Stell dir eine Welt vor, in der die Trümmer des Krieges nicht nur Städte, sondern auch Seelen bedecken. Wolfgang Borcherts "Das ist unser Manifest" ist ein kraftvoller Schrei aus dieser Ödnis, ein Aufruf zur radikalen Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg. Borchert fängt die Zerrissenheit einer Generation ein, die mit dem Trauma der Schlacht und dem Verlust der Unschuld konfrontiert ist. Seine Sprache ist roh, direkt und ungeschminkt, ein Kahlschlag, der mit den Konventionen bricht, um die nackte Wahrheit zu enthüllen. Es ist eine Anklage gegen den Krieg, gegen die blinde Autorität und die verlogene Propaganda, die junge Männer in den sinnlosen Tod trieb. Doch inmitten der Dunkelheit flammt ein Funke Hoffnung auf, ein unbändiger Lebenswille, der sich gegen die Resignation stemmt. Die Heimkehrer sehnen sich nach Frieden, nach Freundschaft, nach den einfachen Dingen des Lebens, die im Angesicht des Todes an Wert gewonnen haben. Der Jazz wird zur Katharsis, zur Ausdrucksform einer Generation, deren Herz im gleichen heißkalten Rhythmus schlägt. Borchert fordert eine neue Kunst, eine neue Moral, die auf Ehrlichkeit und Mitgefühl basiert. Er appelliert an die Jugend, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, eine bessere Zukunft zu gestalten und sich dem Leben trotz allem Leid und aller Schrecken wieder zuzuwenden. "Das ist unser Manifest" ist ein zeitloses Dokument der Nachkriegszeit, ein Plädoyer für Menschlichkeit, ein Aufruf zur Verantwortung und ein Zeugnis der unerschütterlichen Kraft des menschlichen Geistes, der selbst in den dunkelsten Stunden nach Licht sucht. Eine kraftvolle Auseinandersetzung mit Schuld, Sühne und der Notwendigkeit, aus der Asche eine neue Welt zu erschaffen, ein Muss für jeden, der die deutsche Nachkriegsliteratur und die Verarbeitung von Kriegstraumata verstehen will. Es ist eine Reise durch die zerstörten Landschaften Deutschlands, sowohl physisch als auch psychisch, und ein tiefgründiges Porträt einer Generation im Umbruch.
Wolfgang Borchert „Das ist unser Manifest“
Die Kurzgeschichte „Das ist unser Manifest“ von Wolfgang Borchert, ist ein Teil seines Buches „Draußen vor Tür“. Wolfgang Borchert schrieb sein Werk ,,Draußen vor der Tür" in nur wenigen Tagen, als er direkt aus dem 2. Weltkrieg in das zerstörte Hamburg zurückkam. Das Drama handelt von der allgemeinen Heimkehrerproblematik, die Wolfgang Borchert zu der Zeit am eigenen Leib erfuhr.
Nach dem Krieg war Deutschland zerstört und die deutschen Städte glichen größtenteils nur noch Ruinen. Die Bevölkerung litt unter Hunger und hatte um ihr Überleben zu kämpfen. Parallel zu der äußeren Zerstörung waren die Menschen im Deutschland nach der totalen Niederlage auch innerlich zerrissen.
Eben an diesem Punkt wollte ein Teil der Nachkriegsautoren ansetzen: Aus der Zerrissenheit sollte ein neues Bewußtsein wachsen, was ein Aufleben des vergangenen faschistischen Schreckens nie mehr möglich machen sollte.
Zu diesem Zweck mußte aber eine vollkommen "neue" und unbelastete Sprache geschaffen werden, die die Zurückhaltung aus Festnahmen des Dritten Reichs und auch mit der Zensur der Vergangenheit definitiv bricht, da die Autoren der Meinung waren auch jene verfälsche nur die Wahrheit.
Aus diesen Motiven heraus ist die Kahlschlagliteratur, von welcher Borchert ein Vertreter ist, entstanden.
In „Das ist unser Manifest“ spricht Borchert für eine ganze Gruppe, die zum Kriegsende von der Front zurück nach Hause kehrt. „nie mehr“ heißt es bereits in Zeile eins, „Kanonen und Feldwebel brüllen nicht mehr“ in Zeile zwei und folgender. Borchert personifiziert die Kanonen, um deren wichtige Stellung während eines Krieges zu verdeutlichen. Man hat die Gegenwart zur Kenntnis genommen und ist sich einig, nie wieder zu einem Krieg anzutreten. Dennoch haben sich die Bilder der Schlacht in die Köpfe der Soldaten gebrannt, und sie wissen, dass sie diese nie wieder los werden können. („furchtbare Schlacht“, Zeile 9) Das einzig Positive, was die Gruppe aus dem Krieg mit nach Hause brachte ist, dass sie den Wert von Freundschaft, und alltäglichen Dingen wie Brot, eine warme Schlafgelegenheit oder eine furchtlose Nacht erlernten. Die Soldaten sind froh sich jetzt wieder auf ein normales Leben umstellen zu können, aber sie wissen, dass es nie sein wird wie ihrer Einberufung an die Front: „...denn jeder marschiert von nun an allein. Das ist schön. Das ist Schwer.“ (Zeile 21f). Ein weiteres Stilmittel Borcherts, kurze, abgehackte Sätze, wird hier deutlich. Er vermeidet kompliziertere Satzgefüge mittels parataktischer Reihungen. Er redet nicht um das Geschehen herum, sondern offenbart deutlich und einfach seine Gedanken und Gefühle. Ohne Rücksicht spricht er offen Missstände des Krieges an. Junge Männer setzen ihr Leben für ihr Vaterland aufs Spiel, werden dabei unterdrückt, ihr freies Leben und ihre Rechte werden ihnen genommen. „...der niemals was sagt, der alles verdaut“ (Zeile 23f). Im Weiteren Verlauf des Hauptteils spricht Borchert über die Jazzmusik. Damit versucht die Gruppe zu vergessen, abzuschalten, alles hinter sich zu lassen, es lenkt sie ab, und hilft ihnen über Geschehenes hinweg. Sie können sich mit dem Jazz identifizieren, er ist ihnen ähnlich „Der Jazz ist unsere Musik das heiße verrückttolle Lied“ (Zeile 25ff ), „...denn unser Herz und unser Hirn haben den selben heißkalten Rhythmus“ Aber immer wieder kommen die Bilder des Krieges in ihnen hoch, was sie erlebten, werden nie ganz vergessen können. „...und manchmal noch das alte sentimentale Soldatengegröl“ (Zeile 29f).
Aus dieser Situation heraus beginnt Borchert stellvertretend für die Gruppe Forderungen nach einer neuen "Harmonielehre". So fordert er eine neue Kunst, welche nicht unbedingt über die
Wirklichkeit hinwegtäuscht, eine ungeschönte Poesie und das Schrille und Ununterbrochene, verkörpert von seiner Forderung nach Jazz.
Weiterhin wiederholt Borchert Kernbegriffe sehr häufig. Bestes Beispiel im Verlauf des
Hauptteils, ist das Wort „lila“. Es symbolisiert Blut, erfrorene Körper, den Tod, das Leid der Menschen und ebenfalls den vom Kanonen beleuchteten Abendhimmel. „Die lilane Erlösung? Wir brauchen kein Stillleben mehr, unser Leben ist laut“ (Zeile zwei). Der Krieg wird als schuldig an der momentanen Situation entlarvt und verurteilt. Borchert will der Öffentlichkeit und uns als Generation, die sich glücklich schätzen darf, in Friedenszeiten zu leben, ganz klar und ohne Verschönerungen und ohne Weglassen die Eindrücke des zweiten Weltkrieges vermitteln. So heißt es ab Zeile 3: „Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt uns Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen heiser geschluchzten Gefühl.“ Er hat weder die Zeit, noch das Bedürfnis, irgendetwas verschönigt oder abgeschwächt zu präsentieren.
Während dem gesamten Verlauf des Hauptteils bekommt man das Gefühl vermittelt, dass der allwissende Erzähler den Kopf hängen lässt, und es nicht mehr die Kraft hat um aufzustehen um einen Neuanfang zu wagen („.. und die Nacht ist voll Tod: Unsere Nacht: Denn unser Schlaf ist voll Schlacht. Unsere Nacht ist im Traumtod voller Gefechtslärm. Und die nachts bei uns bleiben, die lilanen Mädchen, die wissen das und morgens sind sie noch blass von der Not unsere Nacht “ Zeile 20ff). Borchert verharrt aber nicht in seiner fordernden und ablehnenden Haltung, sondern gegen Ende des Textes offenbart er seine Liebe zum Leben und zum zerstörten Deutschland. Ein Neuanfang soll gemacht werden, mit einer neuen Moral als Basis, nämlich der Moral der Wahrheit.
„Nein Mütter dafür starbt ihr nicht in jedem Krieg zehntausendmal!...Unser Nein ist
Protest Häuser müssen wir bauen in die freie Luft unseres Neins!“ (ab Zeile 39),
„..denn wir lieben diese gigantische Wüste, die Deutschland heißt.“(Zeile 39f)
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in Wolfgang Borcherts „Das ist unser Manifest“?
Die Kurzgeschichte „Das ist unser Manifest“ von Wolfgang Borchert handelt von den Erfahrungen einer Gruppe von Soldaten, die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren. Es geht um die Zerstörung Deutschlands, sowohl äußerlich als auch innerlich, und den Wunsch nach einem Neuanfang und einer neuen Sprache, die die Wahrheit ungeschönt darstellt.
Was ist die Heimkehrerproblematik, die in Borcherts Werk angesprochen wird?
Die Heimkehrerproblematik bezieht sich auf die Schwierigkeiten, die Soldaten nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg haben, sich wieder in das zivile Leben einzugewöhnen. Dazu gehören traumatische Kriegserlebnisse, die Zerstörung ihrer Heimat und die Suche nach einer neuen Perspektive in einer veränderten Gesellschaft.
Was ist Kahlschlagliteratur und warum ist Borchert ein Vertreter dieser Richtung?
Die Kahlschlagliteratur ist eine Strömung in der deutschen Nachkriegsliteratur, die sich durch eine einfache, schnörkellose Sprache auszeichnet. Sie will die Realität ungeschönt und direkt darstellen, ohne Rücksicht auf Konventionen oder Zensur. Borchert ist ein Vertreter dieser Richtung, weil er offen und ehrlich die Schrecken des Krieges und die Missstände der Nachkriegszeit anspricht.
Was symbolisiert das Wort "lila" in Borcherts Text?
Das Wort "lila" symbolisiert verschiedene Aspekte des Krieges und seiner Folgen, darunter Blut, erfrorene Körper, Tod, Leid der Menschen und den vom Kanonen beleuchteten Abendhimmel. Es ist ein vielschichtiges Symbol für die traumatischen Erfahrungen der Soldaten.
Welche Rolle spielt die Jazzmusik in "Das ist unser Manifest"?
Die Jazzmusik dient der Gruppe von Soldaten als Möglichkeit, die Kriegserlebnisse zu vergessen, abzuschalten und sich abzulenken. Sie identifizieren sich mit dem Rhythmus und der Energie des Jazz, die ihre eigenen Gefühle und Gedanken widerspiegeln.
Welche Forderungen stellt Borchert im Hinblick auf eine neue Kunst und Poesie?
Borchert fordert eine neue Kunst, die die Realität ungeschönt darstellt und nicht über sie hinwegtäuscht. Er wünscht sich eine Poesie, die ehrlich und authentisch ist und die Schrecken des Krieges und die Missstände der Nachkriegszeit offen anspricht.
Welche Botschaft vermittelt Borchert am Ende des Textes?
Trotz aller Leiden und schrecklichen Erinnerungen ruft Borchert seine Mitmenschen auf, das Leben zu lieben und einen Neuanfang zu wagen. Er fordert sie auf, in dieser zerstörten Welt wieder und immer wieder zu leben und eine friedliche Zukunft aufzubauen.
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- Franziska Bigalke (Author), 2001, Borchert, Wolfgang - Das ist unser Manifest #, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/104947