Was, wenn Musik mehr ist als nur Klang? Tauchen Sie ein in eine faszinierende Reise durch die Welt der Programmmusik, einer Kunstform, die seit Jahrhunderten Komponisten dazu inspiriert, Geschichten zu erzählen, Emotionen zu vermitteln und Bilder durch Töne zu malen. Von den ersten zaghaften Versuchen der Tonmalerei bis zu den opulenten sinfonischen Dichtungen der Romantik enthüllt dieses Buch die Entwicklung der Programmmusik und ihre einflussreichsten Vertreter. Entdecken Sie, wie Meister wie Berlioz, Liszt und Strauss die Grenzen der musikalischen Ausdruckskraft sprengten, indem sie literarische Werke, philosophische Konzepte und persönliche Erlebnisse in Klänge verwandelten. Erfahren Sie mehr über die 'idée fixe' von Berlioz, Liszts Streben nach einer poetischen Notwendigkeit in der Musik und Strauss' kühne Grenzüberschreitungen bei der Darstellung philosophischer Ideen. Untersuchen Sie die Kontroverse um die Programmmusik, die Auseinandersetzung zwischen Formalästhetik und Inhaltsästhetik und die Frage, ob Musik ohne Worte eine Geschichte erzählen kann. Analysieren Sie Schlüsselwerke wie Berlioz' "Symphonie Fantastique", Liszts "Dante-Sinfonie" und Strauss' "Also sprach Zarathustra" und erfahren Sie, wie diese Komponisten außermusikalische Ideen in ihre Kompositionen integrierten. Das Buch beleuchtet auch die Rolle der Programmmusik in verschiedenen Ländern, von Frankreich und Russland bis hin zu Böhmen und Skandinavien, und untersucht, wie nationale Identitäten und kulturelle Einflüsse die Entwicklung dieser Kunstform prägten. Schließlich wirft es einen Blick auf das Verschwinden der Programmmusik im 20. Jahrhundert und ihre mögliche Wiederbelebung in der Filmmusik und anderen Medien. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für Musikliebhaber, Studenten und alle, die die tieferen Bedeutungsebenen der Musik erkunden möchten. Es bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte, Ästhetik und Bedeutung der Programmmusik und lädt Sie ein, die Welt der Klänge mit neuen Augen und Ohren zu erleben. Erforschen Sie die Vielschichtigkeit der Musikgeschichte, von der Klassik bis zur Romantik, und entdecken Sie die Komponisten, die es wagten, mit Konventionen zu brechen und die Grenzen des musikalisch Sagbaren neu zu definieren. Begeben Sie sich auf eine Reise durch die Welt der Sinfonien, Tondichtungen und Konzerte und tauchen Sie ein in die emotionalen Tiefen und intellektuellen Höhen der Programmmusik. Lassen Sie sich von der Kraft der Musik verzaubern und entdecken Sie die Geschichten, die sie zu erzählen hat.
"Eine eindeutige, gültige Definition von Programmmusik hat es freilich nie gegeben. [...] Die Frage des Inhalts wurde zu einer der Leitfragen von Ä sthetik und Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, und so geriet Programmmusik hinein in die Auseinandersetzung zwischen 'Formal'- und 'Inhaltsästhetik'." [Goebel, S. 10-11]
Wo fängt Programmmusik an und wo hört sie auf?
Verschiedene Meinungen und Möglichkeiten der Begriffsklärung
Klauwell (1910) - Zusammenhang zwischen Programm und Musik:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus ‚MGG’ - Einteilung nach F. Niecks (1907):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dtv- Atlas zur Musik, Bd.1
Drei Grundmöglichkeiten, Außermusikalisches durch Musik darzustellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
The New Grove:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Exkurs:
Die Geschichte der Programmmusik bis Anfang des 19. Jahrhunderts
- Seitdem es Musik gibt, hat man Versuche zu Programmmusik (zunächst zu Tonmalerei) gemacht.
- Die Tonsymbolik ist noch älter als die Tonmalerei.
- Durch die Erfindung der Mehrstimmigkeit im Mittelalter gab es eine Bereicherung der musikalischen Gestaltungsmittel und damit bessere Möglichkeiten zur Tonmalerei.
- 16.Jhd.- Geeignetes und auch beliebtes Programm waren Schlachtenschilderungen.
- In den Text wurden Lautnachbildungen eingebunden und durch eine vielfältige Textverteilung erhielten die (ausdrucksschwachen, zeittypischen) konsonanten Dreiklänge rhythmisches Leben. ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Clément Jannequin)
- Notenbeispiel : Nicolas Gombert « chant des oiseaux » (dreistimmige Vogelmotette)
- Um die Jahrhundertwende entwickelte sich die rein instrumentale Tonmalerei (Italien) und damit beginnt die Geschichte der Programmmusik im eigentlichen Sinne.
- Notenbeispiel: Fantasie von John Munday (1. Versuch rein instrumentaler Pr.musik)
- Gegen Mitte des 17.Jhd. trat Johann Jakob Froberger (1616-1667) als erster deutscher Komponist programmatischer (Klavier-)Musik auf. Zu seiner „Tombeau“ (einer Totenklage) und seiner Suite Nr.25 verfasste er eigens Programme in lateinischer Sprache, die aber in der Musik nicht wieder erkennbar waren.
„ Es ist wohlüberflüssig zu sagen, dass es auch der kühnsten und naivsten Fantasie nicht gelingen wird, Beziehungen [...] zu dem geschilderten Vorgang aufzufinden, und wir müssen es dem Komponisten schon auf sein ehrliches Wort hin glauben, dass er die Dinge wirklich habe darstellen wollen. “ - Klauwell, S.28.
- Johann Kuhnau (1660-1722) machte sich als erster Verfasser von Programmsonaten (und gleichzeitig der Klaviersonate allgemein) einen Namen. Seine Programme traten außerdem erstmals deutlich in Beziehung zur Musik.
- 1700: „Musikalische Vorstellung einiger biblischer Historien, in sechs Sonaten auf dem Klavier zu spielen, allen Liebhabern zum Vergnügen versuchet von Johann Kuhnau“. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Sonatenprogramme abgedruckt!
(Er selbst sah in der Programmmusik „ nur ein, wenn auch mit Ernst [...] betriebenes Spiel schöpferischen Geistes, wohl geeignet, die Stärke und die Grenzen musikalischer Ausdrucksfähigkeit auf praktischem Wege zu ermitteln. “
- Klauwell, S.48.)
- In der ersten Hälfte des 18.Jhd. wagte auch Antonio Vivaldi (1680-1743) die Komposition von programmatischen Tondichtungen anhand einer Reihe von Konzerten, darunter auch „Le quattro stagioni“. Er wandte sich jedoch nach dem Misserfolg von „The enchanted forest“ in London wieder ganz von der Richtung ab.
- Mitte des Jahrhunderts schrieb Gregorius Josef Werner (1695-1766) seine sehr seltsame programmatische Komposition mit dem Titel „Neuer und sehr curios- Musikalischer Instrumental-Calender“ (Name gekürzt!). Sie ist ein Zyklus von (absolut-musikalischen) Einzelstücken, die sich nur im Ganzen zu einem vorher bestimmten Programm formieren, dem besagten Kalender.
- Mit Beginn der Klassik hörte die Komposition von programmatischen Werken wieder auf. („ Die eigentlicheüberquellende, originale Schöpferkraft “ der drei großen Klassiker ließ„ keinen Raum für das Aufkommen programmatischer Bestrebungen “ . - Klauwell, S.70.)
- Scheinbare Ausnahme: Beethovens „Pastoral-Sinfonie“, deren Bedeutung und Wert aber nicht wirklich auf einem programmatischen Zusammenhang beruhen. (Während die äußere Erscheinungsform alle Kennzeichen von Programmatik aufweist, würden die Stücke ohne jegliche Beschreibung trotzdem die selben Empfindungen auslösen, außerdem besteht kein Unterschied zu absoluter Musik.)
- Wirkliche Ausnahme: „Wellingtons Sieg“, das Beethoven aber ursprünglich nur geschrieben hat, um seinem Freund Mälzel einen Gefallen zu tun. (Dieser wollte damit sein neu erfundenes ‚Panharmonicum’ in England vorstellen.)
- Nur scheinbar gab es in der Klassik (fast) keine Programmkompositionen, aber eigentlich war sie eine sehr ergiebige Periode auf programmatischem Gebiet. Man könnte annehmen, dass die heute meist unbekannten, meisterhaften Komponisten damit dem ungünstigen Vergleich mit den drei Großen aus dem Weg gehen wollten.
- Zu erwähnen bleibt Karl von Dittersdorf (1739-1799), in dessen sinfonischen Werken (z.B. „Metamorphosen“ nach Ovid) sich der programmatische Grundgedanke wiederspiegelt, obwohl er absolut-musikalische Formen verwendet und es ihm an Erfindungen, Kenntnis der musikalischen Mittel und Kombinationskunst fehlte.
- Bis zu diesem Zeitpunkt lässt sich zusammenfassend feststellen, dass sich kein Komponist ausschließlich oder größtenteils nur mit Programmmusik befasst hat.
Die Programmmusik in der Romantik
- Robert Schumann (1810-1856) schlug mit prägnanten Überschriften zu seinen Werken den Bogen von einfach-romantischer zur Programmmusik. Diese waren allerdings nur als Anleitung für den Pianisten gedacht, denn Schumann war der Meinung, „schöne Musik“ sei wichtiger als ein Programm.
- In Paris kam um 1800 zum ersten Mal der Begriff „symphonie [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] programme“ auf.
- Mit H. Berlioz fing dann endlich die Zeit der eigentlichen Programmmusik an.
Hector Berlioz (1803- 1869) - der Vater der Programmmusik
Berlioz war für die Geschichte der Instrumentalmusik allgemein von großer Bedeutung. Dadurch, dass er neue Instrumente ins Orchester aufnahm und die Einzelinstrumente untereinander auf neue Weise mischte, erhielt er ein großes Spektrum an verschiedenen Klangfarben. Diese machte er zu seiner neuen Grundlage und Voraussetzung für die programmatischen Kompositionen.
Seine 'Idée fixe' (=Leitmotiv) wurde zu einer unschätzbaren Stütze der Programmmusik und in seinen Werken spiegelt sich auch die logische Konsequenz der Programmmusik wieder, die Zerstörung aller bisherigen Formen.
Drei seiner programmatischen Werke hatten auch Einfluss auf die Folgezeit, die "Symphonie Fantastique", "Romeo und Julia" und das symphonische Konzert "Harold en Italie", auf das ich hier etwas näher eingehen möchte.
Harold en Italie (1834)
Inspiriert zu der Harold-Sinfonie wurde Berlioz von dem Versepos "Childe Harold's Pilgrimage" von Lord Byron, den er wie viele andere seiner Zeit sehr verehrte. Dennoch handelt es sich hier nicht um eine Literaturvertonung. Vielmehr ist sie Ausdruck der Gedanken und Gefühle, die er mit seiner Italienreise verband und eine Verflechtung autobiographischer Einflüsse.
Als roter Faden führt das Thema der Solobratsche durch das Konzert. Ihre Klangfarbe soll Sinnbild für den lebensmüden Helden sein:
Berlioz Bestrebungen waren nur da auch wirklich künstlerisch erfolgreich, wo das Programm innerhalb der Grenzen des musikalisch Ausdrückbaren blieb. (Z. B. im Pilgermarsch und der Serenade von "Harold en Italie".) Seine Tonsätze sind im engsten Sinn programmatisch: Der Beweis, dass sie auch eine Berechtigung als eigenständige musikalische Kunstwerke haben, kann nicht erbracht werden.
- Ludwig Spohr (1784-1859) folgte in Deutschland der Richtung Berlioz (vier seiner neun Sinfonien hatten programmatischen Charakter), aber er war trotzdem nicht davon überzeugt und hat sie nur geschrieben, weil er beim Publikum damit Erfolg hatte. In all seinen Stücken blieb er den Formen der absoluten Musik treu.
- In Franz Liszt fand Berlioz einen guten Freund und absoluten Verfechter der Programmatik. Das umfassendste Glaubensbekenntnis zur Programmmusik machte er 1855 in seinem Essay über Berlioz ("B. und seine Harold-Sinfonie").
Franz Liszt - und sein Hang zur Programmatik
Liszt hatte schon früh die Neigung, andere Künste in seine Kompositionen einzubeziehen, um eine vertiefte musikalische Wirkung zu erzielen. Er war der Meinung, ein Komponist solle ruhig seine geistige Skizze kurz darstellen dürfen und wollte mit seinen Programmen dem Bedürfnis des Publikums und des Künstlers nach Erläuterung nachkommen. Die wichtigste Aufgabe aber bestehe darin, dass das Programm vor der Willkür poetischer Auslegung Schutz gewähren sollte. Liszt sagt, dass das „ Programm oder der Titel sich nur dann rechtfertigen lassen, wenn sie eine poetische Nothwendigkeit, ein unablösbarer Theil des Ganzen und zu seinem Verständnis unentbehrlich sind “ (Goebel, S. 17).
Da die Programmsinfonie die ideale Kunstform der Zeit war und von der selben Wichtigkeit wie das Oratorium oder die Kantate war, hatte Liszt Angst, diese könnte zur ausschließlichen Musikform werden. Er fand, man müsse ein neues, freies Betätigungsfeld für die Programmmusik finden, das aber einen niedrigeren Stellenwert als die absolute Musik haben sollte. Mit den Verfechtern dieser hatte er nur einen Standpunkt gemeinsam - dass die Musik alles sagt, ohne etwas auszusprechen. Darüber, wie sie das anstellen soll, gingen natürlich die Meinungen wieder auseinander (‚musikalische Logik‘ vs. ‚poetisches Programm‘).
Angeregt durch die Programmatik von Berlioz erfand er die Sinfonische Dichtung.
Die Sinfonische Dichtung [nach Wörner und Klauwell]
- hebt alle bisherigen musikalischen Formen auf.
- ist aus der romantischen Klavierfantasie und der Opernouvertüre der Klassik und Romantik heraus gewachsen. (Sonatenhauptsatzform bleibt oft in Umrissen erkennbar.)
- besteht nur aus einem durchkomponierten Satz.
- hat bei Liszt vier Darstellungskreise: philosophisch-weltanschauliche Stoffe, Stoffe literarischen Charakters, bildliche Vorstellungen und die eigene Erlebniswelt.
- Ihre Musik ist keine realistische Darstellung eines Themas oder Handlungsablaufes, sondern schöpft den Stimmungsgehalt aus.
- beinhaltet eine große heroische, oft theatralische Gestik der Themen, einen besonderen lyrischen Schwung, kühne Tonmalerei, bahnbrechende Harmonik und Orchestereffekte, die das ganze Jahrhundert beeinflussten.
- setzt sich vom Wortsinn her aus einer passenden Doppelbedeutung zusammen: Sinfonie und gleichzeitig Abbild einer Dichtung.
Liszts einzigen beiden nicht durchkomponierten Werke stellen gleichzeitig den programmmusikalischen Höhepunkt seines Schaffens dar. Dies sind die „Faust“ - und die „Dante-Sinfonie“. Letztere werde ich im Folgenden etwas näher beschreiben.
Dante-Sinfonie
(vollständiger Name: „Eine Sinfonie zu Dantes Divina commedia“)
In diesem Werk entfernt sich Liszt ganz und gar von der klassischen sinfonischen Form, mehr noch als in seiner „Faust- Sinfonie“. Es geht um die Schilderung zweier gegensätzlicher Zustände - der permanent gleichbleibenden Schrecklichkeit, der gegenüber die Seligkeit steht (nur in mystischer Weise angedeutet), welche mehr die künstlerische Tonmalerei zur Darstellung benötigen als eine logisch fortschreitende musikalische Entwicklung.
Gleich am Anfang des ersten Satzes wird der Hörer von einem Schauergefühl erfüllt, hervorgerufen durch erschreckende Posauenstöße, Paukenwirbel und Tantam-Schläge. Sie sollen die Höllenqualen darstellen und symbolisieren musikalisch-rhytmisch die berühmte Inschrift, mit der bei Dante das Höllentor überschrieben ist und deren Wortlaut Liszt den Posaunennoten extra zugefügt hat.
- Außer Berlioz und Liszt haben zu jener Zeit nur wenige versucht, Programmmusik zu komponieren. Einer davon war Karl Löwe (1796- 1869), der sich einige wenige Male an programmatischer Klaviermusik versucht hat. Die meisten Kollegen Liszts wollten zwar programmatische Inhalte, aber nur in absolut klassischen Formen.
- Gegen Mitte des Jahrhunderts nahmen programmatische Kompositionen in der Klav iermusik wieder ab, da das Orchester doch eigentlich das einzige ausreichende Ausdrucksorgan dafür war.
- Durch die Neudeutsche Schule hervorgerufen, wurde die Programmmusik sogar zur offiziellen Parteiangelegenheit.
- Unmittelbarer Nachfolger Liszts , zeitlich und vom Erfolg her gesehen wurde Joachim Raff (1822-1882).
- Weitere Komponisten, die dem Beispiel Liszts offenbar folgten, waren: Alexander Ritter, Hans von Bülow, Josef Huber, August Klughardt, Georg Riemenschneider, Jean Louis Nicodé, Philipp Scharwenka und andere.
- Letzter großer Programmmusiker des letzten Jahrhunderts wurde Richard Strauss, der sozusagen das Erbe von Berlioz, Liszt und auch Wagner (in der Orchesterkunst) antrat.
Richard Strauss (1864- 1949) und der Gipfel der Programmmusik
Strauss war der Komponist, der die letzten Konsequenzen aus der Programmmusik zog. In seinem programmatischen Gesamtwerk spiegelt sich ein systematisches Vorwärtsgehen in Bezug auf die musikalische Darstellbarkeit poetischer Vorgänge ab. Er strebte immer nach einer Erweiterung seines Machtbereiches. Für ihn war nicht nur der Gefühlsinhalt wichtig, sondern alles innere und äußere Geschehen. Strauss ließdas Stoffliche geradezu mit dem Formalen verschmelzen.
In Kontakt mit der eigentlichen Programmmusik kam er durch Alexander Ritter, der ihn in Wagners und Liszts Tonwelt einführte. Die gefiel ihm so gut, dass er danach fast umgehend zur ‚schrankenlosen Freiheit’ (=Programmmusik) überwechselte. Seine erste wirkliche Programmkomposition war „Don Juan“(1889). Es folgten „Macbeth“, „Till Eulenspiegel“ und „Also sprach Zarathustra“, das ich hier näher erläutern möchte.
Also sprach Zarathustra (1895)
In diesem Werk der Programmmusik im engsten Sinne wagt Strauss eine Art Grenzüberschreitung, denn eigentlich liegt die Darstellung des dahinter stehenden Sujets - die Entwicklung einer philosophischen Idee (frei nach F. Nietzsches gleichnamigem Buch)- außerhalb der musikalischen Möglichkeiten. Daher ist das Stück auch sehr abhängig vom beigefügten Programm und hat ohne dieses keinen besonderen musikalischen Wert. Weiterhin fordert es eine gute und bewusste Verstandestätigkeit. Der Inhalt besteht aus der Entwicklung des Menschen zum ‚Übermenschen’, hervorgerufen durch den Prozess der Selbstüberwindung.
(Nietzsche: „ Schaffen - das ist die gro ße Erlösung vom Leiden und des Lebens Leichtwerden. “)
So stellt das eigentliche Programm die ‚Befreiungen’ von den Fesseln der Religion und ihrer Moral, von den sinnlichen Freuden des irdischen Lebens und von den ewig unfruchtbaren Versuchen, auf verstandesmäßig- wissenschaftliche Weise das Rätsel dieses Daseins lösen zu wollen, dar.
Zwei weitere berühmte Werke mit programmatischem Hintergrund waren noch „Don Quixote“ und das „Heldenleben“, welches wie „Zarathustra“ eher auf intellektueller Basis ansprechend war. Den vorläufigen Zielpunkt seiner programmatischen Schaffenstätigkeit erreichte Strauss mit der „Sinfonia domestica“, die gleichzeitig auch den Höhepunkt seiner fortlaufenden Entwicklung musikalischer Mittel darstellet. Er arbeitete mit einem Orchester riesiger Größe und einer nie da gewesenen Verwendung der dazugehörigen Instrumente (besonders ausgefallene Instrumentation).
Ausländische Vertreter der spätromantischen Programmmusik und die programmmusikalische Entwicklung nach der Romantik allgemein
Auch wenn das Ausland die programmatische Entwicklung nicht besonders vertieft oder vorwärts getrieben hat, so ist diese dadurch doch sehr weit verbreitet und ihr Spektrum verbreitert worden.
Für jedes daran beteiligte Land, möchte ich nur kurz seine wichtigsten Vertreter nennen.
- Frankreich: Camille Saint-Saens (« La jeunesse d’Hercule »), César Franck, Gabriel Fauré, Claude Debussy, Paul Dukas („Der Zauberlehrling“)
- Belgien: Sylvain Dupuis, Paul Gilson (« La mer »)
- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Alle programmatischen Kompositionen aus dem französisch- sprachigen Raum waren nur Gelegenheitswerke.
- Russland: Anton Rubinstein („Don Quixote“), Mily Balakirew („Thamar“), Nikolaj Rimskij-Korsakow („Scheherazade“), Peter Iljitsch Tschaikowskij („Manfred-Sinfonie“, „Francesca da Rimini“), Alexander Glazounow („Stenka Razine“)
- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die Russen fanden in der Programmmusik eine geeignete Ausdrucksform für ihre Lebensart und ihr Lebensbild. Dort gewann die Programmmusik auch mehr Einfluss auf die allgemeine nationale Musikentwicklung.
- Tschechien/Böhmen: Friedrich Smetana („Ma vlast“), Eduard F. Naprawnik („Der Dämon“), Anton Dvorák (wurde zum Ende seines Lebens ausgesprochener Vertreter der programmatischen Musikrichtung)
- Norwegen: Johan S. Svendsen („Zorahayde“), Johan Selmer („Prometheus“)
- Finnland: Jean Sibelius (Kompositionen waren abhängig vom Programm, aber nicht wirklich programmatisch)
- Einige wenige Kompositionen mit programmmusikalischer Richtung entstanden auch in Italien, New York und Südamerika.
Zu Anfang des 20.Jhd. gingen die Programmthemen wieder weg von realen Vorgängen und hin zu psychischen Darstellungen. Nach und nach gewann die Programmmusik im weiteren Sinne die Vorherrschaft.
Während der ersten dreißig Jahre des Jahrhunderts wandte sich die musikalische Welt immer mehr ganz von programmatischen Werken ab. Beispiele für Programmmusik aus dieser Zeit sind u.a. Schönbergs „Verklärte Nacht“ op.4, A. Skjabins Sinfonie Nr. 3 und A.Honeggers „Pacific 231“. Für Komponisten, die vielleicht Programmmusik hätten schreiben können, fand sich um 1930 ein neues Betätigungsfeld, nämlich die Hintergrundmusik für Film und Rundfunk, sowie später auch das Fernsehen.
Wahrscheinlich wird es immer hier und da ein Stück (auch wirkliche) Programmmusik geben, doch ihre Blütezeit war und ist dem 19. Jahrhundert vorbehalten.
Mögliche Klausurfragen:
1. Nennen Sie mindestens drei vorromantische Komponisten, die sich mit programmatischen Inhalten beschäftigt haben.
2. Welche Aufgabe/n hat die Programmmusik nach Liszts Meinung?
3. Benennen Sie mindestens drei Darstellungskreise, auf die sich Liszt in seinen Sinfonischen Dichtungen bezieht.
4. Inwiefern war Strauss in Bezug auf die Programmmusik ein Grenzgänger?
Literatur:
- Meyers Handbuch über die Musik, Mannheim 1961
- Karl H. Wörner: Geschichte der Musik, Vandenhoeck & Ruprecht, 1975
- Dtv -Atlas zur Musik Bd. 1, 1977
- Norman Lloyd: Großes Lexikon der Musik, 1968
- Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 1962
- The New Grove - Dictionary of Music and Musicians, 2001
- Brockhaus/Riemann Musik-Lexikon, 1979
- Wolfgang Dömling: Hector Berlioz und seine Zeit, Laaber- Verlag, 1986
- Dr. Otto Klauwell: Geschichte der Programmmusik, Dr.Martin Sändig oHG, 1968
Häufig gestellte Fragen
Was ist Programmmusik?
Programmmusik ist Musik, die versucht, außermusikalische Ideen, Geschichten, Bilder oder Emotionen darzustellen. Es gibt keine eindeutige Definition, und die Frage des Inhalts war ein wichtiger Punkt in der Ästhetik und Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts.
Wie kann außermusikalisches in Musik dargestellt werden?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, darunter Tonsymbolik, Tonmalerei und die Verwendung von Leitmotiven (wie Berlioz' 'Idée fixe'). Komponisten können auch bestimmte Instrumente oder Orchesterklänge verwenden, um bestimmte Bilder oder Stimmungen hervorzurufen.
Wer waren einige wichtige Komponisten der Programmmusik vor der Romantik?
Einige Beispiele sind Clément Jannequin, Nicolas Gombert, John Munday, Johann Jakob Froberger, Johann Kuhnau und Antonio Vivaldi. Diese Komponisten experimentierten mit Tonmalerei und programmatischen Elementen in ihren Werken.
Wer gilt als "Vater der Programmmusik"?
Hector Berlioz wird oft als "Vater der Programmmusik" bezeichnet. Er erweiterte das Orchester, experimentierte mit Klangfarben und entwickelte die 'Idée fixe' (Leitmotiv), die für die Programmmusik von großer Bedeutung wurde.
Was ist eine Sinfonische Dichtung und wer hat sie erfunden?
Die Sinfonische Dichtung ist eine musikalische Form, die von Franz Liszt erfunden wurde. Sie ist einsätzig, durchkomponiert und hebt alle bisherigen musikalischen Formen auf. Sie versucht, Stimmungen oder Ideen aus literarischen, philosophischen oder bildlichen Vorstellungen auszudrücken.
Nennen Sie einige Beispiele für Liszts Sinfonische Dichtungen.
Die „Faust“- und die „Dante-Sinfonie“ sind Höhepunkte seines programmmusikalischen Schaffens.
Wer war Richard Strauss und warum ist er wichtig für die Programmmusik?
Richard Strauss gilt als einer der wichtigsten Komponisten der spätromantischen Programmmusik. Er trieb die Darstellung poetischer Vorgänge in der Musik auf die Spitze und verschmolz Stoffliches und Formales in seinen Werken. Beispiele sind "Don Juan," "Also sprach Zarathustra," und "Ein Heldenleben."
Was ist "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss?
Es ist eine Tondichtung, die von Friedrich Nietzsches gleichnamigem Buch inspiriert ist und die Entwicklung des Menschen zum ‚Übermenschen’ darstellt. Es gilt als Grenzüberschreitung, da es versucht, eine philosophische Idee musikalisch darzustellen.
Welche anderen Länder trugen zur Entwicklung der Programmmusik bei?
Frankreich, Belgien, Russland, Tschechien/Böhmen, Norwegen, Finnland und in geringerem Maße auch Italien, New York und Südamerika.
Wie entwickelte sich die Programmmusik im 20. Jahrhundert?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wendete sich die Programmmusik von realen Vorgängen ab und konzentrierte sich mehr auf psychische Darstellungen. In den ersten dreißig Jahren des Jahrhunderts wandte sich die musikalische Welt größtenteils von programmatischer Musik ab. Ab etwa 1930 fand sich für Komponisten, die sonst Programmmusik geschrieben hätten, ein neues Betätigungsfeld in der Film- und Rundfunkmusik.
Welche Bedeutung hat die Programmmusik heute?
Obwohl es immer noch Beispiele für Programmmusik gibt, war ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert.
Nennen Sie mindestens drei vorromantische Komponisten, die sich mit programmatischen Inhalten beschäftigt haben.
Clément Jannequin, Nicolas Gombert, John Munday, Johann Jakob Froberger, Johann Kuhnau und Antonio Vivaldi.
Welche Aufgabe/n hat die Programmmusik nach Liszts Meinung?
Ein Komponist solle ruhig seine geistige Skizze kurz darstellen dürfen und wollte mit seinen Programmen dem Bedürfnis des Publikums und des Künstlers nach Erläuterung nachkommen. Die wichtigste Aufgabe aber bestehe darin, dass das Programm vor der Willkür poetischer Auslegung Schutz gewähren sollte.
Benennen Sie mindestens drei Darstellungskreise, auf die sich Liszt in seinen Sinfonischen Dichtungen bezieht.
philosophisch-weltanschauliche Stoffe, Stoffe literarischen Charakters, bildliche Vorstellungen und die eigene Erlebniswelt.
Inwiefern war Strauss in Bezug auf die Programmmusik ein Grenzgänger?
In diesem Werk der Programmmusik im engsten Sinne wagt Strauss eine Art Grenzüberschreitung, denn eigentlich liegt die Darstellung des dahinter stehenden Sujets - die Entwicklung einer philosophischen Idee (frei nach F. Nietzsches gleichnamigem Buch)- außerhalb der musikalischen Möglichkeiten.
- Arbeit zitieren
- Friederike Georg (Autor:in), 2001, Programmmusik, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/105122