durch das Beispiel außerhalb der Lehrtextinformation gemeint ist, sind als Aspekte der Lehrfunktion zu betrachten (Stark, 1999).
2.3. Probleme von Lösungsbeispielen
Das Lernen mit Lösungsbeispielen hat aber auch den Nachteil, dass die zugänglichen Information den Lernenden dazu verleiten das Lösungsbeispiel nur oberflächlich und passiv nachzuvollziehen und keine intensive, kritische Auseinandersetzung mit der Aufgabe erfolgt. Oftmals können Lernende nicht richtig einschätzen inwieweit sie die Aufgabe auch selbstständig hätten lösen können und überschätzen dann ihre Fähigkeiten, was zu einer Kompetenzillusion führt.
Deshalb untersuchen Studien von Chi, Basok, Lewis, Reinmann und Glaser (1989) zum prozessorientierten Lernen mit Lösungsbeispiel auch das Lernverhalten und dessen Aspekte genauer. Der Begriff „Beispielelaboration“ steht für diese Untersuchungen, welche die Verbalisierungen Lernender, während der Auseinandersetzung mit einem Lösungsbeispiel aufzeichnen und auswerten. Dabei wird die Bearbeitungsqualität anhand von kognitiven und metakognitiven Aspekten beurteilt, wobei die Anzahl der artikulierten Elaborationen (Elaborationsaktivität) nicht unberücksichtigt bleibt, da diese ebenfalls Einfluß nehmen auf die Anzahl lernwirksamer Elaborationen.
In der Studie von Chi et al. (1989) konnte man die Unterschiede zwischen erfolgreichen Lernenden und erfolglosen Lernenden an ihrem Elaborationsverhalten ablesen und stellte dabei fest, dass erfolgreiche Lernende mehr elaborieren und vor allem lernwirksamere Aspekte der Elaboration (kognitive Aspekte) vormachen. Die Studie von Chi et al. sowie von Renkl (1997b) sehen diese Aspekte in der Bearbeitung von Beispielen darin, Ziele zu explizieren und diese mit lösungsrelevanten Operatoren zu verknüpfen. Außerdem betont Renkl, dass selbständiges Erschließen der Lösungsschritte (antizipatorisches Schließen) ein besonders lern- und transferförderliches Kennzeichen sei. Erfolgreiche Lernende brachten häufiger ihr Unverständnis zu einem Problem in der Aufgabe zum Ausdruck, wodurch man schließt, dass die erfolglosen Lernenden ihren Ergebnissen zufolge einer Kompetenzillusion auflagen. Die Studie von Renkl (1997) ergab im Punkt der Verständnisäußerungen zwar das gegenteilige Ergebnis, jedoch lässt sich dieser Widerspruch mit den fehlenden Instruktionen im Bezug auf Merkmale der Lernumgebung und der Beispielpräsentation erklären (Stark 2000b).
Im Allgemeinen kategorisieren Stark, Gruber und Renkl et al. (1999) das Elaborationsverhalten in drei Richtungen, welche eine Studie im Bereich des kaufmännischen Rechnens aufzeigte.
1. passiv-oberflächlich Beispielelaboration
2. tiefe, kognitive Beispielelaboration
3. aktiv-metakognitive Beispielelaboration
Bei der passiv-oberflächlichen Beispielelaboration konnte man eine allgemein niedrige Elaborationsaktvität feststellen. Am allerwenigsten traten kognitive Aspekte auf. Im Gegensatz dazu war die tiefe, kognitive Beispielelaboration gekennzeichnet durch eine Mehrzahl an kognitiven Aspekten, wenig metakognitiven Aspekten und einer grundsätzlich hohen Elaborationsaktivität. Die Lernenden des ersten Profils schnitten schlechter ab, als die Lernenden des zweiten Profils, besonders bei Aufgaben mit größerer Transferdistanz. Die Lernenden des dritten Profils, der aktiv-metakognitiven Beispielelaboration, schnitten jedoch am erfolgreichsten ab, insbesondere bei Aufgaben des nahen und weiten Transfers. Ihr Elaborationsverhalten war geprägt von Generierungen sowohl metakognitiver, als auch kognitiver Aspekte. Wobei die kognitiven Aspekte besonders das Explizieren von Zielen und Situationselaborationen beinhalteten. Die Elaborationsaktivität lag deutlich höher als bei den beiden anderen Profilen (Stark 2000b).
Die Studie macht deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen bestimmten Merkmalen des Elaborationsverhaltens und des Lernerfolgs festzustellen ist. Leider kann man nicht davon ausgehen, dass sich alle Lernenden so mit den Beispielen auseinandersetzen, dass der maximale Lernerfolg erbracht wird.
Im folgenden Abschnitt werden Verbesserungsvorschläge behandelt, die auf dieses Problem reagieren.
3. Instruktionale Maßnahmen zur Verbesserung des Transfers
3.1. Direkte Massnahmen
Um die Transferleistung zu verbessern bot man den Probanden ausgehend von der Theorie der kognitiven Flexibilität eine multiple Lernumgebung an, damit sie "dasselbe Lerngebiet zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Perspektiven unter veränderter Zielsetzung und aus unterschiedlichen konzeptuellen Perspektiven" (zumindest ansatzweise) beleuchten und so multiple und damit flexible Wissensrepräsentationen generieren könnten (Stark et.al. 1998, S.5)
Allerdings hatte die multiple Lernumgebung auf den Lernerfolg nicht die gewünschte Wirkung. Die Lernenden waren ohne instruktionelle Unterstützung überfordert, was sich auch in der mangelnden Beliebtheit dieser Methode geäußert weswegen sich die so fehlende Motivation auch auf den Lernerfolg niedergeschlagen haben dürfte.
Es erwies sich auch, daß nicht die Bereitstellung unterschiedlicher Lösungsbeispiele den Transfer begünstigten, sondern die Durchführung eines speziellen Elaborationstraings. Durch ein solches Training, das vor allem auf die Explikation von (Sub-) Zielen und von domänenspezifischen Prinzipien, die den Lösungsschritten zugrundelagen, abzielte, versuchten auch Renkl, Stark, Gruber und Mandl (1998) das Lernen mit Lösungsbeispielen zu verbessern. Sowohl Quantität als auch die entscheidendere Qualität der Beispielelaborationen nahmen in Form von prinzipienbasierten Überlegungen und der Explikation von Zielen und Operatoren zu. Als Bestätigung der Annahme für den maßgeblichen Einfluß dieser beiden Elaborationsaspekte auf den Lernerfolg konnte auch ein positiver Effekt des Trainings auf den Lernerfolg, speziell auf den nahen und weiten Transfer (Stark 1999, S.45) festgestellt werden, wasdafür spricht, dass sich Schemainduktion - die Vorraussetzung erfolgreichen Transfers - und Elaborationsverhalten gegenseitig bedingen.
Das Elaborationsverhalten ist dabei sowohl Vorraussetzung als auch Folge effektiven Lernens. Die Effekte der Lernbedingung werden dabei nicht durch die Beispielelaboration vermittelt, "sondern vielmehr durch das potentielle Resultat der Beispielelaboration: durch die Wissensstruktur , die im Prozess und als Resultat der Beispielelaboration aufgebaut wird. Die während der Lernphase erfassten Aspekte der Beispielelaboration stellen primär Indikatoren für den Lern-bzw. Schemainduktionsprozess dar." (Stark, 1999, S.138)
Dennoch konnte nicht in allen Studien der gewünschte Einfluß auf den Lernerfolg erzielt werden. Viele Lernende blieben trotz der Anleitung beim Elaborieren passiv und oberflächlich. Neben möglichen vorwissensbedingten, motivationalen oder emotionalen Gründen ist dies auch darauf zurückzuführen, daß bei nicht extensiven Training die geübten Strategien ohne stützende Trainingsbedingungen nicht beibehalten werden können. (ebd. S.47)
3.2.Indirekte Maßnahmen
3.2.1. Lernen mit unvollständigen Lösungsbeispielen
Ohne zusätzliche Trainingsmaßnahmen einsetzen zu müssen, kann eine kombinierte Bedingung aus Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen den zuvor genannten Problemen beikommen. In der Untersuchung von Stark wurden dabei unvollständige Lösungsbeispiele verwendet, deren Lücken die Lernenden auszufüllen hatten.
Durch die teilweise Vorgabe des Lösungsweges wird so die problema-tische Ziel-Mittel-Analyse vermieden und Schemainduktion ermöglicht, gleichzeitig wird der Lernende mittels der zu bearbeitenden Lücken zur aktiven Bearbeitung der Aufgabe angehalten, was an einer Verbes-serung des Elaborationsverhaltens, in dem sich der Lernprozess ja ausdrückt, gemessen werden können müsste.
Lernen mit unvollständigen Lösungsbeispielen ist also ein Weg, das Elaborationsverhalten indirekt über die Lernumgebung zu optimieren und damit auf ökonomische Weise den Lernerfolg zu steigern.
In der Untersuchung von Stark (1999) konnten die erwarteteten positiven Effekte durch unvollständige Lösungsbeispiele auf das Lernverhalten festgestellt werden. Die Lernenden mit unvollständigen Beispielen waren den Lernenden der reinen Beispielbedingung bei Aufgaben jeder Art von Transfer überlegen, hier jedoch v.a. beim mittleren Transfer, bei dem die Lernenden der Kontrollgruppe mit vollständigen Lösungsbeispielen häufig Fehler durch schablonenhaftes Übertragen von Operatoren begingen, während in der Experimental-gruppe Prinzipien anscheinend besser verstanden worden waren und auch auf andere Aufgabenstrukturen übertragen werden konnten. Die beabsichtigte Schemainduktion wurde also vollzogen. Beim weiten Transfer zeigten sich jedoch auch bei der Experimentalgruppe Probleme, so daß der Unterschied zur Kontrollgruppe die Signifikanzgrenze knapp verfehlte. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß weiter Transfer selbst mit besten Lernbedingungen doch weiter Transfer und damit schwierig bleibt. Während in der Experimentalgruppe zunehmend mehr Probanden an der Aufgabe scheiterten, konnten in der Kontrollgruppe, die ja ebenfalls eine effektive Lernumgebung zur Verfügung hatten, doch einige Lernende die Aufgaben bewältigen, so daß sich die Ergebnissse - im Vergleich zu nahen und mittleren Transfer- angeglichen haben. Aufgrund der relativ kleinen Stichprobengröße hätte jedoch auch hier ein sehr grosser Effekt auftreten müssen, um signifikant zu sein.
Der Unterschied im Lernerfolg konnte dabei mit dem verbesserten Elaborationsverhalten in Verbindung gebracht werden, wobei v.a. prinzipienbasierte Elaboration eine Rolle spielte, während jedoch antizipierende Elaboration, von der man eine größere Wirkung erwartet hatte, nicht signifikant mit dem Lernerfolg zusammenhing.
3.2.2. Kombinierte Methode
Eine Studie zum kombinierten Lernen mit Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen wie in vorliegendem Experiment wurde von Stark, Gruber, Renkl und Mandl durchgeführt (1999), wobei ebenso wie im Fall der unvollständigen Beispiele erfolgversprechende Ergebnisse erzielt werden konnten: Die Versuchsteilnehmer der Eyperimentalgruppe waren auch hier denen der Kontrollgrupppe überlegen.
4. Fragestellungen und Hypothesen
Für das dieser Arbeit zugrundeliegende Experiment wurden zusätzliche Daten erhoben, so daß auch Aussagen über die Einfüsse von Vorwissen, Motivation, Emotionen und sprachlicher Kompetenz gemacht werden können, was jedoch nicht Bestandteil vorliegender Arbeit sein soll.
An dieser Stelle soll überprüft werden:
- Welchen Einfluss hat die Lernbedingung auf den Lernerfolg?
- Welchen Einfluss hat die Lernbedingung auf das Elaborationsverhalten?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen Elaborationsverhalten und Lernerfolg?
Daraus ergeben sich folgende zu prüfende Hypothesen:
Hypothese 1: Die Lernbedingung hat Einfluß auf den Lernerfolg.
Hypothese 2: Die Lernbedingung hat Einfluß auf das Elaborationsverhalten.
Hypothese 3: Es besteht ein Zusammenhang zwischen Elaborationsverhalten und Lernerfolg.
5. Methode
5.1. UntersuchungsteilnehmerInnen und Design
Grundlage der Untersuchung war ein einfaktorielles, zweifach gestuftes Design. Variiert wurde das Lernmaterial: Während die Experimentalgruppe eine Kombination von Problemlöseaufgaben und ausgearbeiteten Lösungsbeispielen bearbeitete (kombinierte Lernmethode), wurden der Kontrollgruppe nur Lösungsbeispiele zur Verfügung gestellt („reine“ Beispielbedingung).
An der Untersuchung nahmen insgesamt 30 Auszubildende einer Bank teil. Die Zuteilung der ProbandInnen zu den Lernbedingungen erfolgte zufällig.
5.2. Materialien
Kurztraining zur Beispielelaboration. Vor der Lernphase wurde für alle Teilnehmenden ( d. h. für die Experimental- und für die Kontrollgruppe) ein Kurztraining zur lernwirksamen Elaboration von Lösungsbeispielen durchgeführt. Ziel dieses Trainings war es, die Qualität der Beispielelaboration und damit den Lernerfolg zu fördern. Das Training entsprach weitgehend dem in der Studie von Renkl et al. (1997) bewährten Kurztraining zur Beispielelaboration.
Lehrtext. Alle Lernenden erhielten 30 Minuten Zeit, sich mit dem Lehrtext zu beschäftigen. Dieser enthielt neben einem kurzen Lexikon mit Definitionen relevanter Konzepte auch eine überwiegend abstrakte Herleitung der Formeln zur Zinsrechnung, Zinseszinsrechnung und Effektivzinsrechnung, welche die Basis sowohl für die Lösungsbeispiele und Problemlöseaufgaben der Lernphase als auch für die späteren Transferaufgaben der Nachtestphase darstellten. In der Lernphase sollten alle Lernenden die Beispiele wie im Training elaborieren; die ProbandInnen der Experimentalgruppe hatten zudem beim Problemlösen während der Lernphase laut zu denken.
Der Lehrtext diente auch während der Lernphase und dem Nachtest als Nachschlagewerk.
Ausgearbeitete Lösungsbeispiele und Problemlöseaufgaben. Alle Lösungsbeispiele waren aus zwei Teilen gebildet: einem Aufgabentext einerseits und mehreren genau ausgeführten Lösungsschritten andrerseits. Die Problemlöseaufgaben hingegen bestanden lediglich aus einem Aufgabentext, zu welchem die Lernenden die Lösung selbständig zu finden hatten.
Während die Kontrollgruppe vier analoge, vollständige, also aus beiden Teilen bestehende Beispiele erhielt, umfasste die kombinierte Bedingung (Experimentalgruppe) vier Problemlöseaufgabe-Lösungsbeispiel-Paare. Dabei war jeder Problemlöseaufgabe ein in seiner Struktur analoges Lösungsbeispiel zugeordnet, also ein Beispiel, dessen Aufgabentext dieselbe Struktur aufwies wie derjenige der Problemlöseaufgabe. Da also die lösungsrelevanten Merkmale hier jeweils nicht verändert wurden, verdeutlichte in der kombinierten Lernbedingung jedes Lösungsbeispiel den Lösungsweg der ihm vorangestellten Problemlöseaufgabe. Innerhalb eines Problemlöseaufgabe-Lösungsbeispiel-Paares wurden lediglich Oberflächenmerkmale variiert, d.h. Merkmale, welche auf den Lösungsweg keinen Einfluß haben, wie es zum Beispiel die inhaltliche Einbettung der Aufgabe und die vorkommenden Zahlen sind.
Die beiden ersten Paare beider Gruppen beeinhalteten Zinseszinsaufgaben, die letzten beiden Effektivzinsaufgaben. Alle Lösungsbeispiele und Problemlöseaufgaben waren in problemorientierte Rahmengeschichten eingebettet, um das Interesse am Themengebiet zu wecken bzw. zu verstärken, und um die Lernenden zu motivieren.
Lernzeit. Die Sicherung der internen Validität der Studie erforderte eine Konstanthaltung der Lernzeit. Diese wurde durch Festlegung von maximalen Bearbeitungszeiten realisiert. Näherten sich Lernende diesen Grenzwerten, wurden sie zu einem schnelleren Vorgehen aufgefordert. Somit konnte sichergestellt werden, daß die Lernzeit für die Experimental- sowie für die Kontrollgruppe jeweils ungefähr 45 Minuten betrug.
Problematisch ist ein solch strenges Zeitreglement allerdings insofern, als es zu Interferenzen mit dem Vorgehen der Lernenden führt und somit den Lernprozeß beeinträchtigt. Hinsichtlich der externen Validität der Studie muß somit durch eine solche künstliche Begrenzung der Lernzeit eine gewisse Einschränkung angenommen werden.
5.3. Instrumente
Nachtest. Um den Lernerfolg zu operationalisieren, wurde ein Nachtest mit verschiedenen Typen von Transferaufgaben eingesetzt. Unterschiedliche Transferdistanzen wurden durch Veränderung von Oberflächenmerkmalen und/oder strukturellen Merkmalen erzielt: Variiert man diese systematisch, erhält man vier Typen von Transferaufgaben, von welchen drei im Nachtest verwendet wurden - Aufgaben zum nahen, zum mittleren und zum weiten Transfer (vgl. Stark, 1999).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Die verschiedenen Transfertypen ( aus: Stark ,1999, S.104)
Die Leistung der Lernenden im nahen Transfer wurde durch Aufgaben erfaßt, deren Aufgabentexte dieselbe Struktur zeigten wie die der Lernphase, d.h. es wurden keine lösungsrelevanten Merkmale variiert, sondern lediglich Oberflächenmerkmale verändert, in diesem Fall die inhaltliche Einbettung und irrelevante Informationen. Die Reliabilität lag bei .60.
Umgekehrt wurden bei den Nachtestaufgaben zum mittleren Transfer strukturelle Merkmale verändert, während die Oberfläche der Aufgabenstellungen jenen der Lernphase sehr ähnelte. Die Reliabilität des Subtests „mittlerer Transfer“ lag bei .69.
Weiter Transfer wurde durch Aufgaben operationalisiert, welche Veränderungen in Oberflächen- und strukturellen Merkmalen aufwiesen. Hier betrug die Reliabilität .59.
Fasst man alle drei Transfervariablen zu einer Gesamtvariablen Lernerfolg zusammen, hat diese eine Reliabilität von .78.
5.4. Kategoriensystem zur Abbildung des Elaborationsverhaltens
Um die während des Lernens mit Lösungsbeispielen/Problemlöseaufgaben stattfindenden Prozesse zu erfassen, wurde die Methode des lauten Denkens eingesetzt. Alle Verbalisierungen, welche die ProbandInnen während der Lernphase äußerten, sei es bei der Lösung der Problemlöseaufgaben oder beim Nachvollziehen der Lösungsbeispiele, wurden auf Bnd aufgezeichnet und anschließend kodiert. Es wurde versucht, das Elaborationsverhalten mittels eines Kategoriensystems abzubilden. Dieses wurde in Anlehnung an Renkl et al. (1997; vgl. auch Stark, 1999) theoriegeleitet entwickelt und unter Berücksichtigung themenspezifischer Aspekte verändert.
Das Kategoriensystem umfaßte kognitive, metakognitive und sonstige Dimensionen der Beispielelaboration, im Einzelnen die folgenden Aspekte:
Kognitive Beispielelaboration:
- Prinzipienbasierte Überlegungen,
d.h. die dem Lösungsbeispiel zugrundeliegeneden themenspezifische Konzepte oder Prinzipien werden mehr oder weniger genau erklärt.
(Beispiel: „...also hier ist jetzt die Effektivverzinsung auch wieder der Gesamtertrag mal 100 durch das Kapital, das ich eingesetzt habe, mal die Anlagezeit“.)
- Ziel-Explikationen oder Ziel-Operator-Kombinationen
meint entweder die Nennung eines (Unter-)Ziels, das es zu erreichen galt, 0oder die Erklärung der Funktion eines Operators durch die Nennung des damit zu erreichenden (Unter-)Ziels.
(Beispiel. „...also, im vierten Schritt will man den Gesamtbetrag errechnen...“ oder „durch die Multiplikation erhält man den Gesamtbetrag.“)
- Herstellen von Querverbindungen
wurde kodiert, wenn Ähnlichkeiten zwischen dem momentan bearbeiteten und einem früheren Lösungsbeispiel oder zwischen einzelnen abgelesenen oder auch selbständig erarbeiteten Lösungsschritten festgestellt wurden.
(Beispiel: „... also eigentlich dasselbe Vorgehen wie vorhin bei der Aufgabe mit...“).
- Situationselaborationen
zeigen an, daß die/der Lernende sich ein Mentales Modell (Situationsmodell) von der Problemsituation erstellt hat.
(Beispiel: „...die Mutter bekommt von den 100%...äh muß sie von 100% Kurswert nur 97% zahlen, das sind also 3%, die sie einspart...“).
Metakognitive Beispielelaboration:
- Positives Monitoring
Es wurde verbalisiert, daß etwas verstanden wurde - seien es ganze Beispieltypen, Lösungsschritte, oder auch einzelne Teile und Berechnungen innerhalb eines Lösungsschrittes.
(Beispiel: „...ja, gut, das stimmt mit meiner Lösung überein“).
- Negatives Monitoring.
Es wurde - ganz global oder spezifisch - verbalisiert, daß etwas nicht verstanden wurde.
(Beispiel:...“Nun, also nein, das kapier´ich jetzt nicht“)
Sonstige Beispielelaboration:
- Gezieltes Nachschlagen im Lehrtext.
Hier wurde nur das gezielte Suchen von Formeln oder Begriffen im Lehrtext, nicht aber beiläufiges, ziellos wirkendes Blättern gewertet.
- Negative Bewertungen.
Hierunter fallen sämtliche geäußerten negativen Bewertungen der Lösungsbeispiele als Lernmaterialien, der Lernmethode oder auch der Untersuchung an sich.
5.5. Versuchsablauf
Die Untersuchung wies eine Dauer von jeweils etwa drei Stunden auf; sie wurde in Individual-Sitzungen durchgeführt.
Begonnen wurde mit einer Einführung, in welcher die Teilnehmer auf allgemeine Fakten hingewiesen wurden. Dann wurde der Lehrtext an die Probanden verteilt, welcher von diesen die folgenden 30 Minuten studiert werden sollte.
Vor der Lernphase wurden alle Versuchspersonen einem Kurztraining unterzogen, welches sowohl der Anleitung zur Beispielelaboration dient, als auch Instruktion zum lauten Denken gibt.
In der 45 Minuten dauernden Lernphase erhielten Probanden der Kontrollgruppe Lösungsbeispiele und diejenigen der Experimentalgruppe Lösungsbeispiele und Problemlöseaufgaben zur Bearbeitung vorgelegt. Beiden Gruppen stand auch hier der bereits erwähnte Lehrtext zur Verfügung. Probanden der Experimentalgruppe wurden zusätzlich zum lauten Denken aufgefordert.
Nach einer kurzen Erholungspause wurde abschließend der Nachtest durchgeführt, welcher dazu diente die (erworbene) Transferfähigkeit der Probanden zu erfassen.
6. Ergebnisse
6.1. Lernbedingung und Lernerfolg
Um die Frage nach dem Einfluß der Lernbedingung auf den Lernerfolg zu klären, hatten wir die Mittelwerte der Punktzahlen verglichen, welche die Experimental- bzw. die Kontrollgruppe im Nachtest erreichten. Dabei wurden zunächst die Ergebnisse der drei Nachtestteile zu einem Wert zusammengefaßt betrachtet. Die Lernenden der Experimentalgruppe erreichten im Nachtest durchschnittlich 2,68 , die Teilnehmenden der Komtrollgruppe hingegen im Schnitt nur 1,80. Der T-Test zeigt, daß dieser Unterschied zwischen den Gruppen hochsignifikant ist ( p = .000 ). Das heißt also, daß die Lernenden, welche mit der kombinierten Methode aus Lösungsbeispielen und Problemlöseaufgaben arbeiteten, einen deutlich höheren Lernerfolg aufweisen konnten als die Lernenden, denen lediglich vollständige Lösungsbeispiele zur Verfügung gestellt wurden.
Um differenziertere Aussagen über den Lernerfolg machen zu können, untersuchten wir anschließemd die Mittelwerte der einzelnen Nachtestabschnitte, also die Ergebnisse der Aufgaben zum nahen Transfer, zum mittlerern Transfer und zum weiten Transfer. Auch hier zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Nachfolgendes Diagramm (Abb.1) soll diese veranschaulichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Einfluß der Lernbedingung auf den Lernerfolg
In allen drei Nachtestbereichen schnitten Lernende der Experimentalgruppe besser ab als Lernende der Kontrollgruppe. Der T-Test ergibt für den Mittelwertsunterschied beim Test zum nahen Transfer sowie bei jenem zum mittleren Transfer jeweils eine starke Signifikanz ( p= .004 bzw. p= .009 ). Noch deutlicher ausgeprägt aber ist die Differenz der Ergebnisse im Test zum weiten Transfer; nach dem T-test sind die Unterschiede zwischen den Gruppen hier hochsignifikant ( p = .000 ).
Diese Befunde zeigen also, daß die Lernenden, die mit Problenlöseaufgaben und Lösungsbeispielen konfrontiert wurden, einen deutlich höheren Lernerfolg v.a. im Bereich des weiten Transfers vorweisen konnten.
6.2. Lernbedingung und Elaborationsverhalten
Elaborationsverhalten ausübt, kann aufgrund der Meßergebnisse nicht eindeutig beantwortet werden.
Zunächst unsere zweite Frage, welchen Einfluß die Lernbedingung auf das noch kurz einigen Anmerkungen zu unserem Umgang mit den Variablen des Kategoriensystems.
Prinzipienbasierte Überlegungen, Zielexplikationen, Herstellen von Querverbindungen und Situationselaborationen fassten wir unter „kognitiver Beispielelaboration“ zusammen, positives und negatives Monitoring unter „metakognitiver Beispielelaboration“; sonstige Arten von Beispielelaboration, also gezieltes Nachschlagen im Lehrtext und negative Bewertungen, fassten wir nicht unter einem Item zusammen, sondern behandelten diese seperat, da sie uns als zu unterschiedlich erschienen, um in einer Kategorie zusammengefasst werden zu können.
Abbildung 2 veranschaulicht die Häufigkeiten, mit welchen das diesen Kategorien entsprechende Elaborationsverhalten in der Experimental- bzw. Kontrollgruppe gezeigt wurde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Einfluß der Lernbedingung auf das Elaborationsverhalten
Zwischen der Gruppe, die mit der kombinierten Methode aus Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen gearbeitet hat, und jener, die lediglich Lösungsbeispiele zur Verfügung gestellt bekam, bestehen kaum deutliche Differenzen:
Der T-Test zeigt, daß die Unterschiede im Elaborationsverhalten weder hinsichtlich der metakognitiven noch kognitiven Aspekte signifikant sind. Auch bezüglich des ursprünglich unter die Kategorie „Sonstige Aspekte“ fallenden Punktes der negativen Bewertungen sind keine deutlichen Abweichungen zwischen Experimentalgruppe und Kontrollgruppe auszumachen.
Lediglich zum Verhaltensaspekt „Nachschlagen im Lehrtext“ ließen sich signifikante Unterschiede nachweisen: Lernende der Experimentalgruppe schlugen demnach viel häufiger gezielt im Lehrtext nach als Lernende der Kontrollgruppe.
Betrachtet man neben den einzelnen Häufigkeiten noch die Elaborationsaktivität insgesamt, so lassen sich auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe feststellen.
6.3. Elaborationsverhalten und Lernerfolg
Tabelle 2 stellt die Ergebnisse der dritten Fragestellung, nämlich dem Zusammenhang zwischen Lernerfolg und dem Elaborationsverhalten der Lernenden dar. Man kann generell feststellen, dass keine signifikante Korrelation zwischen Lernerfolg und Elaborationsverhalten besteht.
Des weiteren wurde die Gesamtvariable Lernerfolg und die Differenzierungen dieser (naher, mittlerer und weiter Transfer) mit den vier Aspekten des Kategoriensystems des Elaborationsverhaltens korreliert.
Dabei wurden neben den Kategorien metakognitive und kognitive Beispielelaborationen die Variable Sonstige, getrennt in ihre Einzelmerkmale „Gezieltes Nachschlagen im Lehrtext“ und „Negative Bewertungen“, betrachtet. Der Grund für die getrennte Betrachtung der „Sonstige“ – Variable liegt in der Unterschiedlichkeit der zusammengefassten Elaborationsmerkmale. Die Bedeutung der einzelnen Verhaltensweisen werden durch getrennte Korrelationswerte besser ausgedrückt und erleichtern eine geeignetere Interpretation derselben.
Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Korrelationen zwischen den Variablen kognitive Beispielelaborationen und Lernerfolg bzw. dessen Unteraspekten. Ebenfalls konnten keine signifikanten Korrelationen zwischen Lernerfolg, den Unteraspekten und metakognitiven Beispielelaborationen festgestellt werden. Die Negativen Bewertungen korrelieren auch nicht signifikant mit Lernerfolg, nahem, mittlerem und weitem Transfer.
Zwischen den Variablen Lernerfolg und gezieltem Nachschlagen im Lehrtext erwies sich ein positiver Zusammenhang von 0.44 als signifikant. Außerdem konnte sowohl für gezieltes Nachschlagen im Lehrtext korreliert mit mittlerem Transfer (0.46), sowie mit weitem Transfer (0.40) ein signifikant positiver Zusammenhang aufgezeigt werden. Das Ergebnis der Korrelation gezieltes Nachschlagen im Lehrtext mit nahem Transfer verfehlte nur knapp die Signifikanzgrenze eines ebenfalls positiven Zusammenhangs.
7. Diskussion
Die Befunde zu unserer ersten Fragestellung, welchen Einfluß die Lernbedingung auf den Lernerfolg hat, zeigten einen deutlich höheren Lernerfolg auf seiten der Lernenden der Experimentalgruppe. Das bedeutet also, daß der Einsatz der kombinierten Lernmethode aus Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen einen höheren Lernerfolg zu induzieren scheint als wenn Lernenden nur Lösungsbeispiele zur Verfügung stehen. Dies gilt besonders auch dann, wenn einen möglichst gute Transferleistung erzielt werden soll.
Wie sich schon aufgrund der Theorie vermuten ließ, ist also anzunehmen, daß die kombinierte Methode das erfolgreiche Lernen v.a. anwendbaren Wissens und damit die Überwindung des Transferproblems unterstützt. Das würde darauf hinweisen, daß hierdurch die ressourcenraubende Ziel-Mittel-Analyse eher vermieden und der Erwerb von Schemata sowie die Automatisierung von Regeln gefördert werden.
Dies ist vor allem für den weiten Transfer wichtig. Der geringere Erfolg der Lernenden der Kontrollgruppe vor allem im Nachtesttteil zum weiten Transfer könnte ebenfalls anzeigen, daß hier der Schemataerwerb sowie die Regelautomatisierung weniger zum Tragen kamen.
Es läßt sich in diesem Zusammenhang auch vermuten, daß diese Unterschiede zwischen den mit verschiedenen Methoden arbeitenden Lernenden auch am Elaborationsverhalten abzulesen sind.
Zusammenfassend läßt sich also zunächst festhalten, daß die kombinierte Methode aus Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen eine erfolgversprechende Möglichkeit darstellt, dem Problem des trägen Wissens zu begegnen und den Transfer anwendbaren Wissens zu unterstützen.
Bezüglich unserer zweiten Fragestellung war festzustellen, daß Lernende, die mit Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen arbeiten, diese nicht anders elaborieren als Lernende, welche lediglich Lösungsbeispiele bearbeiten. Auch bezüglich der allgemeinen Aktivität des Elaborierens ähnelten sich die teilnehmenden der eiden Gruppen eher.
Die Annahme, daß sich der nachgewiesene bessere Lernerfolg, der auf die kombinierte Lernmethode zurückgeführt wurde, auch in entsprechenden Elaborationsverhaltensunterschieden widerspiegelt, trifft also nicht zu.
Diese Ergebnisse sind unerwartet, aber nicht ganz unbekannt. Auch in anderen ähnlichen Studien, welche mit verschiedenen Variationen von Lösungsbeispielen arbeiteten (vgl. z.B. Stark, 1999) waren die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht so groß wie angenommen.
Zur Erklärung dieser Befunde muss zum einen betont werden, daß das Elaborationsverhalten nicht nur von der Lernbedingung, sondern auch von Merkmalen der Lernenden wie bspw. dem Interesse, der Motivation etc. abhängen. Würde man diese Merkmale erheben oder experimentell konstant halten, könnten daraus eventuell differenzierter Schlüsse gezogen werden.
Zum anderen darf auch nicht vergessen werden, daß die beiden Lernbedingungen - kombinierte Methode aus Problemlöseaufgaben und Lösungsbeispielen und die reine Beispielbedingung - auch relativ viele Gemeinsamkeiten aufwiesen und es deshalb verwunderlich gewesen wäre, hätte sich wirklich ein scharfes Schwarz-Weiß-Muster abgezeichnet.
Trotz alledem bleibt aber festzuhalten, daß die Experimentalgruppe, auch wenn sie sich in ihren Elaborationsverhalten nicht von der Kontrollgruppe unterscheidet, doch den signifikant höheren Lernerfolg aufzuweisen hatte.
Diese Tatsache läßt uns vermuten, daß sich die Prozesse, welche zu (größeren) Lernerfolg führen, nicht, wie in der theoretischen Diskussion angenommen, in erwarteter Form am Elaborationsverhalten ablesen lassen. Wir werden gleich noch einmal genauer auf diesen Punkt zu sprechen kommen.
Das Ergebnis der Daten zur Korrelation zwischen gezieltem Nachschlagen im Lehrtext und mittlerem, weiten und Lernerfolg lässt den Schluss zu, dass je mehr gezieltes Nachschlagen im Lehrtext erfolgt, desto mehr Lernerfolg bzw. mittlere und weite Transferleistung zu erwarten ist.
Ansonsten lässt sich aufgrund der Daten aussagen, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Elaborationsverhalten festzustellen ist. Damit wären die theoretischen Überlegungen zur Relevanz und Rolle des Konstrukts Beispielelaboration für den Lernerfolg in Frage gestellt.
Das vorliegende Ergebnis kann allerdings im Zusammenhang mit den beiden vorangegangenen Fragestellung, als die logische Schlussfolgerung betrachtet werden. Da für die Fragestellung zwei kein signifikanter Unterschied im Elaborationsverhalten festgestellt wurde, jedoch Fragestellung eins einen signifikanten Unterschied für den Lernerfolg in beiden Lernbedingungen ersichtlicht macht, kann man folgern, dass der Lernerfolg nicht auf das Elaborationsverhalten zurückzuführen ist. Andere Faktoren wie z. B. Merkmale der Lernenden, was Vorwissen, Interesse, Motivation oder Intelligenz betrifft, können mögliche Gründe für den unterschiedlichen Lernerfolg der beiden Lernbedingungen darstellen.
Ein anderer Erklärungsansatz für den fehlenden Zusammenhang zwischen dem vorliegendem Konstrukt der Beispielelaboration und dem Lernerfolg kann die Tatsache sein, dass das Elaborationsverhalten nur ein Indikator für den Lern bzw. Schemainduktionsprozesse darstellt. Um etwas über die Qualität und die Effektivität der Schemata bzw. der Regelautomatisierung aussagen zu können, stellen die verwendeten Methoden zur Erfassung des Elaborationsverhaltens ein zu wenig differenziertes System dar. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Lernerfolg im Zusammenhang mit dem Elaborationsverhalten stehen könnte, wenn dieses unter Verwendung differenzierterer oder weitreichenderer Methoden erfasst werden würde.
8. Ausblick
Es konnte zwar bestätigt werden, dass sich die kombinierte Lernmethode positiv auf die Transferleistung auswirkt, welche Faktoren aber letztlich dafür verantwortlich sind, konnte nicht festgestellt werden. Der erwartete Zusammenhang des Elaborationsverhaltens mit den Lernerfolg konnte nicht bestätigt werden. Auch gab es zwischen den Gruppen mit den verschiedenen Lernbedingungen keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Beispielelaborationen, welche vor allem bei den kognitiven Aspekten des Kategoriensystems erwartet worden wären.
Es müsste überprüft werden, welchen Einfluss Vorwissen, Motivation, Emotionen oder sprachliche Kompetenz, evtl. auch biographische Daten (Alter, Schulabschluss, Geschlecht etc) auf den Lernerfolg haben könnten, um so die der Theorie widersprechenden Befunde erklären zu können.
Da aber das Elaborationsverhalten lediglich Indikator des wesentlich komplexeren Schemainduktionsprozesses ist, konnte dieser womöglich mit den hier verwendeten Elaborationsaspekten nicht genau genug abgebildet werden, so dass eventuelle andere Faktoren noch gar nicht erfasst wurden. Es bietet sich also an, die kognitiven Vorgänge selbst, die beim Lernen vor sich gehen, in speziellen, womöglich auch aufwendigeren Studien genauer zu erforschen, um weitere Faktoren zu ergründen. Mit den so erhaltenen Erkenntnissen könnten auch im Rahmen von Studien wie vorliegender genauere Ergebnisse erzielt werden.
Literaturverzeichnis
Renkl, A., Stark, R., Gruber, H. & Mandl, H. (1997). Learning from worked-out examples: The effects of example variability and elicited self-explanations (Research Report No. 76). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
Stark, R. (1999). Lernen mit Lösungsbeispielen. Einfluß unvollständiger Lösungsbeispiele auf Beispielelaboration, Lernerfolg und Motivation. Göttingen: Hogrefe.
Stark, R. (2000a). Instruktionale Effekte beim Lernen mit unvollständigen Lösungsbeispielen. (Forschungsbericht Nr.117). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
Stark, R. (2000b). Bedingungen und Effekte des Lernens mit ausgearbeiteten Lösungsbeispielen. (Forschungsbericht Nr. 119). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
Stark, R., Mandl, H., Gruber, H. & Renkl, A. (1998). Instruktionale Maßnahmen zur Überwindung von Transferproblemen im Bereich Ökonomie. (Forschungsbericht Nr. 96). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
Stark, R., Gruber, H., Renkl, A. & Mandl, H (1999). Instruktionale Effekte einer kombinierten Lernmethode: Zahlt sich die Kombination von Lösungsbeispielen und Problemlöseaufgaben aus? (Forschungsberichte Nr. 114). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
- Quote paper
- Jörn Killinger (Author), Katrin Brunner (Author), Christian Holzer (Author), Britta Reinl (Author), 2000, Instruktionale Effekte beim Lernen mit einer kombinierten Bedingung aus Lösungsbeispielen und Problemlösaufgaben, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/110566