Inhaltsverzeichnis
A Abstract
B 1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Die neue „Strategie der nationalen Sicherheit der USA“
2.2 Das Beispiel Irak-Krieg 2003
2.3 Mögliche Auswirkungen auf den globalen Frieden
3. Schluss
3.1 Bewertung der Strategie
3.2 Konsequenzen für die Entwicklung des Völkerrechts
C Bibliographie
Abstract
The following text analyses “The National Security Strategy of the United States of America” especially on its legitimacy under international law and its effects on the global peace and security structures. As a first example of application the war against Iraq of 2003 shows, that there are not only reasons of security, but also economic and strategic motivations to go to war. The argumentation helping the people to a better life by depriving Saddam Hussein of his power and promoting the rule of law and democratization seems to be only a justification against the reproach of aggression. This can also be realised by the lowering of the budget for development aid to 1.7 billion US-$ and the rise of the military budget. An other topic are the consequences for the international law by the new National Security Strategy of the Bush-Administration. Further on the question is asked how the other states and international organizations should react.
The result is, that there have to be taken measures against disregard of international law and the return to rule of force.
1 Einleitung
Am 11. September 2001 wurde die westliche Welt, besonders aber die aus eigener Sicht unverletzlichen Vereinigten Staaten von Amerika durch Terroranschläge in bis dahin nicht gekannter Dimension erschüttert. Mehrere tausend Personen wurden getötet und verletzt, Pentagon und World Trade Center als Symbole der USA zerstört bzw. stark beschädigt.
Als Reaktion überzeugte US-Präsident Bush sowohl den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, als auch die NATO mit nicht veröffentlichten Beweisen von der Schuld der El Qaida als Täter und des Taliban-Regimes im afghanischen Gaststaat. Verbündete und andere Staaten setzte Bush ultimativ unter Druck, sie könnten sich durch Unterstützung oder Nichtunterstützung des Anti-Terror-Krieges als Freund oder Feind der USA erklären. In der Folge begann ein durch den Sicherheitsrat legitimierter Krieg gegen El Qaida und Taliban, der durch einen Staatenverband geführt und weitere Staaten logistisch unterstützt wurde. Am 20.09.2002 verkündete Bush die „Strategie der nationalen Sicherheit der USA“, definierte in weiteren Reden die Staaten Iran, Irak und Nordkorea als „Achse des Bösen“ und kündigte damit weitere Kriegsziele an. Im Frühjahr 2003 wurde mit dem Krieg gegen den Irak erstmals diese äußerst umstrittene Strategie angewandt.
Diese Hausarbeit hat zum Ziel, die Vereinbarkeit der Weltordnungspolitik der Bush-Administration, u. a. niedergeschrieben in der „Strategie der nationalen Sicherheit der USA“, mit dem Völkerrecht zu beleuchten und am Beispiel des Krieges gegen den Irak deren globale friedenspolitische Konsequenzen aufzuzeigen.
2 Hauptteil
2.1 Die neue „Strategie der nationalen Sicherheit der USA“
Die von US-Präsident George W. Bush im September 2002 verkündete neue US-Sicherheitsstrategie hat die restliche Staatenwelt aufgeschreckt und wegen der angekündigten neuen Rollenverteilung in der Internationalen Politik zu Besorgnis geführt. Ihre Kernaussagen sind folgende:
- Präventive Kriege entsprechen den Grundideen des internationalen Rechts und sind ein legitimes Mittel der Selbstverteidigung. Die Bush-Doktrin spricht zwar von präemptivem Handeln, meint aber nach allgemeinem Verständnis präventive Maßnahmen.
- Die USA nehmen sich das Recht, im Zweifelsfall auch ohne ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, mit militärischen Mitteln gegen terroristische Organisationen und Staaten oder auch Staaten, die solchen Unterschlupf gewähren, vorzugehen.
- Anderen Staaten wird das Recht, in gleicher Weise zu agieren, nicht zugestanden.
- Der Rüstungsvorsprung der USA soll auf Dauer erhalten werden, was ggf. auch mit Gewalt durchgesetzt werden soll.
- Das Absetzen eines nicht genehmen Diktators wird auch zum Kriegsgrund erhoben.
(vgl. White House Releases 2002)
Die Bush-Administration begründet die Erfordernis präventiver Kriege mit der Entstaatlichung der Kriegführung durch terroristische Gruppierungen in Verbindung mit der organisierten Kriminalität und verbrecherischen Regimen und den damit einhergehenden Problemen bei der Abwehr solcher Angriffe mit den durch die UN-Charta vorgesehenen Verfahren. Diese zunehmende Aufweichung des staatlichen Kriegsmonopols zeige sich durch die gewachsenen Gefahren der „unsichtbaren“ terroristischen Gegner, die zudem noch bestrebt seien, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen. Sobald diese im Besitz solcher A-, B- oder C-Waffen und der erforderlichen Trägermittel seien, wäre eine Bekämpfung ohne größere Gefahr auch für die Zivilbevölkerung der westlichen Industriestaaten nicht mehr möglich. Daher sieht die neue Bush-Doktrin die Legitimation solcher Präventivschläge auch dann als gegeben, wenn Zeit, Ort und Art eines möglichen Angriffs nicht bekannt sind. Als Beispiel, und sicherlich Auslöser für die Konzeption dieser neuen Doktrin, sind die Anschläge vom 11. September 2001 zu erkennen. Jedoch wurden gerade hier keine hochtechnologischen Massenvernichtungswaffen eingesetzt, sondern die Schwächen und Gefahren ziviler westlicher Technologie gegen diese angewandt.
Die Bush-Doktrin zielt also darauf ab, die US-Streitkräfte auch gegen Staaten einsetzen zu können, die künftig eine Bedrohung werden können, wie die sgn. „Schurkenstaaten“ bzw. solche, die nach Bushs Auslegung zur „Achse des Bösen“ gehören. Damit wird das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta und dessen Auslegung selbst über die in den kritischsten Stunden des Kalten Krieges vorhandenen Denk- und Reaktionsmuster ausgeweitet und letztlich der Kontrolle des Sicherheitsrates entzogen.
Zur Bewertung der Doktrin hinsichtlich der internationalen Gültigkeit als völkerrechtliches Dokument muss auf die Grundlagen des Völkerrechts eingegangen werden: Auf souveräne Staaten Einfluss nehmendes Völkerrecht entsteht durch Verträge zwischen Gleichen (Völkervertragsrecht) oder durch wiederholende Praxis, sofern die Staaten den Willen erkennen lassen, diese als Recht gelten zu lassen (Völkergewohnheitsrecht) (vgl. Heintze 2002, 15). Der Alleingang des US-Präsidenten stellt wegen fehlender Verträge oder der Aufnahme in die UN-Charta kein Völkervertragsrecht dar. Ebenso zeigt die überwältigende Ablehnung eines Präventivkrieges im Vorfeld der Kampfhandlungen gegen den Irak sowohl innerhalb des Sicherheitsrates, als auch in der internationalen Politik, dass die niedrigeren Hürden eines solchen bewaffneten Angriffs sich zumindest vorläufig nicht zum Gewohnheitsrecht entwickeln können.
Hintergrund dieser Haltung ist sicherlich die damit entstehende gefährliche Aufweichung der Grenze zwischen der legitimen Selbstverteidigung nach Artikel 51 und dem Verbrechen der Aggression gemäß dem Römischen Statut (Artikel 5 (2)).
Aus Sicht der Charta der Vereinten Nationen ist ein Präventivkrieg nicht zulässig, da er gegen das allgemeine Gewaltverbot nach Artikel 2 (4) verstößt, die Zuständigkeit des Sicherheitsrates gemäß Kapitel VI und VII außer Acht lässt und die Voraussetzungen des Artikel 51 nicht gegeben sind. Das US-Verteidigungsministerium deutet in seiner Definition des Präventivkrieges eine andere Auslegung an:
A war initiated in the belief that military conflict, while not imminent, is inevitable, and that to delay would involve greater risk. (U.S. Department of Defense 2003, 419)
Hingegen wird ein präemptiver Schlag, als Angriff auf der Grundlage von unbestreitbaren Beweisen eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs eines anderen Staates, nach allgemeiner Auslegung des Artikel 51 als (noch) legitim eingestuft. Tatsächlich erfüllt ist der Wortlaut des maßgeblichen Artikel 51 aber erst bei einem erfolgten Angriff.
Neben der juristisch-völkerrechtlichen Prüfung ist in friedenswissenschaftlicher Sicht auch die ganzheitliche Abwägung nach ethischen Grundsätzen erforderlich. Hierzu kann folgendes Raster verwendet werden:
Ein militärischer Einsatz wird dann als ethisch legitim eingeschätzt, wenn
- ein gerechter Grund vorliegt, wie die Abwehr eines Angriffs oder eine schwere Bedrohung des Weltfriedens;
- er von der zuständigen Autorität geführt wird (Sicherung des Friedens);
- zuvor alle friedlichen Mittel ausgeschöpft sind (ultima ratio);
- die Akteure die Regeln des Humanitären Völkerrechts befolgen;
- die eingesetzten Mittel dem Ziel angemessen und verhältnismäßig sind;
- zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden wird;
- Aussicht auf Erfolg besteht, ein politisches Konzept für die Zeit danach vorliegt und die Betroffenen daran in ausreichendem Maß beteiligt werden.
(Institut für Religion und Frieden beim (österreichischen) Militärbischofsamt 2003, 218)
Die Einhaltung aller Bedingungen wäre für die einzelne Gewaltanwendung zu prüfen, jedoch beinhaltet die Bush-Doktrin bereits die Androhung, z. B. ohne Mandat der Vereinten Nationen einen Krieg zu beginnen. Genauso fordert sie das Recht ein, ggf. alleine, d. h. aus US-amerikanischer Sicht zu bewerten, ob der Weltfrieden durch den entsprechenden Staat bedroht wird. Gerade hier besteht die große Gefahr, dass die Beurteilung des Verhaltens eines Staates von ökonomischen oder strategischen Interessen beeinflusst wird und sich insgeheim Wirtschaftskriege von struktureller zu direkter (militärischer) Gewalt ausweiten.
2.2 Das Beispiel Irak-Krieg 2003
Mit dem Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 wurde die neue Sicherheitsstrategie der USA von der Drohung zur Wirklichkeit. Großbritannien und die USA stellten den Krieg als dringend erforderliche Maßnahme zur Verhinderung der Rüstung des Irak mit Massenvernichtungswaffen und der Bedrohung durch Saddam Hussein dar. Aktuell gelangen vermehrt Informationen an die Öffentlichkeit, die vermuten lassen, dass von Regierungsseite Geheimdienstinformationen gezielte manipuliert wurden, um gegenüber dem Sicherheitsrat und der Öffentlichkeit ein Einschreiten als dringend erforderlich und rechtens erscheinen zu lassen. Die Ermittlungen hierzu sind noch im Gange.
Nach den Kriterien der UN-Charta war der Krieg nicht legitim, da weder der Sicherheitsrat die Gefährdung des Weltfriedens nach Kapitel VII festgestellt hatte, noch ein bereits erfolgter oder unmittelbar bevorstehender bewaffneter Angriff nach Artikel 51 das Recht auf Notwehr begründete. Dies trifft in zweierlei Hinsicht zu: Einerseits war der Irak zu einer unmittelbare Bedrohung nicht fähig, weil er durch Inspekteure beaufsichtigten war und weiterhin befasste sich der Sicherheitsrat mit der Situation und ergriff Maßnahmen (Inspektionen). Die Argumentation, die Resolution 1441 ließe Militäreinsätze zu, ist ebenso falsch. Sie droht lediglich „schwerwiegende Konsequenzen“ an, was keine Legitimation eines Militäreinsatzes bedeutet, sondern im Gegenteil eine übliche Kompromissformel bei Dissens zu Gewaltaktionen im Sicherheitsrat darstellt (vgl. Bruha 2003, 25).
Neben den völkerrechtlichen gilt es hier aber auch die friedenswissenschaftlich höherwertigen ethischen Kriterien des Instituts für Religion und Frieden beim Militärbischofsamt (siehe Abschnitt 2.1, Seite 8) anzulegen:
A) Liegt ein gerechter Grund vor, wie die Abwehr eines Angriffs oder eine schwere Bedrohung des Weltfriedens?
Die hier hinterfragten Kriterien nach der UN-Charta waren, wie in Abschnitt 2.1 bereits dargestellt, nicht erfüllt.
Gerechtigkeit im Sinne der Eindämmung direkter und struktureller Gewalt durch das Regime Saddam Husseins kann dabei nicht legitimierend wirken, da dies einerseits bezüglich des Selbstbestimmungsrechts des irakischen Volkes eine Entmachtung von innen (bzw. unten) erfordert hätte und andererseits das Völkerrecht keinen Eingriff in innere Angelegenheiten eines Staates vorsieht (Artikel 2 (7)). Die zur Verhinderung eines Völkermordes im Jugoslawienkrieg stattgefundenen Angriffshandlungen der NATO widersprachen in gleicher Weise der UN-Charta und wurden nur wegen der großen Zahl möglicher Opfer von der internationalen Staatengemeinschaft als humanitäre Intervention geduldet. Die Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte gemäß der UN-Charta impliziert keine Berechtigung zu deren Durchsetzung mit militärischen Mitteln (vgl. Wolfrum 2003, 6).
Die daneben von Präsident Bush angeführte weitere Kriegsbegründung, der Verwicklung von Saddam Hussein in die Anschläge des 11.09.2001 wird allgemein als „substanzlos“ zurückgewiesen (vgl. Ehrke 2003, 10).
Ethisch betrachtet hätte sich also das irakische Volk seines Diktators und der durch ihn verursachten strukturellen Gewalt entledigen müssen. Meines Erachtens wiegt die Entmachtung eines Tyrannen einen Krieg von außen mit den durch ihn verursachten Leiden in der Bevölkerung nicht auf. Hingegen hielte ich eine Unterstützung oppositioneller Gruppierungen für einen gewaltfreien oder zumindest gewaltarmen Umsturz für ethisch vertretbar.
B) Wird der militärische Einsatz von der zuständigen Autorität geführt wird (Sicherung des Friedens)?
Nein, es lag weder ein Mandat des Sicherheitsrates vor, noch haben die UN Einfluss auf die Angriffshandlungen nehmen können. Im Gegenteil - durch den Kriegsbeginn mussten die durch die UN eingesetzten Inspekteure den Irak verlassen und wurden so an der Unterstützung einer friedlichen Entwaffnung des Irak gehindert.
C) Wurden zuvor alle friedlichen Mittel ausgeschöpft (ultima ratio)?
Nein. Bis zur Ankündigung des Kriegsbeginns durch die USA waren Inspektoren von UNMOVIC und IAEA im Irak, denen ungehinderten Zugang zu allen Einrichtungen und Orten gewährt wurde. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass der Irak nicht unter Kontrolle der UN stand und ungehindert Massenvernichtungswaffen produziert hätte. Die vorgefundenen El-Samud-2-Raketen, deren Reichweite geringfügig die zulässige Grenze überschritten haben, wurden unter Aufsicht der UN vernichtet.
Daneben haben das seit Jahren wirksame Embargo, Aufklärungsflüge und die eingerichtete Flugverbotszone dem Irak keine Entwicklungsmöglichkeit, rüstungstechnisch aber auch humanitär, gegeben.
Sicherlich bleibt anzuerkennen, dass die Androhung von „schwerwiegenden Konsequenzen“ der Resolution 1441 nicht für ein Entgegenkommen der irakischen Führung ausgereicht hätte. Die glaubhafte Androhung von Militärschlägen und der Truppenaufmarsch in der Region durch die USA und Großbritannien haben jedoch zur Fortsetzung der oben aufgezeigten Inspektionen geführt. Der tatsächliche Militäreinsatz hatte letztlich nicht mehr Klarheit hinsichtlich der Rüstungsaktivitäten des Irak erbringen können, sondern zielte lediglich auf die Entmachtung von Saddam Hussein und die Verwirklichung strategischer und wirtschaftlicher Interessen der Angreifer ab (vgl. Ehrke 2003, 12-22).
D) Befolgen die Akteure die Regeln des Humanitären Völkerrechts?
Ein freie Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet war nicht gegeben, weshalb Aussagen zu Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht nur bedingt möglich sind. Neben der Tötung von unbewaffneten Zivilisten, die sich bei Straßenkontrollen nach Empfinden der Soldaten ungewöhnlich verhalten hatten und sgn. Kolateralschäden bei Bombardements mit zahlreichen Toten und materiellen Schäden wurde auch über unzulässige Haft- und Vernehmungspraktiken von Kriegsgefangenen auf beiden Seiten berichtet (vgl. tagesschau.de 2003). Diese waren jedoch nicht von der politischen oder militärischen Führung angeordnet worden, da die bekannt gewordenen Handlungen auf US- und GB-Seite strafrechtlich verfolgt wurden. Über den Einsatz illegitimer Waffen finden sich keine Berichte.
E) Sind die eingesetzten Mittel dem Ziel angemessen und verhältnismäßig?
Die Beantwortung dieser Frage erübrigt sich, da bereits die Ziele des Krieges unrechtmäßig sind (siehe Frage A).
F) Wird zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden?
Im Rahmen der verfügbaren Waffentechnologie und deren Präzision wurden vorwiegend militärische Ziele angegriffen, jedoch waren auch Opfer und Schäden im zivilen Umfeld zu beklagen. Zielgerichtet wurden zivile Einrichtungen angegriffen, soweit sie die irakische Verteidigung unmittelbar oder mittelbar unterstützten (z. B. Radiosendeanlagen, da sie mit entsprechenden Programmen im Rahmen der sgn. psychologischen Kampfführung zum Erhalt der Motivation und des Durchhaltewillens bei Militär und Zivilpersonen beitragen).
G) Besteht Aussicht auf Erfolg, liegt ein politisches Konzept für die Zeit danach vor und werden die Betroffenen daran in ausreichendem Maß beteiligt?
Die Schlagkraft der US-amerikanischen Streitkräfte ist im Vergleich zu den irakischen Truppen überwältigend, der Ausgang der Kampfhandlungen war also sicher. Trotzdem verbietet es sich, im Anbetracht der o. a. Rahmenfaktoren, von einem Erfolg zu sprechen. Die zweite Teilfrage kann in jeder Hinsicht nur mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden. Geplant war lediglich die schnellstmögliche Instandsetzung der Erdölförderanlagen, zu der auch im Vorfeld des Krieges bereits Verträge mit verschiedenen westlichen Unternehmen ausgehandelt wurden. Dabei wurden auch Abkommen über Vermarktungsrechte mit diesen Unternehmen vereinbart (vgl. Schneider 2003, 176 sowie Ehrke, 2003, 15-16). Diese Vorgehensweise zeigt deutlich die Nichtberücksichtigung der Interessen der irakischen Bevölkerung, genauso wie dies bei der ablehnenden Haltung bezüglich einer Übergangsregierung mit angemessenen Rechten zu beklagen ist (vgl. Netzeitung 2003).
2.3 Mögliche Auswirkungen auf den globalen Frieden
Vereinzelt wurde durch Friedenswissenschaftler geäußert, dass die Bush-Doktrin speziell auf die Vorbereitung des Irak-Krieges entworfen worden sei und die USA nach der Durchsetzung ihrer Interessen evtl. wieder auf den Weg des Rechts zurückkehren würden. Grundsätzlich bleibt dies abzuwarten. Jedoch deutet der sich anbahnende Konflikt mit einem weiteren Staat auf der „Achse des Bösen“, dem Iran, an, dass Präsident Bush sie auch weiterhin anwenden will. Wenn damit dauerhaft die Stellung der Charta der Vereinten Nationen und deren Organe untergraben werden hat dies zur Folge, dass allgemein die Mechanismen zur Abwendung oder Beendigung gewaltsamer Auseinandersetzungen keine Beachtung mehr finden. Artikel 51 der UN-Charta würde durch jüngeres Völkergewohnheitsrecht - praktiziert von den USA, hingenommen von vielen Staaten - außer Kraft gesetzt werden. Um dies zu verhindern bedarf es des internationalen Protests gegen das Vorgehen. Dies ließe sich noch durch einen Resolutionsantrag nach Artikel 39 gegen die USA wegen einer Angriffshandlung steigern - wegen des Vetorechts der USA und gegenläufiger Interessen der Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat letztlich ein symbolischer Akt. Prof. Thomas Bruha meint zu den Auswirkungen des Irak-Krieges ohne Mandat:
Der Schaden, der hierdurch angerichtet wurde, ist immens. Seine längerfristigen Folgen sind kaum abzusehen. Allzu groß ist die Gefahr, dass Resignation um sich greift und man sich wieder daran gewöhnt mit der Macht als alleinigem Bestimmungs- und Gestaltungsfaktor in den internationalen Beziehungen zu leben. (Bruha 2003, 23)
Ebenso wird als Reaktion auf die gesteigerte direkte Gewalt, die letztlich die strukturelle Gewalt der Industriestaaten und deren Wohlstand absichern soll, mit einem Anstieg terroristischer Akte zu rechnen sein. Mit militärischer Gewalt unterdrückte Staaten werden umso vehementer nach Möglichkeiten zur Gegenwehr suchen, je stärker Verteilungskonflikte deren Entwicklungsmöglichkeiten begrenzen. Dabei zeigt das Beispiel Nordkoreas, dass der Besitz von Massenvernichtungswaffen besonders erstrebenswert ist, denn gegen solche Staaten wäre ein Krieg zu gefährlich - mit ihnen muss wieder verhandelt werden.
Als weiterer Gesichtspunkt ist das drohende Ausscheren einzelner bisher von der US-amerikanischen Hegemonie beeinflussten Staaten zu erkennen. Derzeit versichern diese Staaten, die sich in den Wochen vor dem Irak-Krieg gegen diesen gestellt haben, noch die „Gefolgschaft“. Allerdings wurde auch deutlich, dass verschiedene europäische Demokratien künftig ihre Interessen und Ansichten nachdrücklicher vertreten werden und ggf. ihren transatlantischen Partner auf völkerrechtlichen Abwegen nicht begleiten (vgl. Münkler 2003, 4. Absatz sowie Wagner 2003, 10)
3 Schluss
3.1 Bewertung der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA
Die neue Sicherheitsdoktrin der USA ist mit dem bestehenden Völkerrecht nicht vereinbar. Ebenso ist davon auszugehen, dass die noch zu erarbeitende Definition für das Verbrechen der Aggression nach Artikel 5 (2) des Römischen Statuts einen Präventivschlag nach den Legitimationskriterien der Bush-Doktrin nicht zulassen würde. Damit wird auch die ablehnende Haltung der Bush-Administration gegenüber dem Römischen Statut und dem Internationalen Strafgerichtshof verständlich.
In völkerrechtlichem Sinne neu ist das in der Bush-Doktrin angekündigte Vorgehen einer präventive Kriegsführung jedoch nicht. Es hat immer wieder mit der UN-Charta nicht vereinbare kriegerische Aggressionshandlungen gegeben. Allerdings haben die jeweiligen Staaten im Sinne des deutschen Notwehrrechtes anschließend zumindest versucht, die Handlungen als legitim darzustellen. Die US-Sicherheitsstrategie hingegen fordert keine Beweisführung im Nachgang, sucht nicht nach Begründungen und „Ausreden“, sondern spricht der USA das alleinige Recht auf Präventivkriege zu.
Dass sich die USA mit der Bush-Doktrin damit praktisch über das einschlägige Völkerrecht hinwegsetzen, ja „hinwegheben“, verrät auch die Sprache: In seinem berühmten „48-Stunden-Ultimatum“ an den Irak hat Präsident Bush davon gesprochen, dass es das „souveräne Recht“ der USA sei, zum Schutze ihrer nationalen Sicherheit anzuwenden. Für den Juristen ist diese Terminologie verräterisch. Ein „souveränes Recht“ ist ein Widerspruch in sich. Unter der Herrschaft des Rechts gibt es keine „souveränen Rechte“, nur Rechte, die begrenzt sind. Die Zeiten des Absolutismus, wo der Grundsatz des princepes legibus absolutus galt, der über dem Recht stand, sind überwunden. Recht, das nicht mehr begrenzt ist, bedeutet Allmacht, also eine Negierung des Rechts. Die Inanspruchnahme eines „souveränen Rechts zum Schutz der nationalen Sicherheit“ bedeutet eine Negierung völkerrechtlicher Bindungen ... (Bruha 2003, 24)
3.2 Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Völkerrechts
Für die Anpassung des Völkerrechts an die aufgezeigten neuen Gefahren ist die UN-Charta einer Revision zu unterziehen. Hierzu sollten auf Entschluss der Generalversammlung die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Völkerrechtsexperten in einen Komitee entsenden. Durch dieses wären mindestens in folgenden Aufgabenfeldern Vorarbeiten zu leisten:
- Zunächst müssen dringend bindende Definitionen des Angriffskrieges und der Unmittelbarkeit einer Bedrohung vereinbart und festgeschrieben werden. Diese werden auch dringend zur Ergänzung des Römisches Statuts benötigt. Dabei ist auch festzulegen, wie die Gefährlichkeit eines aufrüstenden Staates zu bestimmen ist. Nur so kann die willkürliche Festlegung von „Schurkenstaaten“ und die Verkündung einer angeblichen Bedrohung in völkerrechtliche Bahnen gelenkt werden.
- Das Friedenssicherungsrecht der UN-Charta, das sich bisher nur mit kriegerischen Auseinandersetzungen souveräner Staaten befasst, muss um die Dimension terroristischer Akte ergänzt werden. Dabei müssen die bestehenden Verfahren und zuständigen Organe grundsätzlich erhalten bleiben. Erste Schritte in diese Richtung hat der Sicherheitsrat mit seinen Resolutionen vom 11. und 28.09.2001 bereits unternommen, indem er ein Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung auf terroristische Angriffe mit militärischen Mitteln zugestanden hat und zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberischen Maßnahmen aufgerufen hat (vgl. Steinkamm 2003).
- Die europäischen Staaten müssen versuchen, die angestrebte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zu verwirklichen, um neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung auch (sicherheits-)politisch Gehör zu finden und auf ihren atlantischen Partner vermehrt Einfluss nehmen zu können. Der für Deutschland oder die EU angestrebte ständige Sitz im Sicherheitsrat mit Vetorecht scheint durch die z. T. konträre Haltung im Vorfeld des Irakkrieges indes auf längere Zeit nicht realisierbar.
Auch die größte weltweite Protestbewegung gegen den Irakkrieg - in den EU-Staaten waren durchgängig über 80 Prozent der Bevölkerung gegen den Krieg - hat die anglo-amerikanischen Regierungen nicht zum Einlenken bewegen können. Die strategischen und wirtschaftlichen Ziele waren wohl zu reizvoll. Dies zeigt aber auch, dass die demokratischen Systeme der westlichen Staaten das Prinzip der repräsentativen Demokratie übergewichten. Die Schaffung plebiszitärer Mechanismen in Kriegsfragen und deren Integration in die nationalen Verfassungen erscheint zwar äußerst unwahrscheinlich, jedoch darf eine derartige Haltung, die die Meinungslage in der Bevölkerung völlig ignoriert, nicht widerstandslos hingenommen werden.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass durch die US-Sicher-heitsstrategie das System der Internationalen Beziehungen, repräsentiert durch die Vereinten Nationen und deren Charta, bereits beschädigt wurde. Dazu trägt auch die unverständlich ablehnende Haltung der Bush-Administration zu anderen sicherheitsbezogenen Abkommen wie beispielsweise dem Römischen Statut, dem Übereinkommen über das Verbot von Personenminen, dem Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase und den Protokollen über die Umsetzung der Chemie- und Biowaffenkonvention bei. All diese Dokumente beinhalten ureigenste US-amerikanische Werte, die einst zurecht und mit Erfolg im Nachkriegsdeutschland implantiert wurden. Die USA liefern sich mit ihrem Vorgehen nicht vorhersehbaren Effekten im internationalen System aus, die neben der großen Gefahr der allgemeinen Rückkehr zur „Macht als alleinigen Bestimmungs- und Gestaltungsfaktor in den internationalen Beziehungen“ (Bruha 2003, 23), sehr wohl auch auf den eigenen Staat zurückschlagen können. Dies ist umso wahrscheinlicher, als die militärische Durchsetzung des Willens weit teurer kommt, als eine „weiche“ Einflussnahme im Rahmen der Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe, die zudem strukturelle Gewalt reduziert. In der wirtschaftlich angeschlagenen USA mit sinkenden Einkommen in der Mittel- und Unterschicht wird die Bereitschaft zur Finanzierung des Machtapparates, auch mit der üblichen Meinungsmache über die Medien, nicht auf Dauer zu halten sein.
Zwei deutsche Politiker, die die erforderlichen Maßnahmen erfolgversprechend auf den Punkt bringen, seien hier abschließend zitiert. Einen Ausweg aus dem Dilemma zeigte der CDU-Politiker Heiner Geißler auf:
„... eine gerechte Wirtschaftsordnung ist das wirksamste Mittel gegen den weltweiten Terrorismus.“ (epd-Bayern 2003, 22)
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, differenziert dies noch weiter in vier Maßnahmenbereiche:
- Vorrang für kooperative Lösungen
- Lösung der Sicherheitsprobleme in und zwischen den Regionen
- Stärkung der rechtsstaatlichen und demokratischen Fähigkeiten von Gesellschaften und Staaten bei einer dauerhaften Eindämmung von Krisen, Gewalt und Terror
- Bekämpfung von Armut und wirtschaftlicher Stagnation
(Wieczorek-Zeul 2002, 18)
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- Quote paper
- Heiko Herkel (Author), 2003, Völkerrechtliche Aspekte der Weltordnungspolitik der Bush-Administration unter dem Aspekt ihrer Friedenstauglichkeit am Beispiel des Irak-Krieges 2003, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/108986