Was verbirgt sich hinter dem schillernden Neonlicht Tokios, wenn jugendliche Unschuld auf eine von Konsum getriebene Gesellschaft trifft? Diese investigative Analyse taucht ein in die geheimnisvolle Welt des "Enjo Kōsai" – ein Phänomen, das mehr ist als nur "bezahlte Begleitung". Es ist ein Spiegelbild japanischer Moralvorstellungen, Erziehungsideale und wirtschaftlicher Realitäten, die eine einzigartige Dynamik zwischen älteren Männern und jungen Schülerinnen schaffen. Entdecken Sie die komplexen Motive, die diese Mädchen antreiben: Ist es die Verlockung von Designerhandtaschen und einem luxuriösen Lebensstil, der Druck, mit Gleichaltrigen mitzuhalten, oder ein tiefer liegendes Bedürfnis nach Anerkennung und Zuneigung in einer von Leistungsdruck geprägten Gesellschaft? Untersuchen Sie die rechtlichen Grauzonen, die dieses Verhalten umgeben, und die Rolle der japanischen Medien bei der Darstellung von "Enjo Kōsai" als verführerischem Trend. Werfen Sie einen Blick auf die veränderte Rolle der Familie, in der Väter oft abwesend sind und Mütter mit materiellen Gütern kompensieren, was zu einem Vakuum führt, das anfällig für fragwürdige Einflüsse ist. Beleuchtet werden die subtilen Unterschiede zwischen "Enjo Kōsai" und traditioneller Prostitution, wobei die Jugendlichen oft die Grenzen verwischen und sich in einer moralischen Grauzone bewegen. Diese eindringliche Studie dekonstruiert die Mythen und Halbwahrheiten rund um dieses Phänomen und bietet eine differenzierte Perspektive auf die sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Faktoren, die zu seiner Entstehung und Verbreitung beigetragen haben. Tauchen Sie ein in die vielschichtigen Schichten der japanischen Gesellschaft und verstehen Sie, wie "Enjo Kōsai" ein Symptom für tiefer liegende Probleme wie Konsumdruck, elterliche Entfremdung und die Kommerzialisierung der Jugend ist. Erfahren Sie mehr über die Bemühungen der japanischen Regierung, dieses Problem anzugehen, und die Herausforderungen, denen sie bei der Durchsetzung von Gesetzen und dem Schutz gefährdeter Jugendlicher gegenübersteht. Eine fesselnde Lektüre für alle, die sich für japanische Kultur, soziale Trends und die dunklen Seiten der Globalisierung interessieren. Die erschütternden Einblicke werden Ihre Sichtweise auf die moderne japanische Gesellschaft für immer verändern. Eine bahnbrechende Analyse, die zum Nachdenken anregt und unbequeme Fragen aufwirft.
Inhaltsverzeichnis
Quellenlage
Phänomen Enjo Kōsai
Exkurs: Prostitution in Japan
Rechtliche Gegebenheiten in Japan
Moralbegriffe und Erziehung
Schlussfolgerung
Übersetzungsteil
Quellenverzeichnis
Quellenlage
Seit seinem Auftreten hat das Phänomen Enjo Kōsai viel Aufmerksamkeit in den japanischen Massenmedien erfahren. Jedoch haben sich auch Soziologen und Genderforscher wissenschaftlich mit der Psychologie und den sozialen Voraussetzungen von Enjo Kōsai beschäftigt. Einzige mir bekannte Monographie zum Thema ist „Enjo Kōsai“ von Katsushi Kuronuma[1]. Leider konnte das Buch nicht eingesehen werden, dem Inhaltsverzeichnis nach beschäftigt es sich jedoch hauptsächlich mit Erfahrungsberichten von jungen Mädchen und ihrem familiären Hintergrund.
Eine weitere nützliche Quelle ist ein Bericht des Asian Women’s Fund aus dem Jahr 1998 mit dem Titel: „ ‚Enjo Kōsai’ ni tsuite kangaeru tame no handobukku “ (Handbuch zum Nachdenken über Enjo Kōsai), der in gekürzter Form im Internet einsehbar ist.[2] Das Team der Tokyo Gakugei-Universität hat im Raum Tokyo eine stichprobenartige Umfrage unter Mädchen zwischen 15-18 Jahren durchgeführt. Dabei wurde nach persönlichen Beweggründen, Situation in der Familie und Schule etc. gefragt.
Im japanischen Internet finden sich hauptsächlich Erfahrungsberichte in Form von Tagebüchern, moralische und gesundheitliche Warnungen sowohl für junge Mädchen als auch für Männer, Erörterungen des Themas als gesellschaftliches Problem, teilweise mit Diskussionsforum, und schließlich auch sog. Deai -Homepages, die mit der Vermittlung von Oberschülerinnen werben und gewerbliche sowie private erotisierende Darstellungen des Themas.
Das englischsprachige Internet bietet ebenfalls, größtenteils nicht auf eigenen Erfahrungen beruhende, Tatsachenberichte von Privatpersonen, sowie einige analysierende kurze Zusammenfassungen. Was die rechtliche Seite von Prostitution und die politische Herangehensweise an das Problem betrifft, so habe ich auch auf Zeitungsarchive von japanisch- und englischsprachigen in Japan erscheinenden Zeitungen zurückgegriffen. Ausgewählte Homepages finden sich in den Quellenangaben.
Einige deutsch- und englischsprachige Bücher mit weiter gefassten Themen sprechen ebenfalls Enjo Kōsai an.
Phänomen Enjo Kōsai
Die japanischen Artikel zum Thema sind sich darin einig, dass Enjo Kōsai seit 1996 hauptsächlich in Tokyos Amüsiervierteln Shibuya und Shinjuku auftritt. Zu dieser Zeit waren Handys noch weniger verbreitet, was die eigentliche Ausprägung von Enjo Kōsai, wie sie heute besteht, zunächst nicht ermöglichte (mehr dazu weiter unten).
Enjo Kōsai bedeutet wörtlich übersetzt: „Kompensationsumgang“, also eine Verabredung gegen „Aufwandsentschädigung“. Dieser Begriff weckt Assoziationen mit gewissen „Begleitservices“ oder Callgirlagenturen, Enjo Kōsai spielt sich jedoch auf einer unprofessionellen Ebene ab. Ältere Männer mit Geld treffen Verabredungen mit jungen Mädchen, zumeist Oberschülerinnen. Dabei ist der Zweck des Umgangs miteinander nicht klar definiert. Die Mädchen tun es eindeutig wegen dem Geld, und sie bekommen mehr Geld als „richtige“ Prostituierte. Der männliche Kunde hat die Rolle eines Sugardaddy, d.h. er hält das Mädchen in erster Linie aus und bekommt dafür Zuneigung und Unterhaltung. Sex ist nicht immer der Zweck der Beziehung, jedoch häufig. Dort setzen auch die Probleme des Phänomens an:
- die Mädchen sind zumeist minderjährig, was den sexuellen Verkehr verbietet; jedoch ist die japanische Gesetzeslage zu diesem Thema nicht eindeutig.
- aufgrund des Altersunterschieds der beiden Beteiligten und oft auch aufgrund der Position des Mannes (z.B. Lehrer) besteht oft ein Abhängigkeitsverhältnis, bzw. der Verdacht auf Einflussnahme auf Minderjährige.
Diese Punkte sind es, die Enjo Kōsai von einem gewöhnlichen Kundenverhältnis wie bei professionellen Prostituierten unterscheidet und den Verdacht des Missbrauchs aufzwingt.
Am Beginn dieser Entwicklung standen die sog. Telekura oder Telefonclubs. Dazu ein privater Beobachter:[3]
It is a physical establishment, usually located in a centralized commercial district where ‘love hotels’ (hotels that rent rooms by the hour for the understood purpose of carnal encounters) are in close proximity. Invariably, it is the male club members who actually enter the premises. They present a membership card at the entrance and pay in advance for the desired number of hours they wish to spend in one of the private rooms –no bigger than a office cubicle- inside the club. Inside a room is a tv, a vhs player, a box of tissues (porn videos are free for the borrowing up at the front desk…..), and a telephone. The video watching is just a time-killing expedient. The men pay good money –3,000 yen per hour (about US $26) when I went there- for something else. They are waiting for incoming phone calls.
Females on the outside can dial a toll free number to the club, and the front desk then patches them through to the men inside the little rooms. From there, it’s up to the male and female to ‘make conversation’.
In reality, the overwhelming majority of conversations are about meeting up for sex. Male and female feel each other out over the phone and decide after about five or ten minutes of discussion whether or not they are going to meet each other. Loss of interest by one party can mean abrupt and brutal disconnection –in mid-sentence- for the other party. (I speak from humiliating experience). Men that participate in this little mating game, come in all shapes and sizes; college students, working men, elderly men -many of them married. The ‘women’ tend to be young, though many a housewife up through their mid-thirties also participate. The preponderance of females, however, are school girls: high school, and sometimes even junior high school. And the preponderance of females also happen to demand that aforementioned ‘compensation’ in return for the ‘dating’. Rates are all over the place, but most fall in the range of 30,000 to 50,000 yen for a two hour tryst.
Diese Einrichtungen zielen von Anfang an auf die Beteiligung von Mädchen und Frauen ab, die eigentlich einer anderen Beschäftigung nachgehen, also nicht Prostituierte. Diese anscheinend sehr lohnende Einkommensquelle verselbstständigte sich dann, als Schulmädchen, selbst Mittelschülerinnen (7.-9. Klasse), dann anfingen, sich z.B. vor dem Bahnhof Shibuya ansprechen zu lassen und in ein nahe gelegenes Love-Hotel (Stundenhotel) gingen- gegen Bezahlung. Die Entwicklung des Internet schließlich, und der Fakt dass irgendwann jeder ein Handy hatte, machten eine 100%ig diskrete Abwicklung des Geschäfts möglich: auf Internetseiten (Deai -Sites, von deau - sich treffen) können sich Mädchen eintragen lassen und für bezahlende männliche Kunden ihre Handynummer hinterlassen. Man verabredet sich dann per Telefon an einem anonymen Ort oder gleich in einem Hotel. Wenn es dunkel wird in Shibuya und Shinjuku, tauchen plötzlich auch tausende bunte Zettel an Laternenmasten und Telefonzellen auf: Sexofferten mit Angabe der Handynummer, teilweise von professionellen Einrichtungen, aber auch von gewöhnlichen Mädchen.
Die japanischen Massenmedien griffen dieses Thema in einer reißerischen Art und Weise sehr bald auf, und auch die Verbreitung von Enjo Kōsai nahm schlagartig zu. In einer Studie des Asian Women’s Fund hatten von 600 Befragten Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren 5% Erfahrung mit Enjo Kōsai, davon rund die Hälfte auch Geschlechtsverkehr.
Ich möchte in diesem Aufsatz auf die rechtliche Lage von Prostitution in Japan eingehen und anhand von selbst durchgeführten Interviews japanische Moralvorstellungen diskutieren, die zu einer solch starken Verbreitung von Enjo Kōsai beigetragen haben könnten. Zum Schluss möchte ich noch einige Erscheinungen in der japanischen Gesellschaft diskutieren, die ebenfalls einen Einfluss auf die Verbreitung von Enjo Kōsai gehabt haben könnten.
Exkurs: Prostitution in Japan
Bewegt man sich durch Japans Großstädte, muss man unweigerlich den Eindruck haben, dass Prostitution ein großes legales Geschäft sei. Große Fußgängerzonen und ihre Seitenstrassen bieten jede Menge einschlägiger Clubs und Etablissements, die ihre Funktion nicht verheimlichen. In Wirklichkeit jedoch steht der legale Status von Prostitution in Japan auf wackeligen Beinen, scheinbar nur gestützt vom guten Willen einiger Politiker und Polizeibeamter gegenüber der Unterwelt.
Laut dem Magazin Weekly Playboy (2003/11/11) verlagert sich vor allem die wenig legale Sexindustrie in die Vorortgebiete Tokyos, d.h. Clubs, die Minderjährige oder illegal ins Land gebrachte Ausländerinnen beschäftigen. Die im Stadtzentrum angesiedelten Etablissements achten genau auf die Grenzen, die ihnen das Gesetz auferlegt, vor allem darauf, keine Minderjährigen zu beschäftigen und nicht offen Geschlechtsverkehr anzubieten. Denn um legal zu sein, müssen sich diese Geschäfte als „Massagesalons“ o.ä. verstehen, die diverse Services für Männer anbieten, außer eben Geschlechtsverkehr.
Unter den bekannten Schlagworten, die Japans Etablissements beschreiben, gibt es beispielsweise Soaplands, kostspielige Badeclubs mit schaumiger Ganzkörpermassage, Imekura (Image Club), eine besonders verspielte Variante, bei der die Hostess in verschiedene Kostüme und Rollen schlüpft, Host Clubs, eine subtilere und sehr teure Variante, bei der man in erster Linie Gesellschaft und Alkoholkonsum pflegt und nach größeren Investitionen ins benachbarte Love Hotel geht, oder auch Pink Clubs, eine Art Schnellabfertigung, wo es nicht einmal private Räume gibt, und Mensu Esute (Men’s Esthetician, auch genannt Herusu, von engl. Health), Massagesalons mit Zusatzservices. Wie unschwer zu erkennen ist, gibt es einen Hang zu Wellness-Einrichtungen, was einhergeht mit der allgemeinen Begeisterung in Japan für onsen - heiße Quellen- und exzessive Körperpflege im Allgemeinen. Auch die Illusion eine Art Verabredung zu haben, die bei Sympathie zu mehr führt, wird gern aufrecht erhalten, anknüpfend an die Tradition der Gesellschaftsdamen, oder Geishas, die zunächst einmal mit schönen Künsten und intelligenter Konversation für Unterhaltung sorgten. Im Großen und Ganzen ist die Industrie um Transparenz, Freundlichkeit und gepflegte Atmosphäre bemüht, wenig ist vom Schmuddelimage von Prostitution zu spüren. Einschlägige spezialisierte Zeitschriften, erhältlich in allen Buchläden und Convenience Stores, informieren über die Etablissements der Gegend und neue Mädchen in Wort und Bild. Selbst unter jungen Frauen haben diese Einrichtungen nicht unbedingt einen schlechten Ruf. Wenn viele auch die japanischen Vorlieben für etwas seltsam halten mögen, hat man gegen ihre Existenz doch nichts einzuwenden. Eine 21jährige Studentin sagt: „Es ist gut für die Männer, dass es so etwas [wie Image Clubs] gibt, finde ich.“
Den klassischen Stripclub (hier Kyabare [Cabaret] genannt) gibt es jedoch kaum mehr. Amerikanische Soldaten haben ihn nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt und zunächst einen Boom für diese neuartige Unterhaltung ausgelöst. Von Anfang an standen die Tänzerinnen auch als Prostituierte zur Verfügung, die jüngeren Tanzschülerinnen als Masturbierhelferinnen während der Vorstellung.[4] Aktion statt passives Aufnehmen scheint das Gebot in Japan zu sein, und so sind die kyabare den oben genannten Institutionen gewichen.
Bei aller Aufgeschlossenheit kann man sich jedoch sicher sein, das die Yakuza, die japanische Mafia, nicht weit ist. Menschenhandel in seiner übelsten Form gehört mit zum Geschäft. Ähnlich wie in Deutschland werden Frauen aus Dritte-Welt-Ländern mit falschen Versprechungen nach Japan gelockt um unter sklavenartigen Bedingungen zu arbeiten. Ein Gewerbe, das hart an der Grenze der Legalität arbeitet, hat schon ganz natürlich eine Affinität zur Unterwelt. An allen großen Bahnhöfen in der Stadt und den Vororten stehen Schlepper und Rekrutierer der lokalen Clubs. Außer der üblichen Kundenwerbung sprechen sie auch junge Frauen an und versuchen sie zur Arbeit in ihrem Club zu gewinnen. Solche Zuhälter hat die Yakuza auch im Ausland, wie in etwa in Thailand, Kambodscha, Philippinen oder auch Kolumbien.
Außerdem gibt es natürlich eine riesige Sexindustrie in Japan, die ihren Umsatz mit Zeitschriften und Videos macht. Die Darsteller in dieser Branche sind ausschließlich Japaner, während in der Prostitution viele Ausländerinnen beschäftigt sind. Allerdings gibt es, und das ist das eigentlich interessante für diesen Aufsatz, viele freiwillig in der Prostitution tätige Japanerinnen, die objektiv gesehen keine wirtschaftliche Not zu haben scheinen. Besonders die einschlägigen Videoproduktionsfirmen halten ihre Türen offen für spontane Castings und Eilproduktionen. Eine junge Angestellte erzählte von einem Freund, der einmal in einer solchen Produktionsfirma arbeitete. Jeden Tag kamen ganz gewöhnliche Mädchen, wurden schnell nach ihrem Aussehen beurteilt und oft wurde eiligst eine Szene mit ihnen gedreht. Dafür erhalten sie in etwa 500,000 Yen (etwa 3750 €). „Sie machen es wie einen ganz normalen Nebenjob.“ erzählt die junge Frau.
Weiterhin existiert in Japan die Branche des Hostessenservices, genannt mizushobai (wörtl.: Wasserhandel). Junge Frauen unterhalten eine Runde von männlichen Gästen und achten darauf, ihren Alkoholkonsum maximal zu erhöhen. Die Akzeptanz dieser Tätigkeit ist in der Gesellschaft sehr hoch, so also auch die Bereitschaft junger Mädchen dort zu partizipieren, zwecks Aufbesserung des Taschengeldes. Einige Clubs dieser Art verbieten streng das unsittliche Berühren der Mädchen, doch oft sind die Grenzen zur Prostitution fließend.
Rechtliche Gegebenheiten in Japan
Die Volljährigkeit wird in Japan nach dem 20. Lebensjahr erreicht. Fragen von Arbeit und Hochzeit behandeln jedoch bereits 18jährige als Erwachsene. Männer dürfen mit Zustimmung der Eltern mit 18 Jahren, Frauen mit 16 Jahren heiraten. Zum Thema „Sexuelle Straftaten“ führt das Gesetz aus:[5]
„ 45. Under the Penal Code, anyone who performs a sexual act or commits an indecent act with a male or female person under 13 years of age is subject to punishment, whether or not the act is committed by thereof violence or threat. The Child Welfare Law additionally prohibits inducement of a person under 18 years of age to practice obscene acts. The law also prescribes punishment for keeping a child in custody for the purpose of making him/her engage in harmful activities. “
Genau genommen kann sich also schon ein 13jähriges Mädchen in Japan prostituieren, was auch vorkommt. Diese Gesetzgebung erregt viel Anstoß im Ausland. In der Praxis ist es oft so, dass Freier von Minderjährigen mit einer Verwarnung der Polizei davonkommen. Allein in Tokyo gibt es den Vorsatz, härter durchzugreifen. So wurde auch das laxe Gesetz zu Vergewaltigungen oft beklagt. Während ein Diebstahl mit Gewaltanwendung mit fünf Jahren Gefängnis bestraft wird, sind es bei einer Vergewaltigung (bei der nichts gestohlen wird) nur drei Jahre. Tokyo möchte dieses Gesetz nun straffen.[6]
Bereits 1997, als das Thema zunehmend in die Medien geriet, unternahm die Polizei einige Schritte dagegen. So wurden Mädchen, die wegen „sexuell abweichendem Verhalten“ aufgegriffen wurden, nicht länger als Opfer bei einem Verstoß gegen das „Jugendwohlfahrtsgesetz“ betrachtet, sondern als Mittäter. Enjo Kōsai wurde also somit kriminalisiert, was aber nicht zu mehr Festnahmen führt, sondern zu einer sinkenden Zahl an Fällen[7]. Es schien wohl tatsächlich eine abschreckende Wirkung erzielt worden sein, um einem „Modedelikt“ entgegenzuwirken.
Die Polizei wies erstmals 1994 ausdrücklich auf „sexuell abweichendes Verhalten“ hin. 1997 wurde diese Kategorie im Weißbuch der Polizei aus dem Anhang in den Hauptteil verlagert. Man unterscheidet in „Unsittliches Verhalten“ (wie Alkoholgenuss, nächtliches Herumtreiben etc. bei Minderjährigen) und „Unsittlicher Verkehr mit dem anderen Geschlecht“. Die japanische Polizei verfolgt diese Delikte um späterer Schwerkriminalisierung vorzubeugen. Die aufgegriffenen Jugendlichen werden auf eine Polizeiwache gebracht, belehrt und ihre Eltern benachrichtigt. Unter die Kategorie „Sexuell abweichendes Verhalten“ fallen ausschließlich Mädchen, zunächst einmal solche, die Opfer bei einem Verstoß gegen das Antiprostitutionsgesetz oder das Jugendwohlfahrtsgesetz wurden. Durch die Änderung 1997 wurden auch sie zu Tätern (beispielsweise als Teilnehmerin in einem terekura).[8]
1999 wurde das Gesetz zu Punishing Acts Related to Child Prostitution and Child Pornography, and for Protection of Children erlassen, insbesondere in Hinsicht auf die Tatsache, dass zunehmend erwachsene Männer Minderjährige für Sex bezahlen. Das Gesetz brachte eine Verschärfung der Behandlung solcher Freier mit sich, sowie eine Ausweitung der polizeilichen Kontrollen auf Einrichtungen wie terekura (s.o.). Seit der Durchführung des Gesetzes wurde festgestellt, dass sich 60% der kommerziellen Ausbeutung Minderjähriger durch solche terekura ereignet. Die japanische Regierung gelobt weiterhin in ihrer Stellungnahme anlässlich des Second World Congress against Commercial Sexual Exploitation of Children (The Yokohama Congress) (17.-20.12.2001) neben einer ganzen Reihe anderer Dinge, wie Verbesserung der Aufklärung in Schulen, Erhöhen des gesellschaftlichen Problembewusstseins etc., auch die Verbreitung von Kinderpornographie via Internet bzw. den Kontakt zu Minderjährigen über Deai -Seiten stärker zu kontrollieren und härter durchzugreifen. Die meisten dieser Probleme scheinen sich hauptsächlich in Tokyo abzuspielen, weshalb die meisten Gesetzesverschärfungen auch tatsächlich nur hier verwirklicht werden. Deshalb verlagern sich viele Einrichtungen auch zunehmend in die Vororte, wo die Polizei weniger streng kontrolliert und es zugeht „wie im Wilden Westen“[9]
Prostitution per se ist eigentlich illegal in Japan, laut Anti-Prostitution Law. Doch ein Bummel durch jede beliebige Stadt in Japan genügt, um zu sehen, wie lebendig sie ist. Wie in vielen Industrieländern, wird Prostitution „geduldet“, solange sie kontrollierbar ist.
Moralbegriffe und Erziehung
Es wird behauptet, Japaner würden traditionell Sex als natürliche Gegebenheit bzw. Vergnügen betrachten, losgelöst von sozialen oder familiären Verpflichtungen. Sollte dem so sein, dann hat sich zumindest seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die (amerikanische) christliche Ethik stark durchgesetzt in Japan.
Westliche Moralbegriffe, bezogen auf Sex schließen Dinge ein wie: Jungfräulichkeit vor der Ehe, Verdammung sexueller Aktivität außerhalb der Ehe, und auch Selbstachtung bzw. Wertschätzung des eigenen Körpers.
Zur Jungfräulichkeit: die meisten befragten Personen denken, dass Jungfräulichkeit einmal wichtig war in der japanischen Kultur, bzw. für die heutige Elterngeneration immer noch ist. Nicht jedoch für die heute 15-30jährigen. Die meisten Jugendlichen praktizieren Geschlechtsverkehr lange vor der Ehe.
Wenn Jungfräulichkeit zumindest keinen moralischen Wert mehr besitzt, so hat sie wohl aber einen großen monetären Wert. Mädchen, die bereit sind explizit ihre Jungfräulichkeit anzubieten, verlangen riesige Summen dafür. Die japanische Sexindustrie ist besessen vom ideellen Wert der Jungfrau, und das reflektiert sich in der Nachfrage der Enjo Kōsai Kundschaft. Folgt man den Erfahrungsberichten junger Mädchen, bleibt es oft bei diesem einen Mal. Anfangs getrieben vom Wunsch nach Geld, haben viele Mädchen schließlich doch ein so schlechtes Gewissen, dass sie ihren Entschluss tief bereuen und sich nie wieder verkaufen. Andere jedoch können bei ihrem Handeln keine Bedenken finden, viele der Mädchen, die Enjo Kōsai praktizieren, sagen, dass das doch gar keine Prostitution sei. Die gesetzliche Lage der Prostitution in Japan hat offenbar eine Grauzone geschaffen, die diese Mädchen sich moralisch und rechtlich völlig legitimiert fühlen lässt.
Viele Mädchen geben auch an, dass dies eben ein legitimer Weg Geld zu verdienen sei und sie damit niemanden belästigen. Die Gewissheit, niemanden zu belästigen, ist ein sehr wichtiger Punkt im japanischen Selbstverständnis. Da sie eine Nachfrage befriedigen, den alten Mann glücklich machen und unabhängig von ihren Eltern Geld verdienen kann es für sie nicht verwerfliches daran geben.
Zunächst einmal ist das Niemandem-zur-Last-fallen, das heißt oftmals auch, niemanden mit seinen Problemen belasten, ein Merkmal japanischer Erziehung. Aus konfuzianischer Tradition resultiert, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sondern das Wohl Anderer im Blick zu haben, seiner Umgebung nicht zur Last zu fallen. Viele junge Japaner können sich aus solchen Erwägungen heraus niemandem anvertrauen, wenn sie persönliche Probleme haben. Der Kontakt zu den Eltern ist oftmals stark geschädigt, und auch diejenigen, die von der Schule her in einem festen Freundeskreis sind, halten oft die eigenen Probleme für zu nichtig, um damit die Freunde zu belasten. Ein junges Mädchen hatte starke Probleme mit ihren Eltern, glücklich fühlte sie sich nur, wenn sie mit ihren Freundinnen ausgehen konnte. Dieser Lebenswandel ging aber über ihre Möglichkeiten hinaus, weshalb sie sich bei einem terekura meldete und mit einem Mann schlief. Von ihrem Entschluss dazu wussten ihre Freundinnen wiederum nichts, sie wollte den Schein wahren und sich mit ihnen vergnügen, nicht Probleme wälzen.
Auch die Statistiken in der Umfrage des Asian Women’s Fund bestätigen die starke familiäre Komponente: von den Mädchen, die Erfahrungen mit Enjo Kōsai haben, gaben 63% an, es manchmal zu Hause nicht aushalten zu können, 13% gaben an, dass es ihnen sogar sehr oft so geht. 36% der Mädchen empfinden auch eine starke Ablehnung gegenüber ihrer schulischen Umgebung. Immerhin gut die Hälfte derjenigen, die auch Erfahrungen mit Enjo Kōsai haben, haben erstmals davon durch eine/n Freund/-in gehört. Dabei handelt es sich oft um die harmlose Variante von „Verabreden und Tee trinken“, gegen die es die allergeringste Hemmschwelle gibt unter Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren. 64% der Mädchen insgesamt in diesem Alter, hätten Bedenken gegen diese Art von Verdienst, 84% haben Bedenken gegen sexuelle Aktivitäten außer Geschlechtsverkehr gegen Geld und 88% haben Bedenken gegen Sex für Geld. Von denjenigen, die bereits Erfahrungen mit „Teeverabredungen“ haben, würden es viele auch nicht als problematisch empfinden, zu sexuellen Handlungen überzugehen, und von denjenigen schließlich, die bereits Sex für Geld hatten, haben bereits 27% auch Erfahrungen in sog. Seifuuzokuten (erotische Massagen etc.) gesammelt. Für einen gewissen Prozentsatz also scheint es sich um eine Abwärtsspirale Richtung institutionalisierter Prostitution zu handeln.
Gibt es nun also einen direkten Zusammenhang zwischen japanischer Erziehungsethik und Enjo Kōsai ? Dafür sprechen würde, dass viele Mädchen angeben, Geld zu brauchen und damit niemandem zur Last fallen zu wollen sowie das geringe Schuldempfinden bei „Service gegen Geld“. Jedoch muss man auch Bedenken, dass „niemandem zur Last fallen“ auch bedeutet, niemandem Sorgen zu bereiten. Und das dies wohl der Fall ist, wenn man sich prostituiert, dürfte wohl allen Mädchen klar sein. Ich denke nicht, dass die traditionelle japanische Ethik diese Entwicklung begünstigt. Vielmehr scheint der Faktor „Geld“ eine übergeordnete Rolle zu spielen.
Alle Mädchen, die Erfahrungen mit Enjo Kōsai haben, geben an, dies für Geld zu tun. Während in den achtziger Jahren aufgegriffene Mädchen noch mehrheitlich angaben, dies „aus Neugier“ zu tun und nur eine Minderheit „um das Taschengeld aufzubessern“, so kehrte sich das Verhältnis Anfang 1995 langsam um.[10] Die zitierte Statistik reicht nur bis zum Jahr 1997 (wobei der Höhepunkt des Phänomens um das Jahr 2000 zu legen ist), doch schon hier gaben 49% der Mädchen an, ihr Taschengeld aufbessern zu wollen. Auch der Verwendungszweck ist klar: Designerprodukte wie Handtaschen und Kleidung und ein kostspieliger Vergnügungsorientierter Lebenswandel müssen finanziert werden. Hinzu kommt, dass Jugendliche erst als Oberschüler arbeiten dürfen (also etwa mit 16 Jahren). Der ausgeprägte Konsumdruck ist jedoch schon viel früher da, weshalb auch zunehmend Mittelschülerinnen über terekura oder Deai -Seiten einen finanzkräftigen Patron suchen. Die meisten Mädchen kommen ganz und gar nicht aus armen Haushalten, sondern mehrheitlich aus wohlhabenden mittelständischen Haushalten. Sie erhalten auch ein großes Taschengeld, oft eine Kompensation des überarbeiteten oder gar getrennt lebenden Vaters. Dieselbe Kompensation erhält auch die Mutter, und so führt jedes Familienmitglied sein eigenes isoliertes Konsumleben. Unter den Mädchen mit Erfahrungen bei Enjo Kōsai geben viele an, alles von ihren Eltern zu bekommen, was sie wollen.[11] Die Eltern, die eigentlich damit Enjo Kōsai entgegenwirken wollen, scheinen das Gegenteil zu erreichen. Trotz dieser Zuwendungen empfinden viele dieser Mädchen sich als „relativ arm“, da sie sich die ersehnten Produkte des oberen Luxussegmentes nicht leisten können.
Sie empfinden auch ihre Jugend und weibliche Schönheit als einen Bonus mit Zeitbegrenzung, den man in Geld verwandeln muss, solange es noch geht. Man kann wohl kaum bestreiten, dass in Japan, wie in den meisten anderen Industrienationen auch, Sex ein allgegenwärtiges Konsumprodukt geworden ist. Steigt man in die Bahn, hängt dort Werbung für Herrenmagazine mit sehr leicht bekleideten Mädchen, deren Physis oft nicht dem japanischen Durchschnitt entspricht. Selbst die Comichefte für Jungs in der Mittelschule haben einen Farbfototeil mit dem „Mädchen der Woche“, kaum älter als die Zielgruppe, im Bikini abgelichtet. Die Wochenzeitschriften, derer auch ich mich für diesen Aufsatz bedient habe, speisen ihre Schlagzeilen zu 50% mit sexrelevanten Themen. An großen Bahnhöfen bekommt jeder männliche Passant eine Packung Taschentücher mit der Werbung oder gar einem Gutschein eines Rotlichtetablissements überreicht. Dabei fällt auch auf, dass Weiblichkeit über 30 Jahre kaum eine Rolle spielt. Das Stichwort ist „Jugend“, dies ist auch der Grund, warum Enjo Kōsai immer mehr zunahm, als es mit der Wirtschaft immer mehr bergab ging. Die Oberschülerinnen haben einen riesigen Vorteil gegenüber den Prostituierten. Sie sind jung und vermeintlich „unschuldig“. Die Presse behandelt das Thema Prostitution gelegentlich mal empört, zumeist aber doch sehr interessiert. So stehen viele Mädchen unter dem Eindruck, dass Enjo Kōsai eine Mode unter Oberschülerinnen sei, jeder tut es, und zu dem kann man sich durch „ehrliche Arbeit“ eine Menge Geld verdienen.
Die Elterngeneration der heute 15-18jährigen begann ihre berufliche Laufbahn in den 80er Jahren, zu Zeiten des ungehemmten Wachstums der japanischen Wirtschaft, der sog. „Bubble Economy“. Zu diesen Zeiten wurden Japaner die größten pro Kopf-Verdiener der Welt, japanische Konzerne kauften ausländische Konzerne und Immobilien auf und auch im eigenen Land wurde geprasst, dass einem schwindelig wird. Diese Generation stand völlig unter dem Einfluss des Geldes, sie führten einen Lebenswandel, der völlig zerbarst zusammen mit der „Blase“, auf der die japanische Wirtschaft saß. Zurück blieb eine Familie, die sich bisher vor allem an Geld orientierte, Angst und Unsicherheit gegenüber der schwächelnden Wirtschaft, die ihre menschlichen Opfer forderte. Geld ist und war das Allheilmittel für viele Menschen dieser Generation. Für viel Geld erkauften sie sich Vergnügen und ein illusorisches Leben. Ihre Familie kitten sie weiterhin mit Geld zusammen. Ihre Kinder sind unter diesem Eindruck aufgewachsen, nun sind sie junge Erwachsene. Es ist auch diese Elterngeneration, die immer noch stark die ura-shakai, die Unterwelt im weitesten Sinne, frequentiert. Die meisten Japaner beschreiben den typischen Enjo Kōsai -Kunden als um die 40 Jahre, sehr wohlhabend, Eheprobleme habend, Kinder etwa im gleichen Alter habend, wie die Mädchen, die er bezahlt, emotional einsam.
Es lässt sich außerdem ein Zusammenhang zwischen Prostitution und Wirtschaft herstellen. Das verstärkte Auftreten von Enjo Kōsai im großen Stil jedoch wird auf 1996 datiert, zu Zeiten der Asienkrise, als die Kinder der Bubble-Generation heranwuchsen, der Geldfluss versiegte, und sie ihren Konsumhunger stillen mussten.
Die Rolle der Familie kann jedoch nicht stark genug betont werden. Die japanische Familie hat sich gewandelt: während der Vater zunächst eine überragende Schreckensfigur wurde, ähnlich wie im wilhelministischen Deutschland, so ist er heute ein physisch nicht vorhandenes, oft sogar verachtetes Mitglied des Haushalts. Dieser Vater muss seinen Verdienst der Ehefrau und den entfremdeten Kindern überlassen. Sein Chef jedoch, noch ein Mitglied der „alten Garde“, ist in seiner Firma noch immer die überragende Figur, die der beschäftigte Vater daheim nicht mehr sein kann, und übt entsprechend Druck aus auf seine Untergebenen. Die Mühen des Arbeitslebens werden nicht mehr belohnt. Oft verabreden sich gerade solche Männer mit Schulmädchen, die eine Tochter im gleichen Alter zu Hause haben. An diesem fremden Mädchen leben sie ihre Vatergefühle aus genauso wie ihre sexuellen Aggressionen und Frustrationen. Neben dem Angestelltentypus treten auch zunehmend mehr Lehrer auf, die Schulmädchen kaufen. Auch sie sind geschädigt von Schülern, die mehr Autorität über Lehrer ausüben, als umgekehrt. „In der Rolle des Freiers haben sie endlich die ersehnte Gewalt über ein Mädchen, das Schuluniform trägt.“ erklärt mir ein werktätiger Japaner.
Japanische Medien haben längst den Schulhof zum Hort sexueller Übergriffe ausgerufen. Während noch in den achtziger Jahren gerade mal ein Dutzend Lehrer an allen Schulen im Land wegen sexueller Übergriffe an Schülern angeklagt wurden, waren es in einer Studie aus dem Jahr 1997 schon 1000 Lehrer landesweit. 61,8% der Schüler gaben an, schon einmal von einem Lehrer belästig worden zu sein.[12]
Schlussfolgerung
Enjo Kōsai ist ein japanisches Phänomen, da es sich hier um Minderjährige aus der Mittelschicht handelt und nicht aus Armutsschichten. Die tatsächliche Ursache, falls es sie denn gibt, zu erörtern ist sehr schwierig und kann auch sicher nicht endgültig erklärt werden. Viele Japaner nehmen heute nicht mehr wahr, dass ihre moralischen Werte und Schambegriffe zu einem Großteil durch die amerikanische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg ins Land gebracht wurden, und davor noch andere Werte herrschten. So haben Japaner durchaus ein großes Schamgefühl für Geschlechtliches entwickelt, das früher so nicht vorhanden war. Auch das Antiprostitutionsgesetz lässt sich eigentlich nicht mit japanischer Tradition vereinbaren. Der Erotikbegriff hat sich dem westlichen Begriff angepasst, was zum Beispiel das erotische Empfinden einzelner Körperpartien betrifft. Trotzdem hat Sex in Japan ganz eigene Facetten, die dem westlichen Beobachter merkwürdig vorkommen müssen. Enjo Kōsai ist eine Erscheinung, die durch eine komplexe Mischung von individueller Nachfrage, traditionellen moralischen Werten, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen hervorgerufen wurde und so in keinem zweiten Land zu finden ist. Man muss sich dabei auch stets vor Augen halten, dass Japan keine gesetzlose Zone ist, sondern eine ausgesprochen niedrige Kriminalitätsrate hat. Das erstaunlichste ist, denke ich, dass Enjo Kōsai freiwillig geschieht, ohne wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigem Druck.
Die Medien haben in ihrer Eigenschaft, Sensationen zu liefern, Enjo Kōsai als Erscheinung auch nach Meinung von Japanern übertrieben. Es ist auf jeden Fall ein Problembewusstsein vorhanden und eine Verdammung von Enjo Kōsai schlechthin. Dabei fällt auf, dass japanische Frauen die Ursachen häufig in der Familie der Mädchen wie auch der Männer sehen (mangelnde Zuneigung etc.), während Männer hauptsächlich egoistische Motive der Mädchen verurteilen und einen Verfall der Gesellschaft beklagen, für den sie aber nicht die beteiligten Männer verantwortlich machen.
Die moderne japanische Gesellschaft hat ein Vakuum in ihrer kleinsten sozialen Einheit, der Familie, verursacht. Dies ist sicherlich einer der Hauptgründe, weshalb Enjo Kōsai entstanden ist, und von dem sich viele andere ableiten. Die Veränderung in der Familie wurde auch durch die Vermischung „östlicher“ und „westlicher“ Kultur verursacht. Dieser Umstand hat einen einmaligen Werteraum geschaffen, in dessen Rahmen man sehr viele Faktoren in Erwägung ziehen muss, will man die darin entstandenen Erscheinungen erklären.
Sicherlich muss der Gesetzgeber die relevanten Gesetze überarbeiten und entsprechend durchsetzen. Auch die sexuelle Aufklärung in Japan ist an westlichen Maßstäben gemessen eher dürftig. Das Problem Enjo Kōsai muss unter Beteiligung der Medien und ohne Effekthascherei richtig behandelt werden und auch ins Bewusstsein der Jugendlichen dringen. Viele junge Mädchen haben auch nicht gelernt, sich gegen Übergriffe zu wehren. Viele Opfer solcher chikan (Perverser, der beispielsweise in vollen Bahnen junge Frauen begrapscht) lassen es einfach über sich ergehen, da sie keine Unruhe verursachen wollen. An solchen Fällen wird klar, dass das Selbstwertgefühl stark von dem westlicher Frauen abweicht.
Übersetzungsteil
Aus: Asian Women’s Fund – Enjo Kōsai ni tsuite kangaeru tame no handobukku
Überlegungen zu Enjo Kōsai
„Seit einigen Jahren verbreitet sich unter Oberschülerinnen ‚Enjo Kōsai’, gleichsam wird es in den Massenmedien vermehrt als gesellschaftliches Phänomen behandelt. Jedoch, egal ob ‚Enjo Kōsai’ sexuelle Handlungen mit sich bringt oder nicht, so ist doch das Anbieten von sexuellem Service gegen Geld oder Geschenke im Grunde nichts anderes als Prostitution. Insbesondere das wirtschaftliche Verhältnis, bei dem die eine Seite die andere kontrolliert (Kontrollierender und Kontrollierte), fördert nicht nur die Lücke der Diskriminierung zwischen Mann und Frau und beraubt die Frauen ihrer geschlechtlichen Selbstachtung, sondern ist auch eine Handlung, die einen Verstoß gegen die Gesundheit des Geschlechts und das Recht der Fortpflanzung ist und Diskriminierung von Frauen verursacht. Außerdem erzeugt die Verknüpfung von Oberschülerinnen mit Enjo Kōsai, also: der Wert einer Frau= jung, Diskriminierungen, weshalb man auch deshalb von Enjo Kōsai als einer antisozialen Handlung, die eine gleichberechtigte Gesellschaft von Mann und Frau behindert, sprechen kann.
Aber wie denken Oberschülerinnen über die Probleme von Enjo Kōsai, wie begreifen sie den gegenwärtigen Zustand, in dem das weibliche Geschlecht, zum Hervorrufen geschlechtlichen Verlangens, kommerzialisiert wurde? Und wie nehmen sie als Frau ihren Platz in der Gesellschaft ein, wie stehen sie zur Realität?
In diesem Handbuch haben wir versucht, auf der Grundlage von Umfragen unter Oberschülerinnen den Stand von Enjo Kōsai und die umgebenden Faktoren zu beleuchten, sowie auch Hinweise zu geben, wie Elternhaus und Schule auf die beinhalteten gesellschaftlichen Probleme einwirken können zu geben. Wir hoffen, dass die hier dargestellten Fakten und Überlegungen zum Nachschlagen durch Aufsichtspersonen und Lehrer genutzt werden, und dass sie zur Prävention von Enjo Kōsai unter Oberschülerinnen und zur Entstehung eines Bewusstseins der Gleichberechtigung von Mann und Frau beitragen.
Quellenverzeichnis
Daus, Ursula: Neues aus der fließenden Welt . Japanische Ästhetik zum Ende des 20. Jahrhunderts: Stadt, Architektur, Literatur, Mode & Sex. Berlin, Babylon Metropolis Studies, 1998.
Metzler, Anne: Jugenddelinquenz und Jugenddevianz in Japan. Materialien zu Jugend und Devianz in Japan. Occasional Papers Band 5, Seminar für Japanologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 1999.
Dies.: Lebensführung und Werthaltung von japanischen delinquenten Jugendlichen, Halle; Wittenberg, 1999.
Asahi Shimbun – http://www.asahi.com
Asian Women’s Fund: Enjo Kōsai ni tsuite kangaeru tame ni no handobukku http://www.awf.or.jp/help/manual/enko/e_main.html
Brown, J.T.: Enjo Kōsai, Anyone? http://www.hackwriters.com/enjoKōsai.htm
Fujiwara, Kaoru: The other side of Enjo Kōsai . ( Compass Online, 1994-2000 The Yearly Magazine of Student Writing in English Faculty of Policy Studies, Chuo University, Japan)
http://www.tsujiru.net/compass/compass_1998/reg/fuijiwara_kaoru.htm
Japan Times – http://www.japantimes.co.jp
Japan Today – http://www.japantoday.com
Littlejohn, Ronnie: Enjo Kōsai (Issues in Japanese Moral Culture)
http://www.belmont.edu/philosophy/courses/EnjoKōsai.html
Mainichi Shimbun - http://mdn.mainichi.co.jp/index.html
The Ministry of Foreign Affairs Japan - The Second World Congress against Commercial Sexual Exploitation of Children (The Yokohama Congress).
http://www.mofa.go.jp/policy/human/child/initialreport/definition.html
Nakayama, Tooru: Enjo Kosai no na no shita ni hirogaru chūkōseibaishun...
http://www.bekkoame.ne.jp/~j-carp/05youth/97-04/1.html
Nguyet Thu Nguyen: Prostitution in Japan
http://www.iastate.edu/~rhetoric/105H17/nnguyen/cof.html
[...]
[1] Tokyo: Bengei Shunju, 1996.
[2] www.awf.or.jp/help/manual/enko/e_01.html
[3] J.T.Brown bei: http://www.hackwriters.com/enjoKōsai.htm
[4] Daus- Neues...
[5] The Ministry of Foreign Affairs Japan - The Second World Congress against Commercial Sexual Exploitation of Children (The Yokohama Congress): http://www.mofa.go.jp/policy/human/child/initialreport/definition.html
[6] Yomiuri Weekly (11/30)
[7] zitiert in: Metzler -Jugenddelinquenz
[8] Metzler- Jugenddelinquenz, S. 36 ff
[9] Weekly Playboy (11/11)
[10] Metzler- Jugenddelinquenz
[11] Asian Women’s Fund
Häufig gestellte Fragen zu Enjo-Kōsai
Was ist Enjo Kōsai?
Enjo Kōsai bedeutet wörtlich übersetzt: „Kompensationsumgang“, also eine Verabredung gegen „Aufwandsentschädigung“. Es handelt sich um Verabredungen zwischen älteren Männern mit Geld und jungen Mädchen, zumeist Oberschülerinnen. Der Zweck ist nicht immer klar definiert, oft geht es um Geld gegen Zuneigung und Unterhaltung, wobei Sex häufig eine Rolle spielt.
Wo tritt Enjo Kōsai hauptsächlich auf?
Laut japanischen Artikeln tritt Enjo Kōsai seit 1996 hauptsächlich in Tokyos Amüsiervierteln Shibuya und Shinjuku auf.
Was unterscheidet Enjo Kōsai von Prostitution?
Die Mädchen sind zumeist minderjährig, was den sexuellen Verkehr verbietet. Aufgrund des Altersunterschieds und der Position des Mannes besteht oft ein Abhängigkeitsverhältnis oder der Verdacht auf Einflussnahme auf Minderjährige.
Was sind Telekura oder Telefonclubs?
Telekura sind Einrichtungen, in denen Männer in privaten Räumen auf Anrufe von Frauen warten. Die meisten Gespräche drehen sich um Treffen für Sex gegen Bezahlung.
Wie funktioniert Enjo Kōsai heute?
Mädchen tragen sich auf Internetseiten (Deai-Sites) ein und hinterlassen für zahlende männliche Kunden ihre Handynummer. Man verabredet sich dann per Telefon an einem anonymen Ort oder gleich in einem Hotel.
Was sagt das japanische Gesetz zu Prostitution und Enjo Kōsai?
Prostitution ist eigentlich illegal in Japan, laut Anti-Prostitution Law. Geschlechtsverkehr mit Personen unter 13 Jahren ist strafbar. Die Child Welfare Law verbietet es zudem, Personen unter 18 Jahren zu obszönen Handlungen zu verleiten. Jedoch wird Prostitution in der Praxis oft geduldet, solange sie kontrollierbar ist.
Welche Rolle spielt das Geld bei Enjo Kōsai?
Alle Mädchen, die Erfahrungen mit Enjo Kōsai haben, geben an, dies für Geld zu tun. Sie wollen sich Designerprodukte und einen kostspieligen Vergnügungsorientierten Lebenswandel finanzieren. Der ausgeprägte Konsumdruck ist stark.
Welche Rolle spielt die Familie?
Viele Mädchen geben an, es manchmal zu Hause nicht aushalten zu können. Sie empfinden auch eine starke Ablehnung gegenüber ihrer schulischen Umgebung. Die Eltern kompensieren oft ihre Abwesenheit oder Scheidung mit Geld, was das Problem jedoch verschlimmern kann.
Was ist die Schlussfolgerung zu Enjo Kōsai?
Enjo Kōsai ist ein japanisches Phänomen, da es sich hier um Minderjährige aus der Mittelschicht handelt und nicht aus Armutsschichten. Es ist eine Erscheinung, die durch eine komplexe Mischung von individueller Nachfrage, traditionellen moralischen Werten, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen hervorgerufen wurde.
- Quote paper
- Morten Pritzkow (Author), 2003, Über Enjo Kosai, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/108502