Stellen Sie sich vor, Sie könnten Menschen auf einer tieferen Ebene erreichen und nachhaltige Veränderungen in ihrem Leben bewirken. Dieses Buch enthüllt die Geheimnisse der Motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing), einer revolutionären Methode, die im Suchtbereich entstanden ist und sich längst in vielfältigen Kontexten bewährt hat, von der Beratung im Arbeitsamt bis zur Unterstützung von Menschen in der Bewährungshilfe. Entdecken Sie, wie Sie ambivalente Einstellungen gegenüber Verhaltensänderungen auflösen und die intrinsische Motivation Ihrer Klienten freisetzen können. Anstatt auf Konfrontation zu setzen, lernen Sie, eine partnerschaftliche und wertschätzende Beziehung aufzubauen, die den Klienten in seiner Autonomie respektiert und ihn auf seinem individuellen Weg begleitet. Die Autoren führen Sie Schritt für Schritt durch die fünf Grundprinzipien der Gesprächsführung, von der Kunst des aktiven Zuhörens und der offenen Fragestellung bis zum Umgang mit Widerstand und der Stärkung der Selbstverpflichtung zur Veränderung. Erfahren Sie, wie Sie typische Gesprächsfallen vermeiden, selbstmotivierende Aussagen provozieren und den richtigen Zeitpunkt für den Übergang in die Handlungsphase erkennen. Mit zahlreichen praktischen Beispielen und bewährten Strategien ausgestattet, werden Sie in die Lage versetzt, Menschen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen und ein erfüllteres Leben zu führen. Dieses Buch ist ein unverzichtbarer Ratgeber für alle, die im Bereich Beratung, Therapie, Sozialarbeit oder Coaching tätig sind und nach einem effektiven Ansatz suchen, um positive Veränderungen zu fördern. Es bietet einen umfassenden Einblick in die Theorie und Praxis der Motivierenden Gesprächsführung, inklusive konkreter Techniken für Gesprächseröffnung, Widerstandsbewältigung und die Entwicklung von Veränderungsplänen. Lernen Sie, wie Sie die innere Stärke Ihrer Klienten aktivieren und sie zu selbstbestimmten Entscheidungen befähigen, sei es im Umgang mit Suchtproblemen, Essstörungen oder anderen herausfordernden Lebenssituationen. Werden Sie zum Gärtner, der das Wachstumspotenzial in jedem Menschen erkennt und es mit Empathie und Fachwissen zum Erblühen bringt. Tauchen Sie ein in die Welt der klientenzentrierten Beratung und entdecken Sie, wie Sie mit der Motivierenden Gesprächsführung wirklich etwas bewegen können.
Gliederung / Inhaltsverzeichnis
A) Entstehung, Definition, Anwendung
B) Praxis
a) Fünf Grundprinzipien
b) Gesprächsbeginn: Phase I
-- fünf Eröffnungsstrategien
-- mögliche Fallen
C) Der Umgang mit Widerstand: Erkennen und Reagieren
D) Phase II: Selbstverpflichtung
a) Vorbereitung des Übergangs in Phase II, Risiken
b) Aushandeln eines Plans,
Übergang zum Handlungsstadium
A) Entstehung und Definition
Die Motivierende Gesprächsführung entstand im Bereich der Arbeit mit Alkoholabhängigen als Alternative zu der bisher dominierenden (insbesondere in den USA zur therapeutischen Maxime im Suchtbereich erhobenen) Strategie der harten Konfrontation bei Suchtmittelproblemen. Sie wurde (nach zahlreichen Vorarbeiten und Evaluation der Beratungsstrategien in verschiedenen Studien) von William R. Miller und Stephen Rollnick 1991 als Gesamtkonzept veröffentlicht [dt. Ausgabe bearbeitet von Georg Kremer und Bernhard Schroer, Freiburg im Breisgau, 1999].
Was ist das Besondere der Motivierenden Gesprächsführung?
Definition der Methode: Ein direktives, klientenzentriertes Beratungskonzept zur Lösung ambivalenter Einstellungen gegenüber Verhaltensänderungen.
Diese Definition verortet die Motivierende Gesprächsführung im Kreis der Beratungskonzepte nach Rogers (Grundsätze der humanistischen Therapieschulen), hebt aber insbesondere das direktive Element hervor. D.h. der Berater hat durchgängig ein bestimmtes Ziel im Auge und setzt Strategien gezielt ein, um es zu erreichen.
Dies erklärt sich durch die im Bereich des Suchtverhaltens typische hohe Fixierung auf stereotype Verhaltensmuster („Ich verstehe mein eigenes Verhalten nicht. Ich tue nicht, was ich will, sondern genau das, was ich hasse.“ => Problem der Ambivalenz in Hinblick auf Veränderungen bei süchtigen Verhaltensweisen).
Der Klient wird als autonomer Mensch mit Suchtmittelproblemen betrachtet und in den Vordergrund gestellt (Prinzip der Selbstverantwortung). Diese respektvolle, offene Grundhaltung wird zum ethischen Prinzip erhoben (emanzipatorischer Ansatz). Es gilt, den Klienten auf seinem Weg zu begleiten. Keine Einflussnahme oder Machtausübung!
Beispiel: Bild des Gärtners, der seine Fähigkeiten darin investiert, Leben zu fördern und Wachstumsprozesse zu unterstützen, die er niemals selbst erschafft, sondern immer nur begleitet (Miller/Rollnick, S. 16)
- Motivation zur Veränderung ist nicht Voraussetzung, sondern Ziel der Beratung. Der substanzabhängige Mensch besitzt in der Regel Wissen um die verheerenden Folgen seines Verhaltens, hat mehrere gescheiterte Selbstkontrollversuche /Rückfälle hinter sich. Aufgabe des Therapeuten ist, je nach bestehender Motivationslage des Klienten, dessen Motivation sich zu ändern aufzubauen bzw. zu fördern (Bereitschaft zu Änderungen in bezug auf Konsumverhalten und in allgemeinen Alltagssituationen)
- Verzicht auf spezielle Krankheits- und Ursachentheorien
Anwendung:
Im gesamten Suchtbereich [Alkohol -und Drogenmissbrauch, Ess-Störungen, Spielsucht etc.] welcher durch „exzessives Verlangen“ charakterisiert ist (Orford 1985 - kurzfristiger Befriedigung wird zu Lasten langfristiger Schäden der Vorzug gegeben). Anwendung z.B. auch im Arbeitsamt, im Sektor der Justiz oder in der Bewährungshilfe geeignet.
Motivierende Gesprächsführung kann auch als Vorbereitung / Grundlage für andere Behandlungsformen gesehen werden und ist nicht als einzig sinnvolles Beratungskonzept zu verstehen.
B) Praxis
Praktisches Vorgehen: Motivierende Gesprächsführung integriert unterschiedliche Konzepte und Methoden => Strategien klientenzentrierter Gesprächsführung, kognitiver Therapie, Systemtheorie und Prinzipien der Sozialpsychologie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Phase I: Motivation zur Veränderung aufbauen
Eröffnungsstrategien, um die o.g. Grundprinzipien in die Praxis umzusetzen
Fünf spezifische Techniken der Gesprächsführung für die Anfangsphase (1.Hauptphase - Klient im Stadium der Absichtsbildung/Absichtslosigkeit; ambivalent):
1) offene Fragen stellen , die zur ausführlichen Äußerung anregen/zwingen
2) aktives Zuhören: „Kommunikationssperren“ vermeiden. Diese bieten eine „schnelle Lösung“ - nehmen dem Klienten den Raum zur Selbstexploration und schaffen ein Machtgefälle. Besser: Aus dem Gehörten auf den Sinngehalt schließen und diese Annahme in Form einer Feststellung (keine Frage)auf Richtigkeit prüfen. Selektives Widerspiegeln
3) bestätigen: explizite Anerkennung, Lob, Verständnis
4) zusammenfassen macht Ambivalenzen sichtbar. Selektives Hervorheben bestimmter Aussagen. Wichtig: Angebot zum Korrigieren bzw. Hinzufügen
5) selbstmotivierende Aussagen provozieren: Klient soll selbst Gründe für eine Verhaltensänderung formulieren
=> vier allgemeine Kategorien selbstmotivierender Aussagen: Problem-bewußtsein, Besorgnis über Probleme, Veränderungsabsicht, Zuversicht
Methoden, solche Aussagen herbei zu führen:
- auffordernde Fragen
- die Entscheidungs-Waage
- ausführliche Darstellung
- Extreme benutzen
- Zurückschauen
- Nach vorn blicken
- Ziele herausfinden
- Paradox intervenieren
Mögliche Fallen beim Erstgespräch / während des Beratungsprozesses:
- die Frage-Antwort-Falle: Berater als „Experte“ kontrolliert die Sitzung, stellt kurze, geschlossene Fragen; Klient ist passiv.
Besser: offene Fragen bieten Gelegenheit zur Selbstexploration.
- die Konfrontations-Verleugnungs-Falle: der Klient ist in einem Motivationskonflikt - setzt sich der Therapeut nun für die Seite der „Problemveränderung“ ein, reagiert sein Gegenüber mit dem Muster, die andere Seite zu verteidigen
- die Expertenfalle: Berater will Situation des Klienten ordnen, Lösungen vorschreiben- dies vermittelt den Eindruck, er habe alle Lösungen parat
- die Etikettierungsfalle: negativ konnotierte Zuschreibungen
- die Vorzeitige-Eingrenzungs-Falle: Klient und Therapeut wollen unterschiedliche Problemfelder (zuerst) bearbeiten
- die Schuld-Falle: Schuldzuweisungen provozieren Rechtfertigung, Schuldfrage ist nicht relevant
[Kontaktaufnahme zwischen den Sitzungen: Studien zeigen ein vermindertes Risiko des Behandlungsabbruchs. Schon durch briefliche Kontaktierung erhöhte sich die Zahl der Rückkehrer]
Der Umgang mit Widerstand
Wie definiert man Widerstand?
Widerstand ist ein Kennzeichen, dass der Klient nicht mehr mit arbeitet; dass Strategien im Hinblick auf das gegenwärtige Veränderungsstadium des Klienten unangemessen sind
Erkennen der vier Kategorien von Widerstandsverhalten
- Argumentieren: der Klient stellt die Genauigkeit, Fachkenntnis oder Integrität des Therapeuten in Frage (z.B. Feindseligkeit)
- Unterbrechen in abwehrender Haltung (z.B. ins Wort fallen)
- Ablehnen: Widerwille des Klienten, Probleme zu erkennen, zu kooperieren, Verantwortung zu übernehmen (z.B. Widersprechen „ja, aber...)
- Ignorieren (z.B. Unaufmerksamkeit)
Reaktionsstrategien:
- einfache/überzogene Reflexion
- Reflexion der Ambivalenz
- Fokusverschiebung
- Zustimmung mit einer Wendung
- Betonung der persönlichen Entscheidungsfreiheit und Selbstkontrolle
- Umformulieren und anders beleuchten
- paradoxe Intervention.
Phase II: Die Selbstverpflichtung zur Veränderung stärken
Wichtig für den Berater ist das Erkennen des richtigen Moments (anhand von Indikatoren/Anzeichen)zum Strategiewechsel. Der richtige Augenblick, von der Motivationsbildung umzuschweifen auf das Ziel der 2. Hauptphase Motivierender Gesprächsführung, der Herstellung von Verbindlichkeit.
Miller und Rollnick ziehen hier einen Vergleich zum Ski-Fahren (S. 128) .
a) Vorbereitung des Übergangs in Phase II:
- Zusammenfassung der aktuellen Situation des Klienten,
- die sog. Schlüsselfragen (beantwortet mit aktivem Zuhören)
Risiken:
-Unterschätzen der Ambivalenz
-Unangemessene Verordnung
-mangelnde Lenkung
b) Prozess des Aushandelns eines Plans:
1) Ziele festlegen:
Formulierung konkreter, realistischer Veränderungsziele - langfristige umfassende Ziele vorausschauend im Auge behalten, zusätzliche neue Ziele können vom Berater vorgeschlagen werden
2) Veränderungsalternativen abwägen:
Mögliche Schritte zum Erreichen des Ziels aussuchen, Vorbereitung auf eventuelles Scheitern mit der gewählten Strategie
3) Veränderungsplan erstellen
konkreter schriftlicher Entwurf zur Veränderungsplanung (enthält z.B. Gründe, Hauptziele der Veränderung, Menschen, die behilflich sein könnten und Art der Unterstützung)
(Die Phasen sind nicht rein/klar voneinander abgrenzbar)
Übergang zum Handlungsstadium
z.B. indem Klient ein Buch erwirbt, beginnt, ein Medikament zu nehmen etc.
Literatur:
Miller, William R. und Rollnick, Stephen: Motivierende Gesprächsführung: Ein Konzept zur Beratung von Menschen mit Suchtproblemen, Freiburg im Breisgau, 1999 ISBN 3784111416, Lambertus Verlag
Häufig gestellte Fragen
Was ist Motivierende Gesprächsführung?
Motivierende Gesprächsführung ist ein direktives, klientenzentriertes Beratungskonzept zur Lösung ambivalenter Einstellungen gegenüber Verhaltensänderungen. Es wurde ursprünglich im Bereich der Suchtbehandlung entwickelt, insbesondere für Alkoholabhängigkeit, als Alternative zu konfrontativen Ansätzen.
Wer hat die Motivierende Gesprächsführung entwickelt?
William R. Miller und Stephen Rollnick haben die Motivierende Gesprächsführung entwickelt und 1991 als Gesamtkonzept veröffentlicht.
Worauf basiert die Motivierende Gesprächsführung?
Sie basiert auf den Grundsätzen der humanistischen Therapieschulen nach Rogers, betont aber das direktive Element, bei dem der Berater ein bestimmtes Ziel verfolgt und Strategien gezielt einsetzt.
Was ist das Ziel der Motivierenden Gesprächsführung?
Das Ziel ist es, die Motivation zur Veränderung beim Klienten aufzubauen bzw. zu fördern, insbesondere in Bezug auf süchtiges Verhalten oder andere problematische Gewohnheiten.
In welchen Bereichen kann die Motivierende Gesprächsführung angewendet werden?
Sie kann im gesamten Suchtbereich (Alkohol-, Drogenmissbrauch, Ess-Störungen, Spielsucht etc.) angewendet werden, aber auch in anderen Bereichen wie Arbeitsamt, Justiz oder Bewährungshilfe.
Was sind die fünf Grundprinzipien der Motivierenden Gesprächsführung in der Anfangsphase?
Die fünf spezifischen Techniken der Gesprächsführung für die Anfangsphase sind: offene Fragen stellen, aktives Zuhören, bestätigen, zusammenfassen und selbstmotivierende Aussagen provozieren.
Welche Fallen können im Erstgespräch auftreten?
Mögliche Fallen sind: die Frage-Antwort-Falle, die Konfrontations-Verleugnungs-Falle, die Expertenfalle, die Etikettierungsfalle, die Vorzeitige-Eingrenzungs-Falle und die Schuld-Falle.
Wie geht man mit Widerstand um?
Widerstand wird als Zeichen dafür gesehen, dass die Strategien nicht zum Veränderungsstadium des Klienten passen. Strategien zur Reaktion umfassen Reflexion, Fokusverschiebung, Zustimmung mit einer Wendung, Betonung der Entscheidungsfreiheit und paradoxe Intervention.
Was beinhaltet die Phase der Selbstverpflichtung zur Veränderung?
Diese Phase beinhaltet die Vorbereitung des Übergangs, das Aushandeln eines Plans (Ziele festlegen, Veränderungsalternativen abwägen, Veränderungsplan erstellen) und den Übergang zum Handlungsstadium.
Welche Risiken bestehen beim Übergang in die Phase der Selbstverpflichtung?
Risiken sind das Unterschätzen der Ambivalenz, unangemessene Verordnung und mangelnde Lenkung.
Wo finde ich weiterführende Informationen zur Motivierenden Gesprächsführung?
Weiterführende Informationen finden sich im Buch "Motivierende Gesprächsführung: Ein Konzept zur Beratung von Menschen mit Suchtproblemen" von William R. Miller und Stephen Rollnick (Freiburg im Breisgau, 1999).
- Quote paper
- Christina Weinhardt (Author), 2002, Motivierende Gesprächsführung: Ein Konzept zur Beratung von Menschen mit Suchtproblemen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/107213