Mit dem Thema Machiavelli verhält es sich so wie mit der Politik, jedermann scheint über ihn und seine Ideen Bescheid zu wissen. Es eilt ihm ein Ruf als Protagonist kaltschnäuziger Machtpolitik voraus, hartnäckig hält sich auch das Vorurteil, Machiavelli habe die Moral sowohl aus dem politischen Denken, als auch aus der Realpolitik verbannt. Dies sei nicht zuletzt auf seine Implementierung der Prämisse der staatlichen Selbsterhaltung zurückzuführen, die sich wie ein roter Faden durch seine Werke zieht. Dass Machiavelli zu unrecht auf einen skrupellosen Analytiker der Macht reduziert wurde und oftmals heute noch wird, hängt vor allem damit zusammen, dass er in seinem Principe dem Fürsten Handlungsanweisungen gibt, beziehungsweise politische Klugheitsregeln aufstellt, die als Handeln nach Staatsräson zu klassifizieren sind.
Ich tendiere dazu, den Florentiner als einen Vordenker der Staatsräson avant la lettre auszulegen, ja ihn sogar als deren Vordenker im frühneuzeitlichen politischen Denken anzuerkennen.
Das primäre Ziel dieser Abhandlung besteht deshalb darin, die These, Machiavelli sei als Begründer der Idee der Staatsräson in der modernen abendländischen politischen Theorie anzusehen, argumentativ zu untermauern.
Auf dem Weg zu einer schlüssigen Argumentationsfolge bedarf es zuvor jedoch einer Klärung der Unterscheidung von Idee und Begriff der Staatsräson, als auch eines kurzen, wenngleich auch abrissartigen, Querschnittes der Geschichte, sowohl der Idee (insbesondere der Antike), als auch des Begriffs der Staatsräson.
In weiterer Folge möchte ich die Kernthesen meiner Diplomarbeit in kurzen Worten überblicksartig vorstellen, um dadurch einen direkten Einstieg in eine meines Erachtens hochkomplexe Materie, der politischen Theorie zu ermöglichen.
Den Abschluss dieser Einleitung soll eine Darstellung des methodischen Ansatzes dieser Arbeit, im Sinne der von mir angewandten Methodologie der Cambridge School bilden.
Beginnen möchte ich, wie angekündigt, mit einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Idee und Begriff der Staatsräson.
Was ist eine Idee?
Eine Idee (von gr. eidos) ist eine abbildartige Darstellung eines Phänomens. Sie stellt einen Grundbegriff der platonischen Philosophie dar, wonach es um das „Aussehen“, den „Anblick“ oder die „Form“ einer Instanz geht. Eine Auslegung im klassisch-philosophischen Sinn, die mir im Zusammenhang mit der Staatsräson am Besten erscheint, [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff der Staatsräson
- Wesen und Zweck der Staatsräson
- Das Wesen der Staatsräson
- Der Zweck der Staatsräson oder weshalb Staatsräson?
- Staatsräson als Ideologie
- Der historische Hintergrund
- Die ökonomische und politische Krise von Florenz
- Die historische Bedingtheit der Staatsräson
- Der unscharfe Staatsbegriff bei Machiavelli
- Machiavellis „Ethik der Selbsterhaltung des Staates“
- Die Ethik der Selbsterhaltung des Staates
- Exkurs: Die These von der Schlechtigkeit des Menschen
- Mantenere lo stato
- Fine als Staatszweck beziehungsweise Staatsräson bei Machiavelli
- Staat und Staatsräson als necessità ordinata dalle leggi im Sinne Kluxens
- Der Begriff der virtù im Rahmen der politischen Handlungslehre Machiavellis
- Begriff und Bedeutung
- Das Kräftespiel zwischen virtù und fortuna
- Virtù als charismatische Herrschaftsform nach Max Weber
- Die Anthropologie der virtù
- Virtù als Instrument für die Selbsterhaltung des Staates
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht Niccolò Machiavelli und seine Rolle als möglicher Begründer der Idee der Staatsräson in der modernen politischen Theorie. Das Hauptziel ist der argumentative Nachweis, dass der Primat der Selbsterhaltung des Staates in Machiavellis Werk zentral ist. Die Arbeit beleuchtet den Begriff und die Idee der Staatsräson, untersucht den historischen Kontext und analysiert Machiavellis Konzept des Staates und der „virtù“ in diesem Zusammenhang.
- Der Begriff und die Idee der Staatsräson
- Der historische Kontext Machiavellis und seine Bedeutung für die Staatsräson
- Machiavellis Staatsbegriff und seine Unschärfen
- Die Rolle der „virtù“ in Machiavellis politischer Philosophie
- Machiavellis „Ethik der Selbsterhaltung des Staates“
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die These auf, Machiavelli sei ein Vordenker der Staatsräson. Sie erläutert die Unterscheidung zwischen Idee und Begriff der Staatsräson und gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte der Idee und des Begriffs. Die Arbeit kündigt eine methodologische Herangehensweise an, die an die Cambridge School angelehnt ist, und skizziert die zentralen Argumentationslinien.
Der Begriff der Staatsräson: Dieses Kapitel definiert den Begriff der Staatsräson und legt die Grundlagen für die weitere Analyse. Es wird die Bedeutung des Begriffs im Kontext der politischen Theorie erörtert und eingeordnet.
Wesen und Zweck der Staatsräson: Hier wird das Wesen und der Zweck der Staatsräson detailliert untersucht. Die verschiedenen Facetten des Konzepts werden beleuchtet und die Frage nach der Rechtfertigung von Staatsräson diskutiert. Die Kapitel untersuchen das Wesen der Staatsräson, ihren Zweck und betrachten sie im Kontext von Ideologie.
Der historische Hintergrund: Dieser Abschnitt beleuchtet die ökonomische und politische Krise von Florenz und die damit verbundene Entwicklung der Staatsräson. Der historische Kontext wird als maßgeblich für das Verständnis von Machiavellis Werk herausgestellt.
Der unscharfe Staatsbegriff bei Machiavelli: Dieses Kapitel widmet sich der Diskussion um den scheinbar unklaren Staatsbegriff bei Machiavelli und den daraus resultierenden unterschiedlichen Interpretationen. Es analysiert die verschiedenen Auffassungen des Begriffs „stato“ in den letzten Jahrzehnten.
Machiavellis „Ethik der Selbsterhaltung des Staates“: Dieser zentrale Abschnitt untersucht die Ethik der Selbsterhaltung des Staates bei Machiavelli. Die Argumentation basiert auf verschiedenen Interpretationen (Münkler, Diesner, Kluxen) und analysiert die Konzepte „mantenere lo stato“ und „fine“ im Zusammenhang mit der Staatsräson. Das Kapitel beleuchtet die These von der Schlechtigkeit des Menschen in Bezug auf die Selbsterhaltung des Staates.
Der Begriff der virtù im Rahmen der politischen Handlungslehre Machiavellis: Das Kapitel analysiert den Begriff der „virtù“ und dessen Bedeutung für Machiavellis politische Handlungslehre. Es untersucht das Wechselspiel zwischen „virtù“ und „fortuna“ und betrachtet „virtù“ auch unter dem Aspekt der charismatischen Herrschaft (Max Weber). Die Rolle der „virtù“ als Instrument für die Selbsterhaltung des Staates wird ausführlich diskutiert.
Schlüsselwörter
Staatsräson, Machiavelli, Principe, Selbsterhaltung des Staates, virtù, fortuna, politische Philosophie, historisches Kontext, Italienische Renaissance, politische Klugheit, necessità ordinata dalle leggi, fine, mantenere lo stato.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse von Machiavellis Staatsräson
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Diplomarbeit untersucht Niccolò Machiavelli und seine Rolle als möglicher Begründer der Idee der Staatsräson in der modernen politischen Theorie. Das Hauptziel ist der argumentative Nachweis, dass der Primat der Selbsterhaltung des Staates in Machiavellis Werk zentral ist. Die Arbeit beleuchtet den Begriff und die Idee der Staatsräson, untersucht den historischen Kontext und analysiert Machiavellis Konzept des Staates und der „virtù“ in diesem Zusammenhang.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den Begriff und die Idee der Staatsräson, den historischen Kontext Machiavellis (inkl. der ökonomischen und politischen Krise von Florenz), Machiavellis (unpräzisen) Staatsbegriff, die Rolle der „virtù“ in Machiavellis politischer Philosophie und schließlich Machiavellis „Ethik der Selbsterhaltung des Staates“. Es werden verschiedene Interpretationen von Machiavellis Werk berücksichtigt (z.B. Münkler, Diesner, Kluxen).
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in Kapitel gegliedert, beginnend mit einer Einleitung und endend mit einem Schlusswort. Dazwischen werden der Begriff der Staatsräson, dessen Wesen und Zweck, der historische Hintergrund, Machiavellis Staatsbegriff, seine „Ethik der Selbsterhaltung des Staates“ und der Begriff der „virtù“ ausführlich behandelt. Jedes Kapitel enthält eine Zusammenfassung.
Welche Schlüsselbegriffe werden verwendet?
Schlüsselbegriffe sind Staatsräson, Machiavelli, Principe, Selbsterhaltung des Staates, virtù, fortuna, politische Philosophie, historischer Kontext, Italienische Renaissance, politische Klugheit, necessità ordinata dalle leggi, fine, mantenere lo stato.
Welche methodologische Herangehensweise wird verwendet?
Die Arbeit verwendet eine methodologische Herangehensweise, die an die Cambridge School angelehnt ist. Die genaue Methode wird in der Einleitung erläutert.
Welche These wird vertreten?
Die zentrale These der Arbeit ist, dass Machiavelli ein Vordenker der Staatsräson ist und dass der Primat der Selbsterhaltung des Staates in seinem Werk zentral ist.
Wie wird der Begriff der „virtù“ behandelt?
Der Begriff der „virtù“ wird im Kontext von Machiavellis politischer Handlungslehre analysiert. Es wird das Wechselspiel zwischen „virtù“ und „fortuna“ untersucht, und „virtù“ wird auch unter dem Aspekt der charismatischen Herrschaft (Max Weber) betrachtet. Die Rolle der „virtù“ als Instrument für die Selbsterhaltung des Staates wird ausführlich diskutiert.
Wie wird der historische Kontext berücksichtigt?
Der historische Kontext, insbesondere die ökonomische und politische Krise von Florenz, wird als maßgeblich für das Verständnis von Machiavellis Werk betrachtet und ausführlich untersucht.
Wie wird Machiavellis Staatsbegriff behandelt?
Die Arbeit widmet sich der Diskussion um den scheinbar unklaren Staatsbegriff bei Machiavelli und analysiert die verschiedenen Auffassungen des Begriffs „stato“ in den letzten Jahrzehnten.
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- Nicolas Stockhammer (Author), 2002, Die Grundlegung der Idee der Staatsräson im politischen Denken Machiavellis, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/10897