In einer Welt, in der Liebe auf unüberwindbare Mauern trifft, entfaltet sich eine Geschichte von brennender Leidenschaft und tragischer Entschlossenheit. Pyramus und Thisbe, ein zeitloser Klassiker, zieht Leser in seinen Bann, indem er die tiefsten Abgründe menschlicher Gefühle erkundet. Zwei Liebende, durch verfeindete Familien getrennt, trotzen allen Widrigkeiten, um ihre Verbindung aufrechtzuerhalten. Heimliche Botschaften durch einen Mauerspalt werden zum Lebenselixier ihrer verbotenen Romanze. Doch als ein riskantes Treffen in der Dunkelheit der Nacht geplant wird, nimmt das Schicksal eine grausame Wendung. Missverständnisse, Furcht und ein tragischer Irrtum führen zu einem herzzerreißenden Ende, das die Leser bis zur letzten Seite fesselt. Diese ergreifende Erzählung, angesiedelt in der prunkvollen Kulisse des antiken Babylon, thematisiert nicht nur die alles verzehrende Kraft der Liebe, sondern auch die verheerenden Konsequenzen von Vorurteilen und unüberlegten Handlungen. Pyramus und Thisbe ist eine unvergessliche Lektüre über Opferbereitschaft, die Suche nach Freiheit und die unsterbliche Sehnsucht nach wahrer Seelenverwandtschaft. Tauchen Sie ein in eine Welt voller Poesie und Dramatik, in der Liebe und Tod auf ewig miteinander verbunden sind. Erleben Sie die zeitlose Geschichte zweier Liebender, deren Schicksal die Herzen der Leser über Generationen hinweg berührt. Lassen Sie sich von den kraftvollen Bildern und der ergreifenden Sprache in eine andere Zeit entführen, und entdecken Sie die universellen Wahrheiten, die in dieser tragischen Liebesgeschichte verborgen liegen. Entdecken Sie die Schönheit und den Schmerz der Liebe in einer Welt, die von Konflikten und Missverständnissen geprägt ist. Begleiten Sie Pyramus und Thisbe auf ihrem Weg, der von Hoffnung, Verzweiflung und letztendlich von ewiger Verbundenheit gezeichnet ist. Eine Geschichte, die noch lange nach dem Zuklappen des Buches nachhallt und zum Nachdenken über die wahren Werte des Lebens anregt.
Pyramus & Thisbe (Ovid)
„Pyramus et Thisbe, iuvenum pulcherrimus alter, altera, quas oriens habuit, praelata puellis, contiguas tenuere domos, ubi dicitur altam coctilibus muris cinxisse Semiramis urbem.
praelata puellis - bevorzugt/ausgezeichnet unter den Mädchen contingere - berühren, angrenzen contiguas domos tenere - in benachbarten Häusern wohnen cingere, o, inxi, cinctus - umgeben, umgürten
„Pyramus und Thisbe, der eine, der schönste der Jünglinge, die andere, die vorzügliche unter den Mädchen, die das Morgenland hatte, bewohnten benachbarte Häuser (einander angrenzende), dort, wo Semiramis, der Sage nach, die hohe Stadt mit Backsteinmauern umgeben hat.
(S.wird gesagt, die hohe Stadt mit B. umgeben zu haben.)
Notitiam primosque gradus vicinia fecit; tempore crevit amor; taedae quoque iure coissent, sed vetuere patres; quod non potuere vetare: ex aequo captis ardebant mentibus ambo.
taeda - Hochzeit(sfackel), Ehe
taedae iure coire - nach dem Eherecht zusammenkommen = (offiziell) heiraten
ex aequo - gleicherweise, in gleichem Maße vetare, o, ui - verbieten
ambo(Nominativ) - beide
Die Nachbarschaft machte die (gegenseitige) Bekanntschaft und führte zu den ersten Schritten (aufeinander zu):die Liebe wuchs mit der Zeit; sie wären auch durch das Recht der Ehe zusammengekommen: aber die Väter verboten es: was sie nicht verbieten konnten, beide glühten gleicherweise mit ergriffenen Herzen (Gemütern).
Conscius omnis abest; nutu signisque loquuntur, quoque magis tegitur, tectus magis aestuat ignis.
conscius - Mitwisser, Zeuge
nutus, us m - Kopfnicken, Wink
aestuare - heiß sein, lodern, aufbrausen
Jeglicher Mitwisser fehlt; sie sprechen durch Kopfnicken und Zeichen, je mehr es bedeckt wird, um so mehr lodert das heimliche Feuer.
Fissus erat tenui rima, quam duxerat olim, cum fieret, paries domui communis utrique
fissus - gespalten
rima - Riss, Spalt
rimam ducere - e-n Riss bekommen, bilden
paries, ieitis m - Wand, Mauer
tenuis - zart
uterque - jeder von beiden
domui - Locativ
Die gemeinsame Wand in dem Haus von beiden war durch einen winzigen Riss gespalten, den sie einst bekommen hatte, als sie gemacht wurde.
Id vitium nulli per saecula longa notatum (quid non sentit amor?) primi vidistis amantes et vocis fecistis iter; tutaeque per illud murmure blanditiae minimo transire solebant.
blanditae, arum - Schmeichelworte, liebevolle Worte murmur, uris n - Murmeln, Flüstern
Ihr Liebenden habt diesen Fehler als erste gesehen, der von keinem durch die langen Jahrhunderte bemerkt worden war (was nimmt die Liebe nicht wahr?) und ihr habt ihn zum Weg für eure Stimmen gemacht; und die liebevollen Worte pflegten sicher (eigentl. Adj. zu bland.) durch jenen mit leisestem Flüstern hindurchzugehen.
Saepe, ubi constiterant hinc Thisbe, Pyramus illinc, inque vices fuerat captatus anhelitus oris, `invide` dicebant `paries, quid amantibus obstas? Quantum erat, ut sineres toto nos corpore iungi, aut, hoc si nimium est, vel ad oscula danda pateres?
hinc-illinc - auf dieser Seite-auf jener (Seite)
invidere - beneiden
vicis (Gen.sg)- Wechsel in vices - gegenseitig anhelitus - Atem
captare - erhaschen, auffangen
fuerat = erat
patere - öffnen
quantum - soviel
nimium - zu viel, zu außerordentlich
vel - hier: auch nur
invidus - neidisch, eifersüchtig
obstare - im Wege stehen
Wäre es so viel, dass du zuließest, dass wir mit unserem ganzen Körper vereinigt werden, oder , wenn dies zu viel ist, mögest du dich auch nur öffnen, damit wir uns Küsse geben?
Nec sumus ingrati:
tibi nos debere fatemur, quod datus est verbis ad amicas transitus aures.`
nec - aber nicht
ingratus - undankbar
transitus, us m Durchgang, Zugang
Aber wir sind nicht undankbar: wir gestehen, dass wir bei dir in Schuld stehen, weil ein Durchgang für die Worte zu den befreundeten Ohren gegeben ist.
Talia diversa nequiquam sede locuti sub noctem dixere `vale` partique dedere oscula quisque suae non pervenientia contra. diversus - voneinander getrennt
nequiquam - vergeblich, ohne Erfolg
contra pervenire - auf der anderen Seite ankommen, gelangen
talia - derartig
Solches von getrennten Plätzen vergeblich gesprochen habend, sagten sie bei Nacht „tschüss“ und jeder gab seinem eigenen Teil (der Mauer) Küsse, die nicht auf die andere Seite gelangten.
Postera nocturnos aurora removerat ignes, solque pruinosas radiis siccaverat herbas: ad solitum coiere locum.
pruinosus - voll Reif
aurora - Morgenröte
nocturnus - nächtlich
pruinosae herbae - bereifte Gräser
radius - Strahl
siccare - trocknen
coire ad - zusammenkommen bei, sich treffen an
Die folgende Morgenröte hatte die nächtlichen Sterne beseitigt, die Sonne hat mit ihren Lichtstrahlen die bereiften Gräser getrocknet: sie kamen an ihrem gewohnten Ort zusammen.
Tum murmure parvo multa prius questi statuunt, ut nocte silenti fallere custodes foribusque excedere temptent, cumque domo exierint, urbis quoque tecta relinquant; neve sit errandum lato spatiantibus arvo, conveniant ad busta Nini lateantque sub umbra arboris: arbor ibi niveis uberrima pomis, ardua morus erat, gelido contermina fonti.
prius - vorher, zunächst
foris, is f - Tür
fores, ium f.pl.: Haustür (mit 2 Türflügeln)
tecta - Häuser
neve - et, ne
latus - weit, ausgedehnt
morus, i f - Maulbeerbaum
arduus - hoch
pomum, i m - Obst(frucht)
niveus - schneeweiß
gelidus - kalt, kühl
conterminus - angrenzend, benachbart
Dann beschließen sie, nachdem sie zunächst mit leisem Flüstern vieles beklagt haben, dass sie versuchen, die Wächter zu täuschen und in der stillen Nacht aus der Tür (den Türen) hinauszugehen und ,wenn sie aus dem Haus hinausgegangen sein werden, auch die Häuser der Stadt zu verlassen, und damit sich die durch die ausgedehnte Gegend Schweifenden nicht verirrten, am Grabe des Ninus zusammmenzukommen und sich unter dem Schatten des Baumes zu verbergen: der Baum dort war ein hoher Maulbeerbaum reichlich mit schneeweißen Früchten, an eine kühle Quelle angrenzend.
Pacta placent; et lux tarde discedere visa praecipitatur aquis, et aquis nox exit ab isdem.
pactum - Beschluss, Abmachung
praecipitari aquis im Wasser/im Meere versinken,
untertauchen
exit= oritur
Die Abmachungenn gefallen ihnen; und das Licht, das langsam zu verschwinden scheint, sinkt ins Meer, und aus dem gleichen Wassern steigt die Nacht auf.
Callida per tenebras versato cardine Thisbe egreditur fallitque suos adopertaque vultum pervenit ad tumulum dictaque sub arbore sedit: audacem faciebat amor.
callidus - listig, schlau
cardinem versare - die Türangel drehen = die Haustür öffnen
vultus, us m - Gesicht, Miene
tumulus - Grabhügel
sedere, eo, sedi - sich setzen
Nachdem die schlaue Thisbe die Türangel gedreht hat, schreitet sie durch die Dunkelheit und täuscht die Ihren und die , was ihr Gesicht anbelangt, Verhüllte gelangt zum Grabhügel und setzte sich unter den besagten Baum: die Liebe machte sie furchtlos.
Venit ecce recenti caede leaena boum spumantes oblita rictus, depositura sitim vicini fontis in unda.
rictus, us m. offener Mund, Rachen
oblinere, o, evi, litus - beschmieren, beflecken
sitis, is f - Durst
unda - Wasser, Strom, Welle
bos, bovis, Gen.pl. boum - Rind
caedes, is f - Töten, Mord, Mordblut, Blutbad, Ermordung spumantes rictus: Akk. der Beziehung (wie vultum)
Siehe, da kommt eine Löwin, mit frischem Mordblut von Rindern beschmiert, was den schäumenden Mund betrifft, damit sie im Strom der nahen Quelle ihren Durst löschen werde.
Quam procul ad lunae radios Babylonia Thisbe vidit et obscurum timido pede fugit in antrum, dumque fugit, tergo velamina lapsa reliquit.
luna - Mond
radius - Strahl
Babylonia - die Babylonierin
timidus - furchtsam, ängstlich
antrum - Höhle, Grotte
velamina a tergo lapsa - den vom Rücken herabgeglittenen Schleier
Die Babylonierin Thisbe sah diese von weitem bei den Strahlen des Mondes und sie floh mit ängstlichem Fuß in eine dunkle Höhle, und während sie floh, verlohr (hinterließ) sie den vom Rücken herabgeglittenen Schleier.
Ut lea saeva sitim multa compescuit unda, dum redit in silvas, inventos forte sine ipsa ore cruentato tenues laniavit amictus.
lea - Löwin
sitim compescere, ui - den Durst stillen
cruentatus - bluttriefend
laniare - zerfetzen
amictus, us m - Umhang
Sobald die wilde Löwin ihren Durst mit viel Wasser gestillt hat, hat sie , während sie in die Wälder zurückkehrt, den zarten Umhang (eigentl. pl.), den sie ohne Thisbe selbst zufällig fand, mit bluttriefendem Mund zerfetzt.
Serius egressus vestigia vidit in alto pulvere certa ferae totoque expalluit ore Pyramus;
serius (Adv.) - später als Thisbe
pulvis, eris m - Staub, Sand
fera - wildes Tier
os, oris n - Gesicht, Antlitz, Mund
expallescere, pallui - erbleichen
Pyramus, der später hinausgegangen war, sah die sicheren Spuren des wilden Tieres im tiefen Staub und erblasste über sein ganzes Gesicht;
ut vero vestem quoque sanguine tinctam repperit, „una duos“ inquit „nox perdet amantes, e quibus illa fuit longa dignissima vita, nostra nocens anima est:
vestis, is f - Kleidungs(stück)
tinctum zu tinguere - benetzen, färben
nostra - pl. maiestatis
nocens - schuldig
als er tatsächlich auch das mit Blut gefärbte Kleidungsstück entdeckte, sagte er „die eine Nacht wird zwei Liebende zugrunde richten, von denen sie eines langen Lebens am würdigsten gewesen wäre (eigentl. war), meine Seele ist schuldig:
ego te, miseranda, peremi, in loca plena metus, qui iussi, nocte venires, nec prior huc veni.
miserandus - beklagenswert
perimere - töten
prior quam tu
ich tötete dich, Beklagenswerte, der, ich befahl, dass du zu Orten voller Schrecken bei Nacht kommen solltest, und der ich nicht als erster hierher kam.
Nostrum divellite corpus et scelerata fero consumite viscera morsu, o quicumque sub hac habitatis rupe, leones!
divellere - zerreißen
sceleratus - verbrecherisch, frevelhaft
viscera n pl - Eingeweide
ferus - wild, grausam
consumere - hinwegraffen, vernichten
morsus, us m - Biss
rupes, is f - Fels
Zerreisst meinen Körper, und verzehrt die frevelhaften Eingeweide mit wildem Biss, oh ihr Löwen, alle, die ihr unter diesem Fels wohnt!
Sed timidi est optare necem.“
timidus - furchtsam, ängstlich
optare - nur zu wünschen
nex, necis f - (gewaltsamer) Tod
Aber es ist feige (ängstlich, Gen. possessivus: die Handlungsweise/Eigenschaft eines Feiglings), den Tod nur zu wünschen.
Velamina Thisbes tollit et ad pactae secum fert arboris umbram, utque dedit notae lacrimas, dedit oscula vesti, „accipe nunc“ inquit „nostri quoque sanguinis haustus!“
velamina (n pl) Thisbes - Thisbes Schleier
pactus - verabredet, vereinbart
umbra - Schatten
utque = et, ut
notus - bekannt, vertraut
notae zu vesti
osculum - Kuss
haustus, us m - Trunk
Er hebt Thisbes Schleier (pl) auf und trägt ihn mit sich zum Schatten des vereinbarten Baumes, und als er auf das bekannte Kleidungsstück Tränen gab, Küsse gab, sagt er „empfange nun auch den Trunk (pl) meines Blutes!“
Quoque erat accinctus, demisit in ilia ferrum.
quoque - et, quo
accinctus zu accingere - gürten ilia, ium n pl Eingeweide, Magen
Und er stieß sein Schwert, mit dem er umgürtet war, in seine Eingeweide.
Nec mora, ferventi moriens e vulnere traxit et iacuit resupinus humo: cruor emicat alte,...
nec mora sc. fuit= statim
fervens - heiß wallend
traxit sc. ferrum
resupinus - rücklings, auf dem Rücken
humo = humi - auf dem Boden
cruor, oris m - Blut
emicare - hervorspritzen
Sofort zog er es sterbend aus der Wunde, woraus heißes Blut bricht und er lag rücklings auf dem Boden: das Blut spritzt hoch hervor...
(, non aliter, quam cum vitiato fistula plumbo scinditur et tenui stridente foramine longas eiaculatur aquas atque ictibus aera rumpit.)
Arborei fetus aspergine caedis in atram vertuntur faciem, madefactaque sanguine radix purpureo tingit pendentia mora colore.
aspergo caedis eigentl. Bespritzung mit Blut
arboreus - Baum-
fetus, us m - Frucht
atra - schwarz, dunkel
vertere - verwandeln
facies, ei f - Aussehen, Äußeres
madefacere - nass machen, befeuchten
tingere - färben
Die Baumfrüchte werden durch die Bespritzung mit Blut in ein dunkles Aussehen verwandelt, und da die Wurzel mit Blut getränkt wurde, färbt sie die hängenden Maulbeeren mit purpurner Farbe.
Ecce metu nondum posito, ne fallat amantem, illa redit iuvenemque oculis animoque requirit, quantaque vitarit narrare pericula gestit;
fallere - enttäuschen, im Stich lassen
illa - Thisbe
requirere - suchen
gestire mit Inf. heftig verlangen/wünschen zu tun
Siehe, obwohl sie ihre Furcht noch nicht abgelegt hat, kehrt Thisbe zurück und sucht den jungen Mann mit Augen und Herz, damit sie den Geliebten nicht enttäuscht, und sie verlangt heftig zu erzählen, wievielen Gefahren sie entgangen ist;
utque locum et visa cognoscit in arbore formam, sic facit incertam pomi color: haeret, an haec sit.
ut... sic: zwar... aber
facit sc. eam
haerere, an... - im Zweifel sein/ schwanken, ob...
zwar erkennt sie den Platz und die Form im dem vorher gesehenen Baum wieder, aber die Farbe der Früchte (sg) macht sie unsicher: sie schwankt, ob es dieser (Baum) sei.
Dum dubitat, tremebunda videt pulsare cruentum membra solum retroque pedem tulit oraque buxo pallidiora gerens exhorruit aequoris instar, quod tremit, exigua cum summum stringitur aura.
tremebundus - zitternd (im Todeskampf)
membrum - Glied
pulsare - schlagen
cruentum solum - der blutige Boden
retro - rückwärts, zurück
ora gerens pallidiora buxo - das Gesicht bleicher (tragend/ habend) als Buchsbaum
exhorrescere, rui: erschaudern, zu zittern anfangen aequoris instar, quod: der Meeresfläche gleich, die tremere: zittern
exiguus: leicht, schwach
summum sc.aequor: die Oberfläche
stringere - streifen, leicht berühren
aura - Luftzug, Windhauch
Während sie zweifelt, sieht sie, dass zuckende Glieder den blutigen Boden schlagen und hebt den Fuß zurück (weicht einen Schritt nach hinten) und mit einem Gesicht bleicher als Buchs- baum (tragend) erschaudert sie gleichwie die Meeresfläche, die zittert, wenn ihre Oberfläche (ihr Oberstes) durch einen leichten Windhauch gestreift wird.
Sed postquam remorata suos cognovit amores, percutit indignos claro plangore lacertos et laniata comas amplexaque corpus amatum vulnera supplevit lacrimis fletumqui cruori miscuit et gelidis in vultibus oscula figens „Pyrame,“ clamavit „quis te mihi casus ademit?
remoratus - verweilend
amores statt amatum
percutere - schlagen, treffen
indignus - unverdient, unschuldig
clarus plangor - das laute Klatschen
lacertus - Arm
laniari comas - sich die Haare raufen
amplecti, plexus sum - umschlingen umarmen
supplere - anfüllen, auffüllen
fletus, us m - das Weinen, Tränenstrom
cruor - Blut, cruori= cruore
gelidus - kalt
adimere - wegnehmen figere - anbringen
oscula figere in - Küsse anbringen auf = küssen
Aber nachdem sie verweilend ihren Geliebten erkannt hat, schlägt sie mit lautem Klatschen ihre unschuldigen Oberarme und sich die Haare raufend und den geliebten Körper umarmend, füllte sie die Wunden mit Tränen auf und mischte den Tränenstrom mit dem Blut und während sie das kalte Gesicht küsste (auf das kalte Gesicht Küsse anbrachte), rief sie „Pyramus, welches Unglück hat dich mir weggenommen?
Pyramus, responde! Tua te, carissime, Thisbe nominat: exaudi vultusque attolle iacentes!“
tua te carissima Thisbe
vultus, us m - Miene, Gesicht, Antitz
exaudi/ attolle - verstärkend für audi/ tolle
Pyramus, antworte! Es ruft dich bei Namen, Liebster, deine Thisbe: höre und hebe dein tot daliegendes Gesicht!“
oder es ruft dich bei Namen, deine liebste Thisbe
Ad nomen Thisbes oculos iam morte gravatos Pyramus erexit visaque recondidit illa.
gravatus - beschwert, schwer
erigere - aufschlagen
recondere - wieder schließen
Bei Thisbes Namen schlug Pyramus seine durch den Tod schon schweren Augen auf und, nachdem er jene gesehen hatte, schloss er sie wieder.
Quae postquam vestemque suam cognovit et ense vidit ebur vacuum, „tua te manus“ inquit „amorque perdidit, infelix! Est et mihi fortis in unum hoc manus, est et amor: dabit hic in vulnera vires.
quae (Satzanfang) - diese
vestis, is f - Kleid, Kleidung
-que...et = et...et
ensis, is m - (zweischneidiges Lang-) Schwert
ebur, eboris m - Elfenbein- sc. Schneide Metomymie =ein Wort wird in einer unüblichen, aber mit seinem Inhalt zusammenhängenden Bedeutung gebraucht: das Material anstelle des Produkts
vacuus aliqua re (+ Abl.) - leer von etw., ohne etw. infelix, icis - unglücklich, unselig
et = etiam
in hoc unum - zu diesem einen = Selbstmord
est et amor sc. mihi fortis
in vulnera - zur Verwundung
Diese sagte, nachdem sie ihre Kleidung erkannt und gesehen hatte, dass die Elfenbeinscheide ohne Schwert war: „deine Hand und die Liebe haben dich, Unglücklicher, zugrunde gerichtet!
Auch ich habe zu diesem einen eine starke Hand und (eine starke) Liebe: dies wird mir Kräfte zur Verwundung geben.
Persequar extinctum letique miserrima dicar causa comesque tui;
persequar = sequar
extingere - auslöschen, umkommen, töten
extinctum sc. te
letum - Tod
Möge ich dir, Getötetem, folgen und möge ich, Allerelendigste, die Ursache und die Gefährtin deines Todes genannt werden;
quique a me morte revelli heu sola poteras, poteris nec morte revelli.
quique = et tu, qui
revelli ab aliquo - j-m entrissen werden
heu - ach, wehe mir
nec morte = ne morte quidem
revelli sc. a me
und du, ach weh mir, der durch den Tod alleine mir entrissen werden konntest, wirst mir ( trotzdem) nicht durch den Tod entrissen werden können.
Hoc tamen amborum verbis estote rogati, o multum miseri, meus illiusque parentes, ut, quos certus amor, quos hora novissima iunxit, componi tumulo non invideatis eodem.
hoc (rogare) - um dies/ darum (bitten) bereitet den ut-Satz vor
ambo, orum beide
berbis alicuius - in j-s Namen
estote rogati Imper. 2.P.pl zu esse, feierliche Ausdrucksweise
multum (Adv.) sehr zu miseri
meus illiusque parentes = meus parens et parens illius,
Angerufenen sind nicht anwesend!
ut schließt an hoc estote rogati an
non invidere mit Inf - nicht neiden, nicht missgönnen, dass...
tumulus- Grabhügel, Grab
componere - (zusammenlegen:) beisetzen, bestatten
novissimus - der letzte
Seid um dieses trotzdem im Namen beider gebeten, oh ihr sehr unglücklichen Väter, meiner und der seine, dass ihr denen nicht missgönnt, in demselben Grab bestattet zu werden, die die unbestreitbare Liebe und die letzte Stunde verbindet.
At tu, quae ramis arbor miserabile corpus nunc tegis unius, mox es tectura duorum, signa tene caedis pullosque et luctibus aptos semper habe fetus, gemini monumenta cruoris.“
ramus - Zweig
miserabilis, e - beklagenswert
pullus - dunkelfarbig
caedes, is f - Töten, Mord, Mordblut, Blutbad, Ermordung
luctus,us m - Trauer
aptus - passend, angemessen
fetus, us m - Frucht
geminus - doppelt, zweifach
cruor - Blut, Blutstrom, Mord, Blutvergießen
Aber du, Baum, der du mit deinen Zweigen nun den beklagenswerten Körper von einem bedeckst, wirst bald die (Körper) von zweien bedecken, trage als Zeichen der Ermordung immer der Trauer (pl) angemessene dunkelfarbige Früchte, als Denkmal für das doppelte Blutvergießen.“
Dixit et aptato pectus mucrone sub imum incubuit ferro, quod adhuc a caede tepebat.
mucronem aptare - die Schwertspitze ansetzen
sub imum pectus - direkt unterhalb der Brust
imum = inferus - unter
incumbere, cubui alicui rei - sich in etw. stürzen
adhuc - noch immer
a caede - vom Mordblut/Töten tepere - warm sein
So hat sie gesprochen, und als sie die Schwertspitze direkt unterhalb der Brust angesetzt hatte, stürzte sie sich in das Schwert, das noch warm war vom Mordblut/Töten.
Vota tamen tetigere deos, tetigere parentes: nam color in pomo est, ubi peraturuit, ater, quodque rogis superest, una requiescit in urna.“
votum - Wunsch, Bitte vota sc. Thisbes
tamen - jedoch obwohl sie sonst kein Verständnis fanden fürihre Liebe
tangere - berühren, Eindruck machen auf
tetigere deos...parentes sachliche Ungereimtheit, denn die
Götter waren nicht gebeten worden und die Eltern könnten dieWünsche nicht hören.
pomum - Frucht des Maulbeerbaumes
permaturescere, rui - ganz ausreifen
ater - dunkel
rogus, i m/rogis - von den Scheiterhaufen
superesse + Dat. - übrig bleiben
requiescere - ruhen
urna - Urne
Frequently asked questions
What is "Pyramus & Thisbe (Ovid)" about?
The text presents the tragic love story of Pyramus and Thisbe. They live in adjacent houses in a city surrounded by brick walls, supposedly built by Semiramis. Their parents forbid them from marrying, but they communicate through a crack in the wall between their houses.
How do Pyramus and Thisbe communicate?
They speak through a small crack (rima) in the wall that separates their houses, exchanging whispers and sweet nothings (blanditiae).
What is the role of the wall in their story?
The wall is both a barrier and a means of connection. It prevents them from being physically together but allows them to exchange words and feelings.
What is their plan to escape their parents' disapproval?
They plan to meet secretly at night near the tomb of Ninus under a mulberry tree with snow-white fruit located near a cold spring.
What happens to Thisbe at the meeting place?
While waiting for Pyramus, Thisbe encounters a lioness with a bloody mouth from a recent kill. Frightened, she flees into a cave, dropping her veil (velamina) in the process.
What does the lioness do with Thisbe's veil?
The lioness, returning to the forest, finds Thisbe's veil and tears it apart with its bloody mouth.
What does Pyramus find when he arrives?
Pyramus finds the torn and bloodied veil and assumes that Thisbe has been killed by a wild beast.
What is Pyramus' reaction to finding the veil?
Believing Thisbe is dead, Pyramus blames himself for her death and decides to take his own life, feeling responsible for her fate. He stabs himself with his sword.
What happens to the mulberry tree after Pyramus' death?
Pyramus' blood splatters on the white mulberries, turning them dark red. The roots, soaked in his blood, dye the hanging mulberries a purple color.
How does Thisbe react when she finds Pyramus dead?
Thisbe returns to find Pyramus dying. Recognizing the veil and the situation, she grieves intensely, lamenting his death and expressing her desire to join him.
What does Thisbe do after discovering Pyramus' body?
Thisbe decides to take her own life with Pyramus' sword, declaring that she will follow him in death and be known as the cause and companion of his demise.
What is Thisbe's final request before she dies?
Thisbe asks their parents to allow them to be buried together in the same tomb, as they were united in love and death. She also addresses the mulberry tree, asking it to bear dark fruits as a memorial to their tragic deaths.
How does the story end?
The gods and the parents are moved by Thisbe's plea. The color of the mulberries remains dark, and Pyramus and Thisbe are buried together in one urn, fulfilling their final wish.
- Quote paper
- Agnes Irina Jaklin (Author), 2001, Pyramus & Thisbe (Ovid), Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/104074