Der Kapp-Putsch/Lüttwitz-Kapp-Putsch
- Ausgangslage – Situation:
- Krieg seit über 1 Jahr zu Ende (Niederlage Deutschlands)
- Kaiser Wilhelm II abgedankt
- Deutschland: Republik
- Machtkampf zwischen linksrevolutionären Gruppen und gemäßigten Kräften zugunsten der Anhänger einer parlamentarischen Demokratie ausgegangen
- 1919: Versailler Vertrag → Artikel 160: Reduzierung des dt. Heeres auf 100000 Berufssoldaten/Verkleinerung der Marina auf 15000 Mann + Auflösung der aus Freiwilligen bestehenden Freikorps
- (Freiwilligenverbände aus ehemaligen Frontsoldaten aufgestellt, z.B. an Niederschlagung des Januaraufstandes beteiligt, ca. 400000 Mitglieder, 120 nachweisbare Freikorps)
- Unzufriedenheit in der Armee über V.V. und über Undankbarkeit der Republik, nachdem die Freikorps die Aufstände der linksrevolutionären niedergeschlagen hatten
➔ V.V.: starke Belastung für die junge Republik
- Deutsche Vaterlandspartei im September 1917 gegründet
- von Gegnern eines Verständigungsfriedens
- unter Führung von Flottenadmiral Alfred von Tirpitz und Wolfgang Kapp; Sammelbecken national und monarchistisch Gesinnter – v.a. preußischer Adel, Rittergutsbesitzer, Generäle -, wollten „Siegfrieden“ mit Annexionen sowie Monarchie sichern
- 1918 aufgelöst, aus ihr Gründung der:
- „Nationalen Vereinigung“ mit Erich Ludendorff ➔ planen antidemokratische Gegenrevolution/Abschaffung der Republik;
- Kapp bereitete Putsch seit Oktober 1919 vor (Unterstützung durch: Konservatives Bürgertum + monarchistisch gesinnte Reichswehr wegen Unzufriedenheit mit Republik, Existenzangst der Soldaten/Offiziere durch Truppenreduzierung, Freikorps die komplett aufgelöst werden sollten, Großgrundbesitzer)
→ wurde Integrationsfigur der republikfeindlichen Rechten, genoss beim Militär den Ruf, politischer Kopf einer in der Luft liegenden Verschwörung zu sein
- Anlass
- Auflösungsbefehl (29. Februar) gegen die in Dübritz/Döberitz bei Berlin stationierte berühmte 6000 Mann starke Marinebrigade Ehrhardt von Hermann Erhardt (berühmt durch: Niederschlagung bolschewistischer Unruhen in Deutschland/Baltikum) sowie gegen das Freikorps Loewenfeld, Marinebrigade machte sich in Dübritz/Döberitz bereits zum Marsch auf Berlin bereit
➔ Baltikum-Freikorps fühlten sich verraten, General von Lüttwitz (ranghöchster General der Reichswehr) wollte Auflösung nicht zulassen: „Ich werde nicht dulden, dass eine solche Kerntruppe zerschlagen wird!“ (Ansprache am 1. März 1920 zum einjährigen Bestehen der Marinebrigade Erhardt)
➔ General von Lüttwitz verweigerte Befehl zur Auflösung der ihm unterstellten Marinebrigade Ehrhardt ➔ Signal für Staatsstreich
- Ziel:
- Wiederherstellen der alten Ordnung
- Ablauf:
- 11. März: - Entlassung von Lüttwitz → entschließt sich zum Militärputsch → Kapp aber auch andere Führer der DNVP warnten General davor, seien mit politischen Vorbereitungen noch nicht weit genug → tat dies als bürgerliche Angst vor der „großen Tat“ ab
- 12. März:
- Lüttwitz legt zusammen mit Herman Erhardt Beginn des Kapp-Putsches auf den 13. März fest
- 22.00 Uhr: Abmarsch der Brigade Ehrhardt aus dem Lager
- Nacht vom 12. zum 13.: Diskussion zwischen Reichswehrminister Noske und Reichswehrführung, da Reichswehrminister Nachricht erreichte, dass Truppen von Lüttwitz und Ehrhardt nach Berlin marschieren würden → Noske wollte Reichswehr gegen Putschisten mobilisieren, fordert: „Stoppen Sie die meuternden Offiziere, die mit ihren Mannschaften auf Berlin zumarschieren, um Reichspräsident Friedrich Ebert und die Regierung aus SPD, Zentrum und DDP zu stürzen“: Antwort von General von Seeckt: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr!“ bzw. „Truppe schießt nicht auf Truppe! Sonst ist alle Kameradschaft im Offizierkorps hin.“→ verweigert Befehl Noskes mit Lächeln auf den Lippen ➔ nur Chef der Heeresleitung, General Reinhardt, war zum Widerstand bereit
- 1.00 Uhr: Reichswehrministerium lehnt militärischen Widerstand gegen Putschisten ab; Noske musste auf militärischen Entscheidungskampf in Berlin verzichten
- 13. März:
- 6.15 Uhr: Reichspräsident und fast alle Mitglieder des Kabinetts unter Reichskanzler Gustav Bauer flohen aus Reichshauptstadt, zuerst nach Dresden, dann nach Stuttgart
- 7.00 Uhr: Einmarsch der Brigade Ehrhardt mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen und wehenden schwarz-weiß-roten Fahnen in das Berliner Regierungsviertel (zieht durch Brandenburger Tor)
- Kapp ruft sich zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten aus; Reichswehrminister und Oberbefehlshaber der Reichswehr wird General Walther Freiherr von Lüttwitz
➔ dennoch: legale Regierung nicht ausgeschaltet, lediglich nach Stuttgart verlegt, kann von dort aus noch agieren
➔ Kapp gab zwar viele Erlasse heraus, doch: fand wenig Gehorsam und Hilfe (Folge des selbstständigen Losschlagens des Militärs); Bürgertum und große Teile der Armee verhielten sich insgesamt abwartend, Beamte folgten den Anordnungen der illegalen Regierung nicht (Beamte der Reichskanzlei erklärten ihm, seine Legitimation nicht anerkennen zu können und verließen das Haus) → konnte nicht agieren, eigentlich für Scheitern verantwortlich
- Aufruf zum Generalstreik (der aber, da 14. März ein Sonntag war ohnehin ergebnislos war, am 15. dann schon ersichtlich, das Putsch scheitert), unterzeichnet durch sozialdemokratische Regierungsmitglieder sowie dem Parteivorsitzenden der SPD Otto Wels → Reichsregierung distanzierte sich zwar umgehend, trotzdem führte er zum Erfolg (zudem in der Folge Aufruf zum Generalstreik durch Gewerkschaften und KPD)
- 15. März: komplettes Deutsche Reich von Generalstreik erfasst, insgesamt etwa 12 Millionen Beschäftigte legen ihre Arbeit nieder
- 16. März:
- Kapp-Regierung droht mit Todesstrafe für Streikposten und Streikführer → Drohung ohne Wirkung
- Proteste innerhalb des Volkes gegen Putschisten werden immer heftiger → blutige Auseinandersetzungen in zahlreichen Orten/Regionen zwischen Arbeitern auf der einen und Polizisten, Reichswehr und Freikorps auf der anderen Seite („Märzaufstand 1920“)
- 17. März: Einsehen, dass Putsch zusammengebrochen war (Abrücken von Rechten und Militär vom Putsch) → unter Druck von Lüttwitz und Ludendorff trat Kapp zurück, später dann restliche illegale Regierung (am Abend: Lüttwitz)
- Flucht von Kapp nach Schweden
- Rückkehr der Regierung nach Berlin
- Brigade Erhardt marschierte zurück nach Döberitz, wurde vorläufig nicht aufgelöst, sondern gleich in Mitteldeutschland verwendet
- Gründe für das Scheitern:
- Ministerialbürokratie stellte sich Kapp nicht zur Verfügung (hatte dies jedoch erwartet, da dies ein Jahr zuvor der neuen Regierung unter Ebert gelungen war)
- ungünstiger Termin für Putsch (13. März: Sonnabend → als Kapp mit Resolution fertig war, hatten Redaktionsbüros der Zeitungen für Wochenendausgaben bereits geschlossen
- Staatsstreich fehlte Nähe zum Volk (Kapp und Mitstreiter noch zu sehr am alten politischen Denken verhaftet) → Generalstreik, dennoch:
- keine Kontakte zum Kaiser oder monarchistischen Eliten (Adel)
- Folgen des Kapp-Putsches/nach dem Kapp-Putsch:
- Bedrohung der jungen Republik durch Machtanspruch und Machtzuwachs linker und rechter Interessengruppen gestiegen → somit eigentlicher Verlierer der Ereignisse
- Kapp-Putsch-Beteiligte kaum belangt: 775 Offiziere, die an Kapp-Putsch beteiligt waren, davon 486 Verfahrenseinstellungen, 91 Beurlaubungen, 57 Versetzungen, 48 Dienstenthebungen, 13 Disziplinare Erledigungen, 74x noch 1923 keine Entscheidung, 6 Verabschiedungen; Gesamtstrafe: 5 Jahre
- Weimarer Republik wird Abhängigkeit vom Militär nicht mehr los
- Reichswehrminister Noske muss zurücktreten
- General von Seeckt, der Befehlsverweigerer, der seinen Eid auf die Verfassung gebrochen hatte, wurde zum Chef der Heeresleitung befördert
Quellen:
Historisch-Politische Weltkunde -> Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Reich und Republik 1920 – 1933
Encarta Enzyklopädie 1999
http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv00/1000ob35.htm
http://www.preussenchronik.de/cache/begriff_c23395.html
http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/gec/9671.html
http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/gew/8087.html
http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/gew/4932.html
http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/kapp/
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KappWolfgang/index.html
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LuettwitzWalther/index.html
Frequently asked questions
Was ist der Ausgangspunkt der Situation vor dem Kapp-Putsch?
Die Situation war geprägt durch das Ende des Ersten Weltkriegs, die Abdankung von Kaiser Wilhelm II, die Ausrufung der Republik in Deutschland und den Machtkampf zwischen linksrevolutionären Gruppen und gemäßigten Kräften. Der Versailler Vertrag von 1919 forderte die Reduzierung der deutschen Armee und Marine sowie die Auflösung der Freikorps, was zu Unzufriedenheit in der Armee führte.
Wer war Wolfgang Kapp und welche Rolle spielte er im Putsch?
Wolfgang Kapp war eine Integrationsfigur der republikfeindlichen Rechten und bereitete den Putsch seit Oktober 1919 vor. Er genoss beim Militär den Ruf, der politische Kopf einer Verschwörung zu sein und rief sich während des Putsches zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten aus.
Was war der Anlass für den Kapp-Putsch?
Der unmittelbare Anlass war der Auflösungsbefehl gegen die Marinebrigade Ehrhardt, stationiert in Dübritz/Döberitz bei Berlin. General von Lüttwitz verweigerte den Befehl zur Auflösung der Brigade, was das Signal für den Staatsstreich gab.
Welches Ziel verfolgte der Kapp-Putsch?
Das Ziel des Kapp-Putsches war die Wiederherstellung der alten Ordnung.
Wie verlief der Kapp-Putsch?
Nach der Entlassung von Lüttwitz am 11. März entschloss er sich zum Militärputsch. Am 13. März marschierte die Brigade Ehrhardt in Berlin ein und Kapp rief sich zum Reichskanzler aus. Die legale Regierung floh nach Dresden und später nach Stuttgart. Es kam zu einem Generalstreik im gesamten Deutschen Reich.
Warum scheiterte der Kapp-Putsch?
Der Kapp-Putsch scheiterte, weil die Ministerialbürokratie sich Kapp nicht zur Verfügung stellte, der Zeitpunkt des Putsches ungünstig war und der Staatsstreich keine Nähe zum Volk hatte. Zudem fehlten Kontakte zum Kaiser oder monarchistischen Eliten.
Welche Folgen hatte der Kapp-Putsch?
Der Kapp-Putsch führte zu einer erhöhten Bedrohung der jungen Republik durch linke und rechte Interessengruppen. Die Beteiligten wurden kaum belangt. Die Weimarer Republik blieb vom Militär abhängig. Reichswehrminister Noske musste zurücktreten und General von Seeckt wurde zum Chef der Heeresleitung befördert.
Was war die Rolle von General von Seeckt beim Kapp-Putsch?
General von Seeckt verweigerte den Befehl von Reichswehrminister Noske, die Reichswehr gegen die Putschisten einzusetzen, mit der Begründung "Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr!". Diese Befehlsverweigerung trug maßgeblich zum Erfolg des Putsches in der Anfangsphase bei und wurde später mit seiner Beförderung zum Chef der Heeresleitung belohnt.
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- Torsten Mosler (Author), 2003, Der Kapp-Putsch / Lüttwitz-Kapp-Putsch, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/108669